Italien: Umfragen sehen das rechte Lager mit Meloni weit vorne

Nach dem „Verrat“ der rechten Parteien an Premier Mario Draghi hatten die Medien prophezeit, dass Lega und Forza Italia in den Umfragen verlieren würden. Tatsächlich geben die zwei Parteien in den Umfragen nach – allerdings profitieren die Linken davon kaum, weil Meloni zulegt und die 5 Sterne schwächeln.

IMAGO / Independent Photo Agency Int.

Würden die Italiener bereits an diesem Sonntag wählen, dann wäre die Sache klar: Giorgia Meloni, die Chefin der nationalkonservativen Fratelli d’Italia (Brüder Italiens, FdI), würde als Ministerpräsidentin das Land in einer Koalition aus FdI, der Lega von Matteo Salvini und der Forza Italia (FI) von Silvio Berlusconi führen. Doch das Ausscheren der rechten Parteien aus Draghis Koalition der „Nationalen Einheit“ hat ihren Preis.

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Schon an dem Tag, an dem Lega und FI bei der Vertrauensfrage im Senat den Saal verließen, musste die FI Federn lassen. Mariastella Gelmini, eine langjährige politische Weggefährtin von Berlusconi und Ministerin für Regionale Angelegenheiten in der Draghi-Regierung, löste sich von ihrer Partei; sie wollte bei der Abstimmung gegen Draghi nicht mitmachen. Sie machte der FI den Vorwurf, sich der Lega von Matteo Salvini ausgeliefert zu haben, auf Kosten der Italiener, der Familien und Firmen. Die beiden anderen FI-Minister in der Regierung, Renato Brunetta und Mara Carfagna, folgten.

FI und Lega verlieren je einen Punkt, Meloni gewinnt einen hinzu

Die Zerrissenheit über die Regierungsverantwortung schlägt sich in der neuesten Umfrage YouTrend/Agi wieder. Es ist die erste Umfrage nach der Auflösung beider Parlamentskammern. Die FI verliert demnach einen Prozentpunkt. Sie steht jetzt bei 7,8 Prozent. Auch die Lega verliert an Zustimmung: Sie büßt 0,9 Prozent ein und liegt jetzt bei nur noch 13,7 Prozent. Allerdings relativiert sich dieser Verlust im rechten Lager wieder, weil die FdI 0,9 Prozent dazugewinnen. Die „Brüder Italiens“ liegen damit bei 23,3 Prozent und wären im neuen Parlament stärkste Kraft. Mitte-Rechts käme damit auf 44,8 Prozent der Stimmen.

Die zweitstärkste Kraft wäre nach derzeitigem Stand der linke Partito Democratico (PD). Er gewinnt 1,1 Punkte und liegt nun bei 22,8 Prozent. Parteichef Enrico Letta zählte zu den eifrigsten Draghi-Unterstützern. Die linksliberale Italia Viva (IV), eine Abspaltung des PD unter der Leitung des Ex-Premiers Matteo Renzi, der ebenfalls dem Pro-Draghi-Lager angehörte, gewinnt dagegen mit 0,1 Prozent so gut wie gar nicht hinzu. IV liegt nun bei 2,7 Prozent. Das Pro-EU-Bündnis von Azione/+Europa verliert 0,2 Prozentpunkte und erreicht 4,9 Prozent. Insgesamt vereint das Lager der Linken und Linksliberalen damit 30,4 Prozent.

Das rechte Lager hätte selbst bei einer gemeinsamen linken Front die Mehrheit

Der „dritte Pol“, den der linkspopulistische Movimento 5 Stelle (Fünf-Sterne-Bewegung, M5S) einst darstellte, sieht dem Schicksal entgegen, bald nur noch im einstelligen Bereich zu rangieren. Er verliert 1,1 Punkte und liegt nun nur noch bei 10,1 Prozent. Die gemäßigte Abspaltung von Luigi Di Maio, Insieme per il Futuro (Gemeinsam für die Zukunft, IpF), erreicht 2,8 Prozent. Das sind insgesamt 12,9 Prozentpunkte.

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Die restlichen Stimmen verteilen sich auf die sonstigen Parteien. Davon am stärksten: die Linksradikalen, die sich mit den Grünen zusammengeschlossen haben. Sie kommen nun auf 4,1 Prozent (-0,1 Prozent). Die Partei Italexit – der Name ist Programm – erreicht 2,8 Prozent.

