Dreifacher Irrweg in der Migrationsdebatte

In einer freien Gesellschaft muss offen diskutiert werden, wo die Irrwege in der Migrationsdebatte beginnen. Auch da wird man unterschiedliche Meinungen und Begründungen weiter aushalten müssen.

Migration ist eines der Mega-Themen des 21. Jahrhunderts. Einwanderung hat Deutschland wesentlich sichtbarer verändert als der Klimawandel. Sozialstaat, Haushaltspolitik, Bildung, Wohnungsnot, Israelpolitik – all das sind Themen, die unmittelbar mit der Migrationspolitik der letzten Jahre zusammenhängen. Es ist daher für eine Demokratie unabdingbar, dass dieses Thema rauf und runter diskutiert wird, im Parlament, in öffentlichen wie in privaten Debatten sowie auch am Stammtisch. Große deutschlandweit orchestrierte Aufmärsche mit hunderttausenden Menschen, die empört skandieren „Ganz Deutschland hasst die AfD“, sind sicherlich eine Machtdemonstration im Sinne der Regierung und den ihr zugetanen Redaktionen in den Medienhäusern. Aber für den Diskussionsprozess sind sie hinderlich, weil sie den freien Meinungsaustausch unter einen bald schon kriminellen Generalverdacht zu stellen versuchen. Auf diese regierungsfreundliche Weise wird es nicht möglich sein, die Absurditäten der Regierungspolitik zu vermindern.

Der erste Irrweg besteht folgerichtig darin, die Diskussion über Migration zu unterdrücken, beinahe zu kriminalisieren und unter Kontrolle der Regierung zu halten. So kann Olaf Scholz im SPIEGEL sagen: „Wir müssen endlich im großen Stil abschieben“. Doch wenn mündige Bürger den Kanzler ernst nehmen und in einem privaten Treffen darüber nachdenken, was das konkret heißen könnte, dann wird in ganz Deutschland hysterisch der Demokratienotstand ausgerufen. Doch es hilft nichts. Es gibt Themen, die so wichtig sind, dass man sie nicht einfach weglächeln oder mit Aufmärschen dauerhaft unterdrücken kann.

Der zweite Irrweg begegnet mir in meiner Kirche als nahezu durchgängiger evangelischer Standard. Das grenzenlose Willkommens-Credo lautet: „Wir sind alle Gottes Kinder und von gleicher Würde. Eine Spaltung der Gesellschaft in Wir-und-Die-Anderen akzeptieren wir nicht.“ Das sagen ausgerechnet die Kirchenleute, die in der Coronazeit die 2G-Apartheidsgottesdienste zu verantworten haben, die amtlich die Menschen in ein Wir-und-Die-Anderen aufgespalten haben.

Das sagen die Kirchenbeamten, die die Spaltung der Kirchenmitarbeiter in privat Krankenversicherte und gesetzlich Krankenversicherte akzeptieren. Das sagen die Kirchenleute, die für offene Grenzen sind, die aber gleichzeitig ihre Kirchen und Gemeindehäuser abschließen, weil ansonsten leider zunehmend Menschen dort unkontrolliert ihr Unwesen treiben. Das sagen die Kirchenleute, die bei ungewollten Besuchen in ihrem Privathaus dem Einbrecher nicht zujubeln, „wir sind alle Gottes Kinder und von gleicher Würde“, sondern die Polizei rufen, damit mit Staatsgewalt Recht und Gesetz durchgesetzt wird. Wer mit frommen Phrasen versucht, eine maßlose und unkontrollierte Migrationspolitik zu rechtfertigen und zu sakralisieren, der beleidigt die Intelligenz des christlichen Glaubens.

Der dritte Irrweg begegnet mir bei Ausländerhassern. Da grölen Menschen in einer Disko: „Deutschland den Deutschen. Ausländer raus.“ Ein undifferenziertes „Ausländer raus“ ist sowohl menschlich, kulturell als auch wirtschaftlich eine Katastrophe. Nun gibt es im Dunstkreis der AfD aber eben auch genau solche Stimmen, sei es aus Überzeugung, sei es aus naiver Bierblödigkeit oder sei es von V-Leuten des Verfassungsschutzes. Bei jedem ÖRR-Interview werden entsprechende Ausfälle dem AfD-Politiker mit Genuss unter die Nase gehalten. Mit der Lupe werden alle menschenverachtenden Äußerungen der AfD vergrößert, um damit die Partei im Gesamten sowie alle Wähler – ob Überzeugung oder Verzweiflung – gemeinsam anzubräunen. Im Hintergrund steht die Frage, die wohl für alle Parteien gilt: Ab wieviel Narrensaum wird eine Partei selber zum Narrensaum?

