Scholz in Davos: Ein Offenbarungseid in Sachen Meinungsfreiheit

Man darf alles sagen, aber eben doch nicht alles, sondern nur, was genehm ist: Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos zu Elon Musk befragt, zeigt Scholz das wahre Gesicht der woken Eliten: intolerant, freiheitsfeindlich, autoritär.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Markus Schreiber

Was hat der Regierungschef der drittgrößten Volkswirtschaft und einer bedeutenden Kulturnation der Welt mitzuteilen? Das scheint nicht besonders viele Menschen zu interessieren: Vor halbleerem Saal sprach Olaf Scholz auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Die Musik spielt woanders: In den USA sowieso; aber auch innereuropäisch werden die Deutschen nicht gerade als zukunftsfähig, innovativ oder wegweisend wahrgenommen.

Dazu passt, dass Scholz sich dem Zusammenhang zwischen „verlässlichen Institutionen“ und wirtschaftlichem Erfolg widmete – nicht etwa unternehmerischem Mut, individueller Verantwortung oder freidenkerischer Flexibilität.

— Holger Zschaepitz (@Schuldensuehner) January 21, 2025

Nichtsdestotrotz ist dieses Thema, obgleich nicht besonders dynamisch, von großer Bedeutung. Ob das internationale Publikum jedoch die Brisanz und die unfreiwillige Komik wahrnehmen konnte, die in Scholz’ Ansprache lagen, ist fraglich: Wohl kaum jemand hat das Vertrauen der Deutschen in Institutionen, vor allem in demokratische Institutionen, so untergraben wie er und seine Regierung. Selbst Angela Merkel muss man hier wahrscheinlich auf den zweiten Platz verweisen. Denn obwohl ihr Vorgehen viele der aktuellen Probleme geschaffen hat, war sie so geschickt, sich das Vertrauen der Deutschen zu erhalten, die zumeist zufrieden und beruhigt als „alternativlos“ abnickten, was Merkel zum Schaden des Landes unternahm. Davon kann bei Scholz nicht die Rede sein.

Ausgerechnet der vergessliche Scholz also lässt nun in Davos verlauten: „Berechenbarkeit, Ehrlichkeit und Verlässlichkeit haben zunehmend einen schweren Stand.“

Scholz’ Worte sind so inspirierend, dass den anwesenden Journalisten für das anschließende Gespräch keine Fragen einfallen – die Stille ist peinlich lang, bis spärliche Wortmeldungen eintrudeln.

Ein Journalist von Dagens Nyheter befragt Scholz zu Elon Musk. Auch ohne Skript ist Scholz berechenbar, wenn auch nicht ehrlich, und sagt verlässlich, was man erwarten konnte:
„In Europa und Deutschland kann jeder sagen, was er will, sogar Milliardäre“, versucht er sich an einem Witz, der offenbar „lost in translation“ verebbt, ohne Lacher hervorzurufen.

„Was wir nicht akzeptieren, ist, wenn es rechtsextreme [extreme right] Positionen unterstützt, (…).“, fährt Scholz fort, um sich dann schnell der Frage eines Journalisten zuzuwenden, der nach Kooperationen zwischen Deutschland und El Salvador fragt. Dazu fällt dem Kanzler sichtlich und hörbar nichts ein, er laviert herum und bemüht Plattitüden.

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Die kurze Einlassung zur Redefreiheit ist da deutlich aussagekräftiger, und es ist unverständlich, wieso sich in Europa immer noch vergleichsweise wenig Widerstand gegen die darin zum Ausdruck kommende autoritäre Haltung regt.

Zum einen widerspricht hier ein deutscher Bundeskanzler geltendem Recht: Sehr wohl darf man auch in der EU Aussagen tätigen, die rechtsextrem sind oder die „extreme Rechte“ unterstützen – auch wenn dies in Deutschland durch den Straftatbestand der Volksverhetzung und in anderen Ländern durch „Hassrede“-Gesetze de facto eingeschränkt ist. Allerdings muss man der Fairness halber sagen, dass unklar ist, wen Scholz mit „wir“ meint: Die EU? Den deutschen Staat? Die Regierung? Die guten Demokraten?

Scholz widerspricht aber auch den Prinzipien, die den europäischen Gesellschaften zugrundeliegen: Auch rechtsextreme oder extrem rechte Positionen sind solche, die in einer pluralen Gesellschaft geäußert werden dürfen, ganz gleich, wie sehr sie der Mehrheit, den Eliten, oder der Regierung missfallen. Andernfalls wäre die Gesellschaft nicht plural.

