Nach Euroclear-Entscheidung kommen nun Eurobonds

Der EU-Gipfel sollte zwei fundamentale Entscheidungen treffen. Die Enteignung der eingefrorenen russischen Assets bei Euroclear und die Ratifizierung des Mercosur-Abkommens. In beiden scheiterte die Funktionärselite um UvdL an ihrer chronischen Paralyse und an faktischen Machtlosigkeit.

picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Was vollmundig als Gipfel der Entscheidungen angekündigt war, endete für die Brüsseler EU-Elite mit einem Fiasko. Weder wurde das Mercosur-Abkommen beschlossen, noch gelang es, die Vermögenswerte der russischen Zentralbank bei Euroclear in einen substanziellen Kredit zur Verlängerung der Ukraine-Finanzierung umzuwandeln.

Blicken wir zunächst auf die Euroclear-Affäre. Dass man sich hier dem wachsenden Druck einiger EU-Mitgliedstaaten wie Belgien, Ungarn und Slowakei sowie der amerikanischen Regierung beugte, ist bemerkenswert. Die EU bleibt trotz aller Expansionsbemühungen im großen Spiel der Kräfte ein Scheinriese.

Typische EU-Lösung

Die Lösung für das massive Finanzierungsdefizit der Ukraine sieht folgendermaßen aus: Die Europäische Union stellt Kiew für die kommenden zwei Jahre ein zinsloses Darlehen in Höhe von 90 Milliarden Euro zur Verfügung. Zurückgezahlt werden muss dieses Darlehen nur dann, wenn Russland Reparationszahlungen leistet, was nicht geschehen wird. Für diesen Fall plant die EU zur Deckung des Defizits auf die eingefrorenen russischen Vermögenswerte zurückgreifen.

Dass es nicht zur unmittelbaren Enteignung kam, war wohl der Forderung Belgiens geschuldet, das als rechtlicher Sitz der Firma Euroclear auf eine gemeinschaftliche Übernahme der Haftungsrisiken drängte. Wie so häufig, wenn dem eigenen Handeln Konsequenzen folgen könnten, suchte und fand man in Brüssel eine verwässerte Zwischenlösung.

Durch die Hintertür wird faktisch die Einführung von Eurobonds vollzogen – also einer gemeinsamen Schuldenaufnahme, ohne dies klar auszusprechen.

Bundeskanzler Friedrich Merz wertete das Konstrukt als großen Erfolg. Die nationalen Haushalte würden nicht belastet, betonte er, da die Finanzierung vollständig über die EU abgewickelt werde. Zudem sei das Darlehen durch russische Vermögenswerte besichert. Dass die Mitgliedsstaaten für die Umtriebe Brüssels geradestehen, unterschlug Merz geflissentlich.

Tatsächlich hat Brüssel damit vor allem eines erreicht: Das politisch und rechtlich heikle Problem der Enteignung der russischen Zentralbank wurde auf die lange Bank geschoben. Gleichzeitig nutzte man die Gelegenheit erneut, das eigene Regelwerk – das Verbot gemeinsamer Schuldenaufnahme – geschickt zu umgehen.

Immenser Finanzbedarf

Der Finanzbedarf der Ukraine ist gewaltig. Im Angesicht des Abnutzungskrieges im Donbass rechnet die EU-Kommission damit, dass im kommenden Jahr etwa 81 Milliarden Euro nötig sein werden, um die Haushaltslücke des Landes zu schließen, das ein Defizit von 18,5 Prozent gemessen am Bruttoinlandsprodukt ausweist. Das nun beschlossene EU-Darlehen wird um nationale Zuwendungen an Kiew ergänzt.

Deutschland wird dabei einen Beitrag von 11,5 Milliarden Euro zur militärischen Ausstattung der Ukraine aus seinem Bundeshaushalt finanzieren – mit neuen Schulden und angeschrieben beim Steuerzahler, der kein Mitspracherecht genießt, versteht sich.

