„Brigade Litauen“ der Bundeswehr als „Leuchtturmprojekt“

4.800 „freiwillige“ Soldaten sollen mit De-luxe-Anreizen für eine Stationierung in Litauen gewonnen werden: mit Prämien und Privilegien. Wenn von einer vollen Einsatzfähigkeit erst in fünf Jahren, also ab 2028, die Rede ist, dann muss man jedoch nicht unbedingt von einem „Leuchtturmprojekt“ sprechen.

IMAGO / Chris Emil Janßen
Verteidigungsminister Boris Pistorius bei der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg, 27. Oktober 2023

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat im Zuge der Stärkung der Nato-Ostflanke angekündigt, zwei Bataillone der Bundeswehr zur „Brigade Litauen“ zusammenzulegen und dauerhaft als „Panzerbrigade 42“ im Baltikum zu stationieren. Pistorius nennt diesen jetzt entschiedenen Plan ein „Leuchtturmprojekt der Zeitenwende“. Es geht bei den beiden Bataillonen um das Panzergrenadierbataillon 122 aus Oberviechtach (Kreis Schwandorf, Oberpfalz, Bayern) und das Panzerbataillon 203 aus Augustdorf (Kreis Lippe, NRW). Ausgestattet sind diese Einheiten bislang mit dem Kampfpanzer Leopard 2 sowie dem Schützenpanzer Puma (Augustdorf) und dem Schützenpanzer Puma (Oberviechtach).

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Die deutschen Standorte sollen erhalten bleiben. Die Stärke der „Brigade Litauen“ wird auf 4.800 Soldaten und 200 Zivilisten taxiert. Die dafür in Litauen notwendige Infrastruktur muss erst noch geschaffen werden. Ein Vorkommando wird im II. Quartal 2024 ankommen, dann soll sukzessive mit der Aufstellung des Verbandes in Litauen begonnen werden, ab 2028 soll die Brigade der Nato voll einsatzbereit sein.

Hintergrund: Die Nato wird als Reaktion auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine die Zahl ihrer schnell verfügbaren Soldaten vervielfachen. Die Nato-Staaten hatten im Juni 2022 anlässlich ihres Gipfeltreffens in Madrid angekündigt, dass die „Nato Response Force“ (NRF) von etwa 40.000 auf mehr als 300.000 Soldaten erhöht wird. Die Nato-Streitkräfte werden bestimmten Gebieten zugeordnet. Die Bundeswehr war damals schon für Litauen eingeplant.

Wie die Bundeswehr Soldaten „de luxe“ anlocken will

Neben der Schaffung der Infrastruktur vor Ort in Litauen dürfte die Gewinnung der 4.800 „Mann“ eines der Hauptprobleme sein. Das weiß Pistorius. Soldaten einfach versetzen oder abordnen, das scheint in einer Armee, in der längst auch die „Work-Life-Balance“ eingezogen hat, nicht mehr so einfach möglich. Pistorius will denn Soldaten auch mit Prämien und Privilegien für eine dauerhafte, freiwillige Stationierung in Litauen gewinnen. Ein internes Papier skizziert für die Anwerbung ein Motivationsbündel an Auslandszuschlägen, Mietzuschüssen, regelmäßigen Heimfahrten nach Deutschland, Schulgeld, Schulen und Kitas vor Ort sowie Aufstiegsmöglichkeiten und einer Absenkung des Pensionsalters. Aus ersten Entwürfen geht jedenfalls hervor, dass eine Stationierung in Litauen höchst attraktiv wäre.

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Das Ministerium will überdies ein Kita- und Schulangebot bereithalten, um genug Bundeswehrkräfte für den Einsatz gewinnen zu können. „Auslandsschulen der Bundeswehr sind für Angehörige mit Kindern ein wirkmächtiger Attraktor und ein entscheidendes Kriterium dafür, ob eine Versetzung und eine Familienmitnahme überhaupt in Betracht kommen“, heißt es in dem Papier. Eine deutsche Auslandsschule in einem der drei baltischen Länder gibt es allerdings bislang nicht. Und mit einer Kita käme nun der Plan der vormaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen aus dem Jahr 2014 zu Ehren im Ausland.

Die Bundeswehr soll zudem für die Heimaturlaube ihrer Angehörigen aufkommen. Dafür sollen eigene Flugzeuge gechartert werden. Die (Ehe-)Partner der Soldaten sollen ihren Job in Litauen nicht aufgeben müssen. Für sie sollen Büros und W-Lan bereitgestellt werden, damit sie im Homeoffice arbeiten können. Wer sich bereit erklärt, in Litauen seinen Dienst zu leisten, soll zudem mit einem attraktiven Jobangebot für die Zeit danach belohnt werden. Außerdem lockt ein früheres Pensionsalter – und zwar „um das Doppelte der in Litauen geleisteten Dienstzeit“.

