Wahl neuer Verfassungsrichter: Beugt sich die CDU der Linkspartei?

Für die Wahl neuer Verfassungsrichter braucht es eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Und die wird es ohne Unterstützung der AfD oder der Linkspartei nicht geben. Die CDU ist erpressbar, die Brandmauer nach Links nur noch Makulatur.

picture alliance/dpa | Katharina Kausche

Im Jahr 2025 sind vom Bundestag drei neue Richter für das Bundesverfassungsgericht zu wählen. Dringend steht die Regelung der Nachfolge von Josef Christ an, der schon vor viereinhalb Monaten hatte ausscheiden sollen. Hier liegt das Vorschlagsrecht bei der Union, die übrigens bereits Ende 2024 einen Nachfolger ausgesucht hatte. Dieser Kandidat hatte sich allerdings kritisch zum Asylrecht geäußert, woran die Grünen sich störten. Ohne sie gab es im alten Bundestag nicht die nötige Zweidrittelmehrheit der Stimmen. Christ musste im Amt bleiben. Sodann steht bald die Nachfolge von Doris König an, deren Amtszeit am 30. Juni endet. Das Vorschlagsrecht liegt hier bei der SPD. Schließlich will Ulrich Maidowski am 30. September aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig ausscheiden. Das Vorschlagsrecht hat auch hier die SPD.

Nun aber wird es eng, ja pikant. Der Bundestag braucht für die Wahl eines Karlsruher Richters eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Nach der Neuwahl des Bundestages haben CDU/CSU (208 Sitze), SPD (120 Sitze) und Grüne (85 Sitze) als informelle Kenia-Koalition zusammen nur 413 Stimmen, aber keine Zwei-Drittel-Mehrheit. Diese liegt derzeit bei 420 Sitzen, es fehlen also sieben Stimmen.

Damit kommt die Links-Fraktion ins Spiel. Da CDU/CSU/SPD/Grüne alle Stimmen oder gar Absprachen mit der AfD ausschließen, ist die „Linke“ in einer komfortablen Lage. Und sie kostet diese Lage aus. Die „Linke“-Vorsitzende Ines Schwerdtner hat Kooperationsbereitschaft signalisiert, allerdings verlangte sie eine schriftliche Vereinbarung „unter allen demokratischen Parteien“, dass es keine Mehrheiten mit der AfD geben werde. Mehr noch: „Perspektivisch sollte auch die Linke ein Vorschlagsrecht für neue Verfassungsrichter und -richterinnen bekommen“, sagte die „linke“ Rechtspolitikerin Clara Bünger der Zeitung „Das Parlament“. Denn:
„Wir wissen, dass es auch auf unsere Stimmen ankommt.“

Das gilt auch für die Richter, die über den Bundesrat nach Karlsruhe gewählt werden. Im Bundesrat ist die „Linke“ derzeit über zwei Landesregierungen (Bremen, Mecklenburg-Vorpommern) mit von der Partie. Nach den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern 2026 könnte sie an weiteren Landesregierungen beteiligt sein. Dann könnte es mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit auch im Bundesrat anders ausschauen.

Wie aberwitzig sich indes die Mehrheitsverhältnisse im Bundesverfassungsgericht abbilden, zeigt allein die Tatsache, dass die aus dem Bundestag hinausgewählte FDP vor kurzem mit ihren Vorschlägen zwei Posten neu besetzen konnte. Die Richter, die auf FDP-Tickets gewählt wurden, bleiben noch fast ein Jahrzehnt im Amt. Also erneut: Der Staat als die Beute der Parteien. Die „Linke“ wird da über kurz oder lang auch einen Happen abbekommen wollen.

Die Union wird sich erneut die Gretchenfrage stellen lassen müssen

Was tut die Union? Ist ihr noch zu zutrauen, dass sie Stimmen der Links-Partei verschmäht? Wird sie nach der Pfeife der „Linken“ tanzen? Die Union müsste diesen Tanz verschmähen, wenn der Beschluss des 31. CDU-Parteitag vom 8. Dezember 2018 in Hamburg noch gilt: „Die CDU Deutschlands lehnt Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der Links-Partei als auch mit der Alternative für Deutschland ab.“ (Beschlüsse C76, C101, C164 und C179).

