Friedrich Merz vorgeführt – SPD will selbst „sehr kleine“ Reform des Bürgergelds kippen

Die SPD verhält sich in der Regierung Merz wie die FDP in der Ampel: Ihre Verantwortlichen profitieren persönlich von den Privilegien der Regierung, geben sich dabei aber als Oppositionsführer. Das kann nicht funktionieren, das funktioniert nicht. Etwa jetzt beim Bürgergeld.

picture alliance/dpa | Christoph Soeder

Jens Spahn hat Recht: Der Vorsitzende der Unions-Fraktion im Bundestag warnt die SPD „Opposition in der Regierung. Das hat noch nie funktioniert“. Trotzdem versuchen es Parteien immer wieder. Zuletzt die FDP in der Ampel. Die Partei, die Rot-Grün ermöglichte, warb damit, die Partei zu sein, die „das Schlimmste“ an Rot-Grün verhindere. Klingt schräg, ist schräg und führt folglich nur zum Abrutschen.

Stichwort „vergeblich von 18 Prozent träumen“: Aktuell ahmt die SPD die FDP nach und geht als Regierungspartei in die Opposition. Ihr Chef Lars Klingbeil versucht aus dem Dienstwagen von Friedrich Merz’ Gnaden härter als die Verbal-Extremistin Heidi Reichinnek von den Linken zu wirken. Klingt schräg, ist schräg und führt folglich nur zum Abrutschen. Wie einst die FDP kann die SPD im Bund von 18 Prozent nur noch träumen.

Das führt in der schwarz-roten Koalition zum gleichen Effekt, der die Ampel so nervig wirken ließ. Zuerst verkündet Friedrich Merz (CDU) mit dem Vizekanzler Lars Klingbeil, dass die Regierung die Wirtschaft ankurbeln wolle, indem sie die Pendlerpauschale erhöht und die Mehrwertsteuer für die Gastronomie senkt. Direkt im Anschluss erklärt Regierungs-Oppositionsführer Lars Klingbeil, dass dieses Ankurbeln der Wirtschaft nun doch nicht möglich sei. Die Idee: Sowohl die Befürworter wie die Gegner der Maßnahmen wählen Einen. Das Ergebnis: Alle halten Einen für einen wetterwindigen und unzuverlässigen Schwätzer.

Doch das Hin und Her bei Inhalten ist noch die starke Seite des Vizekanzlers. Immerhin geht es an der Stelle um Inhalte. Andere Sozialdemokraten beschäftigen sich schließlich gar nicht mehr mit konkreten Veränderungen, sondern schwingen nur noch die Nazikeule gegen die politischen Mitbewerber. Genau zu diesen anderen Sozialdemokraten gehört auch Lars Klingbeil. In einer Rede vor Gewerkschaftern unterstellt der Vizekanzler dem Kanzler implizit, der wolle anhand des Aussehens entscheiden, wer ins „Stadtbild“ passe. Rhetorisch lehnt sich diese Rede bei Martin Luther King an. Dem großen Kämpfer gegen Rassismus. Darunter macht es der SPD-Chef nicht. Lars Klingbeil liebt es XXL.

Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Wiebke Esdar, geht einen Schritt weiter und marschiert auf einer Demonstration mit, in der Merz offen Rassismus unterstellt wird. Die SPD ist in der Regierung sogar die außerparlamentarische Opposition – nicht ohne auf die fetten Abgeordneten-Bezüge zu verzichten, inklusive der Zuschläge für den stellvertretenden Fraktionsvorsitz. Mit dem richtigen Gehalt macht auch der Antifaschismus Spaß.

Mit einer Regierungspartei, die sich selbst als Opposition liest, kann nichts funktionieren. So hat die CDU im Wahlkampf noch versprochen, 30 Milliarden Euro jährlich am Bürgergeld einsparen zu wollen. Dann hat sich Merz mit der SPD-Spitze mühsam auf einen Augenwischer-Kompromiss geeignet. Wie wenig dabei rauskommt, bewies Klingbeils Co-Vorsitzende Bärbel Bas. In Merz’ Gegenwart sagte sie, mit der Reform werde nur „ein sehr kleiner Betrag“ gespart. Doch sehr kleine Ergebnisse sind für die Sozialdemokraten noch zu viel. Eine Gruppe um Juso-Chef Philipp Türmer will eine Mitgliederbefragung durchsetzen, mit der noch der „sehr kleine Betrag“ verhindert wird.

Union und SPD einigen sich also nach großem Bohei auf einen „sehr kleinen“ Kompromiss – und selbst der gilt schon bald nicht mehr. Wirkt das auf jemanden noch nicht maximal unseriös? Müsste die SPD dafür nicht noch den Koalitionspartnern mit maßlosen Vokabeln überziehen? Kein Problem. Was das angeht, liefern die Sozialdemokraten: „Populistische Forderungen“ nennt Türmer den Kompromiss der eigenen Regierung. Die eigene Politik gefährde das „Existenzminimum“ derer, die beharrlich nicht arbeiten.

Türmer will daher die Bezüge im Bürgergeld sogar erhöhen. Die Realität sieht so aus: Aktuell muss der Bund allein die Bezüge seiner Beamten um insgesamt 1,2 Milliarden Euro anheben. Damit reagiert die Bundesregierung auf ein Urteil des Verfassungsgerichts. Das Gericht sagt, dass Beamte mit niedrigen und mittleren Löhnen im Vergleich zu Empfängern von Bürgergeld nicht genug verdienten. Türmer will, dass die gleiche Regierung, die eine solche Lage geschaffen hat, das Bürgergeld nochmal erhöht.