In einer freien Gesellschaft muss offen diskutiert werden, wo die Irrwege in der Migrationsdebatte beginnen. Auch da wird man unterschiedliche Meinungen und Begründungen weiter aushalten müssen.

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Kommentare ( 18 )

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Marcel Seiler
10 Monate her

Deutschland den Deutschen? Hier meine Gedanken:

„Kultur“ ist nicht eine Sache des bürgerlichen Geschmacks oder der inneren Erbauung, sondern beinhaltet alle Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens als eine gesellschaftliche Straßenverkehrsordnung. In einem Land kann es da nur eine geben: Nur Rechtsverkehr oder nur Linksverkehr, aber nicht beides.

„Deutschland den Deutschen“ muss nicht sein. Deutschland der deutschen Kultur: Anders geht es nicht, wenn es friedlich zugehen soll.

Ananda
10 Monate her

Oh lasset uns denn der Diskussionen frönen ob Asylgesetze irgend eine Verbindlichkeit haben, ob Millionen unqualifizierte Einwanderer, die ihren Lebensunterhalt selbst beim besten Willen nicht selber finanzieren können und auf das Recht des Stärkeren sozialisiert sind, denn unkontrolliert in unser Land gelassen werden sollen, damit sie Billionen Euro an Kosten verursachen und die Kriminalität und Preisspirale anheizen.
Vielleicht könnte man auch darüber sprechen ob die bisherigen Bewohner dieses Landes auch irgendwelche Rechte haben oder nur als Zwangs-Finanzier herhalten müssen. Ihrer Arbeit Früchte frech beraubt für die Deformation unseres Landes (nicht nur im Themenbereich Destruktive Migration)

Rene Meyer
10 Monate her

Wie sind wir bloß auf diese drei Irrwege – und die vielen anderen – gekommen? Es gibt so viele Fragen. Ob den Menschen bewusst ist, wann das letzte Mal in Deutschland so viele für die Regierung auf die Straße gegangen sind? Ja, diese regierungsfreundlichen Demonstrationen wurden orchestriert. Wann fällt den Menschen auf, dass hier Methoden der Propaganda, der Manipulation, der Agitation, der Indoktrination, der Zersetzung angewendet werden? Wenn es denn gut gehen sollte, werden wir uns irgendwann einmal fragen, wie es wieder so weit kommen konnte. Und solange es Menschen gibt wie Sie, Herr Zorn, die auf der Suche nach… Mehr

Axel Fachtan
10 Monate her

China den Chinesen, Uighuren ins Lager. So handhabt das eine der großen Mächte dieser Erde. Deutschland und seine Wirtschaft macht großartige Geschäfte mit den chinesischen Lagerleitern. Die straffe Organisation einer Armutsimmigration deutlich vorziehen. Außer Nordkoreanern wollen da nicht viele zuwandern. Für China ist das weder menschlich, noch kulturell und auch nicht wirtschaftlich eine Katastrophe. Die folgen einfach dem westlichen Wertekanon nicht, sondern leben nach ihren eigenen Regeln,die gefälligst auch Tibeter, Hongkong-Chinesen und auch Taiwan zu befolgen haben. Sprich: Sie haben da einfach zu sehr den westlichen Träumerblick, der die Realitäten des 21. Jahrhunderts nicht (mehr) abbildet. Die westliche Wertearroganz fruchtet… Mehr

Chris Groll
10 Monate her

Vielleicht bin ich nicht auf dem Laufenden, aber woher weiß man, daß:

Da grölen Menschen in einer Disko: „Deutschland den Deutschen. Ausländer raus.“ Ein undifferenziertes „Ausländer raus“ ist sowohl menschlich, kulturell als auch wirtschaftlich eine Katastrophe. Nun gibt es im Dunstkreis der AfD aber eben auch genau solche Stimmen, sei es aus Überzeugung, sei es aus naiver Bierblödigkeit oder sei es von V-Leuten des Verfassungsschutzes.

diese Personen von der AfD waren?
Wäre für mich schon wichtig zu wissen.

