Teures Stromnetz ohne doppelten Boden

Der Bericht der Bundesnetzagentur zur Netz- und Systemsicherheit 2020 zeigt weiter steigende Kosten. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass diese Dynamik beherrschbar sein wird.

Bettina Hagen

Was kostet die Welt? Was kostet die deutsche Energiewende? Beide Fragen sind nicht seriös zu beantworten. Der Umbau des Energiesystems – ergänzend: der unterbrechungsfreie Umbau – dürfte die Kosten der deutschen Einheit locker überschreiten, bei ungewissen Erfolgsaussichten.

Der von der Bundesnetzagentur (BNA) ausgegebene Jahresbericht 2020 lässt ahnen, was bezüglich der steigenden Kosten für das Stromsystem noch auf uns zukommen wird. Diese werden im Bericht abgebildet in den Maßnahmen zum Einspeisemanagement (EinsMan), Redispatch-Maßnahmen und den Vorhaltekosten für die Netzreservekraftwerke. Nicht erwähnt sind die Kosten für den Netzausbau, Netzbooster (Großbatterien) und „besondere netztechnische Betriebsmittel“. Ebenso diejenigen der Anlagen zur Blindleistungsregelung zum Kostenpunkt von mehreren hundert Millionen Euro, die bisher von konventionellen Kraftwerken zum Nulltarif erledigt wurde.

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Insgesamt schlagen für 2020 für die im Bericht erwähnten Kategorien 1,4 Milliarden Euro zu Buche, davon 761 Millionen „Entschädigung“ für die Anlagenbetreiber für nicht abgenommenen Strom. Dies ist Ergebnis des krassen Fehlmanagements des Bundeswirtschaftsministers, der die Genehmigung immer weiterer Anlagen zulässt, obwohl der Netzausbau nicht hinterherkommt. Die meisten Abschaltungen gab es in Schleswig-Holstein, wo ein ehemaliger „Energiewendeminister“ Habeck die Wünsche der Windlobby exakt umsetzte. Die verdient auch, wenn die Anlagen abgeschaltet werden müssen. Zahlen müssen alle Stromkunden.

194,8 Millionen Euro mussten für die Vorhaltekosten der Netzreservekraftwerke berappt werden, also ihre Bereitschaftsstellung. Pro Megawatt Reserveleistung sind das etwa 26.500 Euro. Dem steht aber keine Produktion oder Wertschöpfung gegenüber, es ist die Bezahlung einer Energie-Feuerwehr, international wohl einmalig. Alle genannten Kategorien gab es in der alten Energiewelt nicht. Sie sind heute notwendig, weil riesige Ökostrommengen am Bedarf vorbei produziert werden und die Netzbetreiber öfter und stärker eingreifen müssen, um die stabile Netzfrequenz von 50 Hertz zu erhalten. Aus einem früher planmäßigen Netzbetrieb ist ein operativer, noch beherrschbarer, aber eben sehr teurer geworden.

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Ursache dieser Entwicklung ist das von der EE-Lobby erfolgreich gesetzte Narrativ, dem Klimawandel sei nur durch exzessiven Ausbau volatiler Stromeinspeiser zu begegnen. Treu längsdenkende Politiker und Medien arbeiten in diesem Sinne ohne Rücksicht auf die Stromkunden. Die über die EEG-Umlage gewälzte Geldmenge von derzeit 24,6 Milliarden Euro (2020, den Börsenwert des Stroms bereits gegengerechnet) würde ausreichen, den Schweizern zwei Gotthard-Basistunnel zu schenken. Jährlich.

