Bundeswehr: Nicht einsatzbereit, geschweige denn „kriegstüchtig“

Keine einzige Heeresbrigade ist einsatzbereit: Das ist das vernichtende Urteil im Bericht der Wehrbeauftragten. Zwei Jahre nach Beginn des Ukraine-Kriegs und der Ankündigung der „Zeitenwende“ fehlen Material und Personal. Wie die Ziele bis 2030 erreicht werden sollen, steht in den Sternen.

IMAGO
Soeben ist der Bericht der Wehrbeauftragten, Eva Högl (SPD), erschienen. Er trägt den Titel „Unterrichtung durch die Wehrbeauftragte 2023“ und umfasst 175 Seiten. In der Geschichte der Bundeswehr ist es der 65. Bericht – vorzulegen dem Bundestag.

Um es vorwegzunehmen: Der Bericht verneigt sich zwar zwei Seiten lang vor „woken“ Themen wie „Transidentität“ und „Drittes Geschlecht“, ansonsten aber ist er ehrlich – ehrlicher als manch regierungsamtliches und ministerielles Papier. In den Agenturmeldungen dazu heißt es zwar etwas verharmlosend: Eva Högl sehe die Bundeswehr personell an der Belastungsgrenze. Viele Soldaten seien durch immer wiederkehrende Einplanung, vornehmlich aufgrund von Spezialverwendungen ohne ausreichende Regeneration, am Limit ihrer Kräfte.

Auch die Zahl der vakanten militärischen Dienstposten oberhalb der Laufbahn der Mannschaften trage zur „überproportionalen Belastung“ vieler Soldaten bei. Im Berichtsjahr sei die Zahl dieser vakanten Stellen von 15,8 Prozent auf 17,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Weitere Belastungen entstünden in vielen Bereichen durch bürokratische Hürden, die die Arbeits- und Verwaltungsprozesse deutlich erschweren und verzögern.

Einfügung unsererseits: 20.000 Dienstposten sind nicht besetzt. Wie da der politisch angekündigte Aufwuchs der Bundeswehr bis 2030 auf 203.000 „Mann“ erfolgen soll, wissen die Götter. Zumal im Jahr 2023, so Högl, 1.537 Dienende weniger als im Jahr 2022 vorhanden waren.

Högl beklagte zudem die mangelnde materielle Ausstattung der Bundeswehr: Es fehle an Munition, an Ersatzteilen, an Funkgeräten, an Panzern, an Schiffen und an Flugzeugen. Es gehe zwar voran – immerhin seien zwei Drittel des Sondervermögens mittlerweile gebunden, so Högl. Die Lage bei der Infrastruktur sei dagegen weiter „desolat“, sagte Högl weiter. „Es dauert zu lange, neu zu bauen und zu sanieren. Allein hier bestehe ein Investitionsbedarf von 50 Milliarden Euro und es gehe um rund 7.000 Bauvorhaben wie Unterkünfte, Truppenküchen, Sportanlagen, Munitionslager oder Waffenkammern. Insgesamt hat Högl gegenüber früheren Statements hier bereits tiefgestapelt. Vor nicht allzu langer Zeit hatte sie noch – all inclusive – ein „Sondervermögen“ von 300 Milliarden verlangt.

Verteidigungsminister Pistorius ist nicht zu beneiden. Und er kann nicht so, wie er will. Weil er wollen muss, wie es ein Kanzler, der nun auf Friedenskanzler macht, will bzw. nicht will. Das von Pistorius ausgegebene Ziel, die Bundeswehr „kriegstüchtig“ zu machen, ist jedenfalls auf längere Sicht Utopie. Pistorius hatte das bei der Bundeswehrtagung im November 2023 als Ziel angesagt. Beim aktuellen Zustand der Bundeswehr kann man nur hoffen, dass ein Putin nicht noch mehr ernstmacht, und dass ein möglicher US-Präsident Trump 2.0 seine Drohungen gegenüber den europäischen Partnern der Nato nicht umsetzt.

„Keine Brigade einsatzbereit“

Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, André Wüstner, aktiver Oberst, stellt anlässlich des Högl-Berichts fest: Keine einzige der acht Heeresbrigaden der Bundeswehr sei einsatzbereit. Wörtlich sagte Wüstner im ARD-Morgenmagazin: „Wir haben in allen Teilstreitkräften massive Probleme, gemessen am Auftrag, an der Lage.“ Wüstner meinte auch: Die im Frühjahr 2022 nach Putins Überfall auf die Ukraine für die Bundeswehr zusätzlich bereitgestellten 100 Milliarden Sondervermögen würden nicht ausreichen.

