Der letzte Mohikaner oder unerfüllbare Wünsche für das neue Jahr

Man kommt sich etwas aus der Zeit gefallen vor, wenn man zum Jahreswechsel einst bare Selbstverständlichkeiten als Wünsche an Politik und Gesellschaft formuliert.

IMAGO / Future Image
Symbolbild

Manchmal komme ich mir vor wie „der letzte Mohikaner“, wenn ich die Themen meiner TE-Ordnungsrufe Revue passieren lasse. Mahnungen an finanzpolitische Solidität, an energiepolitische Vernunft oder die immer wiederkehrenden Maßhalteappelle, die sich gegen die übersteigerten Ansprüche nach staatlicher Rundumversorgung richten, verpuffen regelmäßig. Sie scheitern nicht nur an der Ignoranz einer auf Volksbeglückung abonnierten Politik, die vom Medien-Mainstream überwiegend kritiklos flankiert wird, sondern auch an der Unersättlichkeit, mit der sich weite Teile der Bevölkerung von immer weiteren Wohlfahrtsversprechungen ködern lassen.

METZGERS ORDNUNGSRUF 48-2021
Wie ein Staatssekretär Lindners fragwürdigen Nachtragshaushalt rechtfertigt
In Abwandlung eines Buchtitels von Peter Handke, der in der ersten Jahreshälfte 1974 den Sammelband „Als das Wünschen noch geholfen hat“ geschrieben hat, bin ich mir sicher, dass meine ordnungspolitischen Wünsche für das kommende Jahr unerfüllbar bleiben. In jenen Tagen regierte übrigens in Bonn am Rhein eine sozialliberale Koalition, die mit einer bis dahin nicht gekannten Füllhornpolitik die Staatsschulden nach oben katapultierte und die Grenzen der Belastbarkeit der Wirtschaft testete. Dass die FDP fünf Jahrzehnte später mit Christian Lindner einen Bundesfinanzminister stellt, der die Kreditfinanzierung der sozialen und ökologischen Phantasmen der Sozialdemokraten und Grünen sicherstellen soll, weckt in mir ungute Erinnerungen an jenes damalige teure sozialliberale Jahrzehnt.

Doch nun zu meinem Wunschkatalog für 2022:

1. Leistung muss sich lohnen.
Obwohl Politiker aller Couleur diesen Satz angeblich unterschreiben, bringen sie mit ihrer Steuerpolitik Millionen Arbeitnehmer um die Früchte ihrer Leistung. Der Faktor Arbeit wird mit Steuern und Sozialabgaben belastet, die Folgen einer Politik sind, die den Menschen ständig mehr Staat verspricht, um ihnen dann die Rechnung über hohe Lohnabzüge zu präsentieren. Steuern und Abgaben auf Arbeit müssen sinken. Das wird nur funktionieren, wenn auf den weiteren Ausbau des Wohlfahrtsstaats verzichtet wird. Das heißt aber auch, dass Vermögen und Erbschaften einen höheren Anteil als heute zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen müssen – aber bitte nur im Beipack mit einer deutlichen Entlastung bei der Einkommensteuer!

2. Die grundgesetzliche Schuldenregel ist einzuhalten.
Sie darf nicht durch Schattenhaushalte und Umbuchungstricks ausgehebelt werden. Vielleicht traut sich das Karlsruher Bundesverfassungsgericht, den Nachtragshaushalt der Ampel-Koalition zu stoppen. Wahrscheinlich ist es nicht!

3. Deutschland muss seine originären Interessen in der Europäischen Union wieder selbstbewusster vertreten.
Wenn sich Olaf Scholz auf dem Beifahrersitz von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron einrichtet, bedeutet das ein Ja zur unumkehrbaren EU-Transfer-Union, für die Deutschland mit immensen Zahlungsverpflichtungen für die Schuldenländer des „Club Med“ haftet. Letztendlich bezahlt der Bundesbürger mit höheren Steuern und Abgaben die Zeche für die europapolitische Blauäugigkeit von Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen. „Staaten haben keine Freunde, nur Interessen.“ Den Satz von Charles de Gaulle sollten sich Scholz & Friends in den Sitzungssaal des Bundeskabinetts hängen.

