Spanien: Null Prozent Mehrwertsteuer auf Lebensmittel

Bereits im Sommer wurde hierzulande debattiert, die Mehrwertsteuer auf Nahrungsmittel zu senken. Aktuell liegt der Preisanstieg in Deutschland bei 21,1 Prozent. Die spanische Regierung hat im Gegensatz zur deutschen gehandelt und die Mehrwertsteuer für Lebensmittel befristet abgeschafft.

IMAGO / El Mundo
Supermarkt in Madrid, 29.12.2022

In den vergangenen 20 Jahren waren die Nahrungsmittelpreise weniger angestiegen als andere Lebenshaltungskosten. Zwischen 2000 und 2019 lag die Teuerung durchschnittlich noch knapp unter 1,5 Prozent. Der Preisanstieg von November 2021 zu November 2022 liegt jedoch bei 21,1 Prozent, wie das Statistische Bundesamt ermittelte.

Fast unbemerkt änderte die Europäische Kommission am 5. April 2022 die Mehrwertsteuersystemrichtlinie. Seitdem ist ein Nullsteuersatz auf alle lebensnotwendigen Güter, wozu auch Lebensmittel gehören, möglich (Amtsblatt der Europäischen Union, 2022), schreibt der Wirtschaftsdienst.

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Bereits im Sommer 2022 wurde hierzulande debattiert, die Mehrwertsteuer auf Nahrungsmittel zu senken. Da die EU-Kommission bereits die entsprechende Systemrichtlinie geändert hatte, wurden Forderungen laut, die Möglichkeit zu nutzen und die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel zu streichen – sie liegt aktuell bei sieben Prozent. Zwar stieß der Vorschlag auf große Zustimmung in der Bevölkerung, immerhin laut Umfragen auf drei Viertel im Land, doch alsbald brach eine regelrechte Kakophonie, angefangen von Sozialverbänden sowie Parteien bis hin zu Umweltorganisationen und Umweltbundesamt aus. Soziale Komponenten sollten ebenso Berücksichtigung finden wie umweltpolitisch vernünftiges Handeln.

Einerseits wurde vom Umweltbundesamt empfohlen, die Mehrwertsteuer auf Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte (wie Linsen und Bohnen) zu streichen und andererseits, wenngleich auch nicht auf der Stelle, die Mehrwertsteuer auf tierische Produkte wie Fleisch und Milch von sieben auf 19 Prozent zu erhöhen.

Sodann wurde kolportiert, ein vollständiger Verzicht auf die Mehrwertsteuer auf Nahrungsmittel wäre mit zwölf bis 13 Milliarden Euro geringeren Steuereinnahmen verbunden. Fraglich war ebenso, ob der Handel die Steuersenkung komplett an die Kunden weitergäbe – oder wohl eher nicht. Und alsbald verschwand die Diskussion sang- und klanglos von der politischen Bühne.

All diese Besorgnisse, Berechnungen und Debatten – was gut ist oder schlecht, was falsch oder richtig – fürchtet die spanische Regierung dagegen nicht. Lebensmittel sind in Spaniens Supermärkten 15 Prozent teurer als vor einem Jahr. Und die sollen jetzt wieder günstiger werden. Deshalb senkte die spanische Regierung den ohnehin ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf vier Prozent für Grundnahrungsmittel.

Inflation
Die Mehrwertsteuer muss jetzt weg!
Seit dem Jahreswechsel ist gar keine Mehrwertsteuer mehr fällig – erst einmal für ein halbes Jahr. Es geht dabei unter anderem um Brot, Mehl, Milch, Käse, Eier, Obst und Gemüse. Insgesamt lag die Inflationsrate im November 2022 im Vergleich zum Vorjahresmonat bei 6,8 Prozent, im Dezember dieses Jahres bei 5,8 Prozent und weist damit die niedrigste Inflationsrate aller EU-Länder auf.

Gute Nachrichten gibt es auch für Mieter, wie die Tagesschau berichtet. In Spanien steigt die Miete laut Vertrag oft automatisch entsprechend der Inflation – in diesem Jahr rund zehn Prozent. Der Aufschlag war in den letzten Monaten schon auf zwei Prozent gedeckelt, jetzt soll diese Inflationsklausel für ein halbes Jahr gar nicht mehr gelten. Auch die Rentner bekommen 8,5 Prozent mehr – was mehr als einen Gutteil der gesamten Inflation abfängt.

