Lieber Franz Josef Wagner

Er war der letzte Raucher im Land der Moralisten und der letzte Journalist, der noch schreiben konnte, ohne Haltung zu simulieren. Franz Josef Wagner, der Gossen-Goethe aus der Bunten und späterer Hauspoet der Bild, hat mehr über Deutschland verraten als alle Leitartikel zusammen. Eine Erinnerung an den Mann, der, ohne politisch korrekt zu sein, zwischen Gitanes und Grappa die Wahrheit fand.

picture alliance / ZB | Karlheinz Schindler

82. Nicht schlecht für einen Kettenraucher (Gitanes). In den letzten Wochen sollst du aufgehört haben damit, und auf einem Foto sah ich dich vor einer Flasche Wasser sitzen. Wie ein ganz normaler Journo.

Heute gibt es keine Aschenbecher mehr in Redaktionen, deshalb hast du dich wohl schon vor 25 Jahren ins Home-Office verabschiedet, wo du täglich deine Kolumne Post von Wagner für Bild geschrieben hast.

Rückblende Anfang der 90er. Als München noch ein wenig leuchtete. Du hast als Chefredakteur aus dem Oma-Blatt Bunte ein People-Magazin gemacht, was es in dieser Art nicht mal in den USA gab. Mit Witz und Spott über die Schönen und Reichen. Selbst das akademische Feuilleton war baff, das SZ-Magazin widmete dir, „Gossen-Goethe“ getauft, ein Sonderheft der besten Sprüche und Formulierungen. Ich hab‘s leider verloren.

Work Life Balance gab es noch nicht, so dass du dir mit Betablockern und Aspirin selbst eine Balance zu Grappa und Wein schaffen musstest. Bis morgens um drei im Büro, um sieben schon auf dem Tennisplatz. Ein Urviech aus einer anderen Zeit. In Schumanns Bar hattest du einen stets freigehaltenen Tisch.

Nicht schlecht für ein Flüchtlingskind aus Olmütz, das bei den Regensburger Domspatzen vom Papstbruder persönlich den Katholizismus eingetrichtert bekommen hat.

Du wärst gerne ein 68er gewesen, ein Linker, und du sahst ja auch so aus, als lange Haare noch modern waren. Aber das einzig Rebellische an dir war die gefleckte Krawatte, die du im Schreibtisch aufbewahrtest, nur für den Fall, dass der Verleger dich, den Chefredakteur der Bunten, in sein als bayerisches Stüberl verkleidetes Büro rufen ließ. Weil du wieder einen seiner Freunde niedergeschrieben hattest. „Ich kann ihm nicht böse sein“, sagte Burda immer, „er ist doch mein Mozart“.

Dann 25 Jahre deine Bild-Kolumne. Von Politik verstandst du wenig bis nichts. Und doch waren deine Worte treffender als die der Leitartikler. Über Habeck schriebst du alles, was man über den Versager wissen muss mit dem Satz „Nach dem Besuch auf einem Schlachthof 2013 wurden Sie Vegetarier“. Ja. Genau.

Auch das Thema Merz hast du mit einer scheinheiligen Frage abschließend und allumfassend geklärt: „Warum ist der Kanzler so unbeliebt in Deutschland? Ist es sein Gesicht?“ Großartig! Das kriegt kein Spiegel-Redakteur mehr hin, und wenn er 200 Zeilen Platz hat.

Du warst zu erfolgreich für einen Linken, und zu reich – 240 Quadratmeter Altbau, Porsche –, und wahrscheinlich auch zu klug.

„Ein Mann ist wert, was er wert ist“, schriebst du mal über Markus Lanz. Die Wertschätzung, die du nun bei allen, die schreiben dürfen, erfährst, bestätigt das auf eindrucksvolle Weise.

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Kommentare ( 35 )

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akimo
1 Monat her

Ich habe selten so einen Müll gelesen. Er hatte nur ein paar Zeilen und konnte noch nicht mal da einen vernünftigen Anfang Mittelteil Schluss hinbringen. Man fragte sich regelmäßig: was Wildermann hätte ich ein journalistisches Seminar geben müssen, hätte ich ihn als abschreckendes Beispiel vorgeführt. Man fragte sich immer: welche Leichen hat er im Keller, dass der das darf diesen Schwachsinn verzapfen? Sorry, ich weiß de mortuis, aber es liegt mir seit Jahren auf der Zunge. Wahrscheinlich ist es Neid mit so einem Blödsinn zum Porsche zu kommen. Chapeau.

Minusmann
1 Monat her

In letzter Zeit hatte er ein bißchen nachgelassen. Nun… aber er hatte die wirklich absurdesten Sachen abgelassen bei der Bild, manchmal konnte ich nicht glauben, wie schräg das war. Wer soll die Kolumne jetzt übernehmen? Bohlen? Bitte um Vorschläge!

