Kernkraftwerke: Kommt der Ausstieg vom Ausstieg?

Der Branchenverband der Atomwirtschaft fordert eine Verlängerung der Laufzeiten. Doch in Deutschland mangelt es an politischem Willen, und die Betreiber profitieren vom Geschäft mit der Energiewende. Den Schaden zahlt der Bürger.

IMAGO / Sven Simon

Ein besseres Symbolbild kann es nicht geben: die Sprengung des Kernkraftwerkes Philippsburg. Kaum war der letzte Block des voll funktionstüchtigen Kraftwerkes stillgelegt, ließ der rot-grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, die Kühltürme sprengen, damit rasch Tatsachen geschaffen werden. Es konnte ihm mit dem Ausstieg offenbar gar nicht schnell genug gehen.

Ein sichtbares Zeichen einer Ideologie, bei der Milliardenwerte vernichtet werden, ohne dass es jemand Verantwortlichen sonderlich gestört hat. Kretschmann ist dafür verantwortlich, dass aus dem ehemaligen Stromexportland Baden-Württemberg ein Land geworden ist, das heute ein Drittel seines Stromes importieren muss.

Bei den Anhängern der Energiewende macht sich Panik breit

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Mit dem Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich bei Koblenz zerstörte Rheinland-Pfalz ein weiteres fast neues Kernkraftwerk – das keine nennenswerte Leistung geliefert hat. Grün-rote Ideologie in einem Bundesland, das nicht in der Lage ist, seine Menschen zuverlässig vor Naturkatastrophen zu warnen. Genauso verantwortungslos wurde die Energieversorgung eines ganzen Landes in Schutt und Asche gelegt. Ein bisher einmaliges Experiment.

Doch überholt jetzt die Realität grün-rotes Wunschdenken? Energie wird knapp und immer teurer, Unternehmen schließen und wandern ab. Energiekosten spielen eine zentrale Rolle in der Kalkulation. Die Energieversorgung hängt jetzt von einer Pipeline aus Russland ab, und das ist durch den Angriffskrieg auf die Ukraine zu einem Lieferanten geworden, mit dem man nicht mehr zusammenarbeiten will. Panik ist bei Rot-Grün zu verspüren.

Habecks Erwachen, seine Verbeugungen und Bitten in Katar helfen nichts – das kleine Land im Persischen Golf ist ausgebucht und kann frühestens ab 2025 mehr flüssiges Erdgas liefern. Schon bizarr anzusehen, seine Verzweiflung zu fordern, bis Herbst müssten die Erdgasspeicher zu 90 Prozent gefüllt sein. Es helfen kein »Mit-dem-Fuß-auf-den-Boden-stampfen«, keine Gesetze: Wenn kein Erdgas da ist und nicht einmal die Frage geklärt ist, wer für die je nach Gaspreis 70 bis 100 Milliarden Euro aufkommt, die »einmal Vollmachen, bitte« kostet, dann gibt es nichts.

Verband richtet Brandbrief an Scholz: längere Laufzeiten für Kernkraftwerke

Der äußere Druck macht immer deutlicher, dass Spielereien an der Energieversorgung lebensgefährlich sind. Bisher attackieren Umwelt-NGOs ohne demokratisches Mandat das, was ein Staat bieten muss: sichere und bezahlbare Energieversorgung, sichere Versorgung mit Lebensmitteln und Schutz – im Gegenzug zu dem Schritt des Bürgers, der seine Waffen niedergelegt hat. Dieser Deal geht immer weniger auf.

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Es scheint Bewegung in die Frage nach der Kernkraft zu kommen. Jetzt schickt »Kerntechnik Deutschland e.V.«, der Branchenverband der Atomwirtschaft, Kanzler Scholz einen Brandbrief und fordert ihn auf, die Laufzeiten der letzten drei Kernkraftwerke in Deutschland zu verlängern. Angesichts der aktuellen „Notsituation“, in der schnellstmöglich russische Energielieferungen ersetzt werden müssten, gelte es sofort, Schritte einzuleiten, um die Versorgungssicherheit sicherzustellen, heißt es in dem Schreiben.