Damit ergibt sich folgendes Bild: Das rechte Bündnis liegt mit mehr als 14 Prozentpunkten vor dem linken. Selbst wenn sich M5S und IpF wie 2019 bis 2021 mit dem PD verbünden sollten, um ein rechtes Bündnis zu verhindern, reicht das noch lange nicht aus. Eine Projektion von Abgeordnetenkammer und Senat geht selbst bei einer solchen „vereinten Front“ gegen die Rechten davon aus, dass das Mitte-Rechts-Bündnis von Meloni, Salvini und Berlusconi 235 bis 254 Sitze in der Kammer (Mehrheit: 201 Sitze), und 116 bis 136 Sitze im Senat (Mehrheit: 102 Sitze) holt.

Außenminister Di Maio und Ex-Premier Renzi droht ohne Wahlbündnis das politische Ende

Zudem ist es nach dem letzten Koalitionsbruch unwahrscheinlich, dass ausgerechnet PD und M5S eine weitere Zusammenarbeit eingehen – schließlich hat M5S-Chef Giuseppe Conte die Regierungskrise maßgeblich ausgelöst und dabei einen besonders tiefen Graben zum regierungstreuen Draghi-Lager um den PD gezogen. Der PD profiliert sich als deutliche Anti-M5S-Partei und stellt sich als einzige verantwortungsvolle Kraft. Indes hat der M5S sich offensiv mit dem PD angelegt um sich als Alternative zu empfehlen.

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Zugleich sagt eine Mehrheit der M5S-Anhänger (56,6 Prozent), dass die Partei sich nicht mit dem PD verbünden und allein antreten solle. Der Vorschlag stößt offenbar auf Gegenliebe: Nur 12,4 Prozent der PD-Anhänger sagten, man solle sich wieder mit den Sternen verbünden. Der mittlerweile tiefsitzende Zwist zwischen den beiden Polen raubt der Linken selbst bei einem knappen Ergebnis die Koalitionsoptionen.

Ein weiterer Punkt: In Italien gilt eine Sperrklausel von 3 Prozent für Einzelparteien. Während die Linksradikalen und die Pro-EU-Partei relativ sicher im neuen Parlament vertreten wären, müssen Di Maio und Renzi noch bangen – rund 5 Prozent linke Stimmen, die fehlen können. Andererseits besteht auch für die Italexit-Partei von Gianluigi Paragone noch die Möglichkeit, die 3-Prozent-Hürde zu überspringen.

87 Prozent der Mitte-Rechts-Wähler sähen Meloni als Ministerpräsidentin positiv

Vor wenigen Tagen hat YouTrend überdies einige Fragen gestellt, die über reine Parteiwerte hinausgehen. Während insbesondere Berlusconi immer noch damit hadert, Meloni als Kandidatin des gesamten rechten Bündnisses zu akzeptieren, sagten 86,4 Prozent der Italiener, die Mitte-Rechts wählen, dass Meloni als Ministerpräsidentin eine sehr gute, oder eher gute Sache sei. Nur 8,3 Prozent sagten, dass dies eher negativ oder sehr negativ zu bewerten sei.

Die Italiener wurden überdies befragt, welcher Politiker an der Regierungskrise schuld gewesen sei. 41,1 Prozent geben klar dem 5-Sterne-Chef Giuseppe Conte die Verantwortung dafür. Auf Platz Zwei landet der scheidende Regierungschef Mario Draghi selbst – allerdings mit weitem Abstand. 9,5 Prozent machen sein Handeln für den Verlauf der letzten beiden Wochen verantwortlich. Salvini sehen 7,7 als Schuldigen, womit er auf ähnlicher Höhe mit Luigi Di Maio (7 Prozent) rangiert. Nur 4 bzw. 3,7 Prozent sehen Meloni oder Berlusconi als verantwortlich für die Regierungskrise an. 20 Prozent wollten sich zu dieser Frage gar nicht äußern.

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Kommentare ( 21 )

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Deutscher
1 Jahr her

Meloni, Salvini, Berlusconi – liest sich wie eine Zutatenliste für leckeren Meeresfrüchtesalat 🙂

Was so gut klingt, kann keine schlechte Wahl sein 😀

Last edited 1 Jahr her by Deutscher
November Man
1 Jahr her

Die deutsche Lügenpresse macht jetzt schon italienische Wahlkampfpropaganda. Die Hetze gegen Herrn Salvini läuft schon auf Hochtouren. Herr Salvini wird jetzt schon von der Lügenpresse als böser Putin-Versteher verurteilt.