Im Rahmen der EU-Haushaltsplanung sind für das kommende Jahr Zuschüsse von bis zu 50 Milliarden Euro vorgesehen. Nach den Plänen von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sollen diese Mittel in den kommenden zwei Jahren auf 135,7 Milliarden Euro ausgeweitet werden. Ein Fass ohne Boden, das die wirtschaftlich immer schwächeren EU-Staaten mit ihren aufreißenden Haushaltsdefiziten in schwere Turbulenzen stürzen wird, wenn sich an diesem Kurs nicht schleunigst etwas ändert.

Wiederaufbau der militärischen Schlagkraft

Wie also sieht die Alternative konkret aus, wenn der Raubzug durch die Bilanz von Euroclear zunächst versperrt bleibt? Vertreter der EU und Großbritanniens haben in den vergangenen Monaten mehrfach unmissverständlich betont, dass sie bis 2028 ihre militärische Schlagkraft wiederherstellen wollen.

Damit senden sie ein klares Signal an Russland: Es geht weder um dauerhaften Frieden noch um eine echte Lösung des Konflikts. Ein Waffenstillstand, und das ist der russischen Seite seit der Affäre um das Minsk-Abkommen klar, diente lediglich der militärischen Konsolidierung.

Wenn Friedrich Merz behauptet, die Finanzierung der Ukraine in den kommenden beiden Jahren diene ausschließlich der Ausstattung der ukrainischen Armee und nicht der Verlängerung des Krieges, dann offenbart diese Aussage vor allem eines: eine bewusste semantische Trennung dessen, was politisch und militärisch untrennbar ist. Wer Waffenlieferungen von einer möglichen Kriegsverlängerung rhetorisch entkoppelt, betreibt keine Aufklärung, sondern Beschwichtigung der Öffentlichkeit.

Eurobonds oder Kriegsanleihen

Tatsächlich wird Brüssel nun die Gunst der Stunde nutzen und die rasche Ausweitung von Eurobonds vorantreiben. Bereits während der Corona-Lockdowns tastete sich die EU-Kommission in dieses unerlaubte Terrain vor, als sie mehrere hundert Milliarden Euro im Rahmen des „NextGenerationEU“-Anleihenprogramms aufnahm.

Das Prozedere wiederholt sich nun: Die EU-Kommission emittiert Anleihen, die offiziell mit den russischen Assets besichert sein werden, für die aber letztlich alle Mitgliedstaaten proportional haften. Anders formuliert: Die EU verschleiert das nächste gigantische Schuldenprogramm, für das letzten Endes der Steuerzahler haftet.

Ein großer Teil dieses Geldes wird so an den europäischen und amerikanischen Militärsektor zurückfließen.

Wir stehen vor einer klassischen EU-Lösung: Das bestehende Regelwerk wird systematisch ausgehebelt, während die Vertreter der sogenannten regelbasierten Ordnung ihre konsequente Erosionsarbeit fortsetzen, bis auch das letzte Residuum an Vertrauen in die Lauterkeit der EU-Institutionen zerrieben wurde.

Vom Ukraine-Konflikt zum Kredit-Akzelerator

Ganz gleich, wie man zum historischen Hintergrund des Ukraine-Konfliktes steht, welche Rolle man dem Maidan-Putsch von 2014 und dem jahrelangen Konflikt der heutigen Kriegsparteien im Donbass beimisst: Das Gebot der Neutralität jenseits der humanitären Hilfe wurde systematisch ausgehebelt.

Als man erkannte, dass der Ukraine-Konflikt zu einem Kredit-Akzelerator umgebaut werden könnte, wurden vor allem die Staatsbanken wie die Europäische Investitionsbank massiv in diesen Kreditprozess eingebunden.

Nun ist sichtbar, was mit Blick auf die Brüsseler Hardliner längst bekannt ist: Größenwahn paart sich mit persönlicher Karriereambition. Im Falle Ursula von der Leyens und Friedrich Merz gebiert dieses fatale Gemisch politische Strategien und Ergebnisse, die die EU und ihre Mitgliedstaaten immer tiefer in eine Spirale aus fiskalischen Verpflichtungen und drohender militärischer Eskalation ziehen.

