Olaf Scholz: Zugbrücke hoch und Realität leugnen

Das ZDF-Politbarometer attestiert: Null Prozent der Befragten wollen die Ampel-Koalition. Olaf Scholz ist zugleich unbeliebter denn je. Selbst die eigenen Anhänger wollen ihn nicht mehr. Und um die Kritiker im eigenen Stall und auch außerhalb den Wind aus dem Segel zu nehmen, deklamiert er: „Boris Pistorius will, wie viele andere, dass ich wieder als Kanzler antrete.“

picture alliance/dpa | Patrick Pleul

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Die SPD des Kanzlers Olaf Scholz dümpelt bei der Sonntagsfrage derzeit bei 14 bis 15 Prozent vor sich hin. Bei den Wahlen der letzten elf Monate in den Bundesländern waren es für die Scholz-SPD meist noch weniger, zum Teil viel weniger als 10 Prozent: am 1. September 2024 dünne 6,1 Prozent in Thüringen und 7,3 Prozent in Sachsen. Am 8. Oktober 2023 kam die SPD in Bayern auf 8,2 Prozent, am selben Tag in Hessen mit SPD-„Spitzenfrau“ Nancy Faeser reichte es nur für 15,1 Prozent auf Platz 3 – deutlich hinter der AfD und ganz knapp vor den Grünen. https://dawum.de/SPD/

Im (vormaligen) SPD-Stammland Brandenburg droht der Scholz-Partei am 22. September bei den Landtagswahlen ein Absturz auf 21 Prozent. Man vergesse nicht: Scholz hat seinen Bundestagswahlkreis in Brandenburg; wie übrigens auch seine weltweit mit Vielfliegerei stets übermotiviert um Renommee ringende „grüne“ Außenministerin Baerbock. Die AfD kann im Scholz-/Baerbock-Land auf Platz 1 mit 28 bis 29 Prozent rechnen; die Grünen müssen um ihren erneuten Einzug ins Parlament bangen.

Und überhaupt: Wäre aktuell Bundestagswahl, dann erzielten die „Ampel“-Parteien“ laut INSA vom 6. September in der Summe gerade eben 29 Prozent: SPD 15, Grüne 10, FDP 4. Das sind weniger als die ohnehin dürftigen 31 Prozent, die die CDU bekäme. „Dürftig“ vor dem Hintergrund des permanenten „Ampel“-Desasters! Merz schafft es nicht, daraus mehr Honig zu saugen. Die AfD käme auf 19, die Phantom-, Kader- und One-Woman-Ikonen-Partei BSW auf 10 Prozent. Oder noch anders gerechnet: Die „Ampel“-Parteien erzielten soeben in Sachsen in der Summe mit 13,3 Prozent gerade etwas mehr als ein Drittel der AfD-Stimmen (30,6). Und Thüringen ist es noch krasser. Dort kamen die „Ampel“-Parteien in der Summe auf 10,4 Prozent, die AfD allein auf mehr als das Dreifache: 32,8.

Dazu: Laut ZDF-Politbarometer wollen 0 (in Worten: Null) Prozent der Befragten auch zukünftig die „Ampel“-Koalition. Und Olaf Scholz ist unbeliebter denn je. Selbst die eigenen Anhänger wollen ihn nicht mehr. Klar, der Regierungschef eines Landes wie Deutschland und SPD-„Spitzenmann“ Scholz kann so etwas nicht unkommentiert lassen. Das tut er denn auch. Allerdings in einer Art und Weise, für deren Einordnung man in Lehrbüchern der Wahrnehmungs- und Gedächtnispsychologie oder Psychopathologie nach Begriffen sucht.

Scholzens „Rechen“-Künste

Was gibt Scholz von sich? Der Knallersatz lautet: „Ich rechne fest damit, dass die SPD und ich auch die nächste Regierung anführen werden.“ Im Mathematikunterricht kennt man das als Mathasthenie bzw. Dyskalkulie.

