Ampel-Richter übernehmen das Bundesverfassungsgericht

Gleich vier der 16 Richter des Verfassungsgerichts werden ausgetauscht - die Regierungsmehrheit bestimmt über das Gericht und verschafft sich Vorab-Zustimmung. Die Vorgehensweise ist fragwürdig. Mangelnde Transparenz und parteipolitisch geprägte Auswahl der Richter passen nicht zu einer modernen Demokratie.

IMAGO / photothek
Beratungszimmer des 1. und 2. Senats, Bundesverfassungsgericht. Karlsruhe (Symbolbild)

Die gesetzlichen Bestimmungen vorweg: Gemäß Art. 94 Grundgesetz (GG) werden Bundesverfassungsrichter je zur Hälfte von Bundestag und Bundesrat gewählt. Konkretisiert wird diese Vorgabe durch das Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG). Nach § 2 BVerfGG besteht das Bundesverfassungsgericht aus zwei Senaten, für die je acht Richter gewählt werden. Von den je acht Richtern der zwei Senate werden gemäß § 2 Absatz 3 BVerfGG je drei aus dem Kreis der Richter an den obersten Gerichtshöfen des Bundes gewählt.

Alle Kandidaten für das Verfassungsrichteramt müssen ein Mindestalter von 40 Jahren erreicht haben, die Wählbarkeit zum Bundestag besitzen und zum Richteramt befähigt sein. Die Richter werden auf zwölf Jahre gewählt; die Altershöchstgrenze ist das 68. Lebensjahr. Zur Sicherung ihrer Unabhängigkeit ist eine Wiederwahl ausgeschlossen.

Das Bundesministerium der Justiz führt eine ständig zu aktualisierende Liste mit den für das Verfassungsrichteramt geeigneten Bundesrichtern sowie eine Liste mit den Vorschlägen der Fraktionen, der Bundesregierung oder der Landesregierungen. Diese Listen sind nicht bindend, werden den Wahlorganen von Bundesrat und Bundestag jedoch vor einer Wahl zugeleitet.

In der Praxis teilen Bundestag und Bundesrat die Wahl der BVerfG-Richter wie folgt auf: Der Bundestag wählt je Senat zwei Bundesrichter sowie zwei sonstige Mitglieder. Der Bundesrat wählt einen Bundesrichter sowie drei sonstige Mitglieder. Bei der Wahl des Präsidenten und des Vizepräsidenten wechseln sich die Bundesorgane gemäß § 9 BVerfGG ab.

Zum Wahlverfahren im Bundestag: Die Wahl der vom Bundestag zu berufenden BVerfG-Richter erfolgt auf Vorschlag des sogenannten Wahlausschusses gemäß § 6 BVerfGG durch das Plenum des Bundestages. Der Wahlausschuss wird zu Beginn jeder Wahlperiode eingesetzt und besteht aus zwölf Mitgliedern des Bundestages, die auf Vorschlag der Fraktionen nach den Regeln der Verhältniswahl vom Bundestag gewählt werden. Der Wahlvorschlag an den Bundestag erfolgt mit Zweidrittelmehrheit. Die Wahl des Kandidaten im Plenum erfolgt ohne Aussprache und mit verdeckten Stimmzetteln. Gewählt ist ein Kandidat durch das Plenum, wenn er eine Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen, mindestens die Mehrheit der Stimmen der Mitglieder des Bundestages auf sich vereinigt.

Zum Wahlverfahren im Bundesrat: Die Wahl der vom Bundesrat zu berufenden BVerfG-Richter erfolgt gemäß § 7 BVerfGG. Die zu berufenden Richter werden nach einem Beschlussvorschlag einer Findungskommission gewählt. Erforderlich ist eine Zweidrittelmehrheit der Stimmen des Bundesrates, nicht nur der abgegebenen Stimmen. Das Wahlverfahren des Bundesrates ist damit einschließlich der Abstimmung öffentlich. Dabei wird grundsätzlich durch Handaufheben, auf Verlangen eines Landes durch Aufruf der Länder abgestimmt.

