Wenn Grüne Häuptlinge werden wollen

Selbst bei manchen Grünen macht sich langsam die Einsicht breit, dass man mit immer schrilleren Parolen für Minderheiten auf die Dauer keine Mehrheiten gewinnen kann.

imago images / Stefan Zeitz

Was bleibt, wenn Angela Merkel ihre CDU weiter herunterwirtschaftet, die SPD unter der erklärten Antifa Saskia Eskens verglüht und einer siegreichen grünen Partei die angestrebte Mehrheit mit der CDU versagt bleibt? Das rotrotgrüne Paradies auf Erden, Gerechtigkeit und Parität für alle Bunt-Diversen und Fluiden, für Antirassisten und Quotenfetischisten, LGBTQI, Sprachwarte und Denkpolizisten? Und nieder mit den heteronormativen toxischen Weißen?

Bei dem einen oder der anderen in den drei Parteien macht sich langsam die Einsicht breit, dass man mit den schrillsten Parolen der Minderheitslobbyisten keine Wahlen gewinnt. Denn die Mehrheit der Wahlberechtigten ist noch immer – huch! – normal. Zwar sind die Normalos oft tolerant bis kurz vor der Selbstaufgabe – aber es zeichnet sich ab, dass sie keineswegs mehr alles mit sich machen lassen.

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Wenn sich Grüne und Linke auf Identitätspolitik verzwergen, werden sie die Menschen nicht erreichen, deren Interessen insbesondere die Sozialdemokratie vor Olims Zeiten einst zu vertreten behauptete. Einige prominente Sozialdemokraten, Linke und sogar Grüne scheinen das erkannt zu haben. Mögen sie täglich mehr werden, bevor sich ihre Parteien vollends lächerlich machen.

Lächerlich jedenfalls ist das Vergehen, für das sich die Spitzenkandidatin der Berliner Grünen, Bettina Jarasch, jüngst untertänigst entschuldigen musste: Sie hatte auf die Frage, was sie einst werden wollte, „Indianerhäuptling“ gesagt. Eine „koloniale Fremdbezeichnung“ und die auch noch ungegendert!  Zerknirscht bat sie um Verzeihung für ihre „unreflektierte Wortwahl“ und ihre „unreflektierten Kindheitserinnerungen“. 

Doch dieser zerknrischte Rückzieher mitsamt Zensur des Videos kam in der Bundespartei nicht überall gut an. Einigen Grünen geht offenbar langsam auf, dass ständige Rücksicht auf die allzeit Beleidigten mit der Realität der allermeisten Menschen im Land nichts zu tun hat. Wahlen gewinnt man nicht allein mit feministischen Buchhändlerinnen in Kreuzberg. Ihren Namen wollen sie nicht nennen, aber es gibt offenbar nicht nur in der Bundestagsfraktion einige Abtrünnige vom identitätspolitischen Diskurs, die erkannt haben, dass man nach dem suchen muss, was die Menschen eint, nicht, was sie trennt. 

Andere Grüne sind mutiger, Boris Palmer sowieso, aber auch Rebecca Harms oder Helga Trüpel, die einen Aufruf unterzeichnet haben, den immerhin um die 30 Parteimitglieder unterzeichnet haben sollen. „Wir haben uns immer gegen rechte Identitätspolitik eingesetzt, sind den Pegida- Aufmärschen entschieden entgegengetreten. Aber genauso wenden wir uns auch gegen linke Identitätspolitik! Denn auch eine linke Politik der Selbstüberhöhung kann in neue Unfreiheit umschlagen.“

Bewegt sich da etwas? Wolfgang Thierse ist für sein Insistieren auf den berechtigten Interessen der weniger bunt-diversen, sondern stinknormalen Mitbürger von der SPD-Parteiführung verächtlich gemaßregelt worden – die SPD-Mitglieder aber haben ihm weitgehend zugestimmt. Ebenso ergeht es Sahra Wagenknecht: auch sie bricht eine Lanze für Otto und Ottilie Normal – worauf ihre Partei „Die Linke“ vor Wut spuckt. Andere werden ihrer kühlen Sachlichkeit applaudieren: „Die Identitätspolitik läuft darauf hinaus, das Augenmerk auf immer kleinere und immer skurrilere Minderheiten zu richten, die ihre Identität jeweils in irgendeiner Marotte finden, durch die sie sich von der Mehrheitsgesellschaft unterscheiden und aus der sie Anspruch ableiten, ein Opfer zu sein“, schreibt Wagenknecht in ihrem neuen Buch. „Lifestyle-Linke“, die mit Überheblichkeit auf die Lebenswelt jener Menschen hinabsehen, die keine Universität besucht haben. 

