Rotgrün im antimodernistischen Geist von Papst Pius IX 1864

Es ist erschütternd, wie ein berüchtigtes Papstwort aus dem Jahr 1864, das für den Tiefpunkt eines reaktionär-autoritären Katholizismus steht, auf die rotgrüne Gegenwart übertragen werden kann. Antimodernistische Arroganz feiert in der Gegenwart ihre Auferstehung.

IMAGO

Der „Syllabus Errorum“ ist eine „Liste von Irrtümern“, die Papst Pius IX. 1864 veröffentlicht hat. In dieser Liste werden 80 „Irrtümer“ gebrandmarkt. Diese vermeintlichen Irrtümer stehen unverblümt für die Probleme, die der damalige Katholizismus mit der Moderne, mit der Aufklärung und mit dem Liberalismus hatte.

Im Folgenden habe ich es gewagt, die alten Thesen im Wortlaut aufzunehmen, jedoch die Kirchen- und Glaubensbegriffe durch „rotgrüne Ideologie“ zu ersetzen. Es werden frappierende Parallelen deutlich. Damit zeigen sich unverblümt die Probleme, die die rotgrüne Ideologie mit der Moderne, mit der Aufklärung und mit dem Liberalismus hat. Rotgrüne Ideologie steht in der Tradition von Papst Pius IX. Es ist Ausdruck tiefster Verblendung, dass sich ausgerechnet die antimodernistische Ampelregierung als „Fortschrittskoalition“ bezeichnet und feiern lässt. Kirchen, die sich heute kritiklos die rotgrüne Ideologie zu eigen machen, knüpfen an ihre autoritäre Vergangenheit an.

Die vorangestellten Nummern ergeben sich durch die Anlehnung an die originale katholische Irrtums-Liste:

Irrtum 3
Die Vernunft sei auch ohne rotgrüne Ideologie ausreichend, um das Wohl der Menschen und Völker zu sichern.

Irrtum 5
Die rotgrüne Weltanschauung sei unvollkommen.

Irrtum 12
Die Dekrete der linksgrünen Regierung würden den freien Fortschritt der Wissenschaft behindern.

Irrtum 14
Politik könne ohne Rücksicht auf die einzigartige rotgrüne Ideologie behandelt werden.

Irrtum 15
Jedem Menschen stehe es frei, eine Politik anzunehmen und zu bekennen, die er im Licht der Vernunft als die wahre Politik erachtet.

Irrtum 16
Die Menschen könnten bei der Ausübung einer nicht-rotgrünen Politik den Weg des irdischen Wohls und der Seligkeit finden.

Irrtum 18
Im rechten politischen Spekturm sei es ebenso möglich, den Menschen und der Gesellschaft wohlgefällig zu dienen wie im rotgrünen Spektrum.

Irrtum 23
Rotgrüne Politiker hätten sich in der genauen Festsetzung von Glaubens- und Sittenlehren geirrt.

Irrtum 32
Das persönliche Vorrecht der rotgrünen Politiker zur Befreiung von der Last und der Leistung der Militärpflicht dürfe abgeschafft werden.

Irrtum 37
Es könnten staatliche Bereiche errichtet werden, die der Autorität der rotgrünen Ideologie entzogen und völlig von ihr getrennt sind.

Irrtum 39
Der Staat besitze den Ursprung und die Quelle aller Rechte und daher ein uneingeschränktes Recht oberhalb unserer rotgrünen Ideologie.

Irrtum 42
Im Konflikt des staatlichen Rechts mit der linksgrünen Weltanschauung erhalte das staatliche Recht den Vorrang.

Irrtum 45
Die Leitung des öffentlichen Schulwesens, die der Unterrichtung der Jugend in rotgrüner Ideologie dient, könne und solle alleine der staatlichen Autorität zuerkannt werden.

Irrtum 47
Die Rücksicht auf das Wohl des Staates verlange, dass die Schulen der Autorität der rotgrünen Ideologie entzogen und der Leitung der bürgerlichen und staatlichen Macht unterworfen sind, ja nach Belieben der Regierung und unter dem Einfluss der jeweiligen Meinungen des Zeitalters.

Irrtum 54
Könige und Staatsoberhäupter seien von der Rechtssprechung der linksgrünen Ideologie enthoben.

Irrtum 56
Die Sittengesetze bedürften keiner Bestätigung durch die rotgrüne Ideologie.

Irrtum 57
Die Philosophie und die Sittenlehre, ebenso die bürgerlichen Gesetze, könnten und sollten von der göttlichen rotgrünen Lehre abweichen.

Irrtum 77
In unserer Zeit sei es nicht mehr vorstellbar, dass die linksgrüne Ideologie als einzige Staatsreligion anerkannt und alle anderen Arten der Politik ausgeschlossen werden.

Irrtum 78
Es sei wünschenswert, in linksgrün regierten Ländern Andersdenkenden die öffentliche gleichrangige Ausübung ihrer Politik zu garantieren.