Deutscher
10 Monate her

„Der zweite Irrweg begegnet mir in meiner Kirche als nahezu durchgängiger evangelischer Standard.“

Ja nun, es muß ja nicht Ihre Kirche bleiben. So, wie man aus Parteien austreten kann, kann man es auch aus der Kirche.

Sagen Sie doch mal ganz ehrlich, Herr Zorn: Warum wollen Sie diesen Schritt nicht tun? Warum ziehen Sie den faulen Kompromiss der mutigen Konsequenz vor?

Last edited 10 Monate her by Deutscher
giesemann
10 Monate her
Antworten an  Deutscher

Herr Zorn sagt schon VIEL mehr als die anderen; man sollte nicht noch mehr von ihm verlangen, das ist unfair.

Andreas aus E.
10 Monate her
Antworten an  Deutscher

Die Frage ist schwierig. Selbst bin ich ja längst ausgetreten (eingetreten wurde ich ohne gefragt geworden zu sein), aber eine mir sehr nahe stehende Person bleibt in dem Verein. Es gibt ihr eben gewissen Halt, und was Kirchenobrigkeit labert, nimmt sie ohnehin nicht zur Kenntnis. Auf Sachebene kann ich das nicht nachvollziehen, menschlich aber schon, darum halte ich mich mit Empfehlungen zurück. Ich kenne auch einen Altsozi. Seit 50 Jahren in der SPD, wählt heute wahlweise gar nicht oder AfD. Aber Vereinsaustritt? Nein. Der ist kein Berufspolitiker und wollte das nie werden, fand ehedem eben Inhalte gut und schätzt die… Mehr

achijah
10 Monate her
Antworten an  Deutscher

Wo mache ich einen faulen Kompromiss? Als tief reformatorisch geprägter Theologe bin ich in der ev. Kirche, das passt doch.

Deutscher
10 Monate her
Antworten an  achijah

Sie wissen ganz genau, von welchem Kompromiss ich rede. Ihr rhetorisches Ausweichhäkchen – Satz 2 – zieht bei mir nicht.

Rene Meyer
10 Monate her
Antworten an  Deutscher

Ich finde, jeder muss und darf für sich entscheiden, wie weit er geht. Wollen Sie wirklich verlangen, dass Herr Zorn als Pfarrer die evangelische Kirche verlässt und damit seine Existenzgrundlage verliert? Herr Zorn äußert sich ganz klar im Sinne der Wahrhaftigkeit, des christlichen Glaubens und der Bibel. Und so weit ist es in den Kirchen bisher noch nicht überall gekommen, dass man sie nach Gottes Gebot zwingend verlassen muss. Noch kann man hoffen, als aufrechter Pfarrer auch in der Kirche oder Gemeinde oder bei den Menschen etwas zu bewirken.

Deutscher
10 Monate her
Antworten an  Rene Meyer

„Wollen Sie wirklich verlangen, dass Herr Zorn als Pfarrer die evangelische Kirche verlässt und damit seine Existenzgrundlage verliert?“

Es gibt genug offene Arbeitsstellen, die seine Existenz sichern können.

Michael M.
10 Monate her
Antworten an  Deutscher

Wenn die normal denkenden Amtsträger auch noch alle davonlaufen, dann geht es doch mit der evangelischen Kirche (genauso übrigens wie bei der katholischen) endgültig den Bach hinunter. Insofern kann H. Pfarrer Zorn sicherlich innerhalb seiner Kirche mehr bewegen, als er das von außerhalb jemals könnte.

Nibelung
10 Monate her

Gestern wurde der Obersozi als großer Europäer bezeichnet, daß die zu kurz geratene Größe im eigenen Land übertünchen soll und mittlerweile haben wir doch anstelle von Politik nur noch ein Sektenwesen, wo man in absoluter Intoleranz dem großen Teil der Bevölkerung alle Attribute der Rationalität und sorgfältiger Umsicht, einschließlich der Menschlichkeit absprechen will, indem man sie zu Unmenschen macht. Ein altes Prinzip aller Sozialisten und man kann sich nur wundern, wieviele sie noch auf die Beine stellen können, obwohl es keine Mehrheiten sind, die aber alle in trauter Gemeinsamkeit von der linken Politik ganz gut leben können und nun um… Mehr

Julischka
10 Monate her

„In einer FREIEN Gesellschaft muