Die CDU wollte die AfD aussitzen – und ist krachend gescheitert

Die Selbsttäuschung der CDU mit der AfD basiert auf Fehleinschätzungen des Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder, dem blinden Gehorsam von Merkel-Sekretär Peter Tauber, vor allem aber am CDU-Hausdemoskopen Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen.

Screenshot ZDF heute

Keine andere Parteineugründung war so schnell so erfolgreich wie die AfD: Seit Sonntag sitzt sie in neun Landtagen, in knapp zwei Wochen wird sie dasselbe in Berlin schaffen. Im Bund liegt die Partei in den Umfragen auf Platz drei, deutlich vor Grünen und Linken und mehr als doppelt so stark wie die FDP. Der Erfolg der Rechtspopulisten geht zu Lasten aller anderen Parteien. Besonders geschadet aber hat sie der CDU. Ohne AfD hätte es in Thüringen nicht für Rot-Rot-Grün gereicht, in Rheinland-Pfalz nicht für die Fortsetzung von Rot-Grün mit der FDP als Mehrheitsbeschaffer. Gut möglich, dass die SPD in Mecklenburg-Vorpommern auf Rot-Rot setzt. Auch in Berlin spricht alles dafür, dass die AfD der CDU so viele Stimmen wegnimmt, dass es für Rot-Rot-Grün reicht. So grotesk es auch klingt: Die AfD schwächt die Union und macht damit Links-Bündnisse erst möglich.

Kauder und Tauber gehorchen der Aussitzerin

Jetzt rächt sich, dass die CDU – im Gegensatz zur CSU – das Aufkommen der neuen Kraft am rechten Rand sträflich unterschätzt hat. „Nicht einmal negieren“, lautete die Parole im Konrad-Adenauer-Haus. War es Naivität oder Überheblichkeit, was die CDU zu dieser Strategie verleitete? CDU-Generalsekretär Peter Tauber war sich im September 2014 ganz sicher, die AfD werde der CDU nicht gefährlich werden. „Jetzt mag sie vielleicht noch in ein oder zwei Landtage einziehen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sie den Weg der Piraten gehen wird“, sagte Tauber Anfang September 2014. Und lag völlig falsch. Wenige Tage später erzielte die „Alternative für Deutschland“ bei den Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen den Durchbruch. Ein paar Monate später schaffte sie in Hamburg und Bremen ebenfalls locker die Fünf-Prozent-Hürde.

Der CDU-Generalsekretär erkannte da immer noch nicht die Gefahr. Im Mai 2015 gab er der Huffington Post ein Interview. Hier ein Auszug: „HuffPost: Bei Landtagswahlen hat die AfD vergleichsweise gut abgeschnitten. Tauber: Aber das war doch bei den Piraten zunächst auch so. HuffPost: Ist die AfD denn jetzt die neue Piratenpartei, was den Weg des politischen Niedergangs angeht? Tauber: Sie sehen ein wenig verkniffener aus und sind stellenweise braun lackiert, aber ansonsten: ja.“

Nun ja, Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall.

Zwischendurch, als die AfD sich im Sommer 2015 spaltete, keimte bei der Union neue Hoffnung auf, dieser Konkurrent werde sich selbst erledigen. Doch dann entpuppte sich die Flüchtlingspolitik Angela Merkels als Konjunkturprogramm der neuen rechten Kraft. Obwohl alle Umfragen signalisierten, die AfD werde im Frühjahr 2016 bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt abermals zulegen, wollte die CDU das nicht wahrhaben. „Nicht einmal negieren“, lautete weiterhin die Parole.

Volker Kauder, der mächtige Vorsitzende der CDU/CSU- Bundestagsfraktion, begründete diese Strategie mit seinen Erfahrungen, die er als Generalsekretär der CDU Baden-Württemberg Anfang der 1990-er Jahre gemachte hatte. 1992 nutzten die rechtsradikalen „Republikaner“ den großen Zustrom von Balkan-Flüchtlingen für ihre Agitation. Die CDU habe sich damals auf eine Auseinandersetzung eingelassen, so Kauder im Rückblick, und damit den „Republikanern“ indirekt geholfen. Sie kamen auf 10,9 Prozent.

