Urs Schoettli ist am 25. Oktober gestorben. Wir waren uns immer einig, in der Politik darfst du alles, nur eines nicht: Anhänger eines Politikers sein. So haben wir es gehalten. Farewell, guter Freund.
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Das erste Mal traf ich Urs 1968 als Generalsekretär der Liberalen Internationale in London – im National Liberal Club, White Hall Place 1. Das Viktorianische Gebäude war in die Jahre gekommen, strahlte aber gerade deshalb Geschichte aus. Heute erstrahlt es in neuem Glanze für Hochzeiten und andere festliche Ereignisse.
Urs ging mit mir zu Simpson’s-in-the-Strand, dem Traditions-Restaurant seit den 1850ern, in dem 1968 die Cocktail-Bar im Erdgeschoss nach wie vor nur für Männer da war, aber in den Dining Room im ersten Stock durften neuerdings auch Frauen. Dort lernte ich Urs‘ Frau, die Inderin Sushma kennen, die ihm in Witz und Verstand in nichts nachstand. Es war so wie immer, das erste Mal wird man Freund oder nie.
Die meiste Zeit seines Lebens schrieb Urs Schoettli für die NZZ von Bern bis Tokio, wo er viele Jahre lebte. Der Vorarlberger Schweizer Gerhard Schwarz widmete ihm in der NZZ diese Worte: »Der Mann war eine Wucht. Er liebte es, zu provozieren, zumal im kleinen Kreis. Was euphemistisch „politische Korrektheit“ heisst, war Urs Schoettli ein Greuel. Auch in seinen Artikeln, Büchern und vor allem den Referaten wählte er Klartext, wenn er glaubte, diesen dem Publikum zumuten zu können. Dabei neigte er zu düsteren, leider manchmal zutreffenden Perspektiven. So klagte er vor zehn Jahren: „Europa versinkt in der Bedeutungslosigkeit, Deutschland ist marginalisiert, der Liberalismus dämmert auf dem Siechenbett dahin.“»
Von 1990 bis 1995 waren wir Kollegen in der Friedrich-Naumann-Stiftung, er Iberien-Repräsentant in Madrid. Das letzte Mal sahen wir uns in Mexico 1994, als wir den im selben Jahr ermordeten Präsidentschaftskandidaten der PRI, Luis Donaldo Colosio, besuchten. Die letzten Jahrzehnte war er von Wokistan auf beiden Seiten des Atlantiks in Tokio weit genug entfernt, um dem hiesigen Zensurnetz zu entgehen.
1992 schrieben Schoettli und ich zusammen mit einer Handvoll Anderer das radikalliberale Manifest Bürger Zur Freiheit, das in der Zeitschrift liberal der Naumann-Stiftung erschien, die es heute schamvoll versteckt (die damaligen negativen Rezensionen von Spiegel und Zeit finden sich im Netz, die positive von Volker Zastrow in der FAZ nicht).
Urs und ich waren uns immer einig, in der Politik darfst du alles, nur eines nicht: Anhänger eines Politikers sein. So haben wir es gehalten. Farewell guter Freund.


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Schöner, prägnanter Nachruf. Nicht jemandes Anhänger (Anhang) zu sein, ist das nicht Liberalität „in a nutshell“?
Ist ein schwerer Schlag, wenn man einen guten Freund verliert. Lassen Sie sich nicht entmutigen.
Toll, da lobhudeleien sich welche, die nichts bewirkt haben, keiner kennt und nie öffentlich für Freiheit und Demokratie wirksam eingetreten sind.
Bleibt beim Feiern weiterhin in eurer Blase. Das ist einfach ehrlicher.
!968 machten meine Eltern mit mir und meinen Geschwistern das erste mal Urlaub auf dem Bauernhof.
Einen Simpson’s-in-the-Strand gab es da nicht, sondern nur den örtlichen Gasthof. Aber wir hatten auch Glück, denn da sprach man Deutsch 😉