Gibt’s eine Klatsche für die etablierten Parteien?

Die Regierenden in Berlin und ihre Helfer zittern vor der Kommunalwahl im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen. Rechnen die Wähler am kommenden Sonntag auch mit der Bundes- und Landespolitik von CDU, SPD und Grünen ab? TE befragte dazu Experten zu ihren Eindrücken und Prognosen.

Kommunalwahlen 2025 NRW, Wahlplakate in Oberhausen

Die schwarz-roten Koalitionsparteien von CDU und SPD schlottern vor der Kommunalwahl im bevölkerungsstärksten Bundesland Nordrhein-Westfalen am kommenden Sonntag. Bayerns Landesfürst Markus Söder (CSU) reiste tief in den Westen Deutschlands, um dort NRW-Regierungschef Hendrik Wüst (CDU) in dessen Heimatwahlkreis Borken 1 bei Bocholt überraschend Schützenhilfe zu geben. Werden banale Söder-Sprüche wie – „Geht’s NRW gut, geht’s Bayern gut, dann geht’s auch Deutschland gut“ – bei Blasmusik und Bratwurst gegen den wachsenden Wählerfrust überhaupt noch etwas nützen?

Auch die ehemaligen Ampeltruppen von Grünen und FDP sind derzeit beim Wahlvolk tief in Ungnade gefallen. Gibt es bei der anstehenden NRW-Kommunalwahl eine Wählerabrechnung mit den etablierten Parteien? Wird die Alternative für Deutschland (AfD) mit ihrem Aufwind auch in Kommunalparlamenten und Rathäusern ein blaues Beben auslösen?

Das alles dürfte das vorherrschende politische System der neuen Nationalen Einheitsfront aus CDU, SPD, FDP, Grünen und auch Linken am Sonntag bei der NRW-Kommunalwahl beschäftigen. Vor fünf Jahren am 13. September 2020 konnten die Wähler zuletzt ihr Basisvotum bei einer Wahlbeteiligung von rund 52 Prozent abgeben. Über 14 Millionen sind heute in NRW wahlberechtigt.

 

Meist schlägt die Bundespolitik bei den kommunalen Kandidaturen nicht so stark durch. Aber Flüchtlingsheime, unnütze Fahrradwege, Tempo 30 für Autos in Städten, immer weniger Parkplätze, schlechter oder unpünktlicher Nah- und Fernverkehr, zusammenbrechende Brücken, kaputte Straßen und Schienen, schließende Krankenhäuser, schlechtere medizinische Versorgung, leere Gemeindekassen und vieles mehr bestimmen den Alltag vor der Kommunalwahlentscheidung.

Dennoch sind für vieles die Bundes- und Landespolitik mitverantwortlich. Sicher sind Kommunalwahlen keine Bundestagswahl, aber Auswirkungen von Bundes- und Landespolitik spüren die Bürger vor allem in ihren Kommunen.

Die AfD ist bei Umfragen wie Wählern im Aufwind

Dass die AfD im Aufwind ist, bestätigen zumindest Meinungsforscher. „Die Bundesstimmung schlägt sich auch auf die Kommunalwahl nieder“, weiß INSA-Chef Hermann Binkert aus demoskopischer Erfahrung. Daher müssten CDU und SPD „mit Gegenwind aus dem Bundestrend rechnen“. Wie der Erfurter Meinungsforscher im Gespräch mit Tichys Einblick weiter ausführt, werde die AfD in zwei Bereichen, wo sie sonst eher schwach war, zeigen, dass mit ihr zu rechnen sei: „Im Westen Deutschlands und bei einer Kommunalwahl.“ Bei den lokalen Problemen sieht Binkert zwei Felder, die sich weiter zuspitzen: „Das Thema innere Sicherheit und Verwahrlosung der Innenstädte gewinnt immer mehr Bedeutung.“

INSA hatte bereits im August in einer NRW-Landesumfrage schon 16 Prozent für die AfD ermittelt – eine Verdreifachung ihres Landtagswahlergebnisses vom Mai 2022. Während die CDU ihr Landtagswahlergebnis in der Umfrage mit geringen Verlusten bei 35 Prozent knapp halten konnte, sackten die Ampelparteien SPD (18 Prozent), Grüne (13 Prozent) und FDP (4 Prozent) deutlich ab. Dagegen könnte die schon totgeglaubte Linke im Westen laut INSA-Umfrage jetzt mit acht Prozent den Sprung in den Landtag schaffen.

