In Frankreich fordern aktive Soldaten Kampf gegen Islamisten

Der neue Appell ist von aktiven Soldaten und Gendarmen unterzeichnet, die das bisherige Anliegen der Generäle und Reservisten konkretisieren: Der radikale Islam bedrohe das Überleben Frankreichs. Viele Konservative solidarisieren sich.

IMAGO/Design Pics

In Frankreich passen Außen- und Innenpolitik derzeit kaum zusammen. In der Sahelzone fühlt man sich im Krieg gegen Islamisten allein gelassen von den europäischen Partnern. Zugleich macht man Zugeständnisse an den Islamismus im Inland. Man zahlt auch Lösegelder in zweistelliger Millionenhöhe für entführte französische Journalisten und finanziert so den unheiligen Krieg der Dschihadisten mit.

Ministerin kündigt Sanktionen an
Frankreich: Ehemalige Generäle warnen vor einem Bürgerkrieg
In der Diskussionssendung 28 Minuten auf arte kamen beide Themenkreise, wenn auch nur kurz und kursorisch, zusammen. Erst ging es um den Krieg in der Sahelzone, der nicht an seinem Ende ist, dann um Avignon, wo in diesen Tagen ein Polizist bei einer Kontrolle im Dealer-Milieu ums Leben kam. Der Täter ist flüchtig, sein Vater rief ihn dazu auf, sich zu stellen. Doch ein Schweizer Journalist meint doch glatt, Frankreich habe gewisse Viertel ›befriedet‹ durch den dort stattfindenden Drogenhandel, da die Menschen sonst keine Wirtschaftstätigkeit hätten.

Es ist der Elefant im Raum, über den in solchen Diskussionssendungen fast nie direkt gesprochen wird: die Muslime in Frankreichs Schoß, die teils als radikale Scharia-Jünger auffallen, dann wieder von Delinquenz und Rauschgifthandel geprägt sind. Vom radikalen Islam als Problem spricht man ganz offen nur da, wo er sich als Dschihadismus bekämpfen lässt, am südlichen Rand der Sahara. Im Inland bilden delinquente oder radikale Muslime (beide sind nicht staatstreu) eine drohende, allzu bekannte Gefahr, mit der man pragmatisch und – vor allem – schweigend umgeht.

Schwelenden Unruhen, die Macron nicht sehen will

Nun gibt es einen neuen Appell, angeblich verfasst von aktiven Militärs. Angeblich muss man sagen, weil der Text anonym erschien. Am 9. Mai wurde er erstmals veröffentlicht und verbreitete sich rasch im Netz, zwei Tage später erschien er auch auf der Website von Valeurs actuelles, die schon den ersten Appell veröffentlicht hatten. Laut dem rechtskonservativen Wochenblatt hat dieser zweite offene Brief sehr bald 250.000 Unterschriften gesammelt. Inzwischen müssen es sehr viel mehr sein.

Brandbrief der Generäle
Plant die französische Armee einen Putsch? Verdächtigungen nach Offiziers-Appell
Die aktiven Soldaten präsentieren sich zunächst als die »Jüngeren« der Reservisten, die den ersten Appell in der Hauptsache unterschrieben hatten. Sie zitieren dazu die heute nicht mehr gesungene siebte Strophe der Marseillaise, die mit den Worten beginnt: »Wir beginnen unsere Laufbahn, wenn unsere Älteren nicht mehr da sind.« Die Vorgänger verdienten Respekt, genauso die Generäle und Reservisten, die den ersten Appell unterzeichnet haben und dafür von der Politik scharf kritisiert und wie »Putschisten« behandelt wurden.

Die Autoren des neuen Appells sprechen von den Einsätzen in Afghanistan, Mali und Zentralafrika, an denen viele von ihnen teilgenommen hätten. Sie kämpften dort gegen genau jenen Islamismus, gegenüber dem die Regierenden auf dem eigenen Staatsgebiet laufend Zugeständnisse machen. Fast alle der Unterzeichner seien zudem Teil der inländischen Antiterror-Operation »Sentinelle« gewesen: Sie haben die aufgegebenen Vorstädte gesehen, in denen sich der Staat inzwischen mit der Kriminalität arrangiert habe. Die Soldaten und Gendarmen sehen keineswegs einen Militärputsch am Horizont. Sollten aber »zivile« Unruhen ausbrechen, dann werde es die Armee sein, die die Ordnung wiederherstellen wird: Sie wird es müssen, weil man es von ihr verlangen wird. Doch einen »schwelenden« Bürgerkrieg erkennen die Militärs schon jetzt in ihrem Land – ebenso wie »Feigheit, Schurkerei, Perversion« bei den Regierenden, die sich in deren Umgang mit dem ersten Appell gezeigt habe.