Diese „Rechnung“ gibt Scholz jedenfalls am 7. September im „Tagespiegel“ zum Besten. Bereits die Antwort auf die erste Interviewfrage hat es in sich: „Herr Bundeskanzler, sind Sie noch der Richtige, um Deutschland zu dienen?“ Antwort Scholz: „Klar. Die Bundesregierung hat große Krisen gemeistert, insbesondere nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Wir haben sichergestellt, dass die Wohnungen warm bleiben und die Industrie weiter produzieren kann.“ Letzteres erinnert fatal an des Wirtschaftsministers Robert Habeck (Grüne) Definition von Insolvenz vom September 2022 bei „Maischberger“: „Ich kann mir vorstellen, dass bestimmte Branchen einfach erstmal aufhören zu produzieren.“ Das seien nicht automatisch Insolvenzen, aber sie hören vielleicht auf zu verkaufen“, sagte Habeck.

Warum verbreitet Scholz solche Radio-Eriwan-Botschaften im „Tagesspiegel“? Klar, damit es nicht zu viele Bürger und Wähler mitbekommen. Die Zahl der Leser, die hier den Kopf schütteln, ist nämlich erheblich geringer, als wenn Scholz das in einem „großen“ ARD- oder ZDF-Interview vom Stapel gelassen hätte.

Muss man Scholzens Interview im „Tagesspiegel“ ganz lesen? Eigentlich nicht. Allenfalls interessant sind zwei Passagen. Wenn Scholz etwa sagt: Auch Pistorius wolle wie viele andere, „dass ich wieder als Kanzler antrete.“ Nein, so taktisch minderbemittelt ist Pistorius nicht, etwas anderes zu suggerieren. Vorläufig, seine Zeit kommt noch. Hier ist interessant, dass Pistorius das nicht selbst öffentlich verkündet.

Oder wenn Scholz sagt: „Im Übrigen habe ich in meinem politischen Leben schon einige Wahlen gewonnen, obwohl Umfragen das nicht nahelegten.“ Das klingt nach einem Merkelschen „Wir schaffen das!“ Scholz erinnert hier implizit daran, dass seine SPD bei der „Sonntagsfrage“ noch im Frühjahr 2021 bei 16 bis 18 Prozent lag, bei der Bundestagswahl am 26. September 2021 aber doch 25,7 Prozent einfuhr. Allerdings: Dazwischen hatte die CDU den Merkel-Favoriten Armin Laschet zum Kanzlerkandidaten gekürt. Ein vergleichbarer Fehlgriff sollte der CDU samt CSU zur Wahl 2025 wohl nicht unterlaufen.

Nicht einmal die Brandenburg-SPD will Scholz

Nun gut: Scholz bekommt den Rücken von „Größen“ wie Kevin Kühnert, Saskia Esken und Karl Lauterbach gestärkt. Warum wohl? Die drei dieser Kategorie würden mit einem in der Versenkung verschwundenen Scholz im gleichen Moment ebenfalls im SPD- und im medialen Nirwana verschwinden. Lauterbach voran: Hat er doch Scholz zum „besten Kanzler, den wir je hatten“ erklärt. Lauterbach: der größte Gesundheitsminister, wo gibt und es jemals gab! Gottlob ist der Diagnose-Gigant Lauterbach kein praktizierender Arzt.

Vor Ort sieht man das anders: Brandenburgs SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke möchte Scholz nicht im Wahlkampf haben. Und Brandenburgs SPD-Vize und Finanzministerin Katrin Lange empfiehlt der SPD-Bundes-Co-Vorsitzenden Esken und dem SPD-„General“ Kühnert, mindestens bis zur Brandenburg-Wahl am 22. September auf Talkshow-Auftritte zu verzichten.

Scholz und der Dunning-Kruger-Effekt

Und Scholz selbst? Er ist ein bestenfalls mittelmäßig begabter Schauspieler, der mit aufgesetzt überheblich-zynischem Lächeln auf Hochstapler macht und Überlegenheit mimt. Dunning-Kruger-Effekt nennt man das seit 1998 in der Psychologie – benannt nach den beiden US-Psychologen David Dunning und Justin Kruger. Beide hatten festgestellt, dass Unwissenheit oft zu mehr Selbstvertrauen führt als Wissen. Mit anderen Worten: Diese Leute überschätzen sich maßlos, und sie unterschätzen ihr Umfeld. Letzteres dürfte gerade bei Scholz der Fall sein: Er hält die Wählerschaft für so bescheuert, ihn, Scholz – wie von Prof. Dr. med. Karl Lauterbach vorgegeben – für den größten Kanzler aller Zeiten („GröKaZ“) zu halten.