Tichys Einblick fragte auch beim erfahrenen Ex-FDP-Fraktionschef von Nordrhein-Westfalen Gerhard Papke nach, wie er die Lage wenige Tage vor der Kommunalwahl sieht: „Generell werden wir in NRW eine weitere massive Verschiebung weg von etablierten Parteien hin zur AfD erleben.“ Symptomatisch dafür sei der gescheiterte Versuch der traditionellen Parteien in Köln, die Probleme der Migration durch ein sogenanntes „Fairness-Abkommen“ zum Tabu zu erklären.

Mehr noch: „Auch in Nordrhein-Westfalen, quer durch alle Milieus, machen die Wähler die Schönfärberei bei der Migration nicht mehr mit“, hat Papke beobachtet.

Für die Liberalen hingegen, gebe es in der einstigen Hochburg von Ex-FDP-Chef Christian Lindner kaum noch Hoffnung. „Bei der kommenden Kommunalwahl wird sich der Abstieg der FDP fortsetzen und die Partei landesweit hunderte Mandate verlieren, somit oft auch den Fraktions- oder Gruppenstatus,“ lautet Papkes düstere Prognose gegenüber Tichys Einblick.

Wie sieht’s denn mit den Liberalen grundsätzlich aus? „Die Lage der FDP wird immer aussichtsloser, das wird man auch bei der NRW-Kommunalwahl sehen“, glaubt der frühere FDP-Fraktionsvorsitzende in NRW. Die Freie Demokratische Partei habe seiner Ansicht nach nur noch eine Chance: „Die Brandmauer einzureißen, und neue Mehrheiten für einen echten Politikwechsel zu ermöglichen.“

Brücken bauen, statt Brandmauern errichten

Die Debatte über den Abriss der unsinnigen und undemokratischen Brandmauer gegen die Alternative für Deutschland wird also nach der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen weiter Fahrt aufnehmen. Die Bürger wünschen sich eine Politik des gesunden Menschenverstandes und keine Ideologie.

Laut aktuellem NRW-Kommunalwahltrend des WDR ist die AfD gleich nach CDU und SPD bereits drittstärkste Kraft, die wichtigsten Probleme vor Ort zu lösen. Der frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Jürgen Braun kandidiert zum Beispiel im Oberbergischen Kreis als Landrat. Im Gespräch mit arbeitenden Menschen, berichtet Braun Tichys Einblick, erfahre er, sie wollten zum ersten Mal AfD wählen. „Im meinem landschaftlich schönen und naturnahen Oberbergischen Kreis ist die Ablehnung von Windrädern ein Topthema, das nur uns zugetraut wird.“ Zudem erregten vor allem kaputte Straßen und Brücken die Leute.

Schon bei der vergangenen NRW-Kommunalwahl am 13. September 2020 gab es im Vergleich zur vorhergehenden Wahl am 25. Mai 2014 heftige Verschiebungen für die Parteien in den Rathäusern, Kreistagen und Gemeinderäten. Wobei die Wahlbeteiligung leicht um zwei Prozent auf 51,9 stieg.

Die großen Verlierer waren schon vor fünf Jahren die heute Deutschland Regierenden von CDU und SPD. Die Union verlor seinerzeit 3,2 und die SPD in ihrer Herzkammer sogar 7,1 Prozentpunkte, während die Grünen mit einem Plus von 8,3 einen kurzen Aufschwung erlebten. Doch der dürfte sich nach dem Ampelversagen in Berlin eher in einen Abschwung am kommenden Wochenende verwandeln. Ähnlich könnte es nach Papkes Einschätzung der Ampel-FDP ergehen. Ihr Plus von 0,8 Prozentpunkten wird sich wohl in ein deutliches Minus verwandeln.