Das ist die Praxis – Wie man halt so wählt

Nun wurden am 15. Dezember 2022 im Bundestag drei neue Verfassungsrichter gewählt:

  • Thomas Offenloch auf Vorschlag der FDP; er löste am 11. Januar 2023 Peter M. Huber ab, der vor zwölf Jahren auf Vorschlag von CDU/CSU gewählt worden war. Ab 2013 war Offenloch am Bundesgerichtshof (BGH); dort gehörte er ab 2019 dem 6. Zivilsenat an.
  • Rhona Fetzer auf Vorschlag der SPD; sie löste am 11. Januar 2023 Monika Hermanns ab, die vor zwölf Jahren ebenfalls auf Vorschlag der SPD gewählt worden war. Rhona Fetzer ist seit 2009 Richterin am BGH und dort seit Mai 2022 Vorsitzende des 8. Zivilsenats.
  • Martin Eifert auf Vorschlag der „Grünen“; er löst am 1. Februar 2023 Susanne Baer ab, die vor zwölf Jahren ebenfalls auf Vorschlag der „Grünen“ gewählt worden war. Zuletzt war Eifert Juraprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er hatte schon vor zwei Jahren gute Karten gehabt, und zwar auf SPD-Ticket. Damals hatte er gegenüber Ines Härtel das Nachsehen, die von Brandenburgs Ministerpräsident Woidke (SPD) als „Ostdeutsche“ durchgesetzt wurde.

Offen ist noch, wer auf Verfassungsrichterin Gabriele Britz folgt, deren Amtszeit ebenfalls am 1. Februar endet. Für dieses Verfahren ist der Bundesrat zuständig, der zu seiner nächsten turnusmäßigen Sitzung aber erst am 10. Februar zusammenkommt. Hier ist die SPD mit einem Vorschlag am Zug.

Es fällt auf, dass alle drei am 15. Dezember 2022 gewählten neuen Richter von Fraktionen der Ampel-Koalition vorgeschlagen wurden. Von den nächsten drei BVerfG-Richterpositionen werden wieder zwei Wahlen an CDU/CSU-Vorschläge gehen: Die Amtszeit von Peter Müller endet am 30. September 2023, die von Sibylle Kessal-Wulf am 18. Dezember 2023.

Bemerkenswert ist jedenfalls, dass der Nachfolger von Peter M. Huber von der FDP vorgeschlagen wurde. Schließlich war Huber einst ein Unions-Vorschlag. Schon 2018 war allerdings festgehalten worden, dass die Huber-Nachfolge an einen FDP-Kandidaten gehen soll. Das war 2018 so ausgetüftelt worden. Und zwar gab es damals die Verabredung der Parteien, wonach bis 2022 in beiden Senaten der Schlüssel 3 – 3 – 1 – 1 verwirklicht werden soll. Diese Proporz-Formel „3 – 3 – 1 – 1“ bedeutet, dass in jedem Senat je drei Richter auf Vorschlag von CDU/CSU und SPD sitzen sollen und je ein Richter auf Vorschlag von Grünen und FDP. Die Linke und die AfD werden nicht berücksichtigt, da sie für die Zweidrittelmehrheiten nicht benötigt werden und auch keine Sperrposition im Bundesrat haben.

Als nächstes ist nun wieder die SPD am Zug. Und zwar für die Nachfolge von Gabriele Britz, deren Amtszeit am 1. Februar 2023 endet. Alle drei Wahlen (Nachfolge für Gabriele Britz sowie noch 2023 für Peter Müller und Sibylle Kessel-Wulf) erfolgen übrigens im Bundesrat (siehe auch hier).

Wahlen intransparent wie die WM-Vergabe für Katar?

An der Qualifikation der neuen Verfassungsrichter, zwei davon seit Jahren am Bundesgerichtshof, soll hier nicht der geringste Zweifel geweckt werden! Allerdings passen die mangelnde Transparenz und die unterdrückte öffentliche Diskussion über die Personen und deren Auswahl nicht zu einer modernen Demokratie. Deshalb hat die Sache ein „G’schmäckle“.

Der renommierte Anwalt und BILD-Kolumnist Joachim Steinhöfel brachte es bereits am 19. Dezember 2022 markant auf den Punkt. Er schrieb im Zusammenhang mit der Wahl vom 15. Dezember 2022 im Bundestag von einer Kungelei, die an die Vergabe der Fußballweltmeisterschaft an Katar erinnere. Steinhöfel kritisiert, dass die Öffentlichkeit hier vor vollendete Tatsachen gestellt wird und fast kein Medium berichtet. Bei der Wahl neuer Richter an den Obersten Gerichtshof der USA hingegen sei der Blätterwald in Deutschland voll. Wir fügen an: Und wenn es um Rügen gegen Polen und Ungarn geht, auch!


