Razzia im EU-Elitekolleg: Mogherinis Diplomatenfabrik im Visier

Belgische Ermittler haben den Europäischen Auswärtigen Dienst und das College of Europe durchsucht, drei Personen festgesetzt. Darunter die ehemalige EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Im Verdacht steht eine manipulierte Vergabe der millionenschweren EU-Diplomatenakademie. Der nächste Korruptionsfall in Brüssel.

IMAGO

Die Bilder könnten symbolischer kaum sein: Belgischen Föderalpolizisten öffnen nicht irgendwelche Hinterhofbüros, sondern die Türen des Europäischen Auswärtigen Dienstes und des berühmten College of Europe. Dort, wo sonst angehende Eurokraten geschult werden, durchsuchen Ermittler Büros und Wohnungen und nahmen drei Personen zur Vernehmung fest.

Die Razzien erfolgten im Rahmen eines Strafverfahrens wegen des Verdachts auf Betrug mit EU-Geldern. Auslöser ist eine Operation der Europäischen Staatsanwaltschaft EPPO, abgesegnet von einem Untersuchungsrichter. Im Fokus: das Herz der EU-Diplomatie, der Europäische Auswärtige Dienst (EEAS), und die Räumlichkeiten des College of Europe in Brügge.

Brisant wird der Vorgang dadurch, dass sich die Ermittlungen um die von der EU finanzierte „EU Diplomatic Academy“ drehen, ein jährliches Ausbildungsprogramm für Nachwuchsdiplomaten, finanziert vom EEAS und ausgerichtet in Brügge. Also genau dort, wo Europas künftige Außenpolitiker in Form gebracht werden sollen.

Nach Angaben von AFP gehört zu den drei festgehaltenen Personen auch Federica Mogherini, frühere Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik und Vizepräsidentin der EU-Kommission. Sie leitet heute das College of Europe als Rektorin und wurde erst kürzlich für weitere fünf Jahre im Amt bestätigt. Offiziell erhoben sind bislang keine Anklagen, die Festnahmen dienen der Befragung. Die Ermittler interessieren sich besonders für den Kauf eines Gebäudes in der Spanjaardstraat in Brügge. Für 3,2 Millionen Euro erwarb das College of Europe dort eine Immobilie, in der Diplomaten untergebracht werden, die die EU-Diplomatenakademie besuchen. Vier mit der Untersuchung vertraute Personen schilderten gegenüber Euractiv, dass sich die Ermittlungen genau auf diesen Vorgang konzentrieren.

Der Verdacht: Vertrauliche Informationen aus einem öffentlichen Ausschreibungsverfahren sollen missbraucht worden sein, um illegitime Gewinne zu erzielen. In einer Pressemitteilung spricht die Staatsanwaltschaft von „ernsten Verdachtsmomenten“, dass während des Verfahrens Artikel 169 der EU-Haushaltsordnung zum fairen Wettbewerb verletzt wurde und vertrauliche Ausschreibungsinformationen mit einem der Kandidaten geteilt worden seien.
Damit steht nicht irgendein Projekt zur Disposition, sondern ein Vorzeigeprogramm, das in allen Mitgliedstaaten die „diplomatischen Fähigkeiten“ der EU stärken soll. Ausgerechnet diese Akademie untersteht direkt Federica Mogherini als Rektorin des College of Europe, jener Institution, die seit Jahrzehnten den Ruf genießt, die künftige EU-Elite hervorzubringen.

Mogherini selbst war von Beginn an eine hochumstrittene Wahl für die Leitung des Colleges. Die italienische Politikerin, die von 2014 bis 2019 die Außen- und Sicherheitspolitik der EU verantwortete, wechselte danach auf den Rektorenstuhl der Brügger Kaderschmiede, trotz fehlender akademischer Laufbahn. Nun fällt der Blick der Ermittler genau auf die von ihr beaufsichtigte Akademie.

Nach bisherigen Erkenntnissen besteht der Verdacht, dass vertrauliche Details der Ausschreibung unzulässig an einen Bieter weitergereicht wurden. Das würde nicht nur Regeln des fairen Wettbewerbs unterlaufen, sondern die Integrität des gesamten Vergabeverfahrens für ein EU-Vorzeigeprojekt infrage stellen.

Das College of Europe, das selbst EU-Gelder erhält und als Gastgeber der Akademie kandidierte, steht dabei unter besonderer Beobachtung. Im Raum steht, ob die Einrichtung über vertrauliche Informationen bereits vorab verfügte und ob daraus ein Vorteil im Vergabeverfahren erwuchs.

In der Vorphase der Ermittlungen spielte das EU-Betrugsbekämpfungsamt OLAF eine zentrale Rolle. Dort wurden Interviews geführt und administrative Prüfungen vorgenommen, bevor der Fall an die EPPO übergeben wurde, die nun die strafrechtliche Untersuchung führt. Sprecher beider Behörden verweigern nähere Auskünfte mit Hinweis auf die laufenden Ermittlungen.

In Stellungnahmen bleibt es bisher bei knappen Verweisen auf die Untersuchung. Transparenz sieht anders aus, gerade wenn die eigene „Diplomatenfabrik“ im Zentrum eines Betrugsverdachts steht.

Das College of Europe, 1949 gegründet, gilt als eine Art „Oxbridge der EU“, als Eckpfeiler der europäischen Integration und Talentschmiede der zukünftigen Eurokraten. Ausgerechnet auf dem Brügger Campus, der diese Rolle verkörpert, schlugen nun die Ermittler auf: dort, wo unter Mogherinis Leitung die Diplomatenakademie angesiedelt ist und sich akademischer Anspruch und EU-Machtpraxis überschneiden.

Hinzu kommt eine politische Dimension: In dem fraglichen Zeitraum wurde der Europäische Auswärtige Dienst von Josep Borrell geführt, dem damaligen Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik. Damit berührt die Affäre nicht nur eine Hochschule, sondern gleich zwei Spitzenfunktionen der EU-Außenpolitik.

Und all dies geschieht vor dem Hintergrund einer Union, die sich in den letzten Jahren mit einer wachsenden Zahl von Betrugs- und Korruptionsvorwürfen konfrontiert sieht: Qatargate, „Pfizergate“, mutmaßliche Schmiergelder von Huawei, fragwürdige NGO-Finanzierungen. Der Verdacht um die EU-Diplomatenakademie fügt sich nahtlos in dieses Bild ein, als nächster Testfall dafür, wie ernst es der EU mit der Aufklärung in den eigenen Reihen wirklich ist.

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Kommentare ( 6 )

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joly
13 Tage her

Ich lese und staune. Diese Frau ist eine dunkelrote Kommunistin und wird in solche Positionen gehievt. Mir fällt in diesem Zusammenhang die Mafia ein. Ähnlich korrupt, verschwiegen und seit dem Krieg in der Ukraine spätestens auch tödlich mörderisch ein.
Raus aus diesem Schweinestall, den wir da unfreiwillig und vorwiegend unwissend entstehen ließen.

bkkopp
13 Tage her

Es geht also um den Ankauf eines Gebäudes für ca. € 3.2 Mio. Die EU-Kommission hat seit Jahrzehnten ein großes Immobilienportfolio, das, zumindest auf dem Papier, ein Milliardenvermögen darstellt. Vermutlich werden die Immobilien, und auch Käufe und Verkäufe, von einer bestimmten Generaldirektion verwaltet. Für die vorübergehende Festnahme von bestimmten Personen wird es gute Gründe geben. Möglicherweise werden wir noch weiteres darüber hören. Wahrscheinlich ist aber auch, dass die Immobilienverwaltung nichts mit dem operativen Verwendungszweck des Gebäudes, hier mit dem College of Europe, das sogar seit 1949 besteht, zu tun hat.

Elmar
14 Tage her

Berlin, Brüssel und Kiew tragen einen regelrechten Korruptionswettbewerb aus. Die demonstrative Einigkeit verwundert nicht.

November Man
14 Tage her

Die Europäischen Staatsanwaltschaft EPPO sollte auch mal dringend nachschauen, was die ganzen europäischen Politiker und ihre Bekannten, die unbedingt in die Ukraine reisen müssen, in ihren Koffer so alles zurückbringen. Stichwort Kickbacks.

Icarus
14 Tage her

Bei dieser Dame handelt es sich nicht um eine Hohe Vertreterin, sondern um eine besonders Hohle Vertreterin der EU. Und natürlich ist sie kein Einzelfall in dieser korrupten Organisation mit einer umstrittenen Hohlen Chefin.

November Man
14 Tage her

Die gesamte EU ist ein hoch-korrupter Haufen. Auch nicht besser als die ukrainische Regierung. Die Europäischen Staatsanwaltschaft EPPO sollte mal dringend beim Kopf der Bande nachschauen und deren Büros und Wohnungen durchsuchen. Besonders interessant dürfte in diesem Fall die Beschlagnahme von Handys und Wiederherstellung der gelöschten Handydaten sein. Denn das geht wenn man will oder besser gesagt darf.