Frankreich als »failed state« und »brutale Tyrannei«

Für den Journalisten Éric Zemmour, Spross einer jüdischen Familie aus Algerien, verweigert sich die Regierung Macron an diesem Punkt der Realität. Tatsächlich erlebe Frankreich eine permanente Guerilla mit separatistischen, kolonisatorischen Bestrebungen. Die agierende Gruppe wird von Zemmour aber wieder nur indirekt benannt: Menschen, die sich nicht als Franzosen sehen.

Fast am Ende des offenen Briefs stehen zwei historische Parallelen aus den beiden Weltkriegen, die es in sich haben:

  1. Auch die »résistants« der vierziger Jahre seien von Politikern wie den heutigen wie Umstürzler behandelt worden.
  2. Die Frontkämpfer von 1914 hätten ihr Leben für einige Meter französischen Bodens hergegeben, während heute ganze Viertel der Rechtlosigkeit und dem Recht des Stärkeren anheimfielen.

Der Appell der Jüngeren, die sich derart demonstrativ auf die Schultern ihrer Älteren stellen, entfaltet einiges an Überzeugungskraft, wenn die Soldaten fragen, ob ihre Vorläufer für nichts und wieder nichts gekämpft hätten, als sie das Territorium und die Kultur Frankreichs verteidigten. Heute lasse man Frankreich zum »failed state« werden, während das »hoheitliche Unvermögen« in eine »brutale Tyrannei« übergehe. Das sind harte Worte, gerichtet an Macrons Adresse und die seiner Regierung. Der offene Brief schließt mit der Aufforderung an die Regierenden zum Handeln: Es gehe um das Überleben des Landes, das auch das ihre sei.

Sogar der Aufruf der Reserve-Generäle, der vor gut zwei Wochen für so viel Aufsehen sorgte – unter anderem, weil er genau 60 Jahre nach dem versuchten »Putsch der Generäle« gegen die Loslösung Algeriens von Frankreich veröffentlicht wurde – umzingelte sein Ziel vorsichtig von mehreren Seiten: Der Islamismus der Vorstädte erschien darin nur als ein Aspekt des Problems, daneben standen ein destruktiver Antirassismus und der verfehlte Einsatz der Polizeigewalt gegen die eigenen Bürger, vor allem die Gelbwesten.

Der neue Appell der aktiven Militärs korrigiert das, indem er sich durchgängig auf das Problem des Islamismus bezieht. Er hebt damit einen Subtext hervor, der schon den Lesern des ersten Appells bewusst gewesen sein dürfte. Innenminister Gérald Darmanin, Macrons Mann für die Banlieues und gegen Le Pen, kritisiert die Anonymität des neuen Appells, bezweifelt gar den Mut der aktiven Beamten und Militärs. Präsident Emmanuel Macron reagiert indirekt auf die beiden Aufrufe der Generäle, indem er in der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur (kurz PACA) eine Allianz seiner liberalen LREM-Partei mit den Républicains schmiedet und auf einen eigenen Kandidaten für die Wahlen Ende Juni verzichtet. Dann sind da natürlich noch die Präsidentschaftswahlen in knapp einem Jahr, und Umfragen sehen Marine Le Pen derzeit im Aufwind.

Éric Ciotti: Wer ein Übel beschreibt, wird zum Extremisten gemacht

Zuspruch zum Appell wächst
Franzosen wollen wie die Generäle Militär gegen Islamisten einsetzen
Im übrigen belegen viele Wortmeldungen rund um den zweiten Appell die Relevanz dieser neuen ›Bewegung‹ für die französische Gesellschaft und Politik. Sogar ein aktiver Hauptmann der Gendarmerie steht offen zu seinen Unterschriften unter beiden Aufrufen der Militärs. Im Fernsehsender CNews sagte Hervé Moreau, das Frankreich von heute sei »nicht das, das wir unseren Kindern übergeben wollen«. Die Gewalt, Unsicherheit und Ungerechtigkeit gehen für Moreau seit Jahren und – wohl noch einmal intensiver – Monaten über das hinaus, was für die Franzosen erträglich sei. Das französische Volk verdiene, dass man diese Wahrheit offen sagt, und natürlich einen Wandel zum Besseren. Zur Wahrheit gehört auch, dass Moreau sich auf eine politische Laufbahn vorbereitet und daher den Dienst ohnehin bald quittieren wird.

