Politik als Realitätsverweigerung

So erfolglos Laschets Wahlkampf, so desaströs und weltfremd seine Strategie war, so wirklichkeitsfern ist seine Vorstellung von der Oppositionstätigkeit der Union. Der Vorsitzende der CDU wirkt aus der Zeit gefallen, er versteht die Realität der gesellschaftlichen Auseinandersetzung nicht, nicht, worum es eigentlich geht.

IMAGO / Political-Moments

Während den Wahlgewinnern keine Phrase zu leer und kein Pathos zu hohl ist, um den Marsch in den grünlackierten Sozialismus und mithin gesellschaftlich eine Kehre von der Demokratie in den Obrigkeitsstaat zu vollziehen, haben die Wahlverlierer gänzlich den Boden der Realität unter ihren Füßen verloren. Der CDU-Vorsitzende und gescheiterte Kanzlerkandidat floskelte: „Wir haben ein bitteres Ergebnis erzielt. Nichts lässt sich schön reden. Die Verantwortung trage ich als Vorsitzender und Kanzlerkandidat. Den Wahlkampf, die Kampagne habe ich zu verantworten und sonst niemand.“ Jedes andere statement hätte auch überrascht. Überraschen sollte Armin Laschet dennoch. Denn am Programm kann es seiner Meinung nach nicht gelegen haben, denn „wir haben ein gutes Programm gehabt, wir haben Positionen gehabt, für die wir auch weiter stehen.“ Vermutlich war es notwendig, dass Armin Laschet auf das Programm verwies, denn außer ihm dürfte niemand wahrgenommen haben, dass die Union über ein eigenständiges Programm verfügte, zumindest über etwas, das nicht ein Schwarzaufguss grüner Programmatik war.

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Wenn die CDU weiter für grüne Themen wie Klimaapokalyptik, Wohlstandszerstörung und De-Industraliserung, Mobilitätswende, für die Schleifung der Familie und den Kampf gegen rechts, wobei rechts nach früheren Worten Armin Laschets alles ist, was sich programmatisch rechts von der politischen Linken befindet, für Genderismus, Identitätspolitik, Masseneinwanderung in die deutschen Sozialsystem und im Ergebnis für die Durchsetzung der Vereinigten Staaten von Europa streitet, ist sie schlicht überflüssig, denn die Grünen gibt es schon.

Wie man in einem Atemzug ein „bitteres Ergebnis“ bejammern und das Programm, das mit zu diesem Ergebnis geführt hat, über den grünen Klee loben kann und sogar noch zu verstetigen wünscht, bleibt ein Rätsel, wenn man nicht die Sehnsucht zum Tode metaphysisch unterstellen will.

So erfolglos Laschets Wahlkampf, so desaströs und weltfremd seine Strategie war, so wirklichkeitsfern ist seine Vorstellung von der Oppositionstätigkeit der Union. Der Vorsitzende der CDU wirkt aus der Zeit gefallen, er versteht die Realität der gesellschaftlichen Auseinandersetzung nicht, nicht, worum es eigentlich geht. Für Laschet kommt es nämlich in der kommenden Oppositionszeit – natürlich ausgehend vom unschlagbar guten Programm der CDU – darauf an: „nicht schrill zu werden, nicht plump zu werden, nicht im Überbietungswettbewerb mit den beiden Parteien, die auch Opposition sind, im nächsten Bundestag zu stehen, sondern klug und intelligent die Finger in die Wunden zu legen, wo eine künftige Regierung die Dinge falsch macht.“

Strukturell linke Mehrheit
In der CDU revoltiert es ein wenig, aber nicht zu laut
Will er eine Opposition zur Opposition bilden? Sich zum Wadenbeißer der Regierung machen? Die Regierung wird sich zwar für diese Hasenfüßigkeit der Oppositionspartei CDU, für ihre Blockparteienattitüde bedanken, achten wird sie die Union deshalb nicht. Es ist auch nicht besonders eindrucksvoll, als Bettvorleger zu springen und als Bettvorleger zu landen. Laschet kommt aus seiner Traumwelt nicht heraus. Er hat die Wahl verloren, weil er den Grünen gefolgt ist und sich als realpolitisches, regierungserfahrenes, besonnenes und vernünftiges Korrektiv zum grünen „Heißsporn“ verkaufen wollte, nach dem Motto: Die Grünen wollen im Grunde das richtige, man muss das richtige nur richtig machen – und das kann keiner außer der CDU. Doch wie die Grünen will auch Angela Merkel, will auch Armin Laschet die Große Transformation, die „klimaneutrale” Gesellschaft. Es ist ein Stück aus der Großen Dekadenz, dass die Partei Ludwig Erhards für eine grünlackierte Kommandowirtschaft eintritt und den Slogan: „Wohlstand für alle“ durch das Motto: „Verzicht für fast alle“ ersetzt.

Dass selbst der „Hoffnungsträger“ der Union, der ewig Enttäuschende Friedrich Merz keine Alternative zu Armin Laschet darstellt, hat er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland gegenüber dargestellt, als er das Sondierungspapier von SPD, Grüne und FDP lobte: „Sie haben, wie ich finde, ein beachtliches Papier vorgelegt“, um dann ungewollt wahrhaftig einzugestehen: „Das hätten wir auch haben können.“ Warum also soll man CDU wählen, wenn man mit der CDU „das“ auch bekommen hätte? Friedrich Merz mag anders sein als Armin Laschet, doch ist er politisch das gleiche in anderen Worten. In der CDU geht es, wie Angela Merkel es wollte, alternativlos zu.

Die Junge Union würde übrigens die Worte des Parteivorsitzenden der CDU umsetzen, wenn sie die alte, rückwärtsgewandte Bezeichnung „Deutschlandtag“ durch die kluge und intelligente Bezeichnung „Klimatag” ersetzte.

