Höchste Zeit für die CDU: ab in die Opposition!

Die Merkel-Union ist politisch bankrott. Wenn die CDU nicht langsam vergehen will, muss sie nicht nur formal, sondern auch emotional in die Opposition. Dort fände sie vielleicht neues Leben.

imago images / Dirk Sattler

Drei Dinge, sagt Markus Söder am Morgen nach dem für die Union desaströsen Wahlabend, müssten jetzt getan werden: „Fehler abstellen“, ein „neuer Aufbruch“ und „inhaltlich breiter aufstellen“. Die Leere, die diese Phrasen auf dem Niveau eines konzeptionslosen Fußballtrainers eines Zweitligavereins offenbaren, ist die Leere der Unionsparteien im Jahre 2021. Nicht die Korruption von zwei Bundestagsabgeordneten und nicht einmal das zweifellos himmelschreiende Corona-Missmanagement ist das eigentliche Problem der Unionsparteien, sondern das politische Vakuum, das Söder und andere führende Unionspolitiker erzeugen. 

Das Corona-Desaster, das nun am Tag nach den Wahlen mit dem Stop für den AstraZeneca-Impfstoff einen neuen Höhepunkt erreicht, verdeckt nur den zentralen, langfristigen Grund für das CDU-Debakel: Der Wähler wählt sie nicht mehr, weil er nicht mehr weiß, wofür die Partei eigentlich steht. Wenn die Wahlergebnisse von gestern und die gesamte, langfristige Entwicklung der CDU in ihren einstigen Hochburgen Rheinland-Pfalz (Kohls Heimat!) und vor allem Baden-Württemberg eines belegen, so ist es die desaströse Wirkung der vermeintlichen Modernisierung: Sie war keine Neubelebung, kein Kraftgewinn, sondern ein Prozess der Auszehrung. Man hat von der Substanz gelebt. Und die ist jetzt verbraucht.

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Aber Söder sagt noch mehr als diese drei grotesken Phrasen. „Winfried Kretschmann und ich“, sagt er, hätten ja dieselbe Corona-Strategie gehabt. Die sei also nicht abgestraft worden. „Skepsis“ gebe es nur gegen das Management. Der Unions-Mann, der Kanzler werden möchte, zieht also die Rechtfertigung für sich selbst aus dem Sieg eines Grünen. Wer jahrelang den eigenen Wählern vermittelt, dass „grün“ ein anderes Wort für gut und zukunftsträchtig ist, muss sich nicht wundern, wenn spätestens die Kinder und Enkel der einstigen Stammwähler lieber das Original statt der Nachahmer wählen. Wobei der Anteil der früheren CDU-Wähler, die gar nicht mehr wählen, noch größer ist. Die imaginäre Partei der Nichtwähler ist die eigentliche „Gewinnerin“ der beiden Landtagswahlen.  

Deutlicher als es Söder hier tat, kann ein Spitzenpolitiker der Union – zwischen CDU und CSU muss man in der spätmerkelsch-söderischen Ära eigentlich nicht mehr unterscheiden – nicht machen, wie es um seinen Wahlverein bestellt ist: Es ist eine Machtmaschine, die das umzusetzen bereit und willens ist, was andere (meist die Grünen) ausgeheckt haben. Söder sagte weiter, die Landtagswahlen seien „ein schwerer Schlag in das Herz der Union“. Tatsächlich aber hat die Union kein Herz mehr. Zumindest keines, das noch Blut in den Berliner Wasserkopf pumpt.

Die beiden Schwesterparteien sind politisch bankrott. Das Kapital, dass sie noch haben, ist längst zusammengeschmolzen auf zwei kärgliche Restposten: einerseits das Handwerkszeug der Machtausübung und -erhaltung in den Händen ihrer Führungskader, sowie andererseits die Gewohnheit eines immer noch nicht ganz unbedeutenden, aber stetig schmelzenden Teils der Bevölkerung, sie zu wählen, weil man das eben immer so getan hat und irgendwie immer noch glauben will, dass die Union seit 1949 dazu berufen ist, dieses Land anständig zu regieren. 

Das eigentliche Kapital der Partei, nämlich die politischen Positionen und Interessen, ist aber weg. Angela Merkel und ihre Machtgenossen haben es in zwei Jahrzehnten fertig gebracht, es zu verscherbeln, um sich dafür kurzfristig Macht zu kaufen. Diesen Prozess nannten diejenigen, die an ihm beteiligt waren, verschleiernd „asymmetrische Demobilisierung“ oder auch euphemistisch „Modernisierung“. Es war ein Raubbau an der politischen Substanz der eigenen Organisation. 