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Doch warum haben sich SPD und Linke ohne Not in diese Sackgasse begeben? Dabei war doch die SED, deren Rechtsnachfolgerin Die Linke ist, einst berüchtigt für ihre beständige Anrufung der ganz normalen werktätigen Klasse. Die hätte allerdings statt mehr Ideologie gern ein besseres Leben gehabt. Sucht man angesichts dieser epochalen Enttäuschung nun auch bei der Linken ein neues revolutionäres Subjekt, das vor allem LGBTQIA ist? Warnung: die unter dieser Abkürzung zusammengefassten Gruppen sind sich untereinander keinesfalls stets grün, aber vor allem bilden sie keine revolutionär bedeutsame Masse, also auch kein Wählerpotential.

Es ist schon verblüffend, wie wenig Politik und Medien sich mit dem beschäftigen, was man aus Brexit und Trump hätte lernen können. Wenn Weltoffenheit weit offene Portemonnaies bedeutet, wollen die wenigsten Normalverdiener noch in Willkommensjubel ausbrechen. Wenn sie als Deklassierte behandelt werden, als „basket of deplorables“ (Hillary Clinton), verweigert sich eine satte Hälfte der US-Amerikaner der Identitätspolitik der Democrats und wählt einen Maverick wie Donald Trump. Und auch die AfD verdankt ihre Wahlerfolge dem Zorn vor allem in der ostdeutschen Provinz auf die Dekadenz der woken Hauptstädter, die ihren Kampf gegen die weiße und hetereosexuelle Mehrheit mittlerweile mit harten Bandagen austragen. 

Wer es gut meint mit Minderheiten, sollte es vermeiden, sich alle anderen zum Feind zu machen. Im übrigen: Das Mehrheitsprinzip ist die Grundlage der Demokratie. 


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Kommentare ( 48 )

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Physis
3 Jahre her

Wissen Sie, was ein Dogma ist?
Dann kennen Sie auch das Problem, dass gerade heute den Kindern in der Schule eingehämmert wird, was als unumstösslich gilt!
Vielleicht sollten wir ergo dafür kämpfen, dass wir zur „alten Schule“ zurück kehren, die immerhin solche Leute wie Sie und mich unterrichtet hat. Und ich kann ob Ihres Kommentars und meiner Art zu denken nichts Verwerfliches entdecken 😉
Vielleicht kann ich Sie aber etwas beruhigen, denn ich kenne gleich drei Lehrer, die sich übereinstimmend dahingehend äussern, dass sie mittlerweile am Verstand sämtlicher, sonstigen Verantwortlichen zweifeln.

giesemann
3 Jahre her

Schwesterlichkeit! Prima! Frage mal bei den Grün*Innen nach, ob das auch für muslimische Mädchen gilt, die mit 14/15 in Kinderehen gehalten werden und so mit 18 schon mal paar Kinderchen an der Backe haben. Sie könnten da zusammen mit unicef was machen, https://www.dw.com/de/unicef-prangert-kinderehen-an/a-49095562 und auch https://www.bitchute.com/video/IWSpIHc36T8q/
Auch Malala, https://de.wikipedia.org/wiki/Malala_Yousafzai
Usw.

spindoctor
3 Jahre her

Was bleibt?
„Anschwellender Baerbock-Gesang“.

bkkopp
3 Jahre her

Zum Schlusssatz fällt mir ein, dass Minderheitenschutz auch zu Demokratie gehört. Wir können nicht ignorieren, dass Abweichungen von Mehrheitsnormen aus schierer Bösartigkeit diskriminiert, kriminalisiert und auch geteert und gefedert wurden. Vor nicht allzu langer Zeit hat ein Syrer in Leipzig einen als vermutlich als homosexuell erkennbaren Mann niedergestochen. Wir wissen, dass Leute aus anderen Kulturkreisen und Zivilisationen andere Verhaltensweisen haben, und wir loben uns, nicht immer ganz berechtigt, dass “ wir “ das schon länger nicht mehr machen. Wir wissen dass der Christopher-Street-Day auf brutale Polizeiübergriffe gegen eine Schwulenkneipe in Manhattan zurückgeht. Man braucht keineswegs den Identitäts-Irrsinn der Links-Grünen und… Mehr