 

Friedrich Merz ist im Februar für sein Versprechen gewählt worden, dass „links vorbei“ sei, er die Wirtschaft entlasten und Anreize für Mehrarbeit und mehr Leistung schaffen wolle. Mit der SPD hat sich Merz an eine Partei gebunden, die linker als die Linkspartei sein, permanent die Steuern erhöhen und Nicht-Arbeit belohnen will. Eine Partei, die Merz ermöglicht, sich im Dienstwagen extrabreit zu machen und gleichzeitig als harter Oppositionsführer gelten zu können. Das kann nicht funktionieren. Das hat in der Ampel mit der FDP nicht funktioniert. Und das wird auch in der Regierung Merz-Klingbeil höchstens dazu beitragen, dass sich die (Un-)Verantwortlichen ihre eigenen Privilegien so lange wie möglich sichern.

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Kommentare ( 41 )

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Peter Pascht
17 Tage her

„SPD will selbst „sehr kleine“ Reform des Bürgergelds kippen“
Das müssen sie doch verstehen,
als Partei muss man doch seine Wähler kauf … eh gewinnen,
und an sich binden 😉 nach dem Motto
„Die Hand die dich füttert musst du Küssen“ 😉
„Die Hand die dich füttert darfst du nicht beißen“ – sonst nix Hamham sondern Hunger

November Man
19 Tage her

Merz ist der typische Verlierertyp. Ein Mann der manchmal recht unbedarft daherredet, Dinge verspricht die er nicht einhält und wenn seine linken Erziehungsberechtigten den Finger heben, fällt er um wie ein nasser Sack. Und deshalb wird wegen Merz und seiner Kartellregierung das ganze Land verlieren. Mit diesem Kanzler ist kein Blumentopf zu gewinnen.

BellaCiao
18 Tage her
Antworten an  November Man

Das haben Sie sehr schön formuliert. Es liest sich so gut, weil man ständig gedanklich nicken muss.

Wenn Deutschland mit Merz einen Blumentopf gewönne, dann wäre das schon der maximal denkbare Glücksfall – oder neudeutsch: der „Happy Case“.

Wer würde sich nicht über einen Blumentopf freuen, einen für das ganze Land? Merz jedenfalls würde es fertigbringen, selbst das als einen sehr großen Erfolg zu feiern.

Last edited 18 Tage her by BellaCiao
RandolfderZweite
19 Tage her

Kohl hatte seine Wiedervereinigung, Schröder seine Agenda 2010, Merkel ihren Atomausstieg und die Flüchtlingskrise, Scholz sein Vergessen und von Merz bleibt das „Stadtbild“ und sein „Einknicken inkl. Zurückrudern“ übrig!

eschenbach
19 Tage her

Ich empfehle die Lektüre es heutigen „Einblick am Morgen“. Genießen Sie das Video „Die Krise der SPD in 11 Sekunden“. Das Ding sagt alles über den Realitätssinn der Sozis. Natürlich können Sie sagen: “ Aber das ist doch nur eine einzige Person!“ Doch rechnen Sie nicht zu sehr damit, dass der Rest anders drauf ist.

verblichene Rose
19 Tage her

Pendlerpauschale erhöhen und die Mehrwertsteuer für die Gastronomie senken. Das wäre natürlich der Hammer. Und ich weiß auch schon, was ich mir von der Ersparnis kaufe würde 😉
Ach nee, das gibt es ja nicht, weil zu teuer.
Gut, daß wir noch kostenlos atmen dürfen. Sonst könnte ich mir dieses teure Land bald gar nicht mehr leisten.

CasusKnaxus
19 Tage her

Linke haben natürlich Angst davor, daß es ihrer Klientel (die Gammler & alle anderen Arbeitsverweigerer) in ihrer wohlig eingerichteten und von uns allen bezahlten Hängematte etwas unangenehmer wird. Aber wenn sie sich drüber aufregen weiß man, daß man auf dem richtigen Wege wäre. Aber wir kennen ja die Lügner wie den Krawattenständer und den Maskenmillionär: gestern hui heute nein! hab ich nie gesagt. Gestern babapfui hör auf, morgen oh sorry Lars ja das ging definitiv zu weit ich entschuldige mich!

Landgraf Hermann
19 Tage her

Es ist einfach gesagt eine unsäglich unfähige und verlogene Koalition,die ausschließlich auf ihre Pfründe bedacht ist und Deutschland in den Abgrund karrt.

M. Stoll
19 Tage her

Fritz, schmeiß die SPD raus und mach eine Minderheitsregierung!
Es wird funktionieren.

Steuernzahlende Kartoffel
19 Tage her

Merzel hat das mit dem Koalitionsvertrag mißverstanden. Da sind keine Positionen und Projekte für die (gemeinsame) Regierungszeit „unter Gleichen“ vereinbart worden, sondern Mindestsozialisierungsanforderungen die unter Vorbehalt stehen und die vom Wahlgewinner – der früheren Arbeiter- und heutigen Ausländer- und Faulenzerpartei – jederzeit zu ihren (linken) Gunsten (deutlich) nachjustiert werden können & müssen. Der Koalitionsvertrag ist sozusagen westasiatisch assimiliert. Tja, an dem Punkt haben wirs schon geschafft 😉

rainer erich
19 Tage her

Die öffentlich bekundete “ Reaktion“ von Merz : Noch mehr Kampf gegen die AfD. Wenn man den “ Charakter“ des Herrn bedenkt, was hier natürlich ebenso unterbleibt wie beim Rest der Mischpoke, ist diese Reaktion durchaus “ logisch „. Was sie bedeutet, ist hoffentlich inzwischen auch den begeisterten Liberalkonservativen klar. Er vollstreckt den Willen von RRG noch intensiver als bisher. Soweit eine Steigerung überhaupt noch möglich ist.