Helfen.heilen.80
1 Jahr her

Bin mir sicher, dass Salvini nicht vergessen hat, wie Merkel in sein Land kam und die linken politischen Parteien zur Koalition ermutigte, bekräftigt durch Aussichten auf finanzielle Kulanz. Gut möglich, dass „ein rechtes Italien“ die Nase voll davon hat, dass immer neue Emissäre vonseiten der EU kommen, zuletzt Draghi, um in Italien die Politik nach links „anzupassen“ (v.a. bei Wirtschaft und Migration). Insofern wäre es konsequent wieder die Lira einführen. Ein Währungsersatzschein wurde ja bereits entworfen. Würde der Wert der Währung sinken, stiege zwar relativ die Last der nominellen Schulden in Euro, jedoch würde dies schlagartig wieder die italienische Wirtschaft… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Helfen.heilen.80
alter weisser Mann
1 Jahr her

Da wird sich sicher wieder eine EU-Figur (m/w/d) unter den italienischen Politikern finden, der eine „Nationale Front für Euros gegen rechts“ zimmert. Die EU und die „Guten Staaten“ werden das heftig unterstützen, man gewinnt vielleicht sogar die Wahl und die Regierung hält ein halbes Jahr.

Maja Schneider
1 Jahr her

Die EU-Granden werden nun aus allen verfügbaren Rohren schießen, denn so etwas geht gar nicht in der EU, die Bösen müssen weg, sicher ist noch etwas Kraft vorhanden für den Kampf gegen Salvini , Meloni und Co, viel davon geht allerdings für die Medienschlacht gegen Orban verloren, aber das wird schon! Die Italiener jedenfalls wehren sich noch, in Deutschland nehmen wir mehrheitlich alles hin, leiden, verzichten und teilen für die Welt ,den Frieden und das Klima. Wer anders denkt, wird die Konsequenzen tragen, sprach einst sinngemäß die Kanzlerin und ließ es auch spüren.

Deutscher
1 Jahr her

Salvini und Meloni gäben übrigens ein ansehnliches Paar ab.
So, und damit habe ich aber meinen Vorrat an Politkitsch für die nächsten 15 Jahre aufgebraucht.

Eine starke rechte Regierung für Italien wäre auch ein Hoffnungsschimmer für Europa.

Last edited 1 Jahr her by Deutscher
November Man
1 Jahr her

„Italien: Umfragen sehen das rechte Lager mit Meloni weit vorne.“
Da heißt es jetzt für die EU und Deutschland maximal viele Steuermilliarden in die Hand nehmen um den Wahlkampf in Italien zugunsten der extremen Linken zu manipulieren.
So war es wenigstens bisher.
Die letzten 209 Milliarden Euro aus dem Corona-Fonds hat Italien ja bereits verbraten.  

Andreas aus E.
1 Jahr her

Wäre ich in Italien wahlberechtigt – ich würde selbstverständlich Meloni wählen. Weil sie schlicht und ergreifend hübsch aussieht, ein angenehmes Bild dann in der „Tagesschau“, oder wie derlei in Italien heißt. Das Politische wäre mir völlig egal, da ändert sich ja ohnehin nichts bzw. nur wenig.

Silverager
1 Jahr her
Antworten an  Andreas aus E.

Sie Macho !
Ich würde sie natürlich auch wählen, aber weil sie rechts ist.
Ihr hübsches Aussehen kommt noch als Sahnehäubchen obendrauf, klar. ?

Freiheit fuer Argumente
1 Jahr her

Wenn die EU sich auch mit 191 Milliarden aus dem Wiederaufbaufonds keine linke Regierung kaufen kann, dann müssen die Italiener eine klare Meinung haben.

November Man
1 Jahr her

So ändern sich die Zeiten – und die politischen Verbündeten. Beim Sommerfest der linkspopulistischen Fünf-Sterne-Bewegung in Ghisalba in der Provinz Bergamo gab es Ende Juli 2015 eine Art Scheibenschießen: Mit einem Tennisball galt es, Porträts von Politikern zu treffen und diese damit zu „stürzen“. Beliebteste Zielscheibe: eine Fotomontage von Angela Merkel in Nazi-Uniform vor Hakenkreuz.