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Kommentare ( 43 )

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Whisblow
1 Jahr her

Das die Justiz in Deutschland nur noch eine Marionette des Staates, ist doch wohl klar. Es gibt tausende Urteile, wo nichts bewiesen wurde, aber Haftstrafen ausgesprochen wurden. 1 Beispiel aus der Realität, eine junge Frau hat „ein“ Fahrzeug angezündet, das wurde bewiesen, und wurde verurteilt zu einer mehrjährigen Haftstrafe, aber laut Urteil für „11“ Fahrzeuge, das sind Fakten der Rechtsbeugung und Rechtsverdrehung in Deutschland und gängiges Staatsrecht, jeden Tag Rechtsbeugung und Staatsterrorismus gegenüber den normalen Menschen. Beispiel 2 !! Ein Mann wurde im schönen Thüringen verurteilt, eine Tat begangen zu haben, was er nachweislich nicht war, das Urteil wurde vom BGH aufgehoben und….jetzt die… Mehr

Tabascoman
1 Jahr her

Das BVerfG hat die Aufgabe den Gesetzgeber (Bundestag und Bundesrat) zu kontrollieren. Diese bestimmt also seine Kontrolleure. Demokratie ist eine Staatsform in der das Volk, die Bürger, etwas zu sagen haben. Was hat der Bürger in Deutschland noch zu sagen? Er darf alle 4 Jahre – nach medialer Dressur – 1 mal bellen. Dann wird – ohne ihn und hinter verschlossenen Türen – die nächste Koalition abgesprochen. Deren Kontrolleure darf er er selbstverständlich nicht bestimmen.

Skeptiker
1 Jahr her

Die Wahl-Vorgehensweise mag – äusserst – fragwürdig sein. Ich würde aber nicht behaupten, sie passe nicht zu einer „MODERNEN Demokratie“. Zu dem, was uns heute politisch alles als „MODERN“ verkauft wird (Staatsbürgerrecht, Genderei, Finanzgebaren u.v.a.) passt sie ausgezeichnet.

ketzerlehrling
1 Jahr her

Da es hierzulande keine Demokratie mehr gibt, ist dieses Gebaren einfach nur logisch. Grüne Richter*innen, das hat dem Land noch gefehlt.

Franzl
1 Jahr her

Beim Stichwort Delegitimation denken viele an die Causa Habarth und das anschließende Abendessen mit der Kanzlerin.

Metric
1 Jahr her

Und in der Schule kriegen die Kinderchen etwas von „Gewaltenteilung“ erzählt … Die einzige Methode, wie die Judikative dem Zugriff der Parteien entzogen werden kann, wäre m.E. Qualifikation plus Losprinzip: Alle Richter mit 3 Jahren Berufserfahrung sind als Verfassungsrichter qualifiziert (Harbarth scheidet da schonmal aus), und können sich bewerben, unter diesen entscheidet das Los. Da war man in der Antike ja schon demokratischer als in der „modernen Demokratie“.

Manfred Koch
1 Jahr her

Wie wohl wahr der letzte Abschnitt bzgl. der Wahlen zum Obersten Richter in den USA , Herr Kraus. Als langjähriger Berufstätiger in der USA in den 90’er Jahren erinnere ich mich noch sehr gut an verschiedene Senatsanhörungen von Kandidaten für den Supreme Court des jeweiligen Präsidenten damals (George Bush, Vater; Bill. Clinton), und hier vor allen Dingen, von Clarence Thomas, einem sehr konservativen Afro-Amerikaner (was ja damals schon fast an Unding war, denn die Mehrheit der Schwarzen in der USA wählt die Demokraten). Dieser wurde bei öffentlicher Anhörung, und das bei direkter Ausstrahlung in verschiedenen US Fernsehsender, regelrecht gegrillt und… Mehr

Waldorf
1 Jahr her

Ein leider sehr altes Problem unseres Parteienstaates. Die Parteien haben unbestreitbar großen Einfluss auf die Spitzenämter in der Justiz, der Verwaltung in Bund und Länder und dem ÖRR. Landes- wie Bundesregierungen (bis hinab zu den Kommunen) ändern nach Wahlen routinemäßig die Spitzen in Ministerien und zahllosen landes- und bundeseigenen Gesellschaften, Instituten, Stiftungen und Verbänden, von Bundesämter für Verfassung oder Migration, über Agentur für Arbeit, Rentenversicherung, Städtetag bis zu kommunalen Gesellschaften zu Abfallwirtschaft und Wohnungsgesellschaften, AWO, Lottogesellschaften usw usw usw Manche Spitzenposten schaffen es regelmäßig in die Schlagzeilen, Abertausende jedoch nie, weil zu „unwichtig“ für die überregionale Presse. Aber der staatliche… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Waldorf
Bernhard J.
1 Jahr her

