Der Spiegel Nr. 33 – Welt ohne Wasser

Wieder mal ein Titel ohne Substanz. Wasser ist genug da, es ist halt nur falsch verteilt. Und die Probleme in Kalifornien sind jedem Kinogänger seit Polanskis 1974 gedrehtem Thriller „China Town“ mit Jack Nicholson und Faye Dunaway bekannt. Darüber hinaus bietet die Titelgeschichte außer vagen Andeutungen auf allwissende Bankanalysten wenig Neues.

Dennoch ist der Spiegel in dieser Woche lesbar, und zwar wegen seiner brillanten Interviews, bei denen die Redakteure auf Augenhöhe sind und intelligent nachfragen.
Da ist das Interview von Thomas Hüetlin und Christoph Scheuermann mit Londons Bürgermeister und Churchill-Biographen Boris Johnson über Entschlossenheit, politische Überzeugung, Europa, aber auch über Narzissmus, Sex und Alkohol. In „Windmühlen sind eher lästig‘“ zieht SPD-Ministerpräsident Torsten Albig eine überraschend positive Zwischenbilanz zu dem, was in der Energiewende bereits erreicht wurde, was von Gerald Traufetter und Horand Knaup im Gespräch gebührend hinterfragt wird.

Ein weiteres Highlight ist das Interview „Billig ist nicht gleich böse“ mit Primark-Nordeuropa-Chef Wolfgang Krogmann, in dem Alexander Kühn den glatten Textilhändler immer wieder. Den Höhepunkt bildet für mich das Interview von Matthias Schulz mit dem Teilchenphysiker Frank Wilczek „Die Welt ist ein Kunstwerk“. Ein tiefgehendes Gespräch auf Augenhöhe.

Habe ich in den letzten beiden Ausgaben die Flüchtlingsserie als zu oberflächlich gescholten, so entschädigt in der aktuellen Ausgabe die Reportage „Ein Boot für die Welt“ von Juliane von Mittelstaedt und Christian Werner über die Rettungsaktionen von Ärzte ohne Grenzen im Mittelmeer. Überragend das bescheidene Selbstverständnis der Akteure.

Es sind in dieser Ausgabe die „bunten“ Geschichten, die das Lesen kurzweilig machen: „Feuer frei‘‘ ist eine amüsante Alltagskatastrophe tief aus der Provinz. In Stadtlohn gelang es beim Schützenfest niemandem, den Vogel abzuschießen. Jetzt sind sie alle Könige, die Schützen und die Bürger, so die weise Entscheidung des Klubpräsidenten.

„Der Regelbrecher“ von Jörg Kramer über den Intellektuellen auf dem Trainerstuhl von Borussia Dortmund, Thomas Tuchel, ist analytisch sehr interessant.
„In der Komfortzone“ berichtet über die neue Freiheit und die Pläne des chinesischen Aktionskünstlers Ai Weiwei, der nach vier Jahren Haft, Überwachung und Ausreiseverbot, in Deutschland eingetroffen ist. Bernhard Zand hat ihn getroffen.
Feinfühlig und intellektuell bereichernd ist die Reportage „Der verwundete Kontinent“ von Bartholomäus Grill über den französischen Schriftsteller Jonathan Littell, der an Originalschauplätzen in und um Uganda einen Film von über das Schicksal ehemaliger Kindersoldaten dreht. Nachdenklich macht der Schlusssatz.

Insgesamt bietet der Spiegel in dieser Woche ein buntes Kaleidoskop mit anregenden Geschichten jenseits des politischen Geschehens. Ein Heft für Kenner und Liebhaber:

Note befriedigend, weil die großen Themen fehlen.

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