In Köln sorgt einer der Motivwagen für den Rosenmontagszug für Aufregung: Er thematisiert den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche. Ist die Darstellung geschmacklos, oder ist das nicht vielmehr der Missbrauch selbst, wie der Zugleiter betont?

Am Montag erreicht der rheinische Straßenkarneval mit den großen Rosenmontagsumzügen seinen Höhepunkt. Furore machen in jedem Jahr die Persiflagewagen in Düsseldorf und Köln: Sie greifen satirisch Themen aus Gesellschaft und Politik auf, und erregen nicht selten die Gemüter.
In Köln hat in diesem Jahr bereits im Vorfeld ein Motivwagen für Kontroversen gesorgt: Dargestellt wird ein Beichtstuhl; der darin sitzende Kleriker streckt seinen Arm heraus und will ein Kind hineinlocken. Illustriert ist diese auf den Missbrauchsskandal in der Kirche anspielende Szene mit dem Schriftzug „Jesus liebt dich“.
Nachvollziehbarerweise gehen die Meinungen dazu auseinander – selbst unter von Missbrauch Betroffenen. So wendet sich der Betroffenenbeirat des Erzbistums Köln gegen das Motiv, der „Eckige Tisch“ hingegen befürwortet es. Auch unter Karnevalisten besteht keine Einigkeit, das Erzbistum und einige CDU-Politiker stoßen sich daran, dass hier Jesus selbst „mit Missbrauch in Verbindung [gebracht wird]“, wie Kardinal Woelki erläutert.
Dieser Einwand ist verständlich: „Jesus liebt dich“ ist eine, wenn nicht – in vereinfachter Form – DIE Kernbotschaft des Christentums. Es könnte der Eindruck entstehen, dass der Glaube selbst, und damit letztlich womöglich Gott, ein solch verzerrtes, falsches Liebesverständnis propagieren könnte, und dass Missbrauch gleichsam ursächlich in der christlichen Botschaft begründet liege.
Hinzuzufügen wäre, dass die unausrottbaren Vorurteile gegenüber der Beichte und dem Beichtstuhl als dunkel-ruchlose, lüstern-sündige Räume verheimlichter und unterdrückter Begierden wieder einmal verfestigt werden. Das ist unverantwortlich, und wird weder der seelsorgerlichen Bedeutung der Beichte gerecht noch der Sorgfalt, mit der sich viele Priester diesem Sakrament widmen. Laufend notwendige Verbesserungen der Beichtpastoral lassen sich innerkirchlich thematisieren und sind als Gegenstand eines Persiflagewagens ungeeignet.
Zudem ist der Einwand des Betroffenenbeirats gewichtig, der den Wagen gar als „neuen Missbrauch“ empfindet, und die einseitige Fokussierung auf die Kirche als Ort des Missbrauchs kritisiert.
Tatsächlich müssen sich die Karnevalisten fragen lassen, warum sie ihrem Beißreflex gegen die Kirche nachgeben, obwohl der Anspruch, der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten, auch beinhalten müsste, die Bigotterie jener an den Pranger zu stellen, die bequem mit dem Finger auf die katholische Kirche zeigen, und sich damit davon exkulpieren, Schule, Sportvereine und vor allem die Familie als Tatorte identifizieren zu müssen. Oder die Heuchelei der Medien, die seit Jahren auf die katholische Kirche eindreschen, die mittlerweile Vorreiter in Sachen Aufarbeitung ist, und sich überdies teils absurdem Schulungs- und Präventionsaktivismus hingibt, um bloß nichts falsch zu machen.
Währenddessen wurde die schleppende, zögerliche, teils unkooperative Aufarbeitung in der evangelischen Kirche bereits nach wenigen Tagen unter den Teppich gekehrt, weil Journalisten eben lieber im Verband mit deutschem Gremienkatholizismus den Zölibat diskreditieren und antikatholische Mythen pflegen, als zu enthüllen, dass der angeblich fortschrittliche Protestantismus nicht nur Leichen im Keller hat, sondern diese auch fleißig vertuscht.
Gerade solche Doppelstandards wären ein griffiges und tatsächlich für alle schmerzhaftes Thema. Die Kirche ist dagegen ein dankbares Opfer – sie liegt bereits am Boden, und wehrt sich selbst gegen unzutreffende Vorwürfe kaum noch.
So reiht sich der Motivwagen zwar ein in eine ganze Reihe von Karikaturen, die echter Schärfe und satirischer Unbarmherzigkeit entbehren: Alice Weidel etwa ist schnell durch den Kakao gezogen, aber wo bleibt der Spott gegenüber den tatsächlich Mächtigen?