Kognitive Dissonanz zugunsten der Einbildung kann man das nennen, oder auch progrediente Paranoia. Einflüsterer, die Scholz darin bestärken, stehen bereit. Aber diese Einflüsterer sind Leichtmatrosen; siehe Kevin Kühnert oder Saskia Esken. Was Scholz ansonsten in Kabinett und Fraktion im Rücken hat, kann er ohnehin abhaken. Sollten ihm etwa eine spendable Entwicklungshilfeministerin Svenja Schulze oder eine restlos erfolglose Bauministerin Klara Geywitz beispringen? Geywitz wer? Das war Ende 2019 Scholzens Tandempartnerin bei der erfolglosen Bewerbung der beiden um den SPD-Vorsitz. Oder soll eine Nancy Faeser Scholz beispringen? Sie hat ja bei der Wahl zum Hessischen Landtag vom 8. Oktober 2023 bewiesen, wie man die SPD mit 15,1 Prozent auf Platz 3 eindost.

Apropos Gedächtnispsychologie: Man unterscheidet zwischen Störungen des Langzeit- und des Kurzzeitgedächtnisses. Bei Scholz scheint mittlerweile beides angeknackst: In Sachen Cum-Ex-, Cum-Cum und Warburg-Bank dürfte er (proaktiv?) einer Störung des Langzeitgedächtnisses ausgesetzt sein. Diese „Sachen“ liegen ja mehr als sieben Jahre zurück. Um Störungen des Kurzzeitgedächtnisses handelt es sich, wenn das „Vergessene“ (oder traumatisch Verdrängte) gerade eben eine Woche zurückliegt: Siehe die Wahlen vom 1. September. Solche Erinnerungslücken dürften ein noch gravierenderes gedächtnispsychologisches Erscheinungsbild sein. Für einen Regierungschef kein Bewerbungskriterium.

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Kommentare ( 45 )

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Haba Orwell
1 Monat her

> Merz schafft es nicht, daraus mehr Honig zu saugen.

Vielleicht liegt es daran, dass er fast die gleiche Politik umsetzen möchte – aber mit noch mehr Kriegstreiberei? Nur die Tröge sollen neu zugewiesen werden.

Teiresias
1 Monat her

Es gibt durchaus ine Möglichkeit, wie Scholz mit der SPD Kanzler der nächsten Regierung bleibt:
Der Kriegseintritt der Bundeswehr in der Ukraine.
Im Krieg fallen die Wahlen aus.
Für Scholz auch eine Möglichkeit, potentielle Cum-Ex-Aufarbeitungen auszusitzen bis zur Verjährung.
Ich fürchte, er wird sein Bestes tun.
Hoffen wir, daß sein Bestes wie üblich nicht reicht.

Last edited 1 Monat her by Teiresias
Endlich Frei
1 Monat her

Ein Ende dieses Jammers ist nur noch möglich durch demokratische Wahlen, bevor auch diese verboten werden.

johndoe19
1 Monat her

„Ich rechne fest damit, dass die SPD und ich auch die nächste Regierung anführen werden.“ Vielleicht weiss Scholz mehr als der Autor und auch ich. Ich habe nirgends gelesen, dass Scholz aufgrund der nächsten BT-Wahl auf den Kanzlersessel zurückkehrt. Es könnte also gut sein, dass im Hintergrund schon fleissig an den Klageschriften für das Verbot von AfD und BSW gearbeitet wird und diese Klagen nach der LT in Brandenburg öffentlich und mit viel Brimborium auf den Weg gebracht werden. Möglicherweise hofft er, damit seine Handlungsfähigkeit beweisen zu können um deshalb wieder in den besagten Sessel zu kommen. Vielleicht ist er… Mehr

Kassandra
1 Monat her
Antworten an  johndoe19

Röper übersetzte neulich, was Russen erfahren haben wollen, wobei er wie auch Danisch, der das betrachtete, im Moment noch stark von VT ausgehen – wobei Danisch ja schon am eigenen Leib zu spüren hatte, wie Konten gekündigt werden. Das, was Röper öffentlich macht, geht aber weit darüber hinaus: Hat die Bundesregierung einen Plan zur Ausschaltung der AfD?Vielleicht lohnt sich, das tatsächlich im Hinterkopf zu behalten?