»Um in einer weiter eskalierenden Situation als Folge des Krieges um die Ukraine, die zu Lücken in der Stromversorgung durchaus noch dieses Jahr, ungünstigstenfalls im kommenden Winter 2022/2023, führen kann, gewappnet zu sein, müssen alle verfügbaren Energiequellen genutzt werden. Bei der Stromversorgung sind dies auch zweifelsohne deutsche Kernkraftwerke, die mit ihrer Verfügbarkeit rund um die Uhr, zudem dabei auch klimaschonend, nicht nur das Stromnetz im Notfall stabilisieren, sondern auch mit ihrer Erzeugung einen nicht unerheblichen Teil des Grundlastbedarfs decken können.«

Doch der Zug scheint abgefahren. Von ehemals 19 Kernkraftwerken, die Deutschland mit Strom versorgten, sind nur noch drei in Betrieb. Diese liefern noch 11 Prozent des Stroms, kontinuierlich, preiswert und zuverlässig – und sollen gegen Ende des Jahres abgeschaltet werden. Woher die Strommengen dann zuverlässig und preiswert kommen sollen, hat die Ampel bisher nicht beantworten können.

Die Energieversorger haben sich an ihre subventionierten Windparks gewöhnt

Aus den Reihen der Energieversorger hört man, dass es grundsätzlich möglich sei, die drei letzten Atomreaktoren weiterlaufen zu lassen. Zuletzt hat E.ON noch bekundet, dass ein Weiterbetrieb möglich wäre, wenn die Politik dies wolle. Es ist eine Frage des Geldes. Nur der Oberopportunist von der CSU, Markus Söder, scheint so langsam zu merken, dass sich der Wind dreht.

Allzu verständlich der Horror der Energieversorger, das Thema öffentlich anzufassen. Zu viel Geld, Nerven und Zeit haben die Schlachten um die Kernkraftwerke gekostet. Jetzt verdienen sie ihr gutes Geld mit hoch subventionierten Windradparks. Gleich, ob die Strom liefern oder nicht, wie unsinnig der ist – eine sichere Einkommensquelle. Einem betriebswirtschaftlichen Grundsätzen verpflichteten Unternehmen kann es erst einmal egal sein, woher das Geld kommt, das es verdient. Doch entgeht ihnen nicht, dass dieses Geschäftsmodell befristet ist, wenn der Zug mit Volldampf an die Wand gefahren ist. Doch es besteht Gesprächsbereitschaft bei den Energieversorgern.

Auch EnBW in Baden-Württemberg sagt, dass Kernkraftwerke weiterlaufen können. EnBW betreibt mit Neckarwestheim 2 das letzte Kernkraftwerk in Baden-Württemberg. Die technischen Voraussetzungen seien gegeben, betonte Vorstandsvorsitzender Frank Mastiaux. Das Kernkraftwerk sei ein sehr, sehr sicheres Kraftwerk. Das rot-grüne Bundesumweltministerium setzte die Behauptung in die Welt, dass ein Weiterbetrieb aus Sicherheitsgründen nicht zu empfehlen sei.

Der politische Wille fehlt

Brennstäbe bekommt man zwar nicht im Supermarkt um die Ecke, sie müssen bestellt werden. Doch das ist grundsätzlich machbar, dauert eine Weile, fehlende Genehmigungen könnten nachgeholt werden. Wobei Kernkraftexperte Manfred Haferburg in seiner Einschätzung recht hat, dass dies lange dauert. Der Realist hat eben schon zahlreiche Aktenordner mit Dokumentationen lesen müssen. Nicht alle sind unsinniger Papierkram, sondern betreffen wesentliche Sicherheitsfragen.

Ein Kernkraftwerk ist keine Kaffeemaschine, die man einfach ein- oder ausschalten kann. Das ist viel komplizierter als in den durchideologisierten Kopf einer Grüne-Jugend-Vorsitzenden dringen will.