Dennoch legt die Darstellung den Finger in die Wunde, wie Michael Kramp, Vorstand des Festkomitees Kölner Karneval, anmerkt. Denn nicht nur gab und gibt es – in Deutschland weitgehend unbeachtet – durchaus Missbrauch, der ganz explizit die Spiritualität der Opfer ausnutzt, und ihnen einredet, der Missbrauch sei im Sinne Gottes, gar eine geistliche Übung: Bestürzung und Entsetzen löste etwa der Fall des Jesuitenpaters und Künstlers Marko Rupnik aus. Die Berichte von Opfern zeichnen das Bild einer monströsen Verzerrung des christlichen Glaubens, und doch zieren seine Mosaike immer noch zahlreiche Kirchen. Immer wieder regt sich Zorn unter Gläubigen, die sich verhöhnt fühlen, weil Rupniks Kunst nicht geächtet und entfernt wird. Es ist fraglich, ob die Karnevalisten mit diesen Sachverhalten und Fällen näher vertraut sind, aber sie treffen, beabsichtigt oder nicht, ins Schwarze. Die billige Kritik entpuppt sich als zutreffender als oberflächlich betrachtet erkennnbar.
Auch einem weiteren schmerzlichen Aspekt muss sich die Kirche stellen: Selbst, wo Missbrauch durch kirchliche Angestellte oder Kleriker nicht aktiv geistliche Inhalte instrumentalisiert; für die Opfer ist der Unterschied zwischen dem Priester, der als Mensch ein Verbrechen und eine Sünde begeht, und dem Priester, der „in personam Christi“ am Altar steht, meist nicht erkennbar. Die Kirche kann zwar darauf hinweisen, dass Täter aus ihren Reihen das Gegenteil dessen tun, wozu sie verpflichtet sind, und wozu Gott sie ruft. Aber sie kann nicht verhindern, dass Menschen, ob direkt betroffen oder nicht, angesichts dieser Verbrechen ihren Glauben an einen sie liebenden Gott verlieren, und weder Jesus noch der Kirche oder einem ihrer Repräsentanten je wieder Vertrauen schenken können.
Missbrauchstäter aus dem Raum der Kirche hätten den Auftrag gehabt, „Jesus liebt dich“ zu verkünden – und haben diese Botschaft durch ihre Taten verdunkelt, für die Opfer in ihr Gegenteil verdreht, und sind damit verantwortlich sowohl für körperliches und seelisches Leid, und im Extremfall dafür, dass Menschen nie wieder in liebende Beziehungen finden – sei es zu Gott oder zu Menschen.
Gerade der Anspruch, Ausdruck der Liebe Gottes zu sein, und diese Liebe in der Begegnung mit Menschen zu verkörpern und zu vermitteln, macht Missbrauch im Raum der Kirche so widerlich; und weil auch Nichtgläubige diesen Anspruch spüren und oft intuitiv anerkennen, ist die Empörung darüber im öffentlichen Raum besonders groß – zu recht, wie wohl jeder Katholik, der hinter diesem Anspruch steht, sagen würde.
Insofern trifft der Vorwurf zu, den der Kölner Persiflagewagen formuliert und die Kirche muss ihn ertragen. Innerhalb der Kirche wird sowohl in Predigten als auch im Austausch der Gläubigen untereinander immer wieder thematisiert, wie wichtig Aufarbeitung ist, und wie immens der Schmerz und der Schaden sind, die die Missbrauchstäter den Opfern, der Kirche und der Glaubwürdigkeit der christlichen Botschaft zugefügt haben. Warum also sollte dies nicht auch außerhalb der Kirche geäußert werden?
Dass die Verantwortlichen für die Gestaltung der Wagen an anderer Stelle ihrem Anspruch nicht gerecht werden, ist demgegenüber zweitrangig, und nicht Sache der Kirche. Dennoch wäre wünschenswert, dass auch die Karnevalisten selbstkritisch hinterfragen, ob sie dem Anspruch satirischer Schonungslosigkeit gerecht werden – oder nur gegen jene schießen, die ohnehin schon am Pranger stehen.
Sie müssenangemeldet sein um einen Kommentar oder eine Antwort schreiben zu können
Bitte loggen Sie sich ein
Diese Art von „Kritik“ an der katholischen Kirche war schon immer einfach und billig. Da gäbe es ganz andere Themen, die derzeit wichtig wären. Oder gab es etwa mehrere Wägen zum Thema Migrantengewalt?
Das ist das eigentliche Thema.
Dass die mit der mitgebrachten Ideologie nämlich gar nirgends mehr kritisiert werden dürfen, ohne dass deren Strafe auf den Fuß folgt.
Und was sagen die zu denen, die aus „religiösen“ Gründen Kinderehen mögen, Kleinkinder niedermetzeln oder plattfahren? Da sagen sie gar nichts zu die verlogenen Gratismutigen.