Diesem aus dem Ruder laufenden Posten (2021: 8,6 Cent pro Kilowattstunde – netto) konnte nur noch durch einen Staatseingriff begegnet werden. Zunächst erfolgte die Deckelung auf 6,5 Ct/kWh und für 2022 auf 6,0. Nach den Vorstellungen der auslaufenden Regierungskoalition, deren Beschlüsse ohnehin bald nur noch Makulatur sein werden, soll die Umlage in homöopathischen Dosen schrittweise weiter auf unter 5 Cent abgesenkt werden. Der Fehlbetrag wird mit anderem Bürgergeld, nämlich Steuergeld, aufgefüllt. Ob die Quelle dann eher eine Reichensteuer für den Mittelstand, ein Klima-Soli oder eine erhöhte Mehrwertsteuer sein wird, ist noch offen. Ohne eine Anhebung der Steuern wird es nicht gehen, auch wenn die jährlich steigende CO2-Steuer aus dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) für mehr Einnahmen sorgen wird.

Ursache für die kaum beherrschbare Kostenprogression ist der Ansatz, ein Energiesystem auf Basis von Zufallsenergie installieren zu wollen. Wenn es das Thema Versorgungsicherheit überhaupt in die Diskussion schafft, lautet die Antwort regelmäßig, man müsse halt mehr regenerative Erzeuger zubauen, also mehr vom selben und mehr von für die Versorgung untauglichen Technologien.

Wie unberechenbar der Wettergott ist, zeigen die Produktionszahlen des Wind- und Sonnenstroms in den Monaten Januar und Februar 2021 im Vergleich zu den Vorjahresmonaten:

Am 20. April um 11 Uhr speisten alle Windkraftanlagen in Deutschland ganze 430 Megawatt Strom ins Netz. Das sind 0,7 Prozent der installierten Leistung. Das hindert eine regierende Physikerin (!) nicht daran, von der Windenergie als der „Säule“ der Energieversorgung zu sprechen.

Auf diese hin und wieder arbeitsscheuen „Erneuerbaren“ haben die Energiewender eine Antwort: Es gäbe auch Zeiten der Überproduktion und dann müsse man eben speichern. Fragt man nach den Speichern, zeigt der grüne Finger heute nur noch in Richtung Wasserstoff. Immerhin hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass weder Pumpspeicherwerke noch Großbatterien das Problem auch nur annähernd lösen könnten.

Ein "Experiment"
Das ABC von Energiewende und Grünsprech 97 – Leitungsvorhaben
Bis zu 9 Milliarden Euro will sich die Bundesregierung die Wasserstoffstrategie kosten lassen. Dabei soll bis 2030 eine Elektrolyse-Leistung von 5 Gigawatt auf der Basis von Ökostrom entstehen. Wollte man diese elektrische Leistung über Windkraft bereitstellen und setzt großzügig 3.000 Volllaststunden im Jahr an, bräuchte man dazu knapp 3.000 große Anlagen der 5-Megawatt-Klasse. Diese würden dann ausschließlich für die Stromspeicherung arbeiten und keinen aktuellen Bedarf decken, also Strom aus Kohle- oder Kernkraft nicht direkt ersetzen. Über 24 Stunden ließe sich so eine Strommenge von 120 Gigawattstunden (GWh) erzeugen, die in die Elektrolyse geht. Die Rückverstromung an einem anderen Tag unterliegt der Wirkungsgradkette Power-to-Gas-to-Power von höchstens 25 Prozent. Es könnten dann also 30 GWh ins Netz gespeist werden.

Der Tagesbedarf Deutschlands beträgt etwa 1.600 GWh und die eben überschlägig geführte Rechnung bezieht sich auf das Jahr 2030. Wie das Problem absehbarer Unterdeckung im Netz ab 2023 gelöst werden soll, ist unklar. Die Kosten für die Netzstabilisierung werden weiter steigen. Wir leisten uns zwei Systeme für eine Versorgungsaufgabe, auch dies ist in der Welt einmalig.