Jan
1 Monat her

Wagner umwehte der Hauch eines Lebemanns aus der alten Zeit. Wie einer, der 1972 noch mit Gunther Sachs in Kampen auf Sylt an der „Whiskeymeile“ (Strönwai) gestanden hat. Mit langen Haaren, Goldkette und Hemd bis zum Bauchnabel aufgeknöpft. Rebellisch war bei ihm zum Schluss leider nur noch der alte Look. In seiner Kolumne hat er für meinen Geschmack zu oft den Kotau vor der Kanzlerin gemacht und dem Merkelismus gefrönt. Korrigiert mich, wenn ich mich falsch liege. Ja, sicher war er urgesteiniger als die glatten Medien-Yuppies der Generation Lanz (und jünger), aber unterm Strich kam von ihm keine fundamentale Kritik… Mehr

NochNicht2022
2 Monate her

Ein ansprechender wie würdiger und angemessener Nachruf für den vertriebenen Mährer. Als ehemals junger Gitanes- und Zigarren-Raucher, eine französische Rotweinflasche bei einem tiefgründiigen Gespräch leerend, vorher mit einem Baguette und einem guten Stück Käse unterm Arm nach Hause kommend, kann ich mir das Ambiete seines Sinnierens und Schreibens gut vorstellen … In einer solchen „Situation“ bringt man viel Treffliches auf den Punkt und zu Papier. Einige seiner Bild-Kolumnen war ja auch ziemlich gut … Über Sonstiges sollte man an dieser Stelle schweigen. Er ruhe in Frieden!

Nibelung
2 Monate her

Jeder kennt in seinem Kreis Ausnahmeerscheinungen jeder Art und sicherlich können unterschiedliche Lebensformen das Leben beinflussen, aber eines ist sicher, die wenigsten davon sind mit Alkohol und Zigaretten alt geworden, denn alte Sünden holen jeden ein, früher oder später und das muß man auch trennen vom Intellekt, denn Süchte sind das eine und das geistige Vermögen im Leben das andere und wenn wir am Ende nicht in die ewige Erinnerungslosigkeit verfallen, wäre es ein Rückblick wert um dann festzustellen, was man richtig oder falsch gemacht hat und ansonsten war es nur eine kurze Episode der irdischen Erkenntnis, die nicht unbedingt… Mehr

Ein Leser aus Franken
2 Monate her

Jedes Blatt Papier, auf dem ein Text von Wagner steht, muss als Sondermüll behandelt werden.

Kontra
2 Monate her

Seine „Post von Wagner“ war geprägt von permanenten Bücklingen in Richtung Obrigkeit. Passte allerdings gut zur neuen Prawda!

littlepaullittle
2 Monate her

Mit „Porsche“…
Klingt ein bisschen wie Baby Schimmerlos aus Kir Royal.

Der Ingenieur
2 Monate her

Und woran ist Franz Josef Wagner mit 82 Jahren nun gestorben?

An seinen „Kettenrauchen“ oder an gebrochenen Herzen?

Manfred_Hbg
2 Monate her
Antworten an  Der Ingenieur

Mhh, da er ja mit den Qualmen aufgehört hat, könnte ich mir als Sterbeursache „Ein Blick auf das grünwokelinke Elend in diesem Land“ vorstellen. 😉

Der Ingenieur
1 Monat her
Antworten an  Manfred_Hbg

Wer erst spät mit dem Rauchen aufhört, gewinnt auch nicht viel an zusätzlicher Lebenszeit.

Manfred_Hbg
1 Monat her
Antworten an  Der Ingenieur

Ja, grundsätzlich läßt sich wohl sagen und bestätigen daß das Gequalme schädlich ist. Doch bezüglich der Gesundheit und dem Herzen entscheident aber auch der Einzelfall. So habe ich in jungen Jahren z.Bsp. einen 24-jährigen Kollegen gekannt der absolut gesund gelebt hatte: Nichtraucher, kein Alk, kein Übergewicht, 6x die Woche 10-12 Km (2x 5-6 Km) mit’n ollen Postfahrrad und begeisterter Kampfsportler. Dann mit 24J.: Herzinfarkt ! Er hatte zwar überlebt und konnte dann später auch wieder seine obige Arbeitstätigkeit aufnehmen, doch dies kam sehr überraschend und unangekündigt. Wobei es auch keinerlei Vergleichsfälle in der Familie gegeben hatte. Tja, und andere wiederum… Mehr

Bernd Bueter
2 Monate her

Die „Bild“ ist ein Drecksblatt und hat mit Journalismus nichts zu tun.

andreas
2 Monate her
Antworten an  Bernd Bueter

Richtig und falsch gleichzeitig. Bild schreibt nicht für die Leser von TE sondern für alle, die Bilder und kurze Texte wollen. Es geht da mehr ums Fühlen.