Mercosur wird vertagt

Es war die historische Aufgabe der Europäischen Union, einen wettbewerbsstarken Binnenmarkt zu schaffen und rechtlich abzusichern. Dieser historische Versuch eines limitierten Kompetenztransfers ist nun definitiv gescheitert.

Der EU-Gipfel scheiterte am Donnerstag auch bei dem Versuch, das Mercosur-Abkommen mit Südamerika zu ratifizieren. Auf Drängen Frankreichs und Italiens wurde die Entscheidung zunächst um einen Monat verschoben.

Seit einem Vierteljahrhundert stocken hier die Gespräche. Auf dem Tisch liegt ein fertiges Papier, das einen gestreckten Zollabbau über 15 Jahre vorsieht und die Länder Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay umfasst. Mit 780 Millionen Menschen könnte so ein bedeutender Binnenmarkt geschaffen werden.

Es geht um die Steigerung europäischer Exporte im Bereich der Automobile und im Maschinenbau , aber auch um die Senkung von Zöllen für Agrargüterimporte aus Südamerika – blockiert vor allem von der französischen Agrarlobby. Die EU weigert sich auch hier, die heimischen Bauern regulatorisch zu entlasten, um das Abkommen kompensatorisch in einen Interessenausgleich zu überführen.

Was bleibt also unterm Strich von diesem Gipfel?

Die Europäische Union hält ihren Schuldenmechanismus für weitere zwei Jahre am Leben – und bleibt zugleich außerstande, sich auf internationaler Ebene substanziell zu bewegen. Die Politik der Vertagung, die Konsequenzen der zeitlichen Entscheidungsverzögerung, werden letztlich auf die europäischen Steuerzahler abgewälzt.

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Kommentare ( 31 )

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A.G.
33 Minuten her

Beim Einfrieren des russischen Vermögens als Garantie geht es NUR um EINS: Die EU ist Pleite und möchte damit ihren Haushalt sanieren, durch Aufnahme von Geld an den Märkten….die „Ausrede“ dafür heist Ukrainekrieg.

Gerhard_F_Mossmayr
1 Stunde her

Ooopsi!
Waren Eurobonds nicht in einem Urteil des BVerfG ausdrücklich als eine der zwangsläufigen Bedingungen für den Austritt aus der Währungsunion genannt worden?
Vergesellschaftung der Schulden und nicht in der Beitrittserklärung vorgesehene Aufgabe der finanziellen Souveränität?
Die Spiele haben nun an Tempo zugelegt.
Nun denn, frisch an …

Hieronymus Bosch
1 Stunde her

Die Ukraine bekommt 90 Milliarden Euro als zinsloses Darlehen für die nächsten zwei Jahre, das die Russen nach verlorenem Krieg als Reparationen zurückzahlen sollen! Über soviel Dummheit – oder Volksverblödung – kann man nur lachen! Die Russen werden keinen Cent zurückzahlen, aber die EU – sprich: vor allem der deutsche Steuerzahler – wird für die Rückzahlung des am Kapitalmarkt aufgenommenen Geldes geradestehen müssen. Auch die Ukraine – korrupt, wie eh und je – wird keinen Cent davon zurückerstatten! Aber den deutschen Michel kümmert das bekanntlich nicht! Er zahlt und zahlt und zahlt und das auch noch gerne, während hier Straßen,… Mehr

Nibelung
1 Stunde her

Auf ihrer Memory-Tafel wird einst in vielen Jahren drauf stehen: Sie hat sich bemüht und wurde von den Göttern gewogen und als zu leicht empfunden und dann trifft auch der Spruch für sie und andere ebenso zu, richtet nicht, denn ihr könntet selbst gerichtet werden und so findet alles Tun seine natürliche Ordnung, die sie nicht walten lassen wollten und sich denoch diesen Gesetzesmäßigkeiten nicht entziehen können. Besser ist es deshalb immer nach außen zu bekennen, ich bin ein kleiner Erdenwurm und das schafft Vertrauen und Hilfe zugleich, während das andere gerade gegenteiliges bewirkt und auch eine Frage des Verstandes… Mehr