Vielleicht ist ein stabiles Netz aber auch rückwärtsgewandtes Denken. Allen sollte klar sein, dass bei einem „engagierten Klimaschutz“ kein Stein auf dem anderen bleiben wird. Der Spruch des Bundesverfassungsgerichts zum angeblich unzureichenden Klimaschutzgesetz wird dessen Verschärfung nach sich ziehen. Bemerkenswert, welchen Wert das Gericht den Freiheitsrechten ab 2030 zugesteht, mit den aktuellen Einschränkungen der Freiheitsrechte aber offenbar kein Problem hat. Vielleicht bleiben die Freiheitsrechte gleich reduziert, damit sie ab 2030 nicht erst eingeschränkt werden müssen.

Da man weder die Gebäudedämmung schnell erzwingen, noch den Verkehrssektor zügig dekarbonisieren kann, bleibt wie bisher die angeordnete Stilllegung von Kohle-, vielleicht sogar von Gaskraftwerken der einfachste Weg. Und eine künftige Grün-irgendwie-bunte-Koalition wird nicht zimperlich sein.

Der praktische Effekt der deutschen CO2-Minderung wird im globalen Maßstab ohne Wirkung bleiben. Dies ist den handelnden Personen durchaus bewusst. Professor Mojib Latif als einer der medial führenden Klimawissenschaftler des Landes sagte am 30. Juli 2018 im rbb-Inforadio:

„Natürlich kann Deutschland das Klima nicht retten, aber wir müssen natürlich Vorbild sein.“

Eine breite gesellschaftliche Diskussion darüber, was uns diese Vorbildrolle, der übrigens keiner folgt, eigentlich wert ist, wäre nötig. Sie wird nicht stattfinden, weil eine einflussreiche Schicht enormes Geld am deutschnationalen Weg der Energiewende verdient. Die uns schon länger Regierenden, erst recht die uns in Kürze Regierenden, werden der Spur des Geldes folgen. Dagegen werden die Kosten der Deutschen Einheit Peanuts sein.


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Kommentare ( 41 )

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89-erlebt
2 Jahre her

Jetzt brennt Tiefstack – Heilkraft Werk in der ( fast ) Umwelt Hauptstadt von Rot-grün. Das Kraftwerk aus Bj. 1991 ist neben Wedel aus Bj. 1961 die letzte Reserve für warmes Wasser in HH. Moorburg wurde durch genau diese Rot-grünen Phantasten der Fernwärme Anschluss verwehrt, ganz kalt gestellt. Jetzt ist guter Rat (warmes Wasser) gefragt, ein Schelm der …

Blitzmerker
2 Jahre her

Schön dargestellt.
Allerdings werden es diejenigen, die es dringend nötig hätten nichts davon lesen.
Was von der immer wieder beschworenen Vorreiterrrolle Deutschlands bleibt?
Ganz einfach, ein Schuss ins eigene Bein und die Schwächung der Wirtschaft/Industrie, die weiter steigende Gängelung des Privatmanns, weiterer Entzug von Freiheiten usw usf weil eben niemand so irre ist und diesen offensichtlich grün-unterbelichteten Weg mitgeht.
Doch, nochwas bleibt: dass man sich in anderen Industrie- und Schwellenländern lustig macht, wie man einen solchen Elan beim Selbstmord der eigenen Wirtschaft an den Tag legen kann und das Ganze ja obendrein noch für besonders fortschrittlich hält.

89-erlebt
2 Jahre her

Die vorgebliche Physikerin (sie nennt sich ja auch selbst bekennende Christin´, die mit FDJ Bluse) hat doch mehrfach bewiesen, dass sie einzig den Tunnel Effekt verstanden hat. Aber nicht einmal den haben ihre Mitglieder aus dem Club der Unfähigen (CdU) je gehört. Brüsten sich mit der Kaltstellung von Moorburg und hoffen (beten vielleicht auch) dass Wedel aus dem Baujahr 1961 weiter durchhält. So viel Unvermögen hatten selbst Günter Mittag oder Honecker nicht aufzubieten.

Hartwig Sendner
2 Jahre her

Frei nach den Dire straits:
Money for nothing and the chicks for free.
Money for nothing and a good feeling on top
This is how „Klimawandel und Energiewende“ works.
halleluja !!

