Parteien genehmigen sich mehr Geld

Der Bundestag regelt die Parteienfinanzierung neu. Künftig erhalten die Apparate pro Jahr bis zu 185 Millionen Euro. In einer Legislaturperiode summiert sich das auf 740 Millionen. Das erspart den Parteien auch hohe Rückzahlungen. Nur die AfD ist dagegen.

IMAGO

In seiner letzten Neujahrsansprache hat Olaf Scholz die Bürger geradezu angefleht, sie mögen doch bitteschön sparen. Da ging es um Energie. Bei sich selbst und der Kaste der Berufspolitiker, die er maßgeblich vertritt, ist der Bundeskanzler wesentlich freigiebiger – ganz sicher jedenfalls, wenn es ums Geld geht.

Und es möge niemand sagen, unsere Parteien würden sich nur noch streiten. Erst am Donnerstag waren sich im Bundestag alle (außer der AfD) völlig einig. SPD, Grüne, FDP, CDU/CSU und Linke haben einträchtig und gemeinsam abgestimmt.

Sie taten es für einen guten Zweck: für Geld.

Die Parteien haben sich ihre Staatszuschüsse selbst erhöht. Künftig bekommen sie höchstens 184.793.822 Euro. Jedes Jahr, wohlgemerkt. In einer normalen vierjährigen Wahlperiode summiert sich das auf grob 740 Millionen Euro – fast eine dreiviertel Milliarde.

Zur Einordnung: Der durchschnittlich verdienende alleinstehende Bürger in Deutschland zahlt nach einer Berechnung vom Bund der Steuerzahler 30.500 Euro an Steuern und Abgaben jährlich. Das heißt, dass weit mehr als 6.000 Menschen bei uns jedes Jahr unterm Strich nur für die Parteien anschaffen gehen.

Mit der Neuregelung umgehen die Parteien auch de facto ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) – und sie ersparen sich horrende Rückzahlungen, die durch das Urteil fällig geworden wären. Das kommt so:

2017 hatten die Parteien noch knapp 162 Millionen Euro eingesackt. Das war den nimmersatten Schatzmeistern lagerübergreifend viel zu wenig. Die Große Koalition unter Angela Merkel erhöhte deshalb 2018 die gesetzlich zulässige jährliche Obergrenze mit einem Schlag auf 190 Millionen Euro.

Urteil aus Karlsruhe
Bundesverfassungsgericht kassiert Erhöhung der staatlichen Parteienfinanzierung
Dagegen klagten die damaligen Oppositionsparteien Bündnis’90/Grüne, FDP und „Linke“. Erst jetzt – genauer: im Januar dieses Jahres – hat das BVerfG sein Urteil in der Sache gesprochen. Die Erhöhung von 2018 wurde für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Vor allem beanstanden die Richter, dass das Ganze damals nicht vernünftig begründet wurde: Die Große Koalition hatte nämlich im Gesetz einfach nur die Zahl geändert und darauf verzichtet zu erklären, warum sie das tut bzw. wieso das überhaupt nötig sei.

In dem Urteil werden die Parteien auch dazu aufgefordert, das seit 2018 zu Unrecht erhaltene Geld an die Staatskasse zurückzuzahlen. Das sind in Summe inzwischen 125 Millionen Euro. Die Neigung, das zu tun, hält sich bei allen Parteien außer der AfD in engen Grenzen. Und wegen einer fehlenden Begründung will man sich diesmal auch nicht mehr stoppen lassen. Die Erhöhung der Zuschüsse erklärt man jetzt mit „einschneidenden Veränderungen“: Die Parteien müssten schließlich die Digitalisierung finanzieren, auch gebe es „veränderte Partizipationsanforderungen“.

Was schon blumig klingt, ist bei näherem Hinsehen noch fragwürdiger. Die Parteien argumentieren unter anderem damit, dass Online-Parteitage aufwändig und teuer seien. Aber Reise- und Unterbringungskosten fallen da ja ebenso weg wie die Kosten für Saalmiete und „Bunte Abende“ zur Bespaßung der Delegierten. Das schwant auch den Parteimanagern, also rechtfertigen sie sich mit Hacker-Angriffen, gegen die man sich wehren müsse.

Auch Online-Kampagnen sind eher günstiger als der klassische Old-School-Straßenwahlkampf. Zudem gehen die Parteien offenbar wie selbstverständlich davon aus, dass sie digitale Projekte immer nur zusätzlich anschieben – und alles andere trotzdem im selben Umfang weitergemacht wird wie bisher. Das Konzept, Mittel umzuschichten, scheint in den Bundesgeschäftsstellen unbekannt.

Weshalb man schließlich mehr Geld braucht, weil die Mitmachansprüche der Mitglieder (und der Bevölkerung generell) gestiegen sind, ist auch unverständlich. Die Parteien begründen damit trotzdem „nachvollziehbare finanzielle Mehrbedarfe“ in den Bereichen Digitalisierung und Partizipation.

Auch bei Bündnis’90/Grünen, der FDP und der „Linken“ hat man mittlerweile umgedacht. Die Grünen und die FDP sind inzwischen in der Regierung. Dort bekämpfen sie sich schlimmer als zu Oppositionszeiten, und das verschlingt natürlich Ressourcen – also: Geld. Und die SED-PDS-Linke verliert gerade wegen des Abgangs von Sahra Wagenknecht ihren lukrativen Fraktionsstatus im Bundestag.

Da kann mehr Geld für die Partei ja auch nicht schaden.

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Kommentare ( 82 )

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Franjo
5 Monate her

Wenn es um unser Geld geht sind sie sich ALLE IMMER einig!