Pendlertickets bleiben weiter günstig: Seit Monaten übernimmt der Staat 30 Prozent der Kosten, wenn die Autonome Gemeinschaft, quasi das Bundesland, selbst 20 Prozentpunkte draufpackt. Monatskarten kosten dann also nur die Hälfte des normalen Preises. Pendler-Mehrfachtickets für Bahn-Mittelstrecken zahlt die Zentralregierung sogar komplett. Beide Hilfen werden um ein halbes Jahr verlängert.

Insgesamt gibt die spanische Regierung für das neue, sechste Hilfspaket zehn Milliarden Euro aus. Im Mai stehen Regional- und Kommunalwahlen an, im kommenden Herbst sind Parlamentswahlen.

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Kommentare ( 20 )

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Fatmah
1 Jahr her

Ach ja laut unserem Landwirtschaftsminister von der sozialen Partei Bündniss90:Die Grünen, Cem Özdemir sind Lebensmittel in Deutschland viel zu billig.

chez Fonfon
1 Jahr her

Ist doch schön, dass die EU und damit vor allem der deutsche Staat Spanien dabei finanziert, seine Infrastruktur so aufzubauen, dass Ford im Saarland ein komplettes Werk schließt und lieber nach Alicante geht: Energie billiger, Arbeitskräfte billiger, Lebenshaltungskosten niedriger und gute neue Straßen. In Deutschland geht zwar alles den Bach runter, aber die Rolle als EU-Zahlmeister spielen unsere Politiker allzu gerne. Sie möchten am liebsten, dass Schland sich als Nationalstaat in Europa auflösen möge, damit wären sie dann auch endlich das lästige Nazi-Land los.

Tabascoman
1 Jahr her

Die EU erlaubt sowas! Spanien probiert es nun zumindest für 6 Monate. Ob die EU, diese zweifelhafte und mängelbehaftete Organisation, sowas überhaupt vorschreiben, erlauben oder verbieten darf, darf/soll sich mal jeder selber überlegen! Aber das kann/ soll woanders diskutiert werden. Aus den USA kenne ich das übrigens nie anders: Lebensmittel und Medizin haben dort „Sales Tax“ 0% (Null). Ist das noch keinem USA-Urlauber aufgefallen? Auch viele andere Sachen unterliegen keiner „Sales Tax“, dem US-Equivalent zur MWSt. (Bildung, Landwirtschaft, Kirchen, Sendungen aus anderen Bundesstaaten…) In Oregon gibt es übrigens auf Nichts irgendeine MWSt. Dort gibt es nur die Einkommenssteuer für Gemeinschaftsprojekte.… Mehr

Fatmah
1 Jahr her
Antworten an  Tabascoman

Oregon hat aber auch keine 2 Millionen fleissigen Neuankömmlinge und 1,5 Millionen Ukrainer:Innen in seinem Sozialnetz liegen.

Reini
1 Jahr her

In Spanien ist das im Gegensatz zu uns in Deutschland deshalb möglich, weil die Spanier mit den Steuereinnahmen haushalten und das Wohl ihrer Bevölkerung im Auge haben.
Unsere Politiker nutzen die Steuereinnahmen dagegen nicht zum Nutzen unserer Bevölkerung, sondern reisen mit dem damit vollgepackten Füllhorn rund um den Erdball und schütten jeden damit zu, der ihnen über den Weg läuft, selbst China mit 600 Millionen „Entwicklungshilfe“.

Last edited 1 Jahr her by Reini
Markus Gerle
1 Jahr her
Antworten an  Reini

Meine Antwort auf Ihren Post ist eher an die Redaktion adressiert. Denn die Frage, warum unser absurd teures Staatswesen so ineffizient und zunehmend dysfunktional ist, beschäftigt mich besonders, wenn ich aus Spanien zurück komme. Da ich Dank Corona für meine Kunden häufig remote arbeiten kann, mache ich das gerne aus unserem Ferienhaus an der Costa Blanca. Morgen muss ich dann mal zum Kunden vor Ort, weshalb ich gestern zurück geflogen bin. Und ja, in Spanien kann ich billiger einkaufen. Auch kennen meine Frau und ich ein paar sehr feine Restaurants, wo man phantastisch essen kann und dabei deutlich weniger als… Mehr

Roland Mueller
1 Jahr her

In Deutschland geht so etwas nicht so einfach. Jedenfalls nicht ohne unzählige Paragrafen und Richtlinien, in den geregelt ist, was ein Nahrungsmittel ist und was nicht.