Éric Ciotti aus Nice, Abgeordneter der Républicains für das Département Alpes-Maritimes, bekannte sich als Unterzeichner des neuen Appells. Ciotti stellt fest, dass die Gegenwartsbeschreibung beider Appelle auf Evidenz beruht: »Man kann nicht bestreiten, was man alltäglich sieht, den Schrecken, der sich in den Vierteln eingenistet hat, in denen das staatliche Recht nicht mehr angewandt wird.« Doch der Konservative nimmt auch wahr, dass man, sobald man ein Übel oder eine unbequeme Realität beschreibt, sogleich zum Extremisten gemacht wird.

Islam, Immigration, Verrohung – was ist das Problem?

Zuletzt deutet sich an, dass auch im konservativen Frankreich unklar sein kann, was nun eigentlich das Problem ist. Der Journalist Patrick Buisson, der schon früh ohne Scheu vor der Partei Jean-Marie Le Pens, doch zuletzt Berater von Nicolas Sarkozy war, glaubt, dass der Islam nicht das eigentliche Problem sei. Er zeige den Franzosen nur ihre eigenen Unzulänglichkeiten, ihren Niedergang und ihre Dekadenz auf. Das eigentliche Problem sei die beständig weiter stattfindende Immigration. Es ist ein Bekenntnis zur französischen Realität von heute.

Doch Buissons Wortmeldung bleibt keineswegs unwidersprochen. Für viele stellt sich inzwischen eben doch die Frage, ob man ein christliches Land mit laizistischer Tradition bleiben wird, wenn sogar der Rektor der Großen Moschee von Paris vor einer Verrohung der Muslime in Frankreich warnt, wie sie vor dreißig Jahren in Algerien stattfand.

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Kommentare ( 60 )

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Arminius
2 Jahre her

Maximal für 2 Kinder Kindergeld!

Deutscher
2 Jahre her

Sollte es dazu kommen, bliebe im Falle eines Sieges wohl nur übrig, den Islam als extremistische und staatsfeindliche Ideologie zu verbieten.

Man müsste heute schon den Straftatbestand des politischen Extremismus um den Begriff des religiösen Extremismus ergänzen.

Enrico Stiller
2 Jahre her

Ich habe den Eindruck, die aktuelle französische Diskussion wird hier doch etwas schief dargestellt. Linksradikale Sender wie ‚Arte‘ sind nun wirklich nicht repräsentativ für das, was in Frankreich zur Zeit debattiert wird. Schon vor einigen Monaten hat der frz. Premier Jean Castex höchstpersönlich in einem Interview (ich glaube, es war mit ‚Le Point‘) die Linken frontal angegriffen. Sie verharmlosten gewohnheitsmässig des Islamismus – es gebe geradezu eine ungute Verbindung zwischen Linksradikalismus und Islamismus, besonders an den Universitäten. Bald darauf hieben die Ministerinnen für die Universitäten, Frédérique Vidal, und für Bildung, Najat Vallaud-Belkacem, in die gleiche Kerbe. Es habe sich an… Mehr

Deutscher
2 Jahre her
Antworten an  Enrico Stiller

Hoffentlich ist dem so.

Thorsten
2 Jahre her

Die Frage ist doch rein rhetorisch. Da wo die Islamisten gewinnen, wird die Scharia eingeführt. Wie der Is es machte. Vermutlich sind nicht wenige IS-Islamisten nunmehr im Westen und würde bei nächster Gelegenheit genau dort weitermachen.

Schwabenwilli
2 Jahre her

Man kann das endlos rauf und runter analysieren das Resultat ist immer das gleiche. Überall wo Moslems seit Entstehen des Islams eingewandert sind gab es Stunk, Gewalt, Mord und Totschlag. Das Prinzip ist seit Jahrhunderten das gleiche. Spanien hat es ab 1492 geschafft das Problem zu lösen, heute haben sie es wieder. In der heutigen Zeit sehe ich nur Staaten wie China, Israel und ansatzweise Russland die die Gefahr, die Lebensgefahr die vom Islam ausgeht erkannt haben und noch viel wichtiger dagegen angehen. Tut man das nicht wird man zwangsläufig islamisiert. Wie groß der Einfluss des als Religion getarnten fanatischen… Mehr

Last edited 2 Jahre her by Schwabenwilli
Deutscher
2 Jahre her

Vive la France!