Engelbogen
2 Jahre her

Danke, sie haben absolut recht. Es geht um die Zerstörung Europas und die Versklavung der Bevölkerung durch Marionetten der US Bankster.

Den selben Schurkenfamilien die auch über die Biz, das Concil of foreighn relations und die IG Farben den 2. Weltkrieg organisiert und finanziert haben.

Armemichel
2 Jahre her

Apropos.
Liebe Freunde. Wieso gibts dieses EEG und die Windmühlen eigentlich?
Da war doch was, hm.. fast vergessen: der Klimawandel, die Klimakrise.
Ironie aus.
Im Ernst mal. Ich finde das Wetter in 2020 und 2021 super. Echt. Im Sommer Temperaturen wie auf Malle und im Winter, „Ski und Rodeln gut“ und das im schon im Harz!.
Ich bin schon etwas älter. So war es in meiner Kindheit auch.
Außerdem. Die Wüsten der Erde Ergrünen.
Nur Deutschland alleine, wenn man an das CO2 Gedöns glaubt, wird es nicht packen.
Also Ist doch alles OK.

Adorfer
2 Jahre her

Auf den letzten Metern dieser Legislatur kommt es nochmals knüppeldick. Da werden Pflöcke eingeschlagen für die neue bessere Welt (fragt sich für wen?)
Aber da sind wirklich alle dabei. Bei der Union, man denke an Müller, Drehhofer etc., ist alles aufs Mittmachen fokussiert. Die Grünen, kleinste Opposition im BT, ist auf Höhenflügen des Zuspruchs (mit meinen Zwangsgebühren kernig gepampert) und stellt die nächste Kanzlerin. Märchenerzählern wurde schon immer gerne zugehört.
Aber nicht verzagen, Hochmut kommt vor dem Fall. Lassen wir uns überraschen.

horrex
2 Jahre her

Glauben sie tatsächlich, dass nach der Wahl die konservativen Kräfte in der CDU an Boden gewinnen werden? (Sei es in RRG oder GrünSchwarz oder SchwarzGrün?) Nur weil Maaßen in Th das BTs-Mandat ergattert hat? (Schauen sie sich mal die Kräfteverhältnisse in Th. an.) – Wenn ich mir anschaue wie geradezu fanatisch von so Vielen an die „Regierung“ bzw. daran, dass all das was die Regierung tut Sinn macht glaubt, glaube ich tznehmend bimmer weiniger dass sich unter der neuer Regierung irgendetwas ändert. Wenigstens NICHT zum Besseren! – „Die Leute“, die Mehrzahl, müssen erst knallhart am Portemonnaie/im Alltag spüren welchen Wahnsinn… Mehr

Biskaborn
2 Jahre her

Hochinteressanter Bericht. Zum wiederholten mal lesen wir über dieses Thema. Immer wieder spannend. Ich befürchte aber, das lesen vielleicht ein Prozent dieser im Tiefschlaf befindlichen Bevölkerung. 99% sagen was interessiert mich das, vielleicht wenn überhaupt interessieren noch privaten die Stromkosten. Ansonsten, wir habe doch eine stabile Versorgung also so schlimm wird es nicht kommen. Wenn ich das Thema anspreche, ernte ich totale Ungläubigkeit, allenfalls Erstaunen, aber Glauben an kommende Probleme schenkt mir niemand. Allenfalls wird die Frage gestellt, warum liest Du so etwas?

Jerry
2 Jahre her

Ich habe schon vor zwei Jahren vorgesorgt, mein Haus ist autonom. Im Sommer mehr im Winter etwas weniger, aber immer noch besser als gar nix. Aktuell werde ich noch als Spinner abgestempelt, ich freue mich aber auf den Tag der Wahrheit. Die Wahlen im Herbst werden nochmal einen Boost in Richtung Blackout geben 🙂