Twitters Sicherheitsstandards und Löschpraktiken stehen in der Kritik

Nach Enthüllungen des ehemaligen Sicherheitschefs von Twitter steigt der Druck auf die Plattform. Die Probleme werden immer offensichtlicher: Es gebe massive Sicherheitslücken, bei mehr als 30 Prozent der Nutzerprofile soll es sich um „Bots“ handeln – zudem steht weiter die mehr als umstrittene Löschpraxis im Raum.

IMAGO/Panthermedia

Das dürfte nicht nur die Nutzer von Twitter interessieren: Der ehemalige Sicherheitschef des sozialen Mediums, Peiter „Mudge“ Zatko, behauptet in einem 200-Seiten-Papier, dass die Führung von Twitter Vorstandsmitglieder, aber auch Regierungsbeamte, über Schwachstellen im Bereich Datenschutz bewusst in die Irre geführt habe. Das berichtet unter anderem die New York Times: „Twitters ehemaliger Sicherheitschef beschuldigte das Unternehmen, falsche und irreführende Angaben über seine Sicherheitspraktiken gemacht und Elon Musk über gefälschte Konten auf seiner Plattform angelogen zu haben. Damit könnte der Social-Media-Dienst in neue regulatorische Schwierigkeiten geraten, während er versucht, Musk zu zwingen, einen 44 Milliarden Dollar-Deal zum Kauf des Unternehmens abzuschließen.“

So gebe es laut Zatko massive Sicherheitslücken, die die Plattform für Hackerangriffe und Spionage anfällig mache. Ferner behauptet der ehemalige Sicherheitschef, dass mindestens ein aktueller Mitarbeiter für einen ausländischen Geheimdienst arbeiten soll.

Die Anschuldigungen wiegen schwer. So behauptet Zatko weiter, dass Twitter CEO Parag Agrawal, der Nachfolger von Unternehmensgründer Jack Dorsey, ihn davon abgehalten habe, die Sicherheitsmängel dem Vorstand zu melden. Die Offenlegung des Whistleblowers Zatko liegen diversen US-Behörden vor, unter anderem dem Justizministerium.

Mehr als 33 Prozent Bots auf Twitter?

Twitter wies die Behauptungen des Berichts umgehend zurück. Stattdessen sei Zatko Anfang dieses Jahres wegen „ineffektiver Führung und schlechter Leistung“ entlassen worden. Er wolle lediglich Aufmerksamkeit erregen und Twitter, den Kunden sowie Aktionären Schaden zufügen. „Sicherheit und Datenschutz haben bei Twitter seit langem unternehmensweite Priorität“, so ein Sprecher des Konzerns gegenüber CCN.

Ein weiterer Vorwurf von Zatko ist, dass die Mitarbeiter von Twitter weder die Motivation haben noch überhaupt über die Ressourcen verfügen, die Anzahl der Bots auf der Plattform zu bestimmen. Die Tatsache der „unechten Nutzer“ bildet den Zankapfel im Rechtsstreit zwischen Twitter und dem ehemals Kaufwilligen Elon Musk.

Umso weniger überraschend das Interesse des Tesla-Chefs an dem Whistleblower: „Wir haben bereits eine Vorladung für Herrn Zatko ausgestellt“, so Alex Spiro, einer der Anwälte von Musk gegenüber CNN. Man sei neugierig auf die Aussagen und weiteren Enthüllungen von Peter Zatko. Der Whistleblower behauptet, dass es sich um bis zu 33 Prozent der Nutzerprofile auf Twitter um „Bots“ handeln würde; noch einmal deutlich mehr, als die vom Unternehmen eingeräumten fünf Prozent. Eine Tatsache, die für die Kaufsumme allerdings von immenser Bedeutung ist.

„Es ist so gut wie sicher, dass dies eine sorgfältige Überprüfung der Arbeitsweise und des Managements des Unternehmens durch die Federal Trade Commission und vielleicht auch durch andere Behörden nach sich ziehen wird, und das in einer Zeit, in der das Unternehmen von so vielen anderen unwillkommenen Kräften bedrängt wird – einen weiteren Schock dieser Art kann man nicht gebrauchen“, sagte Bill Kovacic, ein ehemaliger Vorsitzender der F.T.C., über Twitter.

Gouverneur DeSantis kritisiert Twitter für seine Löschpraxis

Währenddessen geht das stete Löschen von unliebsamen Nutzern weiter. So wurde am 23. August 2022, am Vorabend der Vorwahl in Florida, der republikanische Kandidat Dr. Drew Montez Clark ohne Vorwarnung von Twitter gesperrt.

Einen Tag später wurde sein Konto, ebenfalls ohne Erklärung, wieder hergestellt.

Kein Einzelfall. So seien deutlich überproportional Profile republikanischer Repräsentanten oder konservativer Journalisten von Einschränkungen oder Suspendierungen ihrer Nutzerkonten betroffen. Dagegen ist der iranische Revolutionsführer Ali Khamenei weiterhin ungebremst auf Twitter aktiv und kann dem israelischen Staat und seinen Bürgern vergleichsweise sanktionslos drohen. Khamenei hatte etwa die Fatwa seines Vorgängers gegenüber Salman Rushdie erneuert. Der Schriftsteller wurde am 12. August in New York Opfer eines islamischen Attentats.

Gegen diese Willkür und Löschpraxis geht Floridas Gouverneur Ron DeSantis entschieden vor, dem man Ambitionen auf das Weiße Haus nachsagt. Bereits im Jahr 2021 unterzeichnete er ein Gesetz, das die großen sozialen Medien zur Rechenschaft ziehen soll, wenn Bürgern Floridas versagt wird, auf diese Plattformen zuzugreifen. „Was wir überall in den USA beobachten, ist der Versuch, abweichende Stimmen durch die linken Medien (…) zum Schweigen zu bringen, sie einzuschüchtern und auszulöschen“, so die Vizegouverneurin Jeanette Nunez, ebenfalls Mitglied der Republikaner. Der Druck auf Twitter nimmt damit stetig zu,


Julian Marius Plutz

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