Physis
3 Jahre her
Antworten an  bkkopp

Das Problem ist, dass es z.Zt. einige Politiker gibt, die mir oktroyieren wollen, alles „andere“ auch noch toll zu finden! Als totaler Normalo gehe ich aber doch auch nicht los und versuche andere von meinem Lebensstil zu überzeugen. Mithin ist es auch nicht die vordergründige Aufgabe der Politik, den Lebensstil der Menschen zu definieren! Und für alles andere ist schlussendlich die Justiz zuständig! Gesetze/Verordnungen, wie man sich zu verhalten und was man zu unterlassen hat, gibt es jedenfalls m.E. ausreichend! Und keiner kann mir weis machen, dass die Gruppe der Diskriminierenden größer ist, als die vermeintlich zu schützende Minderheit!

Franz O
3 Jahre her

Denn die Mehrheit der Wahlberechtigten ist noch immer – huch! – normal.

?

bkkopp
3 Jahre her
Antworten an  Franz O

Ich sehe mich als normal und in diesem Sinne auch als hetero-normativ. Aber, ich sehe Abweichungen davon nicht als per se negativ/unmoralisch/des Teufels. Das war doch immer der Kern jedes Diskriminierungsübels.

Deutscher
3 Jahre her

„Kommt, wir bauen das neue Europa!“

Leute, die nicht mal neue Häuser bauen wollen.

Na, dieses „neue Europa“ wird sicherlich ein durchschlagender Erfolg – für die Comedy-Produzenten…

Last edited 3 Jahre her by Deutscher
F.Peter
3 Jahre her

Warum die Grünen und sonstigen Linken sich den Mimimiproblemchen von Mikrominderheiten kümmern liegt wohl daran, dass die „Lautsprecher“ dieser Zeitgenossen noch nie in ihrem Leben mit der Realität des „Normalbürgers“ konfrontiert waren. Dass sie auch absolut keine Lust dazu haben, sich mit diesen zu beschäftigen, zeigt ihr „Krampf“ gegen „alte weiße Männer“, von deren Arbeitsleistung und Steuern sie sich aber gerne einen großen Happen aneignen.
Mit diesen moralinsauren und selbstgerechten Egomanen ist eine soziale Gemeinschaft nicht zu gestalten!

Boudicca
3 Jahre her

Wenn Deutschland zu den islamisch geprägten Ländern gehört, wird gendern mutmaßlich wieder abgeschafft, darüber sollten sich die grünrotroten Damen und Herren klar werden.

anita b.
3 Jahre her
Antworten an  Boudicca

Kommt das ihnen jemals in den Sinn?

giesemann
3 Jahre her
Antworten an  Boudicca

… und nicht nur Gendern. Wird abgeschafft. Was soll denn der Moslem anfangen mit den grünrotroten Dämchen und Herrlein? Der geht lieber zu den Brüdern im Geiste von der AfD … . DAS passt. Denkt an die Muselgermanen. TE zu „Wenn Grüne Häuptlinge …“ vom 13-4-21
 

Wolfsohn
3 Jahre her
Antworten an  Boudicca

Ich habe mich mal mit einem Homosexuellen unterhalten. Fest stand, dass es immer mehr Moslems in Deutschland gibt; der Kollege fand das aber gar nicht schlimm.
Als ich ihn damit konforntierte, dass im Iran Homosexelle an Baukränen aufehängt werden und Frauen völlig rechtlos seien, bezeichnete er mich als Rassisten….
Na, dann mal frohen Schwingen!

Jack
3 Jahre her

Gutes und passendes Thema. War es nicht so, dass man als Häuptling oder Anführer nur dann gewählt wurde, wenn man seine reale Kompetenz nachgewiesen hatte. Eine Kompetenz welche der Gruppe das Überleben sichern konnte. Der beste Jäger, der beste Sammler, der beste Krieger usw. usw. Man hat sich also weniger auf Worte sondern vielmehr auf gelebte, bewiesene Fähigkeiten und Talente verlassen. Ich habe manchmal das Gefühl, dieses Auswahlkriterium ist uns vollkommen verloren gegangen. Zumindest scheint es auf der politischen Ebene nicht besonders ausgeprägt zu sein. Anders in der erfolgreichen Realwirtschaft, dort wird schon einmal gefragt, „was hast du gelernt, was… Mehr

Last edited 3 Jahre her by Jack
Tee Al
3 Jahre her

Grüne und Linke sind ein Luxusproblem. Uns geht es einfach noch zu gut.