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Kernkraftwerke könnten zudem, wie Kerntechnik Deutschland hinweist, »mittels eines sogenannten Streckbetriebs sowie gegebenfalls brennstoffsparender Fahrweise in diesem Sommer dann mindestens bis nächstes Frühjahr problemlos weiterbetrieben werden. Falls gewünscht, können sie durch Nachladung mit neuen Brennelementen auch durchaus noch weitere Jahre zur Sicherheit der deutschen sowie europäischen Stromversorgung beitragen und dabei gleichzeitig die Abhängigkeit von Einfuhren fossiler Energieträger reduzieren. Diese Maßnahme könnte sofort beschlossen und kurzfristig umgesetzt werden. Anders als beispielsweise die derzeit angedachten neuen Flüssiggasterminals oder auch Zubauten an Erneuerbaren Energien mit damit verbundenem Netzausbau.«

Doch der politische Wille fehlt eindeutig. Auch Habeck ließ sein Wirtschaftsministerium vor einiger Zeit schon erklären, dass Kernkraftwerke zu unsicher seien – ohne allerdings die Sicherheitsexperten befragt zu haben.

Wer sich auf Windkraft verlässt, ist verlassen

Das Zerstörungswerk der Grünen und Roten (auch der ihnen aktiv Zuarbeitenden in der CDU) ist gründlich gelungen. Ehemals blühende Forschungslandschaften wie die im Kernforschungszentrum Karlsruhe oder Jülich sind zerstört worden. Mit viel Geld hochgepäppelt wurden dagegen »Forschungsinstitute«, die feststellen sollten, wie viel Himmel im Jahrmarkt der »Erneuerbaren« steckt. Die erzählen, dass Wind und Sonne ausreichen, ein Land mit Energie zu versorgen. Sie verdienen viel Geld mit Forschungsaufträgen, die zeigen sollen, wie eine »Wasserstoffwirtschaft« klappt. Man müsse die Anstrengungen nur vervielfachen. Die vergangenen Wochen zeigen es allerdings drastisch: kein Wind – kein Strom aus den Windrädern. Wer sich auf Windkraft und die Energiewendepäpste verlässt, ist verlassen.

Vielleicht muss Habeck demnächst noch eine noch tiefere Verbeugung hinlegen. Allerdings nicht vor seinen Gefolgsleuten, sondern vor der Mehrheit jener Bürger, die die massiven Schäden bezahlen müssen, die bereits in der Infrastruktur und Industrielandschaft angerichtet wurden – durch pure Ideologie.

Bisher hat noch immer am Ende die Realität über den Glauben gesiegt.

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Kommentare ( 87 )

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Lotus
2 Jahre her

Gestern Großkampftag von FfF in mehreren dt. Städten. Forderung: Ausstieg aus Atom- und Braunkohle-Energie, Stopp von Gas-, Öl- und Kohleimporten aus Russland. Alles selbstredend sofort!

Für Habeck wird die Zange, in der er sich befindet, immer unangenehmer. So hat er sich das Minister-Dasein vermutlich nicht vorgestellt. Der internationale Druck auf Deutschland bzgl. Russland-Sanktionen steigt ebenfalls kontinuierlich. Es wird allmählich kritisch, und das sind Merkels Taten, die ihre Wirkung entfalten. Merkel wird vom gesamten Mainstream bis heute gefeiert.

alter weisser Mann
2 Jahre her

Jetzt schreiben die Herrschaften also Brandbriefe … vielleicht hätte man zu der Abschaltung von Philippsburg (2019) und Mühlheim-Kärlich (war wegen Genehmigungsgezerre nicht sonderlich in Betrieb, 2001 stillgelegt) mal gleich die Jahreszahlen schreiben sollen, um zu zeigen, dass da selbst von der Kernkraftindustrie niemand sonderlich Eile hatte, sich der Politik zu widersetzen.

Mampfred
2 Jahre her

„Der Deutsche“ will halt GLAUBEN. Und so hat er diesen ganzen Weltverbesserungs-Kumbayah-Spinnern geglaubt.
Nun muss er halt dran glauben – dummerweise wir alle mit. Ich danke recht schön.

