Wie immer: Christian Lindner fällt wieder um

Noch vor wenigen Wochen wollte Christian Lindner „alles tun, um eine Energiekrise in unserem Land abzuwenden“ – mit Hilfe der Kernenergie. Nun stellt er lapidar fest: Die Frage sei „jetzt einfach mal entschieden, da muss man auch sagen, jetzt ist Ende“.

IMAGO / NurPhoto
Bundesfinanzminister Christian Linder mit Bundeskanzler Olaf Scholz im Kanzleramt, 02.11.2022

Man kann der FDP nicht vorwerfen, dass sie nicht für ihre Überzeugungen eintreten würde. Allerdings nur deswegen, weil sie offensichtlich eben keine Überzeugungen besitzt. Kaum etwas, was sie mit großem rhetorischen Aufwand vertritt, räumt sie nicht mit gleichem rhetorischen Aufwand wieder ab. Und ihr Vorsitzender eifrig vorneweg.

In welch beeindruckende Kampfespose hatte sich nicht FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner in der Frage der Kernkraft und des Betriebs der deutschen AKWs geworfen? Die politische Bühne betrat ein liberaler Recke ohnegleichen. Am 29. August verkündete Lindner vollmundig, dass ein gravierender Strommangel droht, „den man auch mithilfe der Atomkraft bekämpfen sollte“, und konstatierte: „Unsere Städte werden teilweise dunkler sein, weil wir Strom sparen müssen. In einer solchen Situation verzichten wir dann aber auf sichere und klimafreundliche Möglichkeiten der Stromproduktion wie die Kernenergie? Mich überzeugt das nicht.“ Nicht nur ihn nicht. Viele im Land ebenfalls nicht. Aus seiner Sicht sei ein Mix aus Flüssig-Erdgas, Gasförderung in Europa, Kohle – und eben auch Atomkraft notwendig: „Mein Rat an uns: Nicht zu wählerisch sein, sondern alles tun, um eine Energiekrise in unserem Land abzuwenden.“

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Lindner zeigte sich damals ziemlich sicher, dass vieles für den Weiterbetrieb der AKW sprechen würde. Man erinnert sich an den ohrenbetäubenden Krach in der Koalition zwischen den Grünen und der FDP. Zitate, die in diese Richtung weisen, lassen sich bis zur Diskussion Lindners in Berlin auf einer Veranstaltung der Zeit mit Mariam Lau, Politikredakteurin, und Roman Pletter, Leiter des Wirtschaftsressorts, finden. Doch in dieser denkwürdigen Diskussion teilte Christian Lindner plötzlich dem erstaunten Publikum mit, dass er in der Ampelkoalition mit SPD und Grünen nicht erneut über die Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke diskutieren wolle. Die Frage sei „jetzt einfach mal entschieden, da muss man auch sagen, jetzt ist Ende“. Franz Kafka hat vor über 100 Jahren über Heroen wie Lindner geschrieben: „Sein Ermatten ist das des Gladiators nach dem Kampf, seine Arbeit war das Weißtünchen eines Winkels in einer Beamtenstube.“ 

Man könnte auch sagen, wer sich auf die FDP verlässt, ist verlassen. Das würde aber voraussetzen, dass die FDP eine Partei mit Grundsätzen und nicht einfach der hin und wieder etwas störrische und vor allem sehr selbstverliebte 17. Landesverband der Grünen wäre. In fast allen Fragen der Politik haben Lindner und seine Parteifreunde sich letztlich hinter die Grünen gestellt, begonnen bei der Wahl der „Antikartoffel-Beauftragten“ Ferda Ataman bis hin zur Frage des Gesetzes zur sexuellen Selbstbestimmung. Auch war es Lindner, der die Freiheit verhöhnte, als er die erneuerbaren Energien „Freiheitsenergien“ nannte, eine dunkle Stunde für die Freiheit, die zu dunklen Stunden im Alltag führen wird, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. 

Inhaltlich, sachlich weiß man nicht recht, wie der Schuldenminister auf die Idee kommt, dass man ab April auch ohne Atomkraft auskommen werde, weshalb die drei AKWs im Mai abgeschaltet werden könnten. Hofft Lindner, dass die Rezession zu so vielen „Arbeitseinstellungen“, in der Vor-Habeck-Zeit Insolvenz genannt, führen wird, dass in Deutschland weit weniger Energie benötigt wird? Inflation und Rezession dürften aus der Sicht des Bundesschuldenministers kein Problem sein. Seitdem Lindner erkannt hat, dass man so viel Geld pumpen kann, wie man will, weil Schulden nichts anderes als Sondervermögen sind, das man mit Wumms und Doppelwumms verteilen kann, wird das fiskalische und wirtschaftliche Problem Deutschlands einfach semantisch gelöst.

