Frankreich: Ehemalige Generäle warnen vor einem Bürgerkrieg

Über 1000 pensionierte Militärs und Reservisten haben einen Appell unterzeichnet, der die Regierenden vor drei Gefahren warnt: einem woken Antirassismus, dem Islamismus der Vorstädte und dem neuen Autoritarismus. Sie rufen nach der "Ehre unserer Regierenden". Die Verteidigungsministerin reagierte prompt.

© Getty Images

In Frankreich hat die Diskussion um »Separatismus« und zivile Unruhen neue Nahrung gewonnen. Über 1000 pensionierte Militärs und Reservisten haben einen Appell unterzeichnet, der die Regierenden vor Blauäugigkeit angesichts dreier Gefahren warnt: einem woken Antirassismus, dem Islamismus der Vorstädte und dem neuen Autoritarismus, der vor allem die Gelbwesten trifft. Wenn alles so weiter geht, werde am Ende die Stunde des Militärs schlagen.

An die zwanzig Generäle, etwa hundert hochrangige Offiziere und mehr als tausend Soldaten niederen Rangs haben einen Appell für eine Renaissance der »Ehre unserer Regierenden« unterzeichnet. Veröffentlicht wurde der Appell vom rechtsnationalen Wochenblatt Valeurs actuelles. Die Soldaten fordern die Umsetzung von »Politiken, die den Schutz der Nation berücksichtigen«, insbesondere ein entschiedenes Vorgehen gegen die Gefahren eines militanten Antirassismus und des Islamismus. Gleichzeitig warnen sie vor einer Frontstellung zwischen Sicherheitskräften und Gelbwesten.

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Namentlich unterzeichnet ist der Text in der ultrarechten Zeitschrift „Valeurs Actuelles“ von mehreren früheren Generälen, an erster Stelle steht der ehemalige Kommandeur der Fremdenlegion, Christian Piquemal. Er war 2016 nach Ausschreitungen bei einer Pegida-Demonstration in der nordfranzösischen Hafenstadt Calais verhaftet, aber freigesprochen worden.

»Die Stunde ist ernst, Frankreich ist in Gefahr, mehrere tödliche Gefahren bedrohen es«, so beginnt der Aufruf. Alle Soldaten, welcher Hautfarbe oder Konfession sie auch seien, sind demnach auf die beiden Worte der Trikolore verpflichtet: »Ehre und Vaterland«. Doch eben dieses Vaterland sei nun von innerem Zerfall bedroht. Dieser Zerfall der Nation droht laut den Soldaten durch drei Faktoren:

  1.  Zunächst sei da ein gewisser Antirassismus, der zu einer Art »Rassenkrieg« im Gefolge postkolonialer Theorien führe. Die Gruppen, die sich so als Opfer des Kolonialismus darstellen (gewöhnlich Nicht-Weiße und außereuropäische »Eingeborene«), verachteten jedoch Frankreich, seine Traditionen, seine Kultur und wollten all das auflösen, indem sie dem Land seine Geschichte raubten, heißt es im Apell. Genau darum gehe es bei den kritischen »Analysen« vergangener Ruhmestaten und der Diskussion um Statuen und andere Erinnerungssymbole, so die Unterzeichner.
  2. Daneben betrieben der Islamismus und die »Horden der Vorstädte« die Ablösung verschiedener Landstriche, um sie zu Territorien zu erklären, die einer verfassungsfeindlichen Doktrin anhängen. Wiederum betonen die Autoren des Aufrufs, dass jeder Franzose ein Recht auf seinen Glauben habe. Aber die Gesetze der Republik müssten stets und überall gelten.
  3. Eine Spaltung sehen die Soldaten außerdem, wo die Staatsgewalt die Sicherheitskräfte als »Aushilfskräfte und Sündenböcke« gegen protestierende Franzosen einsetze, die – in gelben Westen – ihre Verzweiflung ausdrückten. Daneben würden eingeschleuste Vermummte Geschäfte plündern und Sicherheitskräfte angreifen.