Ein TE-Leser, der sich „Tesla“ nennt, hat das treffend zusammengefasst: „Die CDU ist unter Merkel regierungsunfähig geworden. Nicht zuletzt, weil auch Merkel selbst regierungsunfähig ist. Merkel kann herrschen, aber nicht regieren. Letzteres konnte sie nie, und wird es auch nie können. Auch die Union herrscht nur noch, aber regiert schon lange nicht mehr.“

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Natürlich war das nicht allein Angela Merkels Werk, es begann auch schon lange vor ihr. Aber als parteifremde Seiteneinsteigern ohne jegliche Bindung, ohne jeglichen persönlichen Bezug zu diesem politischen Kapital war Merkel die perfekte Anwenderin dieser Machtmethodik. Man könnte diese Methode als parteipolitische Analogie zur Geschäftstatktik von Finanzinvestoren verstehen, die ein darbendes Unternehmen günstig übernehmen, um seine Substanz abzusaugen und dann einen wettbewerbsunfähigen Rest hinterlassen, der nur noch abgewickelt werden kann. 

Und auch was vermutlich viele Anhänger des merkelschen Kurses als Gewinn der vermeintlichen „Modernisierung“ verbuchen wollen – nämlich die Sympathie der Medien – entpuppt sich jetzt als Illusion. Bei erstbester Gelegenheit, konkret: als CDU-Abgeordnete sich unmoralisch bereicherten, fielen sie nach altem Muster über sie her. SPD-Politiker wie Finanzminister Olaf Scholz und der Frankfurter Oberbürgermeister Feldmann können dagegen trotz Wirecard-Affäre und AWO-Korruptionssumpf ebenso mit journalistischer Nachsicht rechnen wie die Obergrünen Annalena Baerbock und Robert Habeck für ihre unzählbaren, peinlichen Inkompetenz-Offenbarungen.  

Rette sich wer kann – in die Opposition!

Wenn die CDU nicht in absehbarer Zeit als Anachronismus, als Popanz der Grünen und Linken enden will, dann bleibt jetzt nur eins übrig: eine Grundsanierung in der Opposition. Die Opposition bietet zwei Chancen, die miteinander zusammenhängen: Austausch des Führungspersonals und Wiederentdeckung eigener politischer Positionen anhand der Kritik an den Regierenden. Ein grüner Kanzler und rote und vielleicht sogar dunkelrote Minister werden ausreichend Gründe für Kritik an den „herrschenden Verhältnissen“ und den Entwurf eigener, explizit nicht-grüner und nicht-linker Alternativen bieten, aus der sich eine erneuerte Programmatik entwicklen kann.

Wenn Armin Laschet klug ist und politischen Weitblick ebenso wie Verantwortungsbewusstsein für seine Partei und Deutschland besitzt, dann wird er sich auf eine neue, nicht nur für die Union ungewohnte Rolle einlassen: nicht Kanzlerschaft um jeden Preis, sondern Opposition.

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Die CDU gehört da längst hin, denn es entspricht der politischen Wirklichkeit in Deutschland. Schon lange gibt hierzulande ein Establishment den Ton an, das gegen all das steht, was die „Deutschland-Partei“ CDU einmal verkörperte. Eigentlich regiert die CDU ja schon lange nicht mehr, sie stellt nur mit der Seiteneinsteigerin Merkel und ihren Helfern die Machthaber, die das politische Programm des Gegners umsetzen und ihn anschwärmen.

Der Verlust des Kanzleramts ist das Beste, was der Partei passieren kann. Aber natürlich kann das Projekt der Revitalisierung durch Kritik am neuen grünen Establishment nur glaubwürdig sein, wenn die führenden Oppositionspolitiker von morgen unbelastet sind. Einen Peter Altmaier oder Helge Braun kann man in der Opposition gegen einen grünen Bundeskanzler Robert Habeck ebensowenig gebrauchen wie eine Annette Widmann-Mauz.

Wenn Armin Laschet klug ist und politischen Weitblick ebenso wie Verantwortungsbewusstsein für seine Partei und Deutschland besitzt, wird er sich deswegen nicht um die bisherigen Spitzenkader der Merkel-Union kümmern. Im Gegenteil sollte er sich schon vor den Wahlen immer deutlicher von Merkel und den „Parteifreunden“ ihrer Entourage absetzen, nicht brüsk, aber doch entschieden, wie er es in der Corona-Politik schon ansatzweise getan hat. Kümmern muss er sich dagegen um die Basis und um junge Nachwuchs-Leute, die durch die Merkel-Ära möglichst wenig belastet sind. Die CDU wird sich aus der Tiefe der Parteibasis heraus erneuern müssen.

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Kommentare ( 141 )

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HPM
3 Jahre her

Daß Hr. Laschet den Mut für eine Erneuerung der CDU aufbringt, gegen das jetzige Parteiestablishment, können wohl nur realitätsferne Optimisten nach dem 10. Glas Kölsch glauben.

Kalmus
3 Jahre her

Merkel hat ihre Zeit genutzt, ein paar ganz wesentliche, unumkehrbare Entscheidungen durchzusetzen und die konservativen Kräfte zu schwächen. Es hat den Anschein, als ob sie aufs Pferd gehievt wurde, allein deswegen. Niemand weiß so richtig, wie das passieren konnte. Der größte Coup der Stasi war der Sturz Willy Brandts nach der Guillaume-Affäre. War es wirklich der größte? Die Stasi hatte den Plan B für danach, und hunderttausend Stasi-Mitarbeiter sind irgendwo untergekommen. Dazu muß man diejenigen im Westen zählen, die in den verschlossenen Rosenholz-Dateien „ruhen“. Ein Irrsinn ist auch die Intendanz beim MDR. Frau Wille, geb. Lorenz, hat dort den Vorsitz.… Mehr

Gerhard Borgmann
3 Jahre her

die morsche CDU sehr gut dargestellt, Herr Knauß.
Ich hoffe, dass die CDU nur ein kleines Stück von ihrem jetzigen
I r r w e g abweicht. Ich denke aber, dass die Partei erledigt ist.