Aber realiter gilt dieser Beschluss nur noch zur Hälfte, nämlich Richtung AfD. Klar, die Brandmauer gegenüber der AfD und damit gegenüber der zweitstärksten Partei im Bundestag und gegenüber mehr als zehn Millionen Wählern steht. Aber die Brandmauer gegenüber der SED – genannt „Die Linke“? Nein, diese Brandmauer ist sehr porös geworden. Man nahm die „Linke“ mit ins Boot, um am 6. Mai rasch noch einen zweiten Wahlgang für Friedrich Merz durchzuziehen. Man votierte zusammen mit der Links-Fraktion gegen AfD-Kandidaten bei der Wahl der Vizepräsidenten des Bundestages und bei der Wahl von sechs Ausschussvorsitzenden, auf die die AfD Anspruch hatte.

Die Union windet sich. Linke CDUler wie Daniel Günther oder Karin Prien zeigen sich längst offen für eine Zusammenarbeit mit der Links-Partei. Die linke CDU-Quertreiberin und Bundesministerin Prien plädierte rabulistisch für einen „pragmatischen Umgang“ mit der Linken. Priens Begründung: Im Gegensatz zur AfD sei die Linke keine Gefahr für die liberale Demokratie, meinte Prien im Magazin „Stern“. Ähnlich äußerte sich ihr Parteikollege, der thüringische Ministerpräsident Voigt. Er sagte, mit einer Partei, die nicht wie die AfD auf einen Systemsturz hinarbeite, könne die CDU jenseits aller grundsätzlichen Differenzen parlamentarische Absprachen aus staatspolitischer Verantwortung treffen. Die beiden, Prien und Voigt, kennen offenbar nicht einmal die Positionspariere ihrer eigenen Partei: Denn im Jahr 2020 stand in Papieren der CDU: „Die Linke bekennt sich zum Sozialismus und stellt die Systemfrage.“

Der neue CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Alexander Hofmann, schließt eine inhaltliche (sic!) Zusammenarbeit mit der Linken weiterhin aus. Die Linke sei antibürgerlich, antikapitalistisch und antisemitisch, sagte er. „Inhaltlich“: Das impliziert aber wohl, dass es außerhalb programmatischer Fragen gemeinsame Sache geben wird: etwa bei Personalentscheidungen. Selbst der Merz-Intimus und Kanzleramtsminister Thorsten Frei zeigt sich in dieser Frage nunmehr offen: „Wir werden gemeinsam darüber zu sprechen haben“, sagte Frei in der Sendung „Frühstart“ von RTL und n-tv. Der Beschluss des CDU-Bundesparteitags könne zwar nicht mit einem Federstrich außer Kraft gesetzt werden. „Aber mit Sicherheit sind wir in einer Situation, wo wir die eine oder andere Frage neu bewerten müssen.“

Unterstützung
oder

Kommentare ( 12 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

12 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Talleyrand
1 Monat her

Aber sicher doch wollen die Linken einen demokratischen Staat, einen deutsch-demokratisch-republikanischen, wie es sich gehört, für diese DDR Früchtchen.

Jens Frisch
1 Monat her

„Klar, die Brandmauer gegenüber der AfD und damit gegenüber der zweitstärksten Partei im Bundestag und gegenüber mehr als zehn Millionen Wählern steht.“
Mit „Mauern“ kennen sich Linke ja bekanntlich aus – egal ob in Berlin oder im Gulag, denn ohne Freiheitsberaubung funktioniert kein „Arbeiter- und Bauernparadies.“
Wer es noch nicht bemerkt hat: Die CDU ist seit 2015 eine der „Blockflöten“ in der SED 2.0.

Waldschrat
1 Monat her

Dieses sogenannte Verfassungrichter-Gremium gehört strukturell reformiert. Entsprechend der Sitze im Bundestag müsste das parteibezogene Verhältnis der Verfassungsrichter ausgerichtet sein, also alle im Bundestag vertretenen Parteien müssen auch im Verfassungsgericht vertreten sein, damit auch hier alle Wähler und Belange repräsentiert sind. Die Personen werden von den jeweiligen Parteien gewählt, fertig. Damit hören diese Kungeleien, wie sie jetzt existieren, auf. Abgesehen davon, dass die sogenannten Altparteien die Verfassung bzw. das Grundgesetz ohnehin nicht mehr repräsentieren, sondern dieses tagtäglich mit Füßen treten.

maps
1 Monat her

Dieses Land lernt es nie, denn sie wissen nicht mal was Gewaltenteilung ist! Die Parteien hätten dort bei der Richterwahl rein gar nicht zu suchen. Aber sie lernen und kapieren es nie in diesem „Land“.