Beim dritten Punkt stehen sich nach der Schilderung der Verfasser eigentlich sogar drei oder vier Gruppen gegenüber: Die Sicherheitskräfte sehen sich zwischen Regierenden und protestierenden Gelbwesten eingeklemmt. Unter die friedlichen Gelbwesten mischten sich aber zudem Provokateure, die ihrerseits die Sicherheitskräfte angreifen.

Am Ende des Textes heißt es, dass die Zeit der Winkelzüge angesichts dieser Gefahren vorbei sei. Andernfalls werde »der Bürgerkrieg diesem wachsenden Chaos ein Ende setzen« (obwohl das natürlich das potenzierte Chaos wäre), und »die Toten werden nach Tausenden gezählt werden«.

Die Chefin des Rassemblement National (RN, früher Front National) Marine Le Pen hat den Aufruf sogleich begrüßt und die »zwanzig Generäle« in einem eigenen Beitrag für Valeurs actuelles aufgefordert, sich ihr anzuschließen für die »Wiederaufrichtung« und das Wohl des Landes. Als Bürgerin und Politikerin teile sie die Analysen und Befürchtungen der Soldaten. Sie glaubt aber zugleich, dass ein Appell nicht genug sei, natürlich brauche es zu seiner Umsetzung auch eines alternativen Politikangebots, das die Zustimmung der Franzosen einholen kann. Man werde die politische »Schlacht um Frankreich« schlagen müssen. 

Als Verfasser des Aufrufs gilt Jean-Pierre Fabre-Bernadac, Offizier der Gendarmerie a. D. und Herausgeber der Website Place d’armes. Ebenda erwiderte er Marine Le Pen, dass die Initiative selbst sich nicht parteipolitisch verstehe. Aber jeder der Unterzeichneten könne natürlich frei wählen, ob er sich dem RN als Wahlkämpfer anschließt oder nicht.

ISLAMISTISCHER TERRORVERDACHT
Messerattacke auf Polizeimitarbeiterin nahe Paris
Im medialen Echo spielten verschiedene Begriffe eine Hauptrolle, so zum Beispiel die Rede von »Horden aus den Vorstädten«, vor denen die Generäle warnen. Im Nachrichtensender LCI verteidigte der unterzeichnende General Emmanuel de Richoufftz diese Wortwahl, indem er daran erinnerte, dass erst kürzlich wieder 40 Jugendliche eine Polizeikontrolle unmöglich gemacht hätten. Anderes dementierte Richoufftz, etwa den Putsch-Aufruf, den einige Kommentatoren in den Appell hinein interpretierten. De Richoufftz war in den 2000er Jahren als »Général des banlieues« bekannt geworden, weil er sich besonders für Jugendliche aus benachteiligten Milieus eingesetzt hatte.

Florence Parly, die Ministerin der Streitkräfte (bis vor kurzem hieß das auch in Frankreich Verteidigungsminister), kritisierte den Aufruf und forderte zunächst vor allem Marine Le Pen auf, die Politisierung der Streitkräfte zu beenden, die diesen und ihrer Mission nicht gerecht werde. Weiter kritisierte sie die unterzeichnenden Generäle, die im Ruhestand »die Flammen des Hasses« anfachten. Parly kündigte Sanktionen gegen diejenigen Unterzeichner an, die noch im Dienst sind, aber auch gegen Reservisten, die mit dem Aufruf gegen ihre Pflichten verstoßen hätten. 

Auf der Linken rief der Appell fraglos Entsetzen hervor. Jean-Luc Mélenchon, Chef der linksradikalen Partei La France Insoumise (LFI) fand den Aufruf anmaßend, zumal er sich gegen den sogenannten »Islamogauchismus« wende – also eine häufig von der Rechten, aber auch von Regierungsvertretern vermutete Allianz von Islamisten und radikalen Linken. Doch das ergibt sich eben nur aus der Addition der ersten beiden Punkte des Appells. Auch ein Abgeordneter von Macron Präsidenten-Partei La République en Marche (LREM) sprach von »Ultranationalismus«, der genauso wie der dschihadistische Terrorismus die »französische Demokratie« bedrohe.