Ali
3 Jahre her

Volle Zustimmung, nur der Schritt in die Opposition wäre heilsam.   Dies wird aber nicht passieren. Seit der zwei Legislaturperioden werden wir doch eigentlich „sozialdemokratisch“, -so nennt die heutige kommunistische SPD ja Ihren akuten politischen Sozialismus- regiert.   SED-Merkel hat jede Forderung des Junior-Partners SPD stets umgesetzt. Inklusive Übergabe des Ressorts des Finanzministeriums an die SPD. Egal um was es ging, die moderne Gendes-KPD musste stets nur drohen „die Koalition“ aufzukündigen“ und schon kuschte Merkel und ihre Kita namens CDU.   Man kann sich vorstellen das genau dies ab September mit den Grünen passieren wird. Die CDU ist personell zwischenzeitlich… Mehr

Sani58
3 Jahre her

Wenn so weiter gewählt wird, vor allem westelbisch, wird es so kommen. #Ampel, oder #GrünRotRot. Hätte sich C nicht von einer Kommunistin vereinnahmen lassen, hätten viele Mitglieder diese Agenda nicht übernommen und noch mehr CDUler mehr Mut gehabt, als für 10 Minuten klatschen nötig ist, hätten die sich objektiv mit dem AfD-Programm auseinandersetzen können, – viele Gemeinsamkeiten gefunden und in einer Koalition die viel kleinere AfD einhegen können. Es gäbe eine solide konservative Mehrheit für ein sozialen Kapitalismus in demokratischer Form. Wobei die AfD der Wächter über die CDU zur Einhaltung der Verfassung wäre. Und so vielleicht auch irgendwann Volksbefragungen/Entscheidungen… Mehr

Last edited 3 Jahre her by Sani58
holuschi
3 Jahre her

Eine Erneuerung der CDU/CSU durch Opposition? Auf die rot-grüne Koalition Schröders folgte der schlimmste Bundeskanzler seit 45. Und auch in den Bundesländern hat das CDU „Spitzen“(lach)Personal abgebaut. Beispiel: Ba-Wü: Öttinger- Mappus – Wolf – Eisenmann. Bevor die in die Opposition gehen, gibt es die Koalition als Juniorpartner auch im Bund.

Hariglo
3 Jahre her

Das gilt jedenfalls, solange das Mantra von der AfD als Partei der Unberührbaren gilt. Denn dann sind Mehrheiten für die CDU nur gmeinsam mit linken Parteien möglich. Fundamentalkritk an diesen ist also ausgeschlossen. Dieses Mantra hat die Union im Übrigen selbst eifrig genährt. Wird also schwierig für sie, da wieder runterzukommen.

Casta Diva
3 Jahre her

Da habe ich doch tatsächlich zuerst gelesen „als parteifremde Seiteneinsteigerin ohne Bildung“ und dachte beim nochmaligen Überlesen „Der Ferdinand Knauss traut sich was!“. Darüber hinaus: Guter Artikel. Und ja, die CDU gehört auf die Oppositionsbank. Obwohl ich diese Partei NIEMALS mehr wählen werde! Vier Jahre Rot-Grün wird das Land mit Schaden verkraften. Doch vielleicht lernen die meisten Deutschen ja nur durch Schmerzen? Abgesehen davon bin ich der festen Überzeugung, dass das, was sich schon lange abzeichnet, vom Wähler genau so gewollt ist. Es ist davon auszugehen, dass so mancher Rot-Grüne „Zivi“ dem Alten im Pflegeheim die Hand geführt. Und falsches… Mehr

Old-Man
3 Jahre her

Ihr Wort in Gottes Ohr Herr Knauss, aber wird Armin Laschet so handeln?, Ich glaube ehr nicht, ist er doch eigentlich auch ein „Merkelaner“, wenn auch im „Abklingbecken“, aber die absolute Kehrtwende kommen würde, wohl kaum würden sehr viele CDU/CSU wählen, denn die würden gar nicht verstehen was da vorgeht, sondern den „Verräter“ an „Mutti“ mit Nichtwahl bestrafen, denn strategisches Denken ist nicht deren Sache, dazu sind sie in den vielen Merkeljahren einfach zu abgestumpft geworden. Die andere Sache wäre aber auch zu bedenken, denn so wie die alte Regierung das Land an die, sagen wir es einmal freundlich „Untauglichen“… Mehr

Yolanda Kalt
3 Jahre her

Dummschwätzer Söder ist das größte Problem der Union.
Wendehals Söder steht für nichts, der Populist Nr. 1 in Deutschland.