K.Selberdenker
5 Monate her

Passt ins Bild , tut aber nichts zur Sache, warum soll ein korrupter Haufen von Dilettanten sich um ihr Image Sorgen machen.

Dr_Dolittle
5 Monate her

Warum darf ich als Vertragsarzt mit derselben Begründung eigentlich nicht die kassenärztliche Honorarverteilung zu meinen Gunsten „verbiegen“ oder die private Gebührenordnung nach 50 Jahren endlich mal an die Inflation anpassen? Sind da manche etwa gleicher als andere?

Britsch
5 Monate her

est ist doch normalerweise ein UNding,
daß Sich die Parteien Ihre Bezüge selbst erhöhen können,
schließlich ist es das Geld der Steuerzahler.
Genau so verhält es sich mit den Bezügen der Einzelnen.
Das Volk wird zum eigenen Vorteil hemmungslos ausgenommen.
Der ganze „Apparat“ wird maßlos aufgebläht. Je unfähiger um so mehr Verwaltung und Brumborium

Anti-Merkel
5 Monate her

Parteienfinanzierung sollte eine Sache der Parteimitglieder sein. Warum sollte ich als Steuerzahler Parteien subventionieren, die ich von Grund auf ablehne?
Es gibt keinen legitimen Grund, warum ich die Grün*innen durchfüttern sollte, oder warum jemand von denen die AfD finanzieren sollte (die aber wahrscheinlich sowieso wieder per Spezialregel davon ausgenommen wird – wahrscheinlich bekommt sie eine Rechnung in Milliardenhöhe für den überwachungsaufwand des Verfassungsschmutzes).

bkkopp
5 Monate her

Für die AfD ist es sehr billig dagegen zu sein. Sie wissen, dass es keine Konsequenzen für die eigene Kasse haben wird. Andererseits will die AfD, genau wie alle anderen, eine staatsfinanzierte “ Parteistiftung “ zur Abzocke von Staatsknete. Fast schon amüsant ist, dass diese Stiftung einen Namen trägt, mit dem mindestens 99% der Mitglieder, Funktionäre und Wähler, ohne bei Wikipedia nachzusehen, absolut nichts anfangen können. Der gewählte Namenspatron hat auch mit einer national-konservativen Partei von heute nichts zu tun. In Sachen Parteifinanzierung aus Steuermitteln ist die AfD alles eher als alternativ.

Siggi
5 Monate her
Antworten an  bkkopp

Sie lügen. Warum ist eigentlich auch klar. Wer bedient sich denn gerade rechtswidrig zur Parteienfinanzierung? Wer schiebt den Stiftungen der Alt-Parteien Milliarden zu; und das alles, weil ihnen wegen der miesen Politik die Wähler weglaufen?

Laurenz
5 Monate her

Die Bürger wollen doch das letzte Hemd in den Steuertopf tun, sonst hätten sie so nicht gewählt. Man weiß doch, daß der Rote Adel von Union bis die Linke nichts anderes kann, als die Leibeigenen mit Fron schinden & das Geld verschleudern. Der Maso-Michel braucht die Schmerzen auf dem Konto.

AnSi
5 Monate her

Jedes Kartell in Mexico oder die Mafia wären froh, wenn es bei ihnen so einfach wäre! Die müssen die Juxtiz noch mit Geld schmieren. Bei uns werden einfach die Unfähigsten eingesetzt und kräftig geschmiert, zack schon gibt es keine Urteile mehr und alles geht weiter wie bisher oder wird sogar noch schlimmer. Erschreckend ist, dass das auch in den Vorständen oder Manageretagen der Betriebe immer weiter um sich greift…

Freiheit fuer Argumente
5 Monate her

Geld ist Macht.
Wer sich fragt, warum Figuren wie Lindner oder Faeser von ihren Parteien noch nicht in die Wüste geschickt wurden: Diese Leute haben so viel Geld zu verteilen und so viele bequeme Jobs für mäßig Qualifizierte zu vergeben, dass jeder Funktionär Angst hat, sein Pöstchen zu verlieren, wenn er aufmuckt. Umgekehrt ist bedingungslose Loyalität zum Führingspersonal, ein Garant für den Aufstieg in diesen clanartig funtkionierenden Strukturen. Die Vernetzung mit anderen Verbänden ergibt eine regelrechte Jobbörse für treue Parteisoldaten. Wie das funktioniert, konnte man z.B. beim Franfurter AWO-Skandal sehen. Auch beim ÖRR kann man verdiente Leute versorgen.

StefanB
5 Monate her

Würden sich die Wähler dafür interessieren, wie ihr Steuergeld auf mafiöse Weise veruntreut wird, würden sie vielleicht anders wählen. Aber sie interessieren sich nicht dafür. Es geht ihnen immer noch zu gut.

Siggi
5 Monate her
Antworten an  StefanB

Jeden Tag erfährt man, wie diese Regierung sich an den Steuergeldern vergeht. Leider ist die Berichterstattung im Verhältnis zum tatsächlichen Missbrauch bescheiden. Wir füttern unsere Gegner, holen die Übelsten ins Land und diese Regierung glaubt, damit ungeschoren davon zu kommen. Diese Politik wird nicht scheitern, sie ist es bereits, und das in einem Ausmaß, das diese Regierung gar nicht mehr korrigieren kann, ohne ihre eigne zuvor abgelieferte Politik als Verbrechen zu entlarven. Die Wähler der Grünen, Linken, CDU/CSU und der miesen SPD, die immer noch glauben, mit der Wahl dieser richtig zu liegen, werden aus allen Wolken fallen, wenn sie… Mehr