Leuchtturm oder nur Leuchtboje? Wenn von einer vollen Einsatzfähigkeit erst in fünf Jahren, also ab 2028, die Rede ist, dann muss man nicht unbedingt von einem Leuchtturmprojekt sprechen. Zudem: Der Schützenpanzer Puma soll in Litauen zum Einsatz kommen. Dabei war es bis zuletzt unsicher, ob die seit Jahren bekannten Probleme mit dem Puma überhaupt jemals behoben sein werden und der Puma nicht doch wieder durch den alten Marder ersetzt werden muss. Der deutsche Marder war jedenfalls noch im Sommer 2023 bei Manövern in Litauen im Einsatz. „Leuchtturm“ sind eigentlich nur die schier söldnerhaften De-luxe-Bedingungen, die nicht überall gut ankommen werden, in der Bevölkerung Litauens nicht und zumal nicht bei Tausenden Soldaten, die zwischen 2001 und 2021 etwa in Afghanistan gedient haben.

Litauens Sorgen

Litauen ist wie seine baltischen Bruderstaaten Estland und Lettland ein militärischer Zwerg. Das Land, in dem rund 2,8 Millionen Menschen leben, ist 65.000 Quadratkilometer groß und damit etwas kleiner als Bayern. Es hat im Süden eine 260 Kilometer lange Grenze zu Russland (der hochgerüsteten Exklave Kaliningrad) und eine 100 Kilometer lange Grenze zum Nato-Partner Polen, im Osten eine 680 Kilometer lange Grenze zu Belarus und im Norden eine 590 Kilometer lange Grenze zum Nato-Partner Lettland. Von der litauischen Hauptstadt Vilnius zur belarussischen Grenze sind es nur 35 Kilometer.

Litauen hatte im 20. Jahrhundert eine sehr wechselvolle Geschichte. 1940 wurde es Sowjetrepublik, im II. Weltkrieg von der Wehrmacht besetzt und von der Roten Armee im Sommer 1944 befreit. 1990 erklärt es im Zuge des Zerfalls der Sowjetunion seine Unabhängigkeit. Spätestens seit der Annexion der Krim durch Russland im März 2014 ist man in Litauen sehr besorgt. 2008 hatte man dort die Wehrpflicht abgeschafft und sie wegen „Krim“ 2015 wieder eingeführt. Die Sorgen Litauens, es könnte den baltischen Ländern gehen wie der Ukraine (Putin-Narrativ von der „russischen Erde“), sind seit dem 24. Februar 2022 stark gewachsen, zumal Gefolgsleute Putins Begehrlichkeiten in Richtung Baltikum signalisierten.

Die Armee Litauens, das 2004 der Nato beitrat, besteht aus 17.000 aktiven Soldaten, 20.000 Reservisten kommen hinzu. Das ist keine Streitmacht, die Russland beeindrucken könnte. Die Nato hat auf die Sorgen der Balten denn auch bereits 2016 reagiert. Es wurde in Litauen die EFP-Battlegroup Lithuania (EFP = Enhanced Forward Presence) als Nato-Kampfverband eingerichtet. Die Aufstellung dieser Nato-Einheit war am 8./9. Juli 2016 auf dem Nato-Gipfeltreffen in Warschau beschlossen worden. Sie ist mit einer Stärke von 1.200 Mann seit August 2017 mit Truppenteilen rotierend aus Belgien, Deutschland, Frankreich, Kroatien, Luxemburg, den Niederlanden und Norwegen kampfbereit vor Ort.


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Kommentare ( 68 )

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CIVIS
5 Monate her

Wo liegt eigentlich in der deutschen Politik der Unterschied zwischen „Leuchtturmprojekt“ und „Armutszeugnis“ ?

Leuchtturmprojekte sehe ich eigentlich gar keine.

Dafür sehe ich Armutszeugnisse bei immer mehr großmäuligen Ankündigungen von „Leuchtturmprojekten“, bei inflationär immer öfter gehaltenen sog. „historischen Reden“, bei „historischen Ergebnissen und historischen Ereignissen“.

Unterhalb von „historisch“ scheint in diesem Staat nichts mehr zu laufen !

Das nächste „historisch“ wird der „historische Untergang“ sein.