Waldschrat
1 Stunde her

Na ja, ein Gipfel der Entscheidungen war es dennoch. Nur sind, das ist wohltuend, die Entscheidungen nhicht so ausgefallen, wie sich dass die Uschi von der Leine gedacht hat. Es wird Zeit, dass dieser korrupten EU-Führungsriege mal ein eiskalter Wind ins Gesicht weht. Allerdings muss der noch stärker werden. Sonst hat die EU keine Zukunft. Aber das ist wie beim ÖRR, eine Reformfähigkeit ist wohl nicht mehr gegeben.

Dundee
1 Stunde her

Letztes finanzielles Aufgebot: EU-Pleitiers kratzen 90 Milliarden für den politischen und militärischen Bankrotteur Selenskij zusammen. Niemand hat das Geld. Niemand bekommt das Geld. Ein Scheinriese hilft einem Scheinkriegsveteranen. Korruption, die in sich frei dreht. Der Krieg in der Ukraine ist verloren. Die ukrainischen Soldaten sind tot oder desertiert. Das russische Militär braucht einfach nur weiter westwärts zu marschieren, um noch mehr von der Ukraine zu erobern, um sie ganz zu erobern. Doch Russland weigert sich das zu tun. Was soll es mit der Ukraine? Dem korruptesten, ewigsten Entwicklungsland der Erde. Die Russen sind zu sehr Schachspieler, um sich mit einer… Mehr

Endlich Frei
2 Stunden her

Es gilt, was Alice Weidel sagt: Die EU in dieser Konstellation muss abgewickelt werden. DIe EU bedarf einer Transformation und Rückführung zu einer reinen Zollunion.
Die systematische Verletzung aller Vorsichtsregeln – vor allem wenn sie im deutschen Interesse sind – ist nicht länger hinnehmbar. Der große Knall kommt – die Frage ist wann.

X1
2 Stunden her

Die 90 Mrd sind für die Steuerzahler auf jeden Fall verloren, wie alles Geld was an die Ukraine fließt. Denn die Ukraine wird auch nach dem Krieg nicht in der Lage sein, das Geld zurückzuzahlen, sondern benötigt es selbst. Im besten Fall werden die russischen Gelder aus Brüssel nicht direkt in die Ukraine überwiesen, sondern zuerst nach Europa und dann von dort nach Kiew.

Or
2 Stunden her

Eurobonds ? War zu erwarten. Nachdem mittlerweile alle fiskalischen Grundsätze des Euros gefallen sind, waren Eurobonds nur eine Frage der Zeit.

Und da wir Deutschen in der Summe nicht in der Lage sind, vernünftiges Personal zu wählen, das auch unsere eigenen Interessen vertritt, wird es uns wieder voll erwischen.

Simplex
2 Stunden her

Betrachtet man nur die Position Macrons, fragt man sich, wie sich diese zu seinem Verhalten gegenüber Merz erklärt. Erst bezeichnet er die NATO für hirntot, dann will er Bodentruppen in die Ukraine schicken und jetzt kneift er. Meloni wurde von Merz nicht zu seinem „grandiosen“ Vorschlag gefragt….Dass Merz nicht zuerst informell die Zustimmungsfähigkeit bei jedem Mitglied hergestellt oder zumindest abgefragt ist, widerspricht den diplomatischen Gepflogenheiten. Wenn sich die „kleinen“ Osteuropäer von allem ausnehmen, dann gehören sie nicht in die EU. Das ist auch klar geworden. Also: Stimmrechte entziehen. Die Einzigen, die sich auf die Schenkel klopfen, sind „Putin & the… Mehr