Mikmi
1 Monat her

Gigantischer Stellenabbau in Deutschland, die Ampel liefert.
Von Fachkräftemangel kann dann keine Rede mehr sein, die Asylanten können draußen bleiben, wir haben ja jetzt genug Nachschub, noch ein wenig bearbeiten, dann sind diese Leute auch zu Niedriglöhnen zu haben.

Kassandra
1 Monat her
Antworten an  Mikmi

Heil tönt, den Mindestlohn weiter erhöhen zu wollen.
Dass das alle anderen Löhne nach sich ziehen wird, lässt sich durch Bidens Reform in den USA betrachten. Da sind immer mehr nicht mehr fähig, sich die Nahrungsmittel für den laufenden Monat leisten zu können.

Petra G
1 Monat her

Gut analysiert, mit einer Ausnahme.
Die 31% der CDU sind überhaupt nicht mager. 15% wären vielleicht gerechtfertigt! Wenn man überlegt, dass die CDU an ALLEM, was dieses Land gerade in die Knie drückt haupt-, oder mitverantwortlich ist, kann man nicht verstehen, warum sich ein Drittel der Wähler immer noch eine Verbesserung durch diese, von Merkel umgedrehte Partei, versprechen. Zudem die Kern-CDU immer noch voll hinter ihrer Vernichterin steht!

GR
1 Monat her

Vielleicht weiß er mehr und Nanzi hat schon einen Notstand vorbereitet, mit dem die Wahlen auf unbestimmte Zeit ausgesetzt werden. Dann bleibt er Kanzler.

Tomas Kuttich
1 Monat her
Antworten an  GR

Als wenn so etwas durch das Innenministerium geregelt werden könnte… Ich empfehle Ihnen politische Bildung. Naja, PISA lässt halt grüßen…

Kassandra
1 Monat her
Antworten an  Tomas Kuttich

Grenzkontrollen rundum will sie heute schon mal eingeleitet haben. Wahrscheinlich aus Gründen, die uns beunruhigen werden.

LF
1 Monat her

Ein fantastischer Artikel, der den Gesundheitszustand unseres Kanzlers perfekt widerspiegelt. Und leider auch über 15 % seiner Wähler nachdenklich macht.

Felix Fortinbras
1 Monat her

Eine Bitte an Journalisten aller Art: verzichten Sie auf den „Dunning-Krueger-Effekt.“ Er existiert nicht, wurde von den Forschern slelbst nicht behauptet und dieser „Effekt“ kann mit reinen Zufallsdaten zuverlässig reproduziert werden.
Experts Say People Aren’t Smart Enough – William M. Briggs (wmbriggs.com)
The Dunning–Kruger effect is (mostly) a statistical artefact: Valid approaches to testing the hypothesis with individual differences data (gwern.net)

Der Ingenieur
1 Monat her
Antworten an  Felix Fortinbras

Stimmt.

Der Dunnig-Kruger-Effekt ist wohl nur eine „nette“ Umschreibung für eine „Narzistischen Persönlichkeitsstörung“.

Last edited 1 Monat her by Der Ingenieur
Nibelung
1 Monat her

Er wird noch unter dem Image von Merkel liegen und sich in die Riege der schlechtesten Kanzler einreihen müssen, denn sein Ansehen reicht gerade mal für die zweite Reihe aus, wie andere trefflich bemerkten und da kann man es sogar noch verstehen, daß er noch bis zum Ende durchhalten will, was sich aber spätestens nach der Brandenburg-Wahl von allein erledigen wird, wenn sie danach auseinander brechen. Das ist keine Politik von Leuten, die es gut meinen mit dieser Republik, denn sie sind Getriebene durch eigenes Verhalten, was damit nur einem nützt und das sind all jene, die für uns noch… Mehr