Last edited 5 Monate her by CIVIS
Kraichgau
5 Monate her

mal einige „Verständnissfragen“..wie werden denn aus 2 Battailonen per 800-900 Mann auf einmal 4500? selbst mit dem „multinationalen“ Führungsbattailon waeren das gerade eben 2800-3000 Mann.
Reden wir da dann etwa noch von 1000-1500 Verwaltungs/Versorgungsleutchen?
und seit gilt so eine „Kummertruppe“ als Brigade? früher mal war das ein verstärktes Regiment plus Unterstützungstruppen.
und weshalb sollten diese !Berufssoldaten! für Ihren Dienst quasi doppelt entlohnt werden? diese !Berufssoldaten! wissen sehr genau,welche Verträge sie unterschreiben!
alles in Allem eine typisch deutsche Konstruktion,die im Ernstfall vor Altersmüdigkeit in die Knie geht

MariaundJosef
5 Monate her

Der „Kinnmuskel-Spanner“ ( sehr männlich ;)) ) soll sich eher um die „innere Sicherheit“ in der Bundesrepublik kümmern. Hier wird es demnächst heftig zugehen. Die Polizisten, welche nur alte Leute schikanieren ( s. obiger Artikel bezüglich Israel-Sympathisanten), sind im Ernstfall völlig ungeeignet. Vor allem die „Damen“ mit den langen Zöpfen werden den Unmut unserer „friedlichen Gäste“ verspüren. Pistorius ist ahnungslos wie ein kleiner Vogel. Nur ein „ParteiSoldat“…

Karlito
5 Monate her

Wozu brauchen wir noch eine Bundeswehr oder Landesverteidigung, wenn wir andererseits Willkommensprämien an Migranten zahlen, auf dass diese unser Staatsgebiet als Geschenk annehmen?

Unter erneuter russischer Besatzung wären die langfristigen Aussichten der verbliebenen Indigenen vermutlich besser, als unter der fortgesetzten Ägide der Regierungsparteien der letzten 10 Jahre. Vollkommen unsinnig, unter diesen Umständen mit Waffengewalt die Fortführung unseres gesellschaftlichen Suizids sicherstellen zu wollen.

Buck Fiden
5 Monate her

Was sollen NATO – Einheiten in Litauen? So gesehen: Mit der Ukraine hats nicht so geklappt, aber irgendwie muss man dem Russen doch beikommen können… In meinen Augen wird dort langfristig das nächste Konfliktszenario, die nächsten Provokationen vorbereitet. Und da sind deutsche Soldaten doch immer für etwas gut… oder? Einen anderen Sinn vermag ich in der Stationierung nicht erkennen.

Ostfale
5 Monate her

Zitat: „Leuchtturm oder nur Leuchtboje?“
Weder das eine noch das andere, sondern wie alles, was aus diesem Latrinen-Kabinett dem Land und natürlich der Welt (mindestens, wenn nicht sogar dem Universum) vorgestellt wird, ist es „Made in Germoney“. In seiner von den Briten einst hinterhältig für deutsche Industrieprodukte gedachte Herabwürdigung bzw. deren qualitativen Abwertung ersonnene Anfeindung.
Also – nur eine trübe Funzel, die nicht einmal bis an die Grenze Weißrußlands – durch einen winzigen Schein – von sich künden kann. Wieder eine der vielen Ampel-Todgeburten. Möge sie in Litauen still vor sich hinrosten und Geld verschwenden.

Allesglauber
5 Monate her

Klar muss man zu den Vereinbarungen stehen. Der ganze Ukrainekrieg zeigt allerdings eindrucksvoll auf allen Ebenen, wie die Altparteien dieses Land (nicht nur) wehrtechnisch heruntergewirtschaftet haben.
Schon 1990 wurden zum Leitwesen und Gelächter der NVA zwecks Abwechslung derselben, nicht unbedingt die hellsten BW Angehörigen mit Extrazulagen in die neuen Bundesländer gelockt.
Wie sieht es diesmal aus?

bkkopp
5 Monate her

Mir scheint, dass die personelle Seite von Verteidigungsbereitschaft in jedem Land von der eigenen Bevölkerung gestellt werden soll. Ergänzungen mit Personal sollten auf Technologie und ihren Betrieb, Flug- und Raketenabwehr, Überwachung mit Flugzeugen und Satelliten und dgl. konzentriert sein. Allein der Selbstschutz, die Verwaltungsgemeinkosten und Verwendungszulagen für 4-5 Tsd. Deutsche in Litauen sind wahrscheinlich verschwendetes Geld. Mir ist die ganze Idee nicht plausibel.

jwe
5 Monate her

Die Brigade Litauen hat nur einen Zweck, im großen Maße deutsches Steuergeld zu verbrennen. Sind die dort stationierten Soldaten zusätzlich und neu angeworben oder wird den hier stationierten weiter Personal entzogen? Wird unsere Sicherheit jetzt in Litauen verteidigt? Sind wir nun die Steigbügelhalter, damit die Amerikaner an der russischen Grenze weiter sticheln und zündeln können?
Die Bundeswehr sollte sich auf ihren verfassungsmäßigen Auftrag beschränken, nämlich zur Landesverteidigung. Und dafür braucht keiner deutscher Soldat weltweit im Einsatz sein.

U.M.
5 Monate her

Wie könnten die Privilegien noch aussehen? Vielleich schneller „Zuweisung einer 3-Raum Wohnung, schnellere Lieferung eines PKWs“? Anreize für irgendetwas, sollte doch noch bekannt sein.