Der Spahn-Masken-Skandal: Was in internen Papieren steht

Der damalige Gesundheitsminister ließ für Milliarden nutzlose Masken beschaffen – und räumte bestimmten Firmen eine geldwerte Vorzugsbehandlung ein. TE dokumentiert Unterlagen, für die sich auch die Justiz interessieren müsste

IMAGO

Es klingt unglaublich: aber bei dem bisher unveröffentlichten Bericht der Sonderermittlerin Margarete Sudhof zu dem Corona-Maskenkauf durch das Bundesgesundheitsministerium 2020, vorgelegt in der vergangenen Woche, handelt es sich um den ersten Versuch des Ministeriums überhaupt, die Vorgänge im eigenen Haus aufzuarbeiten. Dafür, dass es bis zu dieser Aktensichtung fünf Jahre brauchte, gibt es einen simplen Grund: Jens Spahns Amtsnachfolger Karl Lauterbach verspürte keine Lust, die Geschäftspraktiken des CDU-Politikers auszuleichten. Denn das hätte den Scheinwerfer auch auf seine eigene Affäre gelenkt: die Massenbeschaffung von Corona-Impfstoff weit über den Bedarf hinaus, um eine angebliche „Impfstoff-Lücke“ zu füllen, die in Wirklichkeit nie existierte.

Allein 2023 ließ Lauterbachs Ministerium dem „Deutschen Ärzteblatt“ zufolge 132 Millionen Impfstoff-Dosen wegen Ablauf der Lagerungsfrist vernichten. Dass im Bundesgesundheitsministerium bisher keiner nachforschte, heißt allerdings nicht, dass sich bisher niemand mit den Vorgängen befasst hätte.

Der Bundesrechnungshof legt schon im Mai 2024 einen detaillierten Bericht vor, der zu einem klaren Ergebnis kam: Spahn ließ 2020 Masken „weit über den Bedarf“ für insgesamt 5,9 Milliarden Euro beschaffen, zwei Drittel der Masken seien nie zum Einsatz gekommen, der Nutzen der teuren Aktion sei bei der Corona-Bekämpfung „gering“ gewesen. Und: der Rechnungshof merkte damals an, eine Aufarbeitung durch das Ministerium habe bisher nicht stattgefunden, sie sei aber dringen erforderlich. Und schon deutlich vorher, 2021, veröffentlichte Tichys Einblick eine ganze Serie von Beiträgen, die sich vor allem mit den auffälligen Vorzugskonditionen befasste, die Spahns Ministerium bestimmten Händlern gewährte. TE veröffentlichte bereits vor Jahren zahlreiche Dokumente, um seinen Lesern ein detailliertes Bild der Affäre zu geben, die jetzt mit jahrelanger Verzögerung den Berliner Politikbetrieb erreicht.

In der teuren und überwiegend nutzlosen Beschaffung Corona-Masken unter der Verantwortung von Jens Spahn besteht der erste, aber bei weitem nicht brisanteste Teil dieser Affäre. Im März 2020 entschied sich der Minister für ein so genannten „Inhouse-Verfahren“: Er verkündete eine Abnahmegarantie zu hohen Preisen für alle Händler, die Corona-Schutzausrüstung beschaffen konnten, und das erst einmal ohne Limit und Kostensteuerung.

Seine Beamten verloren sehr schnell den Überblick – und erfüllten außerdem noch einige Spezialwünsche. Jedenfalls sprengten sie das Beschaffungsbudget von ursprünglich 1,2 Milliarden bei weitem. Am Ende sah sich das Ministerium Rechnungen über gut 6 Milliarden Euro gegenüber. Spahns Haus versuchte sich aus der Affäre zu ziehen, indem es zahlreiche Händler trotz eindeutiger Verträge nicht bezahlte. Pauschale Begründung: die Masken seien schadhaft, oder Liefertermine seien nicht eingehalten worden. Etwa 100 Unternehmen verklagten das Ministerium darauf vor dem Landgericht Bonn – und bekamen reihenweise recht.

Sowohl in Zeiten von Spahn als auch von Lauterbach versuchten Ministeriumsanwälte die Auseinandersetzungen in die Länge zu ziehen, indem sie höhere Gerichtsinstanzen bemühten. Nur: irgendwann endet auch der längste Verfahrenszug. Dem Bund und damit der neuen Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) stehen Zahlungen von schätzungsweise bis zu 2,3 Milliarden Euro in Haus. Denn auf die bisher nicht beglichenen Forderungen der Händler kommen nach dem finalen Urteil auch noch Verzugszinsen. Hier liegt auch das Hauptmotiv von Warken, die Untersuchung durchzuführen, die den jetzigen Unionsfraktionsführer in schwere Bedrängnis bringt.

In einer Anfrage zum Ziel von Sudhofs Recherchen antwortete das Gesundheitsministerium, es sollte die Frage geklärt werden: „Wie können in den rechtsanhängigen zivilgerichtlichen Verfahren die Effizienz gesteigert und haushälterische Belastungen für den Bund reduziert werden?“ Die Ministerin möchte also den finanziellen Schaden zumindest begrenzen, und gleichzeitig klarstellen, wer die Verantwortung für das Desaster trägt.

Der weitaus wichtigere Teil des Masken-Skandals besteht, siehe oben, allerdings in der Vorzugsbehandlung für bestimmte Unternehmen. Dabei sticht das Logistikunternehmen Fiege mit Sitz in Greven heraus, gelegen in Spahns Heimatland Nordrhein-Westfalen. Die Inhaber des Familienunternehmens unterhielten zudem enge Verbindungen zur CDU.

Am 31. März 2020 schloss Spahns Zentralabteilungsleiter Ingo Behnel einen Rahmenvertrag mit dem Unternehmen über die Beschaffung von maximal 110 Millionen FFP-2-Schutzmasken und 500 Millionen einfachen OP-Masken.

Die Vereinbarung, die TE schon 2021 dokumentierte, enthält eine besondere Klausel: „Im derzeitigen Markt ist es in der Regel aktuell erforderlich“, heißt es dort, „dass FIB den Ankauf bei seinen Lieferanten schon vor der Prüfung tätigt. Den Parteien ist das bewusst und die damit verbundenen Risiken aus dem Kaufvertrag trägt BGM.“ Das Bundesgesundheitsministerium übernahm also pauschal das Risiko, falls sich die beschafften Masken als minderwertig beziehungsweise unbrauchbar erweisen sollten. Das steht im bemerkenswerten Kontrast zu der Taktik des Ministeriums, später reihenweise anderen Händlern mit dem pauschalen Hinweis auf Masken-Mängel die Zahlung zu verweigern. Außerdem erhielt Fiege – anders als andere Lieferanten – Vorkasse in einem erheblichen Ausmaß.

„Das BGM hat bereits eine Abschlagzahlung von 40.000.000.- Euro (vierzig Millionen) geleistet“, heißt es in dem Rahmenvertrag. Die großzügige Kondition ging auf eine E-Mail-Korrespondenz zwischen Ministerium und dem Unternehmen zurück.“

Der Spediteur durfte außerdem den Vertrag, der ohnehin schon einer Lizenz zum Gelddrucken gleichkam, nachträglich noch zu seinen eigenen Gunsten korrigieren: Plötzlich kostete FFP-2-Masken demnach nicht mehr 2,95, sondern 3,05 Euro, OP-Masken 0,53 Euro statt der ursprünglich fixierten 44 Cent.

TE konnte außerdem durch den Vergleich mit den Rahmenverträgen zur Maskenbeschaffung, die die Bundesregierung mit VW, der Lufthansa und anderen Großunternehmen schloss, klar zeigen, dass ausschließlich Fiege seinerzeit eine Vorkasse erhielt – plus Freistellung von jeder Haftung für mögliche Mängel bei den Masken.

Der zweite bis heute nicht aufgeklärte Komplex betrifft die Beauftragung der Schweizer Firma EMIX durch das Bundesgesundheitsministerium. Spahn kontaktierte schon am 9. März 2020, dem Tag, an dem sein Ministerium das so genannte Inhouse-Verfahren beschloss, über sein Mobiltelefon Andrea Tandler, Tochter des ehemaligen bayerischen Finanzministers Gerold Tandler. Offenbar wusste sie früher als die meisten anderen darüber Bescheid, welches Geschäftsfeld durch den Ministeriumsentscheid gerade entstanden war. Tandler vermittelte umgehend für das Schweizer Unternehmen EMIX einen Masken-Liefervertrag mit dem Ministerium. Die Besonderheit hier: Selbst als Spahns Beamten schon klar war, dass sie viel zu viel Masken bestellt und das Budget gesprengt hatten, durfte EMIX noch liefern. Das Landgericht München I verurteilte Tandler 2023 zu vier Jahren und fünf Monaten Haft, da sie und ihr Lebensgefährte versucht hatten, die von EMIX gezahlte Provision von gut 50 Millionen Euro an der Steuer vorbeizubringen. Auf die Fragen des damaligen Bundestagsabgeordneten der Linken Fabio di Masi nach den Details des EMIX-Deals verweigerte das Gesundheitsministerium unter Spahn seinerzeit jede Antwort – mit Hinweis auf ein „Geheimhaltungsinteresse“.

In beiden Fällen wirkt es erstaunlich, dass es bisher keine staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen dazu gab. Einen Untersuchungsausschuss des Bundestages gibt es, wie TE bereits berichtete, ebenfalls nicht. Denn dazu bräuchte es 25 Prozent der Abgeordnetenstimmen.

Union und SPD zeigen verständlicherweise kein Interesse daran, Grünen und Linksfraktion erreichen zusammen nicht das Quorum von einem Viertel der Stimmen. Mit der aufklärungswilligen AfD gemeinsam würde es reichen – allerdings lehnen die anderen beiden Oppositionsparteien jede Zusammenarbeit mit Alice Weidels Fraktion ab.

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Kommentare ( 41 )

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AnSi
27 Tage her

Ist das nicht toll? Als Steuerzahler würde ich mich da aber sowas von verar***t fühlen! Zum Glück zahle ich keine Steuern mehr in diesem Land!

ErwinLoewe
27 Tage her

Die Entwicklung nach der Bundestagswahl zeigt es:
Parteien, die am meisten lügen, erhalten die meisten Stimmen.
Deutschland ist wirtschaftlich, gesellschaftlich, finanziell und moralisch am Ende. Die gegenwärtige Politikerkaste der Kartellparteien ist der Sumpf, in den 70% der Bürger sich freiwillig und frohlockend hineinziehen lassen.
Obwohl ewiglich die uralte Volksweisheit ruft: „Die Regierung ist der Erzfeind des Volkes.“

Ernst K.
27 Tage her

Spahn könnte zum Verhängnis, daß er betr. Umgang mit der AfD vom Dogma der Kartellparteien abgewichen ist (auch wenn er längst wieder auf Parteilinie ist). Und mancher hat sich daran erinnert, daß er vor Jahren die CDU beflügelt hat, die Aussetzung der doppelten Staatsbürgerschaft zu beschließen (woran sich Merkel nicht gebunden fühlte).
Der Betrug ist da nur ein willkommener Anlaß, einen unsicheren Kandidaten loszuwerden.

Ms.Headlost
27 Tage her

Unfassbar das sich da kein Staatsanwalt damit befasst und tätig wird! Aber für Schwa chkopp Prozesse hat man Zeit! 🙁

mr.kruck
27 Tage her

Im Westen nix neues… Die Verbrecher im feinen Zwirn, dazu noch in Regierungsverantwortung, lässt man laufen, eingesperrt werden Whistleblower, Verschwörungstheoretiker und „Regierungsdelegitimierer“, nur weil sie es wagten, die Wahrheit zu verkünden. „Unsere Demokratie im besten Deutschland aller Zeiten“ Selten waren Realität und Wunschdenken so konträr.

Phil
27 Tage her

Der Skandal mit den Masken, welcher durchaus Skandalös ist, war nicht der eigentliche Skandal, der eigentliche Skandal war die selbstgewählte Diskreditierung von- und der daraus resultierende Vertrauensverlust in Politik und Wissenschaft, dies alles nur weil Feiglinge und risikoadverse Bürokraten (in Politik und Wissenschaft) die Entscheidung getroffen haben, die Menschen zu belügen. Wenn gewisse Protagonisten in Politik und Wissenschaft, sich ohne die geringste Selbstreflektion in aller Öffentlichkeit darüber ärgern, dass das Vertrauen in Politik und Wissenschaft, nach Covid einen neuen Tiefstand erreicht hat und dafür Trump oder der AfD die Schuld geben, haben sie weder den diesbezüglichen Ernst der Situation, für… Mehr

Sabine Ehrke
27 Tage her

Und wozu? Konsequenzen sind nicht zu erwarten, für keinen der gestrigen und heutige Politkaste. Deutschland befindet sich in der letzten Phase der Abwicklung. Korruption, Lug, Betrug und bewusste Herbeiführung des Ruins der Deutschen, durch die EU forciert, Politik der verbrannten Erde. Wer zweifelt da noch an den Verschwörungstheorien? Ach ja, ca. 75% der Wähler.

Last edited 27 Tage her by Sabine Ehrke
Hugohugo
27 Tage her

Irgendwo muss die Villa ja finanziert werden. Da bieten sich sicherlich auch private Aktienkäufe mit Insiderkennntnissen zum Impfstoff an.

Guzzi_Cali_2
27 Tage her

Ich will von Spahn keinen Rücktritt. Ich will daß dieser Herr in den Knast wandert. Keine Geldstrafe, die ohnehin wieder vom Steuerzahler berappt wird, nein Schloß und Riegel oder besser noch kommunale Zwangsarbeit, Straßen fegen, Müll einsammeln, Graffiti entfernen und dergleichen mehr.

Kassandra
28 Tage her

Ja – und das alles, wo doch selbst die who zugibt, dass es ein hoax und gar keine wirkliche Pandemie gewesen ist?
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„Es ist nicht so, dass wir eine schwere Pandemie hatten. Ja, wir hatten ein neues Virus, das tödlich war. Für einen sehr kleinen Teil der Menschen war es tödlich.“ Mike Ryan, Generaldirektor des Notfallprogramms der who zu „Corona“: https://www.youtube.com/live/jMW_j2NJX9M?t=1087s
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Was haben die uns über ganze 3 Jahre ausgenommen, beschixxen und zudem getriezt und manche sogar wegen Fehlbehandlung getötet – wegen nichts und wieder nichts!

Norbert Gerth
27 Tage her
Antworten an  Kassandra

…..und 8 von 10 haben sie bei der letzten Wahl wieder aufs Schild gehoben.