Niger: Reiche Politiker regieren ein armes Volk

Im westafrikanischen Niger zeigt sich besonders deutlich das Verhängnis der afrikanischen Staaten: kleptokratische Politiker, die ihrem Land nicht dienen, sondern es ausplündern. Die europäische Entwicklungspolitik müsste daraus Lehren ziehen.

IMAGO / PanoramiC
Mohamed Bazoum, Präsident des Niger

Niger ist eines der ärmsten Länder der Welt, seine Wirtschaft beruht vorwiegend auf dem informellen Sektor, reguläre Arbeitsverträge sind selten. Vor Jahren, als ich im Niger tätig war, ging mindestens die Hälfte der Menschen in der Hauptstadt Niamey keiner bestimmten Beschäftigung nach, hatte keine beständige Arbeit. Sie verdingten sich als Tagelöhner, trieben mit irgendetwas Handel oder bewachten etwas. Daran hat sich auch 2021 nichts geändert.

Mohamed Bazoum wurde am 21. Februar 2021 zum neuen Präsidenten des westafrikanischen Sahellandes Niger gewählt. Nach dem Studium der Philosophie in Dakar („Il est détenteur d’une maitrise en philosophie politique et morale/ Er hat einen Master-Abschluss in politischer und Moral-Philosophie“) wurde er Gymnasiallehrer im Niger.

Stoppt das „Business der Barmherzigkeit“
Afrika wird armregiert oder Wie man Afrika wirklich helfen kann
Im Dezember 1990 war Bazoum Mitgründer der Partei PNDS-Tarayya (Partei für Demokratie und Sozialismus). Er war zehn Jahre Außen- und Innenminister in der Regierung von Brigi Rafini (siehe unten). Die PNDS-Tarayya gehört der Sozialistischen Internationale an. 2021 trug die Partei Bazoum die Präsidentschaftskandidatur an.

Seit 2011 prüft der Verfassungsgerichtshof das Vermögen eines neuen Staatschefs. Am 13. April 2021 prüfte der Gerichtshof die freiwilligen Angaben des Präsidenten. Demnach wird dessen Vermögen – er gehört zur arabischen Minderheit (im Osten des Landes) – mit 860.000 Euro veranschlagt. Dazu gehören 10 Häuser sowie 600 Rinder und 65 Kamele. Allerdings wurde nicht nach Bankkonten im Ausland, zum Beispiel in Frankreich oder der Schweiz gefragt.

Auch die Frage nach der Herkunft des für nigrische Verhältnisse hohen Vermögens wurde nicht gestellt. (Ein Minister verdient – offiziell – monatlich ca. 2000-3000 Euro.)

Überfluss einer kleinen politischen Klasse

Die genauen Vermögenswerte der Politiker im Niger kennen wohl nur sie selbst, aber wirtschaftliche Verflechtungen und ihr Lebenswandel weisen sie als typische Kleptokraten aus. Fast immer sind erhebliche Ländereien, Rohstoffvorkommen (Uran und Erdöl) und Korruption die Basis der Vermögen.

Unheilvolles Business der „Barmherzigkeit“
Wie man Afrika wirklich helfen kann
Niger ist eines der ärmsten Länder der Welt. Fehlende Bildung (Niger hat mit ca. 80 % die höchste Analphabetenrate der Welt), Arbeitslosigkeit und unqualifiziertes Personal, ineffiziente bürokratische Prozeduren sowie das Fehlen von Kontrollmechanismen und Verantwortlichkeit verursacht die Probleme. Die Schwäche des Staates hat unter anderem ein geschlossenes politisches System zur Folge, in dem sich der Staat immer weiter von der Bevölkerung entfernt und im Wesentlichen als eine Einkommensquelle angesehen wird.

Niger ist eines der wichtigsten Transitländer in Afrika für Migranten, die nach Europa kommen wollen. Deutschland und die Europäische Union pumpten bislang Hunderte Millionen Euro in das Land. (Allein aus Deutschland summierten sich die Zahlungen für Entwicklungshilfe für das „entwicklungsorientierte“ Land (Zitat BMZ) bisher auf mehr als 800 Millionen Euro.) Das Ziel: Das Land soll die Migrantenrouten kontrollieren und den Fluchtweg blockieren.

