Nicht einmal den Flutkanzler kann Scholz

Eigentlich ist Flutkanzler nicht so schwierig: Gerhard Schröder machte bereits 2002 vor, mit welch einfachen Gesten man den Macher vermitteln kann. Dass Olaf Scholz für seinen Besuch im Hochwassergebiet aber nicht mal Gummistiefel anziehen konnte, zeigt weniger Unfähigkeit als prinzipielles Desinteresse an Volksnähe.

IMAGO / Future Image
"Bis hierhin und nicht weiter", so lautete das Gebot der Schuhe des Kanzlers in Verden.

Es mag zynisch klingen, aber es gab Zeiten, in denen Katastrophenfälle wie Hochwasser ein Hauptgewinn im Lotto für Politiker waren. Gummistiefel an, Volksnähe zeigen, Wahlen gewinnen – so machte es Gerhard „Der Flutkanzler“ Schröder 2002 vor, als sich scheinbar für ihn der Himmel öffnete und die damaligen Hochwasser seinen Herausforderer Edmund Stoiber wegspülten. Gerade im Wahlkampf sind Politiker es ohnehin gewohnt, Versprechungen zu machen, die sie nie einzuhalten gedenken. Stoiber konnte es nicht, Schröder schon. Und die Grünen freuten sich schon damals darüber, dass analog zum Hochwasser die Bereitschaft für deren Ökosteuer stieg.

Doch während Schröder noch ein Opportunist … pardon … Politiker alter Schule war, ringt die Nachfolgegeneration rund um den Scholzomat mit sich und ihrem Gewissen. Das, zumindest, wäre die wohlwollende Interpretation der scheinbaren Wurstigkeit des Ampelkanzlers. Die weitaus fatalere – und womöglich realistischere – lautet: Es ist ihm schlichtweg egal. Wofür anstrengen? Als ob die Popularität beim Volk irgendwas ausmachen würde. Fast schon könnte man die Ampel diesbezüglich als ehrlicher bezeichnen. Sie bemüht sich nicht einmal mehr, den Eindruck zu erwecken, sie hätte irgendwas mit dem Volk zu tun.

Der Schröder konnte damals profitieren. Der #Scholz sieht wie üblich hoffnungslos überfordert aus. https://t.co/OnvJRxpNRqpic.twitter.com/S199WnbhDp

— ¯_(ツ)_/¯ 🕊️ (@BB12_DE) December 31, 2023

Hochwasserbesichtigung ohne Gummistiefel: „Jetzt ist es halt da

So stand Olaf Scholz, bedröppelt wie 7-Tage-Regenwetter, am 31.12. inmitten des von der Flut betroffenen Ortes Verden in Niedersachsen. Wobei – so ganz stimmt das nicht. Inmitten des Ortes konnte er nicht stehen, denn da stand ja Wasser. Und da er anstelle von Gummistiefeln nur seine Wanderschuhe an hatte, musste er es dabei belassen, von den Verdener Bewohnern durch eine Pfütze getrennt, auf Abstand ein trauriges Gesicht zu machen. Immerhin, das hatte er mittlerweile gelernt, nachdem ihm das noch angesichts eines verzweifelten Bäckers, der einen Gasofen gekauft hatte, so schwer fiel.

Auf Nachfrage, warum der Kanzler ohne Gummistiefel auftauchte, hieß es von Seiten des Bundeskanzleramts nur lapidar, das wäre nicht einmal diskutiert worden. Auch für Abgehobenheit gilt: Nur Übung macht den Meister. Bereits bei der Flut im Ahrtal, damals noch im Wahlkampf, war Scholz ohne Gummistiefel in Erscheinung getreten. Wer sich hin und wieder fragt, wie Olaf Scholz eigentlich gewählt werden konnte, der sollte sich daran erinnern, welch ein Unterbietungswettlauf der damalige Wahlkampf war.

Natürlich, das geflissentliche mediale Schweigen zu den Cum-Ex-Vorwürfen half auch, aber die Tatsache, dass Olaf Scholz nun Bundeskanzler ist, verdanken die Deutschen – neben ihrer eigenen Unbelehrbarkeit an der Wahlurne – vor allem Annalena Baerbock und Armin Laschet. Letzteren hatte sein Grinsen im Ahrtal womöglich die Kanzlerschaft gekostet. Und so galt wohl auch das Hauptanliegen von Olaf Scholz, der Hamburger Frohnatur, es diesmal nicht zu solch einem Fauxpas kommen zu lassen.

Buhrufe für den Kanzler, die sich Nancy Faeser lieber gleich spart

Wirkung zeigte dies jedoch nicht. Die Bevölkerung in Verden war vom Besuch des Kanzlers alles andere als angetan. „Scholz raus“, „Kriegstreiber raus“, „Geh nach Hause“ waren nur einige der Rufe, mit denen die Bevölkerung den unerwünschten Politiker bedachte. Ein von der Flut betroffener Anwohner zeigte sich enttäuscht, dass Scholz keine Gummistiefel anhatte und somit nicht einmal ein paar Worte der Anteilnahme mit den Betroffenen wechseln konnte. Stattdessen zog es der Bundeskanzler vor, der schlecht gelaunten Bevölkerung unter Begleitung einer Journalistenschar wieder in die nächste Seitengasse zu entfliehen.

Auch hier zeigte sein ehemaliger Parteigenosse Gerhard Schröder 2002, wie es besser ging. Zwar gab es auch im sächsischen Grimma vereinzelte Stimmen, die den Auftritt des Flutkanzlers zurecht als „große Show“ bezeichneten, aber als ein Betroffener damals Schröder sein Leid klagte, sagte dieser ihm, was er hören wollte: Kredite würden jetzt nichts bringen, es müsse schnelle und unbürokratische Soforthilfe in bar kommen, 100 Millionen Euro seien dafür schon beschlossen worden, er fürchte aber, das würde wohl nicht genug sein.

Zog Rot-Grün den Menschen damals dennoch das Fell über die Ohren? Natürlich tat es das. Aber in Zeiten von Hochwassern und anderen Naturkatastrophen besteht ein Gesellschaftsvertrag zwischen dem Volk und seinen Herrschenden. Das Volk will Zuspruch und die Herrschenden geben es ihm. Die Ernüchterung folgt noch früh genug. Doch nicht einmal dieses Schauspiel ist die Ampel bereit, ihren Untertanen zu bieten. Zu faul, zu arrogant, zu unantastbar, um sich mit dem gemeinen Volk abzugeben. Innenministerin Nancy Faeser, die zwar den Weg nach Katar auf sich nahm, um sich mit Regenbogenbinde ablichten zu lassen, fand den Weg in die Hochwassergebiete ihres eigentlichen Ressorts bislang nicht der Mühe wert.

Und der Kanzler vermittelte bei seinem Besuch überdeutlich die Lustlosigkeit angesichts eines Pflichttermins, der ihn aus seinem Weihnachtsurlaub riss. Scholz unterstrich mit seiner Haltung und seinem Gestus das der Ampel zugrunde liegende Mantra, das im Volk Deutschlands und seinen Sorgen und Nöten nur eine lästige Ablenkung von dem darstellt, was die Ampel unter Regieren versteht: Verprassen von Steuergeldern für alles Mögliche, nur nicht für das Wohl der Deutschen.

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