Hätte nie gedacht, dass ich einer Einmischung von Militärs in politische Fragen mal was abgewinnen kann. Aber außergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Maßnahmen und wie man sieht, ist die Politik – nicht nur in Frankreich – dieser Konfrontation mit einer hochexplosiven kulturfremden Parallelgesellschaft in keinster Weise gewachsen, ja, nicht mal imstande, das Problem überhaupt konkret zu erfassen und zu benennen!

Last edited 2 Jahre her by Deutscher
Kaltverformer
2 Jahre her

Der Islam befindet sich seiner Gründung im Krieg gegen die anderen Religionen und ließ sich nur durch verlorene Schlachten aufhalten. Ohne die Habsburger würden wir alle nach Mekka beten müssen, oder Dhimmi bezahlen. Die Wiener Sozialisten fanden es nicht mehr wert, Prinz Eugen offiziell zu gedenken. Liegt vielleicht an ihrem Naheverhältnis zu den „noch nicht so lange hier Lebenden“. Fragen sie doch Griechen, Bulgaren, Serben und Ungarn, was sie vom Islam halten und wie es ist, unter seiner Vorherrschaft leben zu müssen. Fragen sie die vielen Reisenden im Mittelmeer, die überfallen und als Sklaven verkauft wurden. Wobei in manchen Teilen… Mehr

Deutscher
2 Jahre her
Antworten an  Kaltverformer

Der Islam kommt auf Dauer nur mit seinesgleichen zurecht. Das ist mein Eindruck.

Schwabenwilli
2 Jahre her
Antworten an  Deutscher

Nicht mal das, in sämtlichen islamischen Ländern schlagen sie sich gegenseitig die Schädel ein und sei es nur um Fragen wie oft am Tag gebetet wird.

Deutscher
2 Jahre her
Antworten an  Schwabenwilli

Stimmt. Da war ich wohl noch zu optimistisch.

Kassandra
2 Jahre her
Antworten an  Kaltverformer

Moslems in Bosnien kommen ja mit denen, die ihnen momentan auf der Durchreise zugemutet sind, nicht zurecht – weil sie über allen Besitz von anderen herfallen wie die Heuschrecken.

elly
2 Jahre her

Der radikale Islam bedrohe das Überleben Frankreichs. „
nicht nur Frankreichs, der gesamten EU Länder

Schwabenwilli
2 Jahre her
Antworten an  elly

Der gesamten freien westlichen Welt.

Sonny
2 Jahre her

Überall dieselben Probleme mit den Muslimen. Wirklich überall. Der Islam ist ein Kriegstreiber und befindet sich im Weltkrieg. Die jetzigen Regierenden sind zu feige, sich zu verteidigen. Wie feige und erbärmlich muss man eigentlich sein, um all dem konsequenzenlos zuzuschauen? Bravo für diese mutigen Menschen in der französichen Armee. Von deutschen Soldaten ist solch eine Aktion kaum zu erwarten. Da gibt es eben einen riesengroßen Unterschied zu Vaterlandsliebe und Selbstbehauptungswille. Die Bekämpfung des Islam wäre einmal eine wirklich wichtige Rolle für die EU. Wenn es denn eine kompetente und integere EU gäbe. Da wir sind wir meilenweit von entfernt. Ich… Mehr

Thorsten
2 Jahre her
Antworten an  Sonny

Es sind weniger die Politiker als der Wähler, der sich trauen muss, engagiertere Politiker zu wählen.
Wenn selbst ein Friedrich Merz und Maaßen der CDU zu weit „rächts“ sind – dann ist dies Problem NICHT allein die Politik, sondern die breite Masse der Wähler.

Peter Silie
2 Jahre her

So etwas ist immer leicht und schnell gesagt. Wie wollen Sie denn Millionen Menschen außer Landes schaffen? Das ist doch unmöglich. Wie wollen Sie denn den Geburtendshihad verhindern, der jedes Jahr mehr Nachkommen bereitstellt, als Sie jemals außer Landes schaffen können? Das sind doch alles Fantastereien im Fieberwahn der Erkenntnis des eigenen Niedergangs.

Gerd Garstig
2 Jahre her
Antworten an  Peter Silie

Ein erster Schritt wäre, die Sozialhilfe auf 2 Kinder zu begrenzen und, außer bei schwerer Krankheit, insgesamt auf 10 Jahre im Leben. Niemand sollte auf Dauer auf Kosten Anderer leben dürfen.