Sie hätte es aber auch in der Hand, die CDU wieder zu einer kenntlichen Partei zu machen, sie müsste dazu vor allem und zuallererst programmatische Arbeit leisten. Es wird für die CDU nicht darum gehen, klug und intelligent, sondern prinzipienfest zu sein. Und diese Prinzipien können nur einem tätigen Liberalismus und einem progressiven Konservatismus entstammen.


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Kommentare ( 96 )

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MeHere
2 Jahre her

Ich finde die nun abgeschlossene Entwicklung hin zum „Parteienstaat“ brandgefährlich – im Prinzip hebelt dieser das Demokratische System völlig aus. BVG und andere Instanzen sind bereits gleichgeschaltet. Medien mit wenigen Ausnahmen linksbunte Lautsprecher.finanziert mit Steuergeld und Zwangsabgaben … Im Prinzip kann man ohnehin nicht mehr von Demokratie sprechen …

pbmuenchen
2 Jahre her

Außer Lockdowns, Maskenzwang, Impfnötigung und weiteren Restriktionen war kein Programm wahrnehmbar, außer natürlich dem angeblich unabdingbaren »Klimaschutz«. Jeder der einmal ein solches Programm fährt, ist und bleibt unwählbar für immer.

thinkSelf
2 Jahre her

Welches Bürgertum? Das ist spätestens von den nationalen Sozialisten endgültig eliminiert worden. Auch wenn das irgendwie keine gemerkt hat.

thinkSelf
2 Jahre her

wenn man nicht die Sehnsucht zum Tode metaphysisch unterstellen will.“
Tun Sie das ruhig, Herr Mai. Dieser Satz dürfte beschreibt übrigens nicht nur den mentalen Zustand der CDU perfekt, sondern die des gesamten Landes.

Kuno.2
2 Jahre her

Es kann sein, dass Friedrich Merz nicht viel anders wäre wie Laschet oder Merkel. Aber mein Bauchgefühl hatte mir schon vor 16 Jahren gesagt, dass Merkel die falsche Person ist. Und jetzt sagt mir mein Bauchgefühl, dass Friedrich Merz die richtige Person für diese Union in dieser Situation ist. Seine Verbindung zu Larry Fink (Black Rock) muss da kein Nachteil sein.

Schlaubauer
2 Jahre her

Warum sollte die €DU oppositionsfähig werden? Zum einen ist sie Teil der Einheitspartei €DU/CSU/SPD/GÜNE und zum Anderen führt die Ampel Merkels Projekt der Zerstörung Deutschlands und der Auflösung der BRD fort.

Oneiroi
2 Jahre her
Antworten an  Schlaubauer

Ja, aber wenn der Sticker Opposition draufgeklebt, glaubt der Michel an sowas wie deutsche Demokratie:D. Sie werden erstaunt sein, wie oft die gute oppositionsarbeit der CDU in der Tagesschau in den nächsten Jahren gelobt werden wird.

andreask90
2 Jahre her

Müsste man nicht, bevor man etwas verweigern kann, es wahrnehmen können?

Warte nicht auf bessre zeiten
2 Jahre her

„Es wird für die CDU nicht darum gehen, klug und intelligent, sondern prinzipienfest zu sein. Und diese Prinzipien können nur einem tätigen Liberalismus und einem progressiven Konservatismus entstammen.“ Darum wird es ganz bestimmt nicht gehen. Es ist leider kein Alleinstellungsmerkmal der CDU-Führung, „gänzlich den Boden der Realität unter ihren Füßen verloren“ zu haben.

Dreiklang
2 Jahre her

Egal ob „Werteunion“, „Berliner Kreis“, usw. Alle „konservativen Hoffnungsträger“ in der Union haben ein schwerwiegendes Glaubwürdigkeitsproblem, weil sie 16 Jahre Demontage mitgetragen haben – sie wollten ihre Mandate behalten. Das ging mit dieser Wahl nun nicht mehr – die „Grünaffinen“ in der CDU waren besser über die Listen abgesichert. Aber wenn ich keinen GRÜNkurs will, dann wähle ich die CDU sowieso nicht, denn die Parteispitze hat sich diesem Kurs ja verschrieben. Da bringt auch die konservative (Rest)Fraktion in der CDU nichts mehr. Wir werden nun eine CDU-„Opposition“ im Bundestag erleben, welche im wesentlichen den Regierungskurs gegen die AfD verteidigen wird.… Mehr

Chris.K
2 Jahre her

Ich hätte mal eine Frage, auf die kein Artikel, den ich bisher gelesen habe, eine richtige Antwort gegeben hat: Was hätte die CDU-Basis eigentlich für Möglichkeiten, ihre Parteispitze zu bestimmen?
Wenn es diese Möglichkeiten nicht gibt, dann ist die Parteispitze ja eine völlig losgelöste Blase, die machen kann, was sie will.
Aber warum wird man dann überhaupt Mitglied in dieser CDU? Ausschließlich, um lokal in den Ortsverbänden tätig zu sein? Oder aus dem Wunschtraum, vielleicht irgendwann in die Blase der Parteielite vorzudringen?

thinkSelf
2 Jahre her
Antworten an  Chris.K

Eine gute Frage. Meine persönliche Antwort ist da ganz einfach. Die Basis hat genau die Spitze die sie will, steht also stramm hinter dem ökosozialistischen Kurs. Denn wenn nicht, hätten die andere Delegierte für die Parteigremien gewählt oder wären längst aus der Partei ausgetreten.
Eine Ausnahme bilden nur die Parteimitglieder die von Altersdemenz betroffen sind. Aber ich kann mir trotz des hohen Altersschnitts nicht vorstellen das das mehr als 30% der Mitglieder sind.