Edwin
1 Jahr her

Entsprechend der Maslowschen Bedürfnispyramide gehören grundsätzlich sämtliche Güter und Dienstleistungen, die die Grundbedürfnisse befriedigen, umsatzsteuerbefreit oder zumindest mit dem verminderten Steuersatz besteuert. Dazu gehören Nahrung, Kleidung, Wohnung und in der modernen Welt die Mobilität.

Oneiroi
1 Jahr her

Es handelt sich also im Wesentlichen um Wahlkampftaktik, die vermutlich von Erfolg gekrönt sein dürfte und direkt nach der Wahl wieder einkassiert wird. Die Deutschen werden das zahlen. Es geht schließlich um den Erhalt des Narrativs in der linksfeindlicher werdenden EU. 10 Mrd. Euro sind da nichts, solange in Deutschland nochmal 4 Jährchen Macherhalt praktiziert werden können. Es ist ja auch nicht das Geld von Scholz und Co. Also warum nicht den Spaniern im Kampf gegen rechte Talking Points unter die Arme greifen? Faeser hat da bestimmt irgendwo noch Budget frei. „Unterstützung des spanischen Kampf gegen von Rechts in die… Mehr

Nibelung
1 Jahr her

Wer weiß, wie sie sich ein Teil dessen wieder von Brüssel zurückholen, wo wir doch der größte Überweiser dieser Pseudo- und Scharotzertruppe sind in Höher von knapp 40 Milliarden EUR per anno. Das ist der gleiche Betrag den der Bund mit der Energiesteuer einnimmt und sie dann gleich nach Brüssel weiterleiten kann, damit die was auf den Teller kriegen. Ansonsten stellt die Umsatzsteuer, zusammen mit der Lohnsteuer den höchsten Einnahmeposten dar und da sich viele Untenehmer auch arm rechnen können, wird die Hauptlast von Arbeitnehmern selbst getragen, was aus der Sicht der regierenden Aasgeier mehr als gerecht ist, anstatt sich… Mehr

Achlin
1 Jahr her

Dafür wurde aber der Rabatt auf alle Kraftstoff Preise zu Neujahr ersatzlos gestrichen,daher rechte Tasche linke Tasche.Auch die Spanische Regierung ist nicht so grosszügig.

Edwin
1 Jahr her
Antworten an  Achlin

Auf meiner Fahrt zum Flughafen Teneriffa-Süd am Samstagmorgen habe ich an einigen Tankstellen entlang der Autobahn einen Preis von weniger als € 1,40 für E10 gesehen. Wo liegt er bei uns aktuell? Vor Weihnachten habe ich noch für unter € 1,70 E10 getankt, was ohnehin billig war. Irgendwo habe ich gelesen, dass der Tankrabatt ab Januar wegfällt. Vermutlich muss ich am Mittwoch wieder tanken, dann wird mir die Kinnlade runterfallen. Benzin war und ist immer noch in Spanien wesentlich billiger als in Deutschland.

Michael W.
1 Jahr her
Antworten an  Edwin

Sprit aktuell:
Super E10: 1,669 €
Super E5: 1,729 €
Preise von der Webseite des lokalen Supermarktes.
(https://www.globus.de/gruenstadt/index.php)
In Frankreich sind es aktuell etwa 1,85 € für E10 (am 21.12.2022 waren es noch 1,635 € – selbst getankt an der Autobahntankstelle ‚Port d’Alsace sud‘).

Schwizero
1 Jahr her
Antworten an  Achlin

Dafür zahlen jetzt die großen Ölkonzerne Repsol, Cespa, BP, den Kraftstoff Rabatt. Bleibt also in anderer Form erhalten.

Ante
1 Jahr her

Jeder Mensch muss fressen und jeder kann nur begrenzt fressen, egal ob arm oder reich. Eine Steuerbefreiung für den Grundbedarf des Lebens, also Wohnen, Essen, Trinken, Medizin, Mobilität über ÖPV wäre ein gangbarer Weg zur Entlastung der Bürger bei essentiellen Kosten. Das Problem, im Gegensatz zum Bürger, kann der Staat nicht mit Geld umgehen. Egal wie hoch die Steuereinnahmen sind, und sie sind extrem hoch, der Staat ist trotzdem immer klamm. Weil er die Ausgaben nicht im Griff hat.