4. Die Europäische Zentralbank (EZB) verpflichtet sich wieder auf ihre eigentliche Aufgabe: die Sicherung der Geldwertstabilität!
Statt sich aus der exzessiven Geldpolitik zu verabschieden, die Monetarisierung der überbordenden Staatsverschuldung aufzugeben und endlich auf die steigende Inflation zu reagieren, versteht sich die EZB als Retter der letzten Instanz für den Euro. Einst Mario Draghi und heute Christine Lagarde exekutier(t)en mit der Mehrheit des EZB-Direktoriums das Merkel‘sche Mantra aus der Griechenland-Krise: „Scheitert der Euro, scheitert Europa!“ Doch umgekehrt wird ein Schuh draus. Macht die EZB weiter wie bisher, scheitert nicht nur der Euro, sondern die EU.

5. Das Asylrecht samt großzügigem Familiennachzug darf nicht das Zuwanderungs-Leitbild bleiben.
Wer so naiv-blauäugig Einladungsbotschaften in die Welt sendet, sollte sich über die Einwanderung in die deutschen Sozialsysteme nicht wundern. Statt den Wohlstand einer alternden Gesellschaft über gezielte Fachkräfteanwerbung zu sichern, untergräbt eine falsch verstandene Asyl-Moral die Refinanzierungsbasis unseres Sozialstaats. Denn die wird vor allem durch qualifizierte Arbeitnehmer und Unternehmer gesichert, nicht durch ein Heer von langfristigen Sozialhilfe-Empfängern.

6. An der deutschen Energiepolitik wird das Weltklima nicht genesen!
Im Gegenteil: Wenn die Regierungskoalition in Berlin den teuren deutschen Sonderweg fortsetzt, wird noch mehr Produktion in Länder verlagert, die billigere Energie bieten, aber weniger auf CO2-Effizienz achten. Ohne einen international abgestimmten CO2-Emissionshandel wird sich die grüne Energiewende für Deutschland als industriepolitisches Harakiri entpuppen.

7. Der Bundestag ist auf seine Normgröße von 598 Abgeordneten zu reduzieren.
Ob die sieben derzeit im Bundestag vertretenen Parteien die Kraft finden, ein Wahlgesetz zu beschließen, das ihre Pfründe reduziert? Der aktuelle Bundestag zählt 736 Abgeordnete. Doch Quantität garantiert nicht automatisch Qualität, aber sie sichert gut bezahlte Mandate für Abgeordnete und ein großes Mitarbeiter-Umfeld.

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Kommentare ( 27 )

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Christian
2 Jahre her

Wetten, dass die Wünsche alle nicht erfüllt werden?Ich erlebe es in meinem Bekanntenkreis.Ich denke 9 von 10 Bundesbürgern, wollen oder können das Problem der Geldschöpfung ,die Demographieprobleme ,die vollkommene Überbetonung des Sozialhaushaltes im Bundes, und den Landeshaushalten nicht verstehen ,bzw interessieren sich nicht dafür.Ich bin der Meinung ,der Zug ist abgefahren, wir kommen dem Prellbock näher.

Nibelung
2 Jahre her

In jungen Jahren ist man Sozialist in höheren Jahren Realist und manche bleiben sich von Anfang bis Ende treu, was ja so in Ordnung ist, wenn man es nicht anderen überstülpen will um damit den eigenen Willen flächenmäßig zu verteilen, was dann die Harmonie stört, wenn es übertrieben wird. Die Forderung Punkt eins bis Punkt sieben kann man nur unterstreichen, weil es auch noch Notwendigkeiten gibt die über allem stehen und wer das mißbraucht begibt sich zwangsläufig in den Bereich der unzulässigen Aktionen, weil damit niemand geholfen ist und nur einen Keil in die jeweiligen politischen Gruppen treibt, der mit… Mehr

Harald R.
2 Jahre her

Lieber Herr Metzger,

wenn nicht nur viele an Änderungen glauben, sondern auch an diesen mitwirken, wird aus „Träumerei“ manchmal Realität.

Alles Gute für 2022 !