Nach der „Forbes“-Liste von 2018 mit den reichsten Nigrern sind die fünf reichsten nicht etwa Geschäftsleute, sondern alle Politiker. Angeführt wird die Liste vom früheren Präsidenten Mahamadou Issoufou, dann kommt der Premierminister Brigi Rafini, der frühere Präsident (von 1993 bis 1996) Mahamane Ousmane kommt an dritter Stelle, Nummer vier ist der frühere Premierminister (von 2007 bis 2009) und Parlamentspräsident (von 2009 bis 2010) Seini Oumarou, und schließlich der zweimalige Premierminister (1995 und von 1996 bis 1997) Amadou Cissé.

Entwicklungspolitiker sprechen diese hemmungslose Bereicherung nicht an, sonst gelten sie als Rassisten oder Kolonialisten. Aufgrund ihres schlechten Gewissens sprechen sie fast nie von Afrikas Eigenverantwortung. Sie unterstützen Regierungen armer Länder in der irrigen Annahme, dass die das Los ihrer Bevölkerung verbessern wollen. Gleichzeitig wollen sie deren Souveränität bloß nicht verletzen. Weil die Geldgeber generös auf Kontrolle verzichten, wandert mehr Geld in fremde Taschen als zu den Bedürftigen.

Dieser simple Zusammenhang müsste Entwicklungspolitikern eigentlich zugänglich sein.


Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“. Die aktualisierte und erweiterte  ( 11. ) Neuauflage erschien am 18. März 2021. Volker Seitz publiziert regelmäßig zum Thema Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika und hält Vorträge.

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Kommentare ( 33 )

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Bummi
2 Jahre her

Und deshalb überweist Herr Maas eine Mrd nach Namibia. Dafür Rente mit 68 auf Sozialhilfeniveau in Deutschland, natürlich nicht für Politiker.

schwarzseher
2 Jahre her

Peter Scholl-Latour, ein Journalist, der wie kaum ein anderer die Welt bereist und gekannt hat, bewunderte Ostasien, bedauerte den Niedergang Europas und ließ den Leser seines Buches “ Afrikanische Totenklage “ wissen, daß er keinerlei Sympathien ( vielleicht sogar Verachtung ) für diesen Kontinent hegte und ihm auch keinerlei positive Entwicklung zutraute. In allen drei Punkten gehe ich mit Peter Scholl-Latour konform

Mein Name ist Lohse
2 Jahre her

Im Niger prüft immerhin der Verfassungsgerichtshof die Einahmequellen der hochrangigen Politiker. Das hat dieses Land dem heutigen Deutschland voraus. Herr Spahns Einnahmequellen wären nämlich mal auch höchst interessant.

Der Ketzer
2 Jahre her
Antworten an  Mein Name ist Lohse

„… prüft immerhin der Verfassungsgerichtshof die Einnahmequellen …“ … hier prüft das Verfassungsgericht das Klimaschutzgesetz … beides mit zweifelhaftem Ergebnis. ?

Reinhard Schroeter
2 Jahre her

In Europa gab es Hexenverbennungen, Leibeigenschaft und eine Unzahl an sozialen Verwerfungem , extrem reiche Leude und ebenso bittere Armut , Hunger und Elend, Es waren die Europäer selber, die in einem Jahrhunderte daueren Kampf, sehr oft auch blutig , eine Veränderung der Zustände zu unserem heutigen Leben in Wohlstand her bei geführt haben. Auf Hilfe auf Afrika, Asien oder sonst wo her hat dabei niemand gewartet. Kurz gesagt: Es ist die vornehmste Aufgabe der Afrikaner selber die Lebenumstände in ihrem Sinne zu verändern. Afrika ist reich an natürlichen Rescuorcen, es gibt ausreichend Humankapital. Die Afrikaner müssen beides nur nutzen… Mehr

Peter Gramm
2 Jahre her

…“in dem sich der Staat immer weiter von der Bevölkerung entfernt und im Wesentlichen als eine Einkommensquelle angesehen wird.“…ist es bei uns so wesentlich anders? Kleptokraten aller Orten. Man lebt halt gerne auf öffentliche Kasse Bildung, Ausbildung, beufliche Expertise alles nicht so wichtig. Üppige Einkommen ohne Qualifikation oder mit Gagastudium oder gefakten Doktortitel.