Scheint das gleiche Spiel wie bei der Neubesetzung des Postens des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Bekanntlich hat die Postenbesetzung maßgeblichen Einfluss darauf, wie eine Verfassung interpretiert wird. Das kann soweit gehen, dass vom ursprünglichen Verfassungsgeist nichts mehr übrig bleibt.

Britsch
1 Jahr her
Antworten an  Bernhard J.

Es ist kein Verfassungsgericht mehr (Verfassung, Grundgesetz zählt nicht mehr)
sondern ein Staatsgerichtshof, wie dies in Diktaturen üblich ist

Tabascoman
1 Jahr her
Antworten an  Bernhard J.

Das BVerfg schützt nicht die Bürger vor der Regierung, sondern die Regierung vor den Bürgern

Ananda
1 Jahr her

„Moderne Demokratie“ heißt ja inzwischen bemäntelte Autokratie. Eine Simulation von Gewaltenteilung und echter Vielfalt. Alles Fassaden von einem eindimensionalen Öko Sozialismus, in dem der Bürger nur noch die Rolle des Zwangsfinanzierers hat. .“, während ihm sein Wohlstand, seine Freiheit und sein Land einfach weggenommen wird.

Innere Unruhe
1 Jahr her
Antworten an  Ananda

Sie haben Recht. Wenn man die Definition der Demokratie betrachtet, findet sich dort keine zeitliche Dimension. Daher sind Begriffe wie „modern“ oder „veraltet“ in Bezug auf Demokratie völlig irrelevant. Überhaupt wird „modern“ als Ersatz dafür verwendet, dass das eigentliche Recht ausgehöhlt wird. Modernes Einwanderungsrecht solle Menschen Pässe geben, die unter dem Zaun nach Europa gekrochen sind und aus Gesellschaften stammen, deren Entwicklungsstand sich aus europäischer Sicht kaum als modern beschreiben lässt. Wozu brauchen genau diese Menschen das „moderne“ Recht. Sie benötigen Recht, das sich mit ihrer Mentalität verträgt. Das Wort modern wird – wie viele andere – ihrer Bedeutung beraubt… Mehr

Ananda
1 Jahr her
Antworten an  Innere Unruhe

Zwei Jahrzehnte hat man sich den CDU Sprech des ewigen Modernisierungsgeredes angehört während Merkel die konservative Partei in einen Links Grün Ableger umgebaut hat. Ergänzen möchte ich, dass die heutige „Demokratie“ ein einziges Lügengebäude ist. Unter Mithilfe der abhängigen MS Medien. Echte Demokratie, für mündige Bürger braucht Ehrlichkeit. Wie soll man aufgrund von Dauer Manipulation und Täuschung Demokratie ausüben? Da wird schon klar, dass wir unmöglich heute eine „Demokratie haben. Wenn von Seiten der Verantwortlichen gekniffen wird überhaupt die echten Problem anzusprechen – siehe u.a. den migrantischer Mob, oder die gewollte „Energielosigkeit“ und ihre Konsequenzen, wie soll man dann Lösungen… Mehr

Haedenkamp
1 Jahr her
Antworten an  Ananda

Wenn es wenigstens eine Autokratie wäre. Es ist eine Ochlokratie. Wir werden vom Pöbel beherrscht.

Ananda
1 Jahr her
Antworten an  Haedenkamp

Stimmt. Die vordergründigen Machthaber sind nicht sonderlich clever. Vor den echten Machthabern graut es mir inzwischen. So wie die über die Finanzierung entsprechender Strukturen ( Young Global Leaders, Presse einkaufen, WHO etc) über die Völker verfügen. Die Völker ausplündern, deren Bevölkerungen umbauen, sie in eine Mangelwirtschaft pressen, sie zwangsimpfen und in der Bewegungsfreiheit einschränken wollen. Bitte, wo ist denn da der Unterschied zum schlimmsten Faschismus`?