Und wie ein Grüner Musterschüler repetiert Lindner, dass er „absolut der Meinung“ sei, dass Deutschland bis 2045 Treibhausgasneutralität erreichen müsse. Wenn Lindner „absolut“ sagt, klingt das ein wenig lustig. Aber eines dürfte klar sein, wenn die Ampel, wenn Habeck und Lindner so weitermachen, werden sie Deutschland sogar schon bis 2035 klima- und übrigens auch wirtschaftsneutral gemacht haben. Dass Lindner nun Fracking auf Teufel komm raus auch in der Nordsee will, verwundert niemanden, denn grüne und so auch gelbe Umweltpolitik ist auf Klientelpolitik, Umweltzerstörung und auf Artenvernichtung ausgerichtet. 

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Es sagt viel über das Politikverständnis der FDP aus, wenn Lindner Scholzens Richtlinienkompetenz-Trickserei als ein „elegantes und für die Koalition hilfreiches Manöver, um die Grünen aus einer Zwickmühle zu befreien“ lobt. Es dürfte schon, bevor Habeck auf dem Parteitag der Grünen seine AKW-Show abzog und ihm der Parteitag in Fragen AKWs die Hände band, klar gewesen sein, dass Scholz via Richtlinienkompetenz den Weiterbetrieb bis April nach dem Parteitag der Grünen verkünden würde. 

Man kann der FDP indes auch nicht vorwerfen, dass sie nicht wider des tierischen Ernstes agierte, denn inzwischen inspiriert die Partei sogar zu Witzen, wie diesen: Warum heißt die Koalition aus SPD, Grüne und FDP Ampel? Antwort: Weil die Gelb-Phase so verdammt kurz ist. 

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Kommentare ( 41 )

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41 Comments
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F. Hoffmann
1 Jahr her

verzichten wir dann aber auf sichere und klimafreundliche Möglichkeiten der Stromproduktion wie die Kernenergie? Mich überzeugt das nicht“
„Mein Rat an uns: Nicht zu wählerisch sein,…“
Mich überzeugt das nicht… Mein Rat an uns…
Also ich kann da beim besten Willen kein „Ich will, daß die AKWs weiter betrieben werden (bzw. Die FDP will…) herauslesen.
Es sind typisch Lindnersche Vaseline-Sätze.

Sonny
1 Jahr her

lindner scheint nicht gerade zukunftsorientiert nach vorne zu schauen. Es hat den Anschein, dass seine Planungen selten über 7 Tage hinausgehen. Weiter kann er einfach nicht schauen und denken, dazu fehlt ihm womöglich der Verstand und der Charakter. Ich schätze, dass er jedes Schachspiel innerhalb kürzester Zeit verlieren würde. Anscheinend ist ihm wichtiger, zumindest die Koalition über die Zeit „zu retten“, sich bis dahin ordentlich die Taschen voll zu stopfen und entsprechende Klientelpolitik nach vorne zu treiben (für spätere, hochdotierte Posten). Und zwar so lange, bis die fdp endgültig unwählbar für fast jeden geworden ist und sowohl aus den Landesparlamenten… Mehr

Axel Fachtan
1 Jahr her

Nicht die Grünen müssen aus einer Zwickmühle befreit werden. Sondern dieses Land und seine Bürger. Den Oligarchen dieses Landes ist das aber egal. Sie lösen nur noch ihre eigenen Probleme. Und schaffen mehr und mehr Probleme für Land und Leute. Folgende Grundsätze gelten 1) Ich möchte an die Macht. 2) Wenn dafür 82 Millionen Deutsche die Zeche zahlen, ist mir das egal. 3) Ich möchte möglichst lange an der Macht bleiben. 4) So gut wie hier kann ich nirgendwo sonst verdienen. 5) Umverteilung ist gut. Je mehr umzuverteilen ist, desto mehr bleibt bei „uns“ als politischer Klasse hängen. 6) Gemeinwohl… Mehr