Neben der AfD profilieren sich auch Bürgerbündnisse gegen die etablierten Parteien. ©Foto: Olaf Opitz

Ziemlich sicher steigt vor allem die bundesweit im Aufschwung befindliche Alternative für Deutschland in der Wählergunst tief im Westen. Sie konnte schon 2020 ein ordentliches Plus von 2,6 Prozentpunkten einfahren und wird jetzt wohl mit hunderten Abgeordneten zusätzlich in die Kommunalparlamente einziehen.

Selbst die Linke könnte sich nach ihren Verlusten (-0,9) vor fünf Jahren, aufgrund der Unzufriedenheit mit SPD und Grünen verbessern, ebenso wie die vielen Bürgerbündnisse und Wählergemeinschaften, die 2020 unter „Andere“ noch 0,4 Prozentpunkte verloren.

Profiteure der Unzufriedenheit mit der etablierten Politik könnten daher bei der anstehenden Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen neben der AfD auch die Bürgerinitiativen sein. Doch die Wähler sollten bei ihrer Entscheidung genau prüfen, ob sich vielerorts dahinter nicht linksgrüne Gruppierungen verbergen.

Experten erwarten zudem eine rege Wahlbeteiligung, weil der Frust der Bürger über die Politik vom Bund übers Land bis zu den Kommunen weiter steigt, angesichts der sich dramatisch verschlechternden wirtschaftlichen wie gesellschaftlichen Lage Deutschlands.

Der Bestsellerautor und frühere ZDF-Moderator Peter Hahne, ein gebürtiger Ostwestfale, ist derweil beeindruckt von der Stimmung in seiner Heimatstadt Minden, die ihm vor allem von Wählern der Altparteien berichtet wird. „Trotz Hass und Hetze durch NGOs kann selbst die AfD völlig störungsfrei in der City Wahlkampf machen, deren Stände sind belagert, die Gespräche sachlich,“ beschreibt Hahne gegenüber Tichys Einblick diese Eindrücke. Das zeuge von einem erstaunlichen Stimmungswandel und widerspreche dem, was landläufig Angst schürend berichtet werde. Peter Hahne betont dabei: „Das nennt man Demokratie, und das freut mich für meine Heimat.“


Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 17 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

17 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Ein Mensch
2 Monate her

Es wird sich nichts ändern, auch nicht nach dieser Wahl. Der undemokratische Ausschluß der AfD kann nur durch eine einfache Mehrheit der AfD beseitigt werden. Dazu wird es nicht kommen und von daher sag ich mal lapidar ,,Im Westen nichts Neues“. Sollte dann in 5 Jahren noch mal ,,gewählt“ werden dürfen, dann ist NRW schon fest in der Hand des Islam.

November Man
2 Monate her

Die Regierenden in Berlin und ihre Helfer werden schon dafür sorgen das die liberal-demokratische AfD nicht zu stark wird. Die Möglichkeiten haben die Linksextremisten dazu.
„Ich halte es für völlig unwichtig, wer abstimmt und für wen. Äußerst wichtig hingegen ist, wer die Stimmen auszählt – und wie.“
Josef Stalin  

joly
2 Monate her
Antworten an  November Man

Dann sollten sie sich doch als Wahlhelfer melden und aufpassen. Wir alle hier, wenn bei uns gewählt wird.

Vinzent
2 Monate her

Meine Stimme bekommen die Blockparteien nicht. Aber man darf sich auch keiner Illusion hingeben. Wenn es am Ende die 16,x Prozent sein sollten, was macht es für einen Unterschied? Wüst wird trotzdem weiterwüsteln und der Niedergang wird fortschreiten.

joly
2 Monate her
Antworten an  Vinzent

Jedes Mandat weniger für die Systemparteien reduziert deren Einfluss; deren Geld und deren Möglichkeiten Pöstchen ihnen Genehmen zuzuschustern. Sie verlieren Macht; sie erleben Kontrolle.

