Die GroKo zerstört die Soziale Marktwirtschaft

Unternehmen, die in Griechenland, Portugal oder Slowenien beheimatet und heute in Paris, nächste Woche in Amsterdam und übernächste Woche in Tallin tätig sind, müssen den gleichen Mitarbeitern jede Woche ein anderes Gehalt bezahlen. GroKo-Pakt.

© Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

Martin Schulz, der dann doch erwartete Außenminister einer neuen großen Koalition, ist sehr stolz auf das von ihm federführend formulierte Europa-Kapitel des nun vorliegenden Koalitionsvertrags. Das kann er auch sein, trägt es doch im Wesentlichen seine Handschrift. Doch ist dieses Kapitel wirklich europafreundlich? Trägt es dazu bei, dass die EU wirtschaftlich mit anderen Regionen dieser Welt mithalten kann?

Um diese Frage zu beantworten, muss frei von Europalyrik definiert werden, was überhaupt europafreundlich ist? Was macht die Europäische Union, wie es im Koalitionsvertrag heißt, zu einem „historisch einzigartigen Friedens- und Erfolgsprojekt“? Warum schlagen sich Franzosen und Deutsche nicht mehr die Köpfe ein? Warum machen Holländer im Sauerland Urlaub und Deutsche am Ijsselmeer? Warum fahren deutsche Schüler zum Austausch nach England und englische Schüler nach Deutschland? Es sind sicherlich die schlimmen historischen Erfahrungen bis Mitte des letzten Jahrhunderts, die die Europäer zur Vernunft gebracht haben. Und es ist die Neugier auf beiden Seiten, die Kultur und die Tradition des jeweils anderen kennenzulernen. Es ist aber vor allem auch, die Förderung der Kooperation und die Nichtbehinderung durch den jeweiligen Staat. Das hat viel mit dem immer noch vorherrschenden Wirtschaftssystem, der Marktwirtschaft, zu tun. Zwar gibt es unterschiedliche Traditionen in Großbritannien, in Osteuropa, in Deutschland, in Frankreich oder in Südeuropa, aber die Europäische Union hat diese marktwirtschaftliche Ordnung bislang eher gefördert, als gehemmt. Handelsschranken wurden eher ab- als aufgebaut. Der Schutz der heimische Industrie oder von Dienstleistungsunternehmen gegenüber europäischer Wettbewerbern wurde eher ab- als aufgebaut. Und die EU-Wettbewerbskommission in Brüssel war bei der Durchsetzung des diskriminierungsfreien Zugangs zu den Märkten der jeweiligen Mitgliedsstaaten eher progressiv als defensiv.

Doch jetzt droht durch die Debatte um die EU-Entsenderichtlinie eine marktfeindliche Gegenbewegung. Diese hat ihren Ursprung zwar nicht in Deutschland und bei der SPD, sondern bei Emmanuel Macron, sie kann aber nur durch die große Koalition in Berlin tatsächlich durchgesetzt werden. Bislang galt schon, dass Unternehmen, die in einem anderen Land mit eigenen Mitarbeitern eine Dienstleistung erbringen zu den dortigen Mindestlöhnen bezahlt werden müssen. Das war bereits das Einfallstor für nationale Abschottung. Denn sämtliche Länder in der EU haben eine enorme Bürokratie aufgebaut, die es Unternehmen sehr schwer machen, in einem anderen Land Dienstleistungen zu erbringen. Denn das Land, in dem die Dienstleitung erbracht wurde, muss ja schließlich kontrollieren, ob der Mindestlohn auch bezahlt wird, ob die Arbeitszeitgesetze eingehalten werden und getrennte Toiletten vorhanden sind. Bald wird dieses Prinzip auf die Spitze getrieben. „Das Prinzip des gleichen Lohns für gleiche Arbeit am gleichen Ort in der EU wollen wir in einem Sozialpakt stärken“, heißt es jetzt im Koalitionsvertrag. Das ist Eins-zu-Eins auch das Ansinnen von Macron. Doch ist das wirklich sozial? Wozu führt dieses Prinzip?