Wieso ausgerechnet die Kirche? Folgt der Karneval bewußt oder unbewußt dem Weg in den Sozialismus, in dem eine Kirche und Gläubige stören? Menschenhandel ist noch nicht öffentlich geworden in D. Aber wieso nicht der Sportverein, eine Bahnfahrt oder der dunkle Park?
Obwohl ich nicht in der katholische Kirche bin oder war, denke ich auch, dass die Wagenbauer, die typische Leute von Gestern sind, die gerne auf der katholischen Kirche rumhacken, obwohl sie weder selbst betroffen noch in der Kirche sind. Es passt einfach zu sehr in das Klischee der linken woken, deren Bilder gerne in der Presse abgedruckt werden. Eben die Leute von gestern, die noch gehört werden, bis deren Presseorgane hoffentlich bald versiegen.
Gratismut. Die Kirchen liegen eh im Staub vor dem rotgrünen „Zeitgeist“. Da fällt das Nachtreten nicht schwer. Was unsere Kinder, Frauen, Senioren auf den Straßen, in den Parks, in den Zügen tatsächlich bedroht, vergewaltigt, tötet — das wird von den Gratismutigen nicht mal mit einer Silbe erwähnt.
Zeitgeistgroupies. Wie die Kirchen auch. In der evangelischen Kirche gab/gibt es übrigens kaum weniger Pädophilie als in der katholischen, sie verweigert jedoch im Gegensatz zur katholischen Kirche jeden seriösen Versuch der Aufarbeitung. Aber das passt nicht in den engstirnigen linken Denkkarton des angeblich so anarchischen Kölner Karnevalismus, der sich in Wahrheit schon den Nazis andiente. Die Wagenmotive von Weidel als Nazihexe, Trump als den Weltfrieden gefährdenden Irrer und der katholischen Kirche als pädophiler Höllenschlund dienen der sozialblasigen Selbstbestätigung. Zunehmend repressive Einschränkung der Meinungsfreiheit und explodierende Gewaltkriminalität durch Zuwanderer beschweigt man lieber genauso wie den wachsenden Einfluß islamistischer Organisationen – gerade… Mehr
Der Karneval als Institution muss sich mal entscheiden, ob er harmlos-lustig sein will, zum Grinsen ermutigen, oder unausgewogen satirisch-politisch. Siehe auch den Karnevals-Wagen „‘Nazi-Hexe‘ Weidel mit Hakenkreuz“. Es wäre doch mal interessant zu erkunden, ob alle Parteien und ihre Politiker gleichermaßen hart angegangen werden. Bundeskanzler Olaf Scholz mit Augenklappe auf einem untergehendem Kahn scheint mir da doch recht nett und süß zu sein. Die Alternative für Deutschland (AfD) wies die NS-Assoziation bereits in vereinzelten Stellungnahmen zurück, der AfD-Abgeordnete Frank Grobe (Hessen) etwa deutete bei X an, dass er eine Anzeige erwäge, schreibt die WELT. Der dürfte aber kein Erfolg beschieden sein,… Mehr
Falsch.
„Jesus Loves You“ ist der Wahlspruch der „Jesus-People“, die Jesus und nicht Gott als „oberste Instanz“ sehen.
Der richtige Spruch auf dem Wagen wäre gewesen „Lasset die Kindlein zu mir kommen„! Jesus meinte damit allerdings nicht das gleiche wie die Pfaffen!
In der Weltwoche aus der Schweiz ist heute immer noch folgendes für jeden, der aufrichtig sein will und an Objektivität und echter Fairness interessiert ist, nachlesbar, Zitat: „Dildos und Pariser für Elfjährige: Queere Lobbyisten belästigen Zürcher Primarschüler mit Sexpraktiken für Erwachsene. Kinder und Eltern sind schockiert. Nun wehren sie sich“ Die Katholische Kirche, die echte, bis vor dem sog. 2. Vatikanischen Konzil, steht NICHT am Pranger. Und nur diese ist die echte Kirche. Bleibt also die Frage: was soll dieser verkommene Unsinn? Die sexuelle Revolution ging von den Schülern der pol. Aufklärung aus. Ein Teil der besagten Kirche wurde mit… Mehr
Ich nehme inzwischen an, dass sich die westliche Kirche bzw. der Vatikan von innen heraus seit diesem II. Vatikanischen Konzil selbst zerstört – und dass wir inzwischen in der Endphase ankommen – wobei die Trump Administration wohl alles tut, das Christentum zu erhalten. Vor der ersten Kabinettssitzung wurde um Gottes Segen gebeten: https://x.com/RealJessica05/status/1894793225589731604 Und gut zuhören und mitlesen. Auf dem Governers Ball in Washington DC wurde die einprägsame Parole laut ins Rund gesungen. Und so siehts wohl aus, wenn man in einem Buch eine neue Seite aufschlägt und sich dabei auf das stützt, was bislang trägt – und das man… Mehr