Mehr als ein Jahrzehnt später wollte Kauder diesen Fehler nicht wiederholen. Im Dezember 2015 sagte er mit Blick auf die Landtagswahlen 2016 und die AfD: „Aus Erfahrung weiß ich, je mehr wir über NPD, Republikaner, AfD sprechen, umso interessanter machen wir diese. Deswegen möchte ich nicht darüber reden. Es wäre kontraproduktiv.“ Diese Strategie des „Nicht-interessanter-Machens“ hat der AfD nicht geschadet. Im Gegenteil: Mit 24,2 Prozent in Sachsen-Anhalt, 12,6 Prozent in Rheinland-Pfalz und 15,1 Prozent in Baden-Württemberg ging die AfD nicht baden wie die Piraten, sondern erklomm neue Höhen.

Der Hausdemoskop erzählt, was gern gehört wird

Die erschreckende Selbsttäuschung der CDU im Umgang mit der AfD basiert nicht nur auf den Erfahrungen eines Volker Kauder oder den „Befehlen“, die Peter Tauber, der Sekretär der Generalin Merkel, ausführt. Dies alles basiert auch auf den Einschätzungen von Matthias Jung, dem Chef der Forschungsgruppe Wahlen und Hausdemoskopen der CDU. Jung hatte schon vor der Gründung der AfD stets die These vertreten, die konservativen Wähler würden mehr oder wenig „automatisch“ CDU wählen, allem Grummeln über die „Sozialdemokratisierung“ ihrer Partei zum Trotz. Mit dieser Begründung hatte im Herbst 2012 Taubers Vorgänger Hermann Gröhe den Mitgliedern des konservativen „Berliner Kreises in der CDU“ zu verstehen gegeben, zum Kurs der Merkel-CDU gebe es keine Alternative. Der „Berliner Kreis“ sei somit überflüssig. Zwei Mitgliedes dieses Kreises, die Publizisten Alexander Gauland und Konrad Adam, zogen daraus die entsprechenden Schlüsse: Kurz darauf gehörten sie zu den Mitbegründern der AfD. Sie blieben nicht die einzigen ehemaligen Parteigänger der CDU, die in der AfD die Alternative für konservative CDU-Wähler sahen und sehen.

Politbarometer Extra gestern abend
Das ZDF macht Wahlkampf für die CDU
Die CDU-Spitze übersah alle diese Alarmsignale oder nahm sie nicht ernst. Selbst nach den spektakulären Wahlerfolgen der AfD bei den Landtagswahlen im Herbst 2014 blieb die Partei bei ihrer Marschroute: „nicht einmal negieren“. Der Wahlforscher Jung bestärkte sie darin. In einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung im Oktober 2014, also kurz nach den ersten drei Landtagswahlerfolgen, räumte er zunächst einmal mit dem Glaubenssatz von Franz Josef Strauß auf, „Rechts von der CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben!“ Jung: Das habe nur in einem „Parteiensystem mit eindeutiger Lagerorientierung“ gegolten. Diese Lagerorientierung gebe es aber nicht mehr.

Sodann sprach Jung zur Freude seiner Zuhörer von den „Chancen für die Union durch AfD“. Programmatisch erhalte der „Modernisierungsprozess und der Kurs der Mitte“ durch die AfD eine „größere Glaubwürdigkeit“. Zudem böte die AfD „mehrheitstechnisch“ neue Chancen für die Union. Jungs steile These: Wegen der AfD würden „Mehrheiten ohne die Union schwieriger.“

Es gab also scheinbar gute Gründe für die CDU, die Herausforderung durch die AfD nicht allzu ernst zu nehmen. Doch die „Wirklichkeit ist real“, wie Merkel gerne im DDR-Duktus zu spotten beliebt. Sehr real ist in diesem Fall eines: Die CDU-Strategie, die AfD analog zu den Piraten einfach auszusitzen, ist krachend gescheitert. „Nicht einmal negieren“ war kein Rezept – jedenfalls kein gesundheitsförderndes.

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Kommentare ( 1 )

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Cohn-Scali
6 Jahre her

Alice Weidel ist leider, wie in Talkshows zu hören, rhetorisch nicht sehr begabt und nicht schlagfertig.