Finnegan
2 Jahre her

Sehr geehrter Herr Metzger, alles sehr richtig! Nur eine kleine Anmerkung von mir zu Ihrem Punkt 7: Der 21. Deutsche Bundestag hat 736 Mitglieder. Davon sind 138 von niemandem gewählt worden (reine Überhang- und Ausgleichsmandate). Von den – regulär – 598 Abgeordneten sind 299 über die von den Parteien aufgestellten Listen in den Bundestag „gewählt“ worden. Die Wähler hatten auf ihre Nominierung allerdings keinerlei Einfluss. Von den übrigen 299 direkt gewählten Abgeordneten erreichte übrigens nur ein einziger (!) eine absolute Mehrheit der Erstimmen; die meisten wurden mit etwas über oder unter 30 Prozent „Sieger“ in ihrem Wahlkreis; in einem Fall… Mehr

elly
2 Jahre her

Mein großer Wunsch: viel weniger EU.
Der neueste Coup „„Es ist ein Schriftstück, das wohl noch für Ärger sorgen wird. In der EU-Verordnung 2019/2144 geht es um eine Technik, die Autofahrer dazu bringen soll, Tempolimits verlässlicher einzuhalten. Der Geschwindigkeitswarner soll ständig aktiv sein – im Namen der Verkehrssicherheit. Zudem sollen zahlreiche andere Fahrdaten in einer Blackbox aufgezeichnet und im Bedarfsfall ausgelesen werden.
https://www.spiegel.de/auto/intelligent-speed-assistance-isa-in-autos-ab-mitte-2022-big-brother-an-bord-a-3bd75833-d83f-4690-a19b-99b7abb1293d
die Totalüberwachung im Namen der Fürsorge. Ein Irrsinn …

Manfred_Hbg
2 Jahre her
Antworten an  elly

Was ein Tempolimit und eine erlaubte Höchstgeschwindigkeit(z.Bsp von 130 Km/h) betrifft, das wird allem bisherigen Anschein nach sowieso in naher Zukunft pöh a pöh und durch die Hintertür kommen. Nämlich spätestens dann, wenn sich das -ach so tolle- sogenannte „autonome Fahren“ verbreiten wird und jedes Fahrzeug die entsprechenden Sensoren eingebaut haben MUß. Wenn die Fahrzeuge dann miteinander kommunizieren ohne das der sogenannte Fahrzeugführer etwas dazu tun muß, wird sich dann auch die Geschwindkeit entsprechend verringern so das es ein Tempolimit gleich kommt. Oder glaubt wirklich irgendwer das die dann miteinander kommunizierenden und autonom fahrenden Fahrzeuge auch dann noch hintereinander mit… Mehr

Ticinese
2 Jahre her

The Newly Declining Country (NDC)
Ad 1: Statt Senkung der Einkommenssteuer kommt dann die Vermögenssteuer obendrauf. Ad 2: Was Deutschland spart, wird in Frankreich und Italien verbraten. Ad 3: Deutschland müsste erst mal wissen, was seine originären Interessen sind. Ad 4: Vorrangiges Anliegen der EZB ist die Abwendung eines Konkurses der Club-Med-Staaten. Ad 5: Die Einwanderung ins Sozialsystem kann nur geändert werden, wenn die anderen EU-Staaten die deutsche Praxis absolut nicht mehr tolerieren. Ad 6: Andere Länder freuen sich über den wirtschaftlichen Abstieg Deutschlands. Ad 7: Die Parteien müssen halt inkompetente Bonzen versorgen.

W aus der Diaspora
2 Jahre her

zu 1. Ja und es sollten Kapitalerträge endlich genauso hoch besteuert werden wie Gehälter und Löhne. Zu 2. Die Schuldenregel gehört nicht ins Grundgesetz! Der Staat muss die Möglichkeit haben Schulden zu machen auch und gerade wenn das BIP sinkt, um die Wirtschaft anzukurbeln. Das aber würde genau diese Schuldenregel verhindern. Sinnvoller wäre es wenn dort stünde, dass Schulden nur für Assets gemacht werden dürfen. Denn dann steht den Schulden immer auch ein Wert gegenüber und das Geld kann nicht einfach aus Subvention für Lastenräder rausgeworfen werden. zu 3. Ja! allerdings nicht wieder, sondern überhaupt mal. Denn Deutschland hat die… Mehr

Rob Roy
2 Jahre her

Punkt 7. Warum 598 Abgeordnete? Ich wünsche mir noch direkt Gewählte. 300 Wahlkreise, 300 Abgeordnete. Reicht völlig. Weg mit den Listenplätzen, durch die vor allem die völlig inkompetenten und unbeliebten Hinterbänkler ihr warmes Plätzchen im Bundestag erhalten.

Wilhelm Roepke
2 Jahre her

Ach Herr Metzger, die Wähler wollen doch Märchenerzähler. Sonst hätten Sie mehr Klicks als Spiegel Online…

hho
2 Jahre her

598 Abgeordnete sind immer noch viel zu viel! Halb soviele täten es auch, das Listengemauschel und die Zweitstimmen braucht niemand.