Diese 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr hätten „leider Gottes“ nichts verbessert, so Wüstner. Seit 1990 seien mehrere Hundert Milliarden Euro eingespart worden. Man habe sich nur auf internationales Krisenmanagement ausgerichtet und jetzt seien Landes- und Bündnisverteidigung wieder ein Schwerpunkt. Dafür sei die Bundeswehr nicht aufgestellt. Und: Dieses Jahr sei ein „Schlüsseljahr für die Bundeswehr, für Deutschland, für Europa mit Blick auf Frieden und Freiheit, insbesondere mit Blick auf die Ukraine“.

Wüstner war Diplomat genug, nicht zu sagen, dass die Bundeswehr den rapidesten Verfall in 16 Jahren Merkel erfuhr: dass die Personalstärke in dieser Zeit von 252.000 auf 181.000 reduziert wurde, dass 2011 die Wehrpflicht ausgesetzt wurde, dass Merkel der Bundeswehr mehr als fünf Jahre lang eine Ursula von der Leyen als Verteidigungsministerin zumutete, dass es selbst nach der Annexion der Krim durch Russland 2014 kein Umdenken gab.

Nun werden ziemlich kleine Brötchen gebacken. Dass allein die Aufstellung einer „Brigade Litauen“ mit rund 5.000 Mann bis ins Jahr 2028 hinein dauert, lässt wenig Hoffnung aufkeimen. Und auch das Ziel, die Bundeswehr „kriegstüchtig“ zu machen, harrt noch einiger Jahre.

Man wird politisch andere Prioritäten setzen müssen und sich doch einmal kritisch daran erinnern müssen, dass dieses Land (ohne Sondervermögen, das 2026/27 aufgebraucht sein wird) zwar 50 Milliarden pro Jahr für Verteidigung ausgibt, aber für „Migration“ p.a. 50 Milliarden und für Entwicklungshilfe p.a. 35 Milliarden Euro aufbringt. Was für Zivilschutz längst überfällig wäre, sei hier außen vor gelassen.

Oder ist dieses Land nicht mehr des Verteidigens wert? Ja, immer mehr Leute stellen sich diese Frage angesichts einer spätestens seit 2015 real existierenden Politik und einer jetzt von der „Ampel“ beschleunigten „Transformation“ dieses Landes in ein amorphes Gebilde.

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Kommentare ( 58 )

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Raul Gutmann
1 Monat her

Mithin „typisch deutsch“ im Sinne des 21. Jahrhunderts:Große Klappe und wenig bis nichts dahinter.
Insofern scheint sich die infantile Generalität der „Bundeswehr“ mit der inkompetenten politischen Führung auf fatale Weise „verbündet“ zu haben.
Glück im Unglück: Sämtliche potentielle Feinde haben augenscheinlich keinerlei Interesse, diesen „Hippie-Staat zu „erobern“, geschweige denn zu „übernehmen“.
Denn außer „Wahnsinngibt es hierzulande nichts, aber auch gar nichts, was ein Invasor „erobern“ kann.

Helmuth Herterich
1 Monat her

„Oder ist dieses Land nicht mehr des Verteidigens wert? Ja, immer mehr Leute stellen sich diese Frage“. Die stelle ich mir inzwischen auch und neige zur „Dänischen Methode“: Im Jahre 1973 hatte der Däne Mogens Glistrup eine revolutionäre Idee. Er wollte das dänische Militär abschaffen und stattdessen im Verteidigungsministerium einen Anrufbeantworter mit der auf Russisch gesprochenen Erklärung „Wir haben kapituliert“ installieren. Das Militär könne einem Angriff der Roten Armee ohnehin nichts entgegensetzen und so sei das Geld statt für die Landesverteidigung besser in Bildung und Kultur investiert, begründete Glistrup damals seine Idee. Warum machen wir das bei uns nicht auch… Mehr

A.Kroemer
1 Monat her

Zu meiner eigenen aktiven Dienstzeit hatte die Bundeswehr gut 485.000 Soldaten, Standorte waren über das ganze Land verstreut. Heute hat die Bundeswehr gerade einmal 182.000 Soldaten, was eindeutig zu wenig ist. Sehen wir das ganze einmal realistisch: Um genügend Kasernen zu haben, müssen wenigstens 5 Jahre eingerechnet werden Um ausreichend Soldaten zu bekommen, kommt man nicht um die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht herum die Sollstärke von wenigstens 450.000 Soldaten sollte das Mindestmaß sein die Beschaffung von Waffen wird von der Bestellung bis zur Auslieferung weit mehr als 5 Jahre in Anspruch nehmen um tatsächlich ausreichend Munition für alle Waffen in die… Mehr

Haba Orwell
1 Monat her
Antworten an  A.Kroemer

> Heute hat die Bundeswehr gerade einmal 182.000 Soldaten, was eindeutig zu wenig ist.