Vorwurf: das »schuldige Schweigen« der Regierung

Die Generäle sind sich sicher, dass die Bereitschaft zur Gewalt im Steigen begriffen sei – das zeigten Vorfälle wie der des vor seiner Schule geköpften Lehrers und Familienvaters Samuel Paty. Langfristig, so die These der Unterzeichner, werden hier die Streitkräfte zum Einsatz kommen. Diesen Punkt erklärte auch Infanteriegeneral de Richoufftz im Interview noch einmal: Es seien die »Horden aus den Vorstädten«, die aufgrund ihrer Mannstärke langfristig den Einsatz der Armee erforderlich machen werden.

Unruhen in Frankreich
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Im Appell ist etwas dramatischer von einer gesellschaftlichen »Explosion« und der folgenden »Intervention unserer aktiven Kameraden« die Rede. Dieses Eingreifen der aktiven Soldaten werde Teil einer »gefährlichen Mission« sein, in der man die »zivilisatorischen Werte« des Landes ebenso wie – als eine Art Ersatzpolizei – Leib und Leben der Franzosen schützen müsse. Doch schon heute müsse die Regierung »den Mut finden«, um die genannten Gefahren auszumerzen. Anderenfalls würde sich diese Laxheit, diese Unvorbereitetheit in der gesamten Gesellschaft verbreiten. Aber viele Bürger, wie die Soldaten auch, bringe das regierungsamtliche Lavieren und das »schuldige Schweigen« schon heute an den Rand der Verzweiflung, so der Aufruf.

Es ist, wie auch immer man zu den Thesen und Forderungen steht, ein kühner Text, der an einer Stelle den Erzbischof von Mecheln und Primas von Belgien zur Zeit des Ersten Weltkriegs, Kardinal Mercier (1851–1926), zitiert: »Wo alles Klugheit ist, da gibt es keinen Mut.«

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Kommentare ( 56 )

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Konservativer2
2 Jahre her

Interessant auch, dass es sich um pensionierte Militärs handelt. Aktive, die ihre Meinung äußern, sind offenbar auch in F zum Abschuss freigegeben. Hierzulande müssten Pensionäre wohl ihre Altersbezüge abschreiben, so dass eine solche Aktion hier vermutlich nicht stattfinden wird.

Aber wir haben Meinungsfreiheit.

Winnetou
2 Jahre her

“Flammen des Hasses“ schüren andere, Mme. Parly!
Es steht zu befürchten, dass die Unterzeichner Recht behalten werden. Aber man will ja nicht wahrhaben, was sich entwickelt. Nun denn…

Imm Ernst
2 Jahre her

Das Zitat von Mercier lautet:
„Quand la prudence et partout, le courage n’est nulle part“.
„Vorsicht“ nicht „Klugheit“ ist die bessere Übersetzung.

bfwied
2 Jahre her

„Flammen des Hasses“! Die Linken und die Beschwichtiger, die Nicht-wahr-haben-Wollenden, reagieren grundsätzlich „entsetzt“, und das bedeutet: emotional. Sie haben keine Argumente, sie klagen nur emotional an mit einer Moral, die sinnlos ist und nur für ihre Belange gilt. Jeder sieht, wie es in vielen Ortsteilen Frankreichs aussieht, jeder, der mag, kann lesen, hören und sehen, wo und wie Auseinandersetzungen, hirnlose Zerstörungen ablaufen. Jede versuchte Einbindung, Schulung, also Integration, ist bisher ins Leere gelaufen. Nur eine Minderheit, die von sich aus etwas aus sich machen will, ist unauffällig und in die französische Lebensweise und Mentalität eingefügt. Niemand hat etwas gegen diese… Mehr

Jan Frisch
2 Jahre her

Es ist schon erstaunlich wie schnell Houllebecqs „Unterwerfung“, gemischt mit Jean Raspails „Heerlager der Heiligen“ in Frankreich Wirklichkeit wird. Hochachtung für diese Offiziere, sie sind als einige der Wenigen ihrem Eid auf das Land treu geblieben.