Anstaltsdirektor
2 Monate her

Peter Hahne ist kein “ Ostfale“, sondern ein Ostwestfale. Die Ostfalen stammen aus den weiter östlich liegenden Gebieten ab Hildesheim bis Magdeburg, sowie von Lüneburg bis runter nach Halberstadt. Allerdings ist der Begriff Ostfale schon seit längerem nicht mehr gebräuchlich, außer unter Historikern.

man without opinion
2 Monate her
Antworten an  Anstaltsdirektor

Moin,
also von mir aus gesehen, liegt Minden hinter Porta WESTFALICA.
Und Peter Hahne ist auf freiem Fuss.
Im Rheinland ist unbegründete Heiterkeit normal. In OSTWESTFALEN wird sowas klinisch behandelt.
Aber schön, wenn auch Wahlbeobachter aufpassen.
LG

TruthHurts
2 Monate her

Es wird trotzdem ein „Weiter so“ geben.

ceterum censeo
2 Monate her

“ Die Freie Demokratische Partei habe seiner Ansicht nach nur noch eine Chance: „Die Brandmauer einzureißen, und neue Mehrheiten für einen echten Politikwechsel zu ermöglichen.“ Sagt ein Vertreter einer 3%-Partei, die sich im freien Fall befindet und in die Bedeutungslosigkeit verschwindet. Tja, viiiel zu spät erkannt, Herr Papke. Darüber hinaus besitzt die FDP die Glaubwürdigkeit eines Markus Söder oder eines Sauerländers, also gegen Null tendierend. Wissing hat da der FDP auch einen Bärendienst erwiesen. Okay, Kommunal- und Bundespolitik sind zwei Paar Schuhe. Aber auch auf Landes- und Kommunalebene hat die FDP ihr komplettes Pulver verschossen. Bye bye…

Protestwaehler
2 Monate her

Wir wissen doch alle wie und von wem in NRW ausgezählt wird, da wird sich garnichts verschieben. Vergleicht einfach was in den Wahlbezirken ausgezählt wird, und was beim Landeswahlleiter notiert wird, das sind zwei verschiedene Wahlen 🙂

moselbaer
2 Monate her

Ich fürchte, so groß wird die Klatsche nicht werden. Die staatsbetreuten Transferempfänger plus die staatsgetreuen öffentlich Bediensteten bilden die Mehrheit und haben kein Interesse an Umwälzungen. Die wertschöpfend Tätigen sind in der Minderheit, glauben realistischerweise nicht an die eigentlich fällige radikale Umkehr und verlassen lieber das Land.

joly
2 Monate her
Antworten an  moselbaer

Aber auch die Abhängigen erleben Gewalt; Messerstecher, Gruppenvergewaltiger, Totschläger und Rauschgiftdealer fragen nicht erst ein potentielles Opfer nach dem sozialen Stand, der politischen Einstellung. Das wird so manchen Harzer oder Migranten-Restgeldempfänger dt. Nation alternativ werden und wählen lassen. Wer als armer Deutscher sieht wie Eindringlinge in Nobelhotels mit Bar und Sauna verwöhnt werden, während er malocht und weniger hat….der wird radikal – aber nicht links.

Juergen P. Schneider
2 Monate her

Verzeihen Sie mir bitte, sehr geehrter Herr Opitz, dass ich jetzt mal den Besserwisser gebe. Kreistage, Gemeinderäte, Stadträte sind keine Parlamente. Parlamente definieren sich nicht nur über ihre Aufgaben, sondern auch über die Rechtsstellung ihrer Mitglieder. Da Gemeinderats-, Stadtrats- und Kreistagsabgeordnete weder Immunität noch Indemnität besitzen, sind die genannten Gremien auch keine Parlamente, sondern Verwaltungsorgane gemäß den länderspezifischen kommunalen Selbstverwaltungsgesetzen.

fatherted
2 Monate her

Glaube nicht das das viel passiert…evtl. kommt die AfD von insgesamt 5% auf 15…evtl. 20%…aber…was ist damit gewonnen…bleiben 80% Linke.