Carl51
2 Jahre her

Nach Fukushima war ich kurz vor der Landtagswahl in BW im organisierten Bus nach Ludwigsburg gefahren und habe mich in die Menschenkette entlang der Bundesstraße eingereiht und skandiert: „abschalten! Abschalten!“. Und wie moralisch hochstehend und politisch vorausblickend durfte ich mich da fühlen! Schön, dass auch das Wetter mitspielte! Jetzt, einige Jahre später, verbringe ich viele Stunden meiner mir noch verbleibenden Lebenszeit nicht mehr vor dem Fernsehgerät, sondern mit der alternativen Berichterstattung im Internet. „Habe Mut, Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen“, heißt auch, dem Urteilsvermögen des eigenen Verstandes die notwendigen Kenntnisse zum Urteil beizubringen: viel Arbeit, viel Zeitaufwand, viel Rückzug… Mehr

DerVoluntaer
2 Jahre her

„Ein sichtbares Zeichen einer Ideologie, bei der Milliardenwerte vernichtet werden, ohne dass es jemand Verantwortlichen sonderlich gestört hat.“

Und die Welt schaut staunend zu, bei solch einer Narretei !
Ich werde niemals die ungläubigen Gesichter einer Theatergruppe aus Uganda vergessen, als ich Ihnen davon erzählt habe, dass hier in Deutschland funktionierende und teils hochmoderne Kraftwerke abgerissen werden um dafür Windmühlen zu bauen, die sich tagelang nicht drehen.

Das fanden die voll crazy und lunatic, bzw. unfassbar.

J. Werner
2 Jahre her

Deutschland havariert gerade, was einzigartig in der Welt ist, durch seine extreme Technikfeindlichkeit und Sucht nach romantischen Bezügen. Dazu gehört die Liebe zu Wind und Sonne, die alles „kostenlos und gesund“ mit Strom versorgen, der immerwährend aus Steckdosen allzeitbereit herausfließt, dazu gehören auch die Kobolde, die geduldig und emsig die Räder der Automobile surren lassen- und die freundlichen Russen, die gerne für wenige Rubel Gas aus ihrem Riesenreich liefern, ob es regnet, schneit oder irgendwo in der hinteren Türkei rummst. Und war nicht der Zar bereits der beste Verbündete des alten Preußen? Und singt nicht noch heute ein ehemaliger Hamburger… Mehr

Gert Friederichs
2 Jahre her

Vergessen wir nicht das Zerstörungswerk des IPPC. Deren Monsterabhandlungen schaut sich eh keiner an. An die Öffentlichkeit kommt nur der Kaffeesatz, der von der Politikerkaste fast aller Länder abgesegnet wurde. Darin sind alle möglichen Katastrophen fein säuberlich, komprimiert und verständlich drin!

Dr_Dolittle
2 Jahre her

Warum stellt man den restlichen Atomstrom nicht einfach denen zur Verfügung die ihn haben wollen? Die anderen können ja bei 15° auf die nächste Windböe warten. Und nicht nur Freitags hopsen. In einem zweiten Schritt müßte man allen die die Schwefelpartei buchstabieren können die steuern erlassen – denn der gute Staat kann doch von denen kein Geld annehmen! In einem dritten Schritt würde man eventuelle Imffolgen aus den Ruhestandsrücklagen derer begleichen, die die Impfkampagne befürwortet haben. Wenn die Entscheider und Verantwortlichen genügend „Teilhabe“ an den Folgen haben wird es sich schon richten. Konsequenzlosigkeit politischen Handelns führt uns nur tiefer ins… Mehr

Or
2 Jahre her

Kleine Korrektur.

Ein von den Deutschen „vollständig entvölkerten Deutschland“.

Or
2 Jahre her

Was wäre das für ein Treppenwitz der Geschichte, wenn Schwarz die AKWs abschaltet und Grün die weiterlaufen lassen würde/müsste.

GP
2 Jahre her
Antworten an  Or

Die politische Landschaft erinnert an den Song „A Whiter Shade of Pale „, als „A other Shade of green“… Alle (ausser die Partei deren Namen man nicht nennen darf…) überboten sich in grüner Politik. Es spielt keine Rolle wer gerade regiert wenn das Licht ausgeht, Schuld sind alle….

Paul Brusselmans
2 Jahre her
Antworten an  GP

Sie haben den Film „50 shades of green“ vergessen. Es lebe der politische Sado-Masochismus. Ein Dominastudio mit ADM, AKK, UvdL, Roth, ohne AKW…
„Hit me with you rhythm stick, hit me…“

Last edited 2 Jahre her by Paul Brusselmans