Wenn die heldenhaft für den Great Reset und Globale Entvölkerung kämpfen sollen, dann sind es genau 182 Tsd. zu viele.

rainer erich
1 Monat her

Von vielen hier zutreffend kommentierten Aspekten abgesehen waere eine Evaluation der eingesetzten Euronen, eine Verwendung der Steuermittel, ganz sicher aufschlussreich. Nicht nur hier natuerlich. Ein Unternehmen, das nur ansatzweise in dieser Form unterwegs waere, waere bereits seit zig Jahren pleite. Hier wird schlicht sinnlos sprich ohne Wert Geld zum Fenster hinausgeworfen. Natuerlich gibt es dabei auch „Gewinnler“. Eine nur etwas genauere “ Management – und Prozesspruefung“ wuerde Interessantes zu Tage foerdern. Beginnend beim immer entscheidenden Ziel, dem Konzept, der Beschaffung, dem “ zuständigen“ Personal, dessen persönlichen Interessen und Eignung ueber die diversen Prozesse bis hin zur Verwaltung und Pflege des… Mehr

Mike76
1 Monat her

Dann müsste demnach im Ernstfall der Amerikaner oder ein anderer NATO-Bündnispartner einspringen, sollte es zu einer unerwarteten Kriegserklärung (durch wen auch immer) kommen. Hoffen wir mal das Beste. Die Buntewehr gibt schon seit mehr als zwei Jahrzehnten ein äusserst trübes Bild ab.
Besonders störend und ineffizient ist der gigantisch aufgedunsene Wasserkopf auf und auch kurz unterhalb der Generalstabsebene. Diese Leute verstehen einfach ihr Handwerk nicht. Vermtl. auch deshalb nicht, weil es ausser simuliert durch planmässige Übungen keine reale Bedrohungslage mehr nach dem „kalten Krieg“ gab.

Capfinistere
1 Monat her

Und obwohl dieser Zustand ja schon länger bekannt ist, diskutiert man im Bundestag, was man noch so an Waffen, Munition und Ausrüstung nach Osten verschieben kann. Vielleicht haben wir ja im Ernstfall wenigstens noch etwas Militärpolizei, die die Durchfahrt der verbündeten NATO Truppen durch Deutschland regeln könnten.

chaosgegner
1 Monat her

„Allein hier bestehe ein Investitionsbedarf von 50 Milliarden Euro und es gehe um rund 7.000 Bauvorhaben wie Unterkünfte, Truppenküchen, Sportanlagen, Munitionslager oder Waffenkammern…“

Verstehe ich jetzt überhaupt nicht, nachdem jahrzehntelang sehr erfolgreich qualitativ beste Kasernenanlagen in Milliardenwerten rigoros vernichtet wurden.
Und das muss jetzt alles wieder neu gebaut werden? In welcher Qualität und von wem? Russische Baufirmen helfen bestimmt!

HansKarl70
1 Monat her

Das hätte wahrscheinlich fast Jede/Jeder sagen können. Auf jeden Fall wären dann Kosten eigespart worden und sparen müssen wir doch, sagt zumindest die Regierung.

Ohanse
1 Monat her

Kleine Anekdote am Rande: „Ohne Mampf kein Kampf“ und „ohne Verpflegung keine Bewegung“ – das sind die ersten beiden Regeln, die der Soldat beim Militär lernt. Das muss man wissen, wenn man beurteilen will, wie sich eine scheinbare Nebensächlichkeit wie die Gestaltung des Speiseplans auf den Personalstand der Truppe auswirkt. Die Bundeswehr arbeitet nämlich mit Hochdruck daran, die Versorgung der Soldaten mit Fleisch drastisch zusammenzustreichen. Nur noch ein- oder höchstens zweimal in der Woche soll es Fleisch geben dürfen. Ansonsten eben nur Gemüse oder Ersatzprodukte. Wenig attraktiv, wenn man kriegstüchtig sein und Kämpfer werben will. Nur noch lächerlich.

Anglesachse
1 Monat her
Antworten an  Ohanse

In der Berufs-Seefahrt wurde mal diskutiert, ob die Mannschaft nicht besser vegan ernährt werden sollte….na Das gab ein Tara!!!
Decksarbeit ist Schwerstarbeit, besonders offshore.
Bin selber 6 Jahre „auf Deck“ gefahren.

Stefferl
1 Monat her

Man sollte bei all dem Bundeswehrbashing aber deutlich zwischen den Soldaten und den Führungsebenen unterscheiden. Viele Soldaten machen einen sehr guten Job. Nur leider wird bei den Führungskräften zu sehr auf formale Qualifikationen geachtet, anstatt auf ihre tatsächlichen Führungsqualitäten. Und wenn man dann noch über Jahre solch seltsame ungediente Gestalten als Minister*inninen vorgesetzt bekommt, kann nix Gescheites mehr rauskommen.