Last edited 2 Jahre her by Peter Gramm
Oneiroi
2 Jahre her

Das liegt an den tribalistischen Strukturen der afrikanischen Ethnie. In tribalistischen Strukturen ist der Clan und die Familie die sicherheitsgebende Struktur und nicht der Staat. Der Staat wird in tribalistischen Gesellschafften als Feind wahrgenommen, da er sich in die Belange des Clans einmischt und versucht eine Art „Ordnung“ herzustellen. Ein solchen Staat bekämpfen Clans und tribalistische Strukturen logischerweise von Außen und von Innen, indem sie eigene Leute in die Ämter/Polizei usw. schicken, um Zersetzung zu betreiben. Sobald Familienmitglieder in entsprechende Positionen gebracht sind, beginnt der wirtschaftliche Raubzug zum Nachteil der Bevölkerung. Langfristig bricht natürlich die öffentliche Ordnung und Sicherheit komplett… Mehr

Tralla
2 Jahre her

Mich wuerde einmal interessieren, was mit den Milliarden Entwicklungshilfe erreicht wurde. Es muessen doch num. Ziele ausgegeben werden, wonach sich der Entwicklungsminister messen lassen muss. Es ist ein Skandal, dass das seit Jahrzehnten nicht gemacht wird.

flo
2 Jahre her

2017 gab es im FOCUS einen Bericht („Die sieben Länder Afrikas mit den meisten Neureichen“), demzufolge in Afrika „mehr Millionäre als je zuvor“ lebten. Gezählt wurden die „High net worth individuals“. Danach lebten Ende 2014 etwa 161.000 HNWIs im gesamten Afrika. Zusammen besaßen sie ein Vermögen von 660 Milliarden US-Dollar. Das afrikanische Land mit den meisten HNWIs war Südafrika, gefolgt von Ägypten. (Quelle: New World Wealth) Wir assoziieren mit Afrika vor allem Armut, aber es gibt eben auch reiche Afrikaner.

Peter Herrmann
2 Jahre her

Ganz so einfach ist es nicht, reiche Menschen vieler afrikanischer Länder automatisch mit Kleptomanie und Korruption in Verbindung zu bringen. Man kann die Herrschaft der Familien kritisieren, darf aber einige Punkte nicht vergessen. Der Besitz der aufgezählten Personen gehört nur zum Teil ihnen. Der große Teil gehört der Familie. Die Grundlage des Reichtums wurde traditionell übernommen. Alle aufgezählten Personen stammen aus bereits schon reichen Familien, sonst hätten sie sich das teure Studium nicht leisten können und sind derzeit der Familienvorstand. Besitztümer im überseeischen Ausland dienen auch dazu, Familienangehörige unterzubringen, die dort studieren. Protz ist also nicht nur Protz. Familie ist… Mehr

Roland Mueller
2 Jahre her
Antworten an  Peter Herrmann

Das die Sippe von den fünf aufgezählten Politikern ebenfalls von der Kleptokratie profitiert, ändert an der Kernaussage vom Herrn Seitz nicht die Bohne.

Peter Herrmann
2 Jahre her
Antworten an  Roland Mueller

Und was ändert Ihre Aussage an meiner? Einigen der Kommentatoren würde eine historische Lektüre von Heinrich Barth guttun. Es stimmt ganz einfach nicht, dass alle die in Tradition eingebunden sind automatisch für Korruption haftbar gemacht werden können. Man kann gerne andrer Länder Strukturen kritisieren, aber ich finde es unangenehm im Rundumschlag zu beleidigen.

andreask90
2 Jahre her

Das ist so in allen afrikanischen Staaten, in allen südamerikanischen Staaten, in allen mittelamerikanischen Staaten, in allen Nahost-Staaten, in allen asiatischen Staaten, weniger offen in europäischen Staaten und neuerdings ganz offen in den USA.