Paul Brusselmans
2 Jahre her

Eine kleine Bemerkung: Valeurs actuelles ist nicht rechtsextrem. Sie werden die gleiche Kritik am Linksislamischen Bündnis im Magazin Le Point finden. Die Linke, gerade unter Melenchon ist extrem, Macron steht angesichts der Sicherheitslage mit dem Rücken zur Wand. Keine 24 Stunden nach dem Mord an Frau Montfermé, Mutter von zwei Töchtern, unbewaffnete Archivarin in der Polizeistation, erfolgten Angriffe mit Böllern gegen Polizisten, wurde der Wagen eines Polizisten angesteckt, usw. Macron hat wenigstens sofort den Witwer besucht. Von ähnlichen spontanen Besuchen von Kanzlerin und Bundespräsident nach dem Mordanschlag in Berlin ist mir nichts bekannt. Allerdings war sie sofort bei dem hart… Mehr

imapact
2 Jahre her
Antworten an  Paul Brusselmans

Letztlich ist es sekundär, wo der Appell erschienen ist, denn die Bestandsaufnahme entspricht der Realität. Nun ist es so, daß offenbar nur „Rechte“ es wagen, bestimmte Mißstände anzusprechen… umgekehrt wird jeder als Rechter diffamiert, der es wagt. In Deutschland führt schon die bescheidene Satireaktion von ein paar Schauspielern zu einer gewaltigen Aufwallung der „Guten“, den Mut, solche Realitäten auszusprechen wie in Frankreich, wird man hier nicht finden. Es ist der extremen Situation in Frankreich einerseits, dem standig von FN/LePen auf der anderen zu verdanken, daß Macron immerhin bereits von einer „Wiedereroberung“ spricht – auch dies im völlig linksgrün kontaminierten Deutschland… Mehr

Engelbogen
2 Jahre her

Ich bin wahrlich kein Freund der Rechten. Aber auch ich sehe durch den anschwellenden Linksextremismus unseren Wohlstand und unsere Sicherheit in Gefahr. Auch zu den Zeiten des Kaiser Wilhelm hat man den ernst der Lage verkannt. Was historisch entweder ein mit oder vielleicht sogar der entscheidende Ausschlag für seine Niederlage war. Selbst als dann in der Nachkriegszeit demokratische Wahlen abgehalten wurden, war das der linksextremen Minderheit zu wenig. Sie wollte Deutschland zu einem kommunistischen Land machen mit Anschluss an Russland. So versuchte man einen Putsch gegen die legitime Regierung, der in einem Bürgerkrieg endete, an dessen Ende es sehr viele… Mehr

Dorothe
2 Jahre her

In Diktaturen knüppeln Militär und Polizei auf die Bürger ein. In Scheindemokratien, wie mittlerweile in DE, schaffen die Verantwortlichen Verhältnisse, in den das bedrohen und dezimieren des eigenen Volkes durch andere erledigt wird. Hierzu wird u. a. die Migration als Waffe eingesetzt.

Helmut Bachmann
2 Jahre her

Auch Frankreich ist ganz schön nach links abgetrifftet. Erschreckend.

Thomas
2 Jahre her

1973 stand Chile (damals fast 90% europäische Einwohner) vor drei Möglichkeiten: 1) Ein langer Bürgerkrieg. Kommunisten, Allende unterstützt von Kuba und der Sowietunion) gegen den bürgerlich konservativen Teil des Landes. Zehntausende Tote. Elend. 2) Die Vollendung der verfassungswidrigen Umwandlung Chiles in ein zweites Kuba. Zehntausende Tote. Elend. 3) Eine, vom Verfassungsgericht autorisierte Machtübernahme des Militärs und Niederschlagung der Kommunisten. Knapp 4000 Tote (auf beiden Seiten). Die Umwandlung Chiles zum wohlhabendsten Land Südamerikas in den 17 Jahren Militärdiktatur. Nach 17 Jahren dann Wahlen, welche Pinochet knapp verlor und sich dann zurückzog. Europa wird früher oder später auch vor diese Wahl gestellt… Mehr