Elon Musks eigene Plattform wird derzeit überflutet von Meinungsäußerungen, die seinen überschwenglichen, etwas unbeholfenen Gruß an die Menge als „Hitlergruß“ framen – so etwa Correctiv-Chefredakteurin Anette Dowideit. Während Scholz’ Wirtschaftsminister einem Mann, der ihn erkennbar satirisch als Schwachkopf bezeichnet, die Polizei auf den Hals hetzt, lässt Musk es zu, dass ihn Menschen, die von seinem Unternehmen profitieren, mit den Mitteln, die er zur Verfügung stellt, durch den Dreck ziehen.

Kann irgendein Zweifel darüber bestehen, wer hier für Meinungsfreiheit einsteht? Elon Musk behauptet nicht nur, dass jeder sagen dürfe, was er wolle, er stellt dies – mit minimalen Einschränkungen – sicher. Obwohl er das nicht müsste. Scholz dagegen widerspricht sich selbst innerhalb eines Satzes: Jeder darf sagen, was er will, aber eben doch nicht. Zudem geißelt er nicht nur „rechte“ Inhalte, sondern alles, was als „Unterstützung“ „extrem rechter“ Positionen interpretiert werden kann.

Da mutet es geradezu grotesk an, dass Nancy Faeser währenddessen verlauten lässt, gegen eine Übernahme oder ein Verbot von TikTok zu sein. Hauptsache das Gegenteil von dem, was die US-Amerikaner tun, möchte man meinen, eine Sandkastenattitüde, die zudem strikt auf einem Auge blind ist: Ausgerechnet bei der chinesischen Plattform greift das Bewusstsein für Pluralität; in Sachen Musk versagt es – verlässlich und berechenbar, könnte man mit den Worten des Bundeskanzlers sagen.

Hier zeigt sich ein gänzlich undemokratisches, freiheitsfeindliches Denken, das zutiefst ideologisch verblendet ist: Frei gesagt werden darf, was genehm ist. Und damit das weniger autoritär wirkt, wird dieser Maßstab moralisch aufgeladen: Genehm ist eine Aussage nicht etwa, wenn sie den Mächtigen gefällt, sondern weil sie moralisch rechtschaffen ist. So wird das Äußern der richtigen Meinung gleichsam zur Pflicht jedes guten Bürgers. Wer besonders gut sein will, verinnerlicht und äußert die richtige Meinung besonders fleißig. Auch die Presse, sonst angehalten zur kritischen Nachfrage, wird so ausgeschaltet: Auch und gerade Journalisten wollen schließlich dem Guten dienen, und wenn dazu gehört, nicht mehr kritisch nachzufragen, sondern wiederzugeben, was einem als gut und richtig vorgelegt wurde, dann widmen sie sich diesem Dienst mit Hingabe.

Wer hingegen der einzig ethisch akzeptablen Meinung widerspricht, schließt sich selbst aus der Gemeinschaft derer aus, die das Recht auf freie Äußerung der opportunen Meinung ausüben dürfen.

Das ist freilich das Gegenteil von Toleranz. Die herrscht dort, wo es tatsächlich etwas zu tolerieren, das heißt zu „ertragen“ gibt. Ausdruck von Toleranz ist, jene Meinung zuzulassen, die man unerträglich findet, nicht jene, der man ohnehin zustimmt.

Musk bringt Toleranz auf und lässt Meinungsvielfalt zu. Scholz erteilt Toleranz eine klare Absage und propagiert Meinungshegemonie – freilich nicht gänzlich gleichgeschaltet, sondern in einem gewissen Rahmen, der eine Art Rumpfvielfalt suggeriert.

Ein freiheitlicher Politiker hätte auf die Nachfrage des Journalisten das eigentliche Problem benennen müssen, das sich im Phänomen Musk manifestiert:

Elon Musk kann und darf seine freiheitlichen Ansichten jederzeit aufgeben, ungeachtet der Tatsache, dass ein signifikanter Teil der globalen Informationsströme von seinem Gutdünken abhängt. Politiker dagegen sollen und müssen das Gemeinwohl sicherstellen. Ausgerechnet die Politik aber, deren Gegenstand die „res publica“, die „öffentliche Angelegenheit“ ist, erklärt das Gemeingut der Freiheit zur Gefahr, und macht ihre Bewahrung zur Privatsache einzelner Unternehmer.

Deren Sinn steht derzeit glücklicherweise nach Freiheit. Aber das ist keine verlässliche Grundlage, sondern lediglich das geringere Übel.

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