Monostatos
1 Monat her

In Deutschland wiederholt sich die Geschichte einmal mehr: vermeintlich bürgerliche Politiker bringen aus Verantwortungslosigkeit und unfassbar dummem Machtopportunismus Stück für Stück die Demokratie zu Fall. Wohlgemerkt waren es zu Ende der Weimarer Demokratie nicht plebiszitäre Prozesse, wie es stets von linken Geschichtsverfälschern dargestellt wird, sondern bürgerliche Parlamentarier, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung in allen Institutionen zerstörten. Es kommt jetzt, wie es kommen muss: die Grundrechte werden bald von Linksextremisten mit viel Blut an den Händen überwacht. Es war schon am 6. Mai sonnenklar, dass die Unterstützung durch die SED – derzeit in „Die Linke“ umbenannt – einen hohen Preis kosten würde.… Mehr

Last edited 1 Monat her by Monostatos
November Man
1 Monat her

Der Union wird es egal sein ob ein neuer Verfassungsrichter ein Linker, ein extrem Linker oder ein Linksextremist von der SPD oder der SED ist. Hauptsache es wird so geurteilt wie das Kartell es wünscht. Rechtsstaat und unabhängige Gerichte waren einmal. Ist schon lange her. Heute herrscht der linksextreme Unrechtsstaat.

Mausi
1 Monat her

Die großen Wählerblöcke wollen keine linksgrünen Richter. Aber Herr Merz wird sie installieren. Die größten Wählerblöcke wollen auch keine rrg Politik. Aber Herr Merz setzt sie durch. Ihm bleibt nichts anderes übrig, weil „konservativ“ keine 2/3 Mehrheit hat und Rot sich niemals der Mehrheit beugt, wenn sie diese politische Richtung verhindern kann. Im Übrigen ginge dann mit Hilfe der MSM, von NGOs und Zivilgesellschaft die Welt in D unter in gewalttätigen Demos.

Kraichgau
1 Monat her

Die „C“-Parteien gehen den Weg der italienischen Parteigenossen…und genau wie diese werden die „C“-Parteien im Orkus enden

Sabine Ehrke
1 Monat her

Es wird mit den linken Genossen der CDUCSU keine bürgerliche Politik jenseits des Sozialismus geben.

Karl Schmidt
1 Monat her

Die Funktionäre der CDU haben keine Berührungsängste mit der Mörderpartei: Sie ist die einzige Partei in Deutschland, die folterte, terrorisierte und töten ließ und das bis heute nicht ohne jede Einschränkung bekennt und bereut. Sie ist zudem die Partei, die jede bürgerliche Opposition offen oder verdeckt als faschistisch bezeichnet und damit weiter fest in einem stalinistischen Kontext steht. Ihre Politik ist auf Teilung und Destabilisierung der Demokratie gerichtet, um sich als Retter aus der von ihr herbeigeführten Spaltung bis hin zur Ausübung von politisch begründeter Gewalt (durch die sog. ANTIFA) aufzuspielen. Sie will Demokratie, Rechtsstaat, Menschenrechte und Bürgerrechte in der… Mehr

Delegro
1 Monat her

Die Prostitution der CDU geht weiter. Und das vollkommen selbst verschuldet. Wegen einer Brandmauer, die es an vielen Stellen schon gar nicht mehr gibt und einer anderen Brandmauer die man mal eben selber einreißt. Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern. Schönen Dank an die vollkommen rot/grün durchgefärbte CDU.

Peter Klaus
1 Monat her

Eine Brandmauer nach „links“ hat es nie gegeben (siehe div. Landesregierungen im Osten). Die neue Vereinte Internationale hat sich hinter dem neuen „Antifashistischen Schutzwall“ versammelt bzw. eingemauert.