Irrtum 80
Die rotgrüne Ideologie könne und müsse sich mit dem Fortschritt, mit dem Liberalismus und der modernen Zivilisation versöhnen und vereinigen.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 9 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

9 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Laurenz
17 Tage her

Aber um sich als Kirche eine eigene Meinung erlauben zu können, müssen erst Konkordat & sonstige Kirchenverträge gekündigt werden, was hieße, Leute, wie Herr Zorn müßte das erste Mal im Leben etwas richtiges arbeiten oder so gut sein, daß eine Gemeinde über das Migrantengeld hinaus zahlt.

achijah
17 Tage her

Sie betonen die positiven Seiten des Papstwortes, karrikieren dabei aber den „Liberalismus“. Der behauptet nicht die Subjektivität von Wahrheit, sondern dass wir uns der Wshrheit nur im freien offenen Streit um die Wahrheit annähern können (Popper). Papst Pius IX konnte mit diesem Liberalismus genauso wenig anfangen wie Rot-Grün, die beide von sich überzeugt waren/sind, die Wahrheit in sittlichen Dingen mit Löffeln gefressen zu haben.

Peisistratos
17 Tage her
Antworten an  achijah

Ach so, und was ist mit Jesus Christus nach Joh. 14, 6? 18, 37f.? Hat Christus auch die „Wahrheit mit Löffeln gefressen“? Man liest es und fasst es nicht, um mit Pepe Nietnagel zu sprechen. Sie können nicht beides gleichzeitig sein, Popper-Anhänger und Theologe, das ist ein lächerlicher Widerspruch in sich. Sie gehören zum Zielpublikum des Syllabus, und das ganz zu Recht. Die protestantische Theologie und ihre Vertreter sind anscheinend in einem noch lausigeren Zustand als die deutsch-katholischen…

Last edited 17 Tage her by Peisistratos
achijah
14 Tage her
Antworten an  Peisistratos

Doch, ich kann beides gleichzeitig sein, Popper-Anhänger und Theologe. Theologe bin ich bei allem oberhalb der Sonne (vgl. Johannes 14,6). Popper-Anhänger bin ich bei allem unterhalb der Sonne. Papst Pius IX differenziert da nicht und kommt deshalb automatisch in ein antiliberales Fahrwasser. Das ist dann derselbe antiliberale Geist wie Rot-Grün, die auch meinen, Sie hätten unterhalb der Sonne die Wahrheit gefressen.

Lepanto
17 Tage her
Antworten an  achijah

„Atheismus und Volkssouveränität sind Konsequenzen des Liberalismus“ (Juan Donoso Cortes) und diese Früchte ernten wir jetzt. Der Liberalismus ist eine Chimäre. Die Wahrheit wird nicht im freien offenen Streit geschaffen, sondern die Wahrheit ist immer unveränderlich. Dialektik ist nichts als ein Machtspiel. „Was ist Wahrheit?“ Es genügt nicht, diese Frage zu stellen; auf die Antwort kommt es an! „Die Blindheit der liberalen Moral geht der nihilistischen und, konkreter, der bolschewistischen Moral unmittelbar voraus. Denn die letztgenannte ist lediglich eine folgenrichtige und systematische Anwendung des liberalen Unglaubens. Es ist die höchste Ironie der liberalen Sichtweise, dass genau dann, wenn ihre tiefste… Mehr

Lepanto
17 Tage her
Antworten an  achijah

Wie wollen Sie sich der Wahrheit nähern, wenn Sie nicht wissen, wo und was die Wahrheit ist. Die Wahrheit wird nicht im freien offenen Streit geschaffen, sondern die Wahrheit ist immer unveränderlich. Dialektik ist nichts als das falsche Machtspiel der Linken. „Was ist Wahrheit?“ Es genügt nicht, diese Frage zu stellen; auf die Antwort kommt es an!   „Die Blindheit der liberalen Moral geht der nihilistischen und, konkreter, der bolschewistischen Moral unmittelbar voraus. Denn die letztgenannte ist lediglich eine folgenrichtige und systematische Anwendung des liberalen Unglaubens. Es ist die höchste Ironie der liberalen Sichtweise, dass genau dann, wenn ihre tiefste… Mehr

Laurenz
18 Tage her

Herr Zorn, ohne Ihren Eifer gegen Papst Pius IX zügeln zu wollen….aber wann regierte seit dem III. Jahrhundert kein Papst Pius IX? Seitdem sich heidenmissionierte Christen von der jüdischen Ur- & Reformsekte in Rom abspalteten, die Judensekte der Nazarener unterging, ist Papst Pius IX in der Welt.

Ernst K.
18 Tage her

Interessant solche Betrachtungen, lieber Herr Zorn, letztendlich aber kaum zielführend für einen Politikwechsel.
Der wird nur gelingen, wenn die Massen von den Thesen der Opposition – damit meine ich nicht die Union, Die Linke, das BSW und die FW – überzeugt werden, insbesondere in den Kernpunkten Migration, Energiepolitik und Europa.

Peisistratos
18 Tage her

Herr Zorn, die rot-grüne Ideologie hat mit dem Antimodernismus von Pius IX. herzlich wenig zu tun. Sie verkennen, dass die rot-grüne Ideologie geradezu eine Folge und Pervertierung des Protestantismus ist, der die ganze Last der Welt auf den Einzelnen legt, der doch bitte nur inbrünstig zu glauben möge, damit er gerettet wird. Gerade der Nominalismus feiert bei den Protestanten fröhliche Urständ. Es gibt keinen Anlass, hier einen Papst als Schießbudenfigur aufzustellen. Kehren Sie vor der eigenen Tür. Warum hat man den Eindruck, dass die EKD ihre Haltung zu assistierten Suizid, Abtreibung, Ehe und Sexualität etc. bei der Ampel abgeschrieben hat?… Mehr

Last edited 18 Tage her by Peisistratos