F. Hoffmann
1 Jahr her

Dass Lindner nun Fracking auf Teufel komm raus auch in der Nordsee will…“ gilt bis zum 10 Dezember (einfach so) oder einx Grünx deswegen Sodbrennen bekommt. Dann ist das auch vorbei und man braucht auch nicht mehr drüber zu reden. Sehr treffender Spruch von Franz Kafka übrigens!

schwarzseher
1 Jahr her

Dem Lindner ist, wie den meisten deutschen Politikern, doch völlig egal, was aus diesem Land und seinen Bürgern wird. Hauptsache, er kann seine eitle Selbstgefälligkeit als Minister täglich in den Medien ausleben und sollte seine politische Karriere demnächst enden, wird ihn die von ihm gehätschelte Wirtschaft mit einem noch lukrativeren Posten versorgen. Was ich von Lindner und Co. halte muß ich für mich behalten, da mit Sicherheit justiziabel.

Rob Roy
1 Jahr her

Die Ampel-Koalition ist eine reine Zweckehe, in der sich die Partner noch vor der Hochzeitsnacht voneinander entfremdet haben.
Aber man erträgt sich gegenseitig, weil eine Trennung finanzielle und machtpolitische Einbußen mit sich bringen würde.

LF
1 Jahr her

Wann genau ist in Deutschland durch ein AKW ein Unglück passiert, wann wurde DEU durch ein eigenes AKW überhaupt nur bedroht? Das AKW in Fukushima wurde durch einen Tsunami beschädigt. Die ca. 20.000 Toten waren auch die Folge des Tsunamis. Alle Altparteien stehen für Zerstörung der Umwelt und der Artenvielfalt. Und der wirtschaftlichen Zerstörung von Deutschland. Das alles gelingt ihnen aber nur dadurch, das Sie scheinbar von den Bürgern gewählt werden. 
Lindner und seine Partei, nichts weiter als Opportunisten, die an der Macht sein wollen. Um das zu erhalten, ist ihnen egal, wer morgens neben ihnen im Bett aufwacht!

Last edited 1 Jahr her by LF
Max Wilde
1 Jahr her
Antworten an  LF

Die Opfer in Fukushima waren „nur“, nicht „auch“ Opfer des Tsunamis. Laut Wikipedia waren die indgesamt 22.000 Todesopfer der Katastrophe mit einer einzigen Ausnahme Opfer des Tsunamis, und nicht Opfer der daraus folgenden Reaktorkatastrophe des AKW. Jahre danach wurde nur ein einziges (!) Strahlenopfer als Folge gezählt. Von weiteren AKW Opfern ist nichts bekannt, auch wenn unsere Grüne Frau Roth unbekümmert alle beklagenswerten Fukushima Opfer ohne jeden Beleg fälschlich der Reaktorkatastrophe zuwies. Mit bissiger Ironie disqualifizierte der damalige PräsidentenKandidat Gauck bei seiner Vorstellungsrede in München Merkels einsamen Entschluss, acht angeblich gefährliche AKW wegen Fukushima sofort abzuschalten: Das habe Merkel verfügt,… Mehr

Raufbold
1 Jahr her
Antworten an  LF

Die Toten in Fukushima waren nicht AUCH eine Folge des Tsunamis, sondern sie waren unmittelbar eine Folge des Tsunamis!

Deutscher
1 Jahr her

Fällt wieder um? Ist der überhaupt schon mal aufrecht gestanden?

Reinhard Schroeter
1 Jahr her

Es erstaunt mich immer wieder, dass ein erfahrener Journalist wie Herr Mai, immer noch über die Volten eines Blenders erstaunt ist. Als ob dieser FDP-Vorsitzende jemals zu seinen Prinzipien und Überzeugungen gestanden hätte. Selbst wenn er es denn wollte, er kann es nicht, weil er keine hat. Stimmt nicht ganz, eines hat er schon, das er für wichtig und unentbehrlich hält und das ist nur er selbst. Alles dreht sich bei ihm nur um sich. Nichts konnte das besser illustrieren als seine mit großem Tamtam gefeierte Fürstenhochzeit auf Sylt und die natürlich mit kirchlichem Segen. Nur eben Kirchensteuer für diese… Mehr

Hummi
1 Jahr her

Eines dürfe heute schon klar sein, die FDP wird bei der nächsten Bundestagswahl aus dem Bundestag fliegen oder nur mit sehr viel Glück knapp die 5 % Hürde schaffen …..Hier kann man sich auf die Wähler und die Medien verlassen, das die FDP die Quittung erhält …..