Führt es zu Wohlstand und zur Reduktion der hohen Arbeitslosigkeit in Frankreich und anderswo? Sicher nicht. Unternehmen, die in Griechenland, Portugal oder auch Slowenien beheimatet und heute in Paris, nächste Woche in Amsterdam und übernächste Woche in Tallin tätig sind, müssen den gleichen Mitarbeitern jede Woche ein anderes Gehalt bezahlen und dies gegenüber den örtlichen Behörden nachweisen. Entwickelte Länder in der EU bauen so Eintrittshürden auf, um ihre Dienstleistungsmärkte gegenüber ausländischen Anbietern abzuschotten. Es sind Handelsschranken, die die reichen gegenüber den ärmeren Ländern aufbauen und damit den Geist des Binnenmarktes untergraben. Es ist doch ein Treppenwitz, wenn die Entfaltungsmöglichkeiten in den ärmeren Ländern erst durch eine verschärfte Entsenderichtlinie gehemmt und verhindert werden und anschließend Deutschland seinen Beitrag in den EU-Haushalt großzügig erhöht, um Transferleistungen für die hohe Arbeitslosigkeit im Süden Europas zu finanzieren.

Der Denkfehler dabei ist, den Binnenmarkt wie einen statischen Kuchen zu betrachten, der immer gleich groß ist. Dabei wächst der zu verteilende Kuchen in einer Marktwirtschaft. Er wird größer, bunter und schöner. Am Ende sind die Stücke für jeden größer und besser, wenn sich beide Seiten darauf einlassen. Einlassen heißt dabei, dass dies nicht automatisch passiert, sondern dass offene Märkte Anpassungen und Veränderungen erforderlich machen, ansonsten fallen Länder ökonomisch zurück. Mangelnde Anpassung kann aber nicht durch eine Verschärfung der Entsenderichtlinie verhindert werden, sondern die Fallhöhe steigt durch das Hinausschieben nur um so mehr. Wer dies nicht erkennt, akzeptiert, dass der Kuchen klein und hässlich bleibt, vielleicht sogar noch kleiner wird.

Das muss sich die SPD vorwerfen lassen. Sie will nicht wirklich, dass der Kuchen in der EU größer wird. Sie will ihr Klientel schützen. Und die Union muss sich vorwerfen lassen, dass sie dies zulässt und sich damit am Erbe von Ludwig Erhard versündigt.

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Kommentare ( 53 )

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Feinbein
6 Jahre her

Ich würde es einfacher ausdrücken…Die KleiKO schafft Deutschland ab, so wie wir es bisher kannten.Es wird zu Menschenland mit Menschen, ohne Zusammenhalt, ohne frühere Werte, ohne Gemeinsamkeiten…. dafür mit immer mehr No-Go Zonen, Clan -Strukturen, Kriminalität, Terrorismus,…und natürlich immer mehr Islam.

merkelinfarkt
6 Jahre her

Versuchen Sie mal spaßeshalber von einem französischen, zugelassenen Fachbetrieb für Gaswasserinstallationen, der Vertragspartner ihres Thermenherstellers in Frankreich ist, eine Gastherme in ihrem deutschen Haus zulässigerweise installieren zu lassen… es wird Ihnen nicht gelingen! So sieht die europäische „Dienstleistungsfreiheit“ neben dem Überholen endloser ausländischer LKW-Kolonnen auf denAutobahnen für den deutschen Bürger aus! Kein Gewinn!

Cathys
6 Jahre her

Tja, Herr Schäffler dieses ganze Szenario war abzusehen. Diese ganze EU war genauso abzusehen, der Tranfer-EUro war bekannt. Und doch haben ALLE Parteien fleißig mit abgestimmt bei entscheidenden Gesetzen. Selbst aktuell macht sich die FDP gemein mit den Sozi Parteien CDU und SPD. Man muss sich nur die Bundestagsdebatten ansehen.
Glaubwürdigkeit – Fehlanzeige!

Ghost
6 Jahre her

„Europa“ ist nur Wirtschaft. Auch die oft bemühte deutsch-französische „Freundschaft“ steht auf dem Fundament von Waren-und Kapitalaustausch. Das Geschwafel von SPD-Schulz ist überflüssig. Letzlich entscheidet immer die Wirtschaft, sie gibt den Ton an; und das seit der Gründung der Montan-Union.

tom
6 Jahre her

Zumindestens die unguten Gestalten Misere, Schäuble und Gabriel sind weg. Jetzt müsste nur noch der Rest der Groko abgeurteilt werden. Sie haben gegen zig Gesetze verstossen.

Ivan Ivanov
6 Jahre her
Antworten an  tom

Diese sind weg – auf seine Plätze kommen noch schlechtere.

Karlwelle
6 Jahre her

Wir bauen am großen utopischen Sozialismus. So ging das in der DDR auch. Alle waren gleich, manche waren gleicher, unser Kurs ist richtig. Die Wirtschaft wurde ausgewrungen, den Gleicheren ging es immer besser, gemessen an Ihrer Umgebung.
Nach dem großen Knall gab es einen starken Nachbarn im Westen. Aber was gibt es heute ? Der europäische utopische Sozialismus wiegt viel schwerer, kein starker Nachbar im Westen…Rettung ausgeschlossen. Das steht uns bevor. Mit der schulzesschen Machart werden wir wieder alle gleich. Tolle Aussicht.

Oblomow
6 Jahre her
Antworten an  Karlwelle

Sozialismus wird -wie jede angemaßte Allwissenheit ihrer Verfechter und deren Allmacht nötig machende Ideologie- immer eine Utopie, genauer: Dystopie, bleiben. Auch die mit Bedacht als Eutopie in die Narrative gesetzte Idee eines in einer EU geeinten Teils der Staaten auf dem Kontinent Europa wird notwendig und unausweichlich ihr dystopisches Wesen aufdecken. Aber, so steht zu befürchten, erst, wenn zu viel schon zerstört sein wird. Mehr jedenfalls als die „befreienden“ Bomben derjenigen, deren Bombardements sich nicht wenige der „EU-manen“ erneut wünschen (z.B. „Bomber Harris do it again“) zu zerstören vermochten; wobei die Mehrheit der offenbar von einer Sucht nach Tilgung alles… Mehr

Fiete Fahnderbildt
6 Jahre her

Moin moin,
Backe backe Kuchen, der Bäcker hat gerufen. Zitat:„Dabei wächst der zu verteilende Kuchen in einer Marktwirtschaft.“ Und die „Kunden“ lassen dann beim „Bäcker“ anschreiben? Target 2 – Salden? Tolle freie „Auf-Pump-Marktwirtschaft“.
Am Ende crasht der Markt und Musk kann die ganzen Teslas ins geostationäre Orbit schießen. Deflation? Inflation? Solange auf „Crops“ spekulieren, bis der Laib Brot 20 Euro kostet? Kommt dann Helikopter-Ben und wirft Bit-Coins ab, oder bringt Draghi 500er- Scheine mit der Schubkarre?

Matthias Losert
6 Jahre her

Lieber nicht regieren als schlecht regieren? Es geht also noch schlechter als Jamaika – was für eine späte Einsicht!

Thomas Rießinger
6 Jahre her

In Europa wie in Deutschland wird linke Politik praktiziert. Und Linke verstehen nichts von Wirtschaft – sonst wären sie nicht mehr links.

Manfred Gimmler
6 Jahre her

Keine Geschichtsklitterung!

Nicht „die GroKo zerstört die Soziale Marktwirtschaft“, sondern in erster Linie die Menschen in diesem Land – nämlich rückgratlose Parteifunktionäre, die nur an sich und ihr Fortkommen denken, desinteressierte Karteileichen in den Parteien, die ihre Parteibonzen nicht zur Rede stellen, und schließlich völlig apathische Bürger, die sich aber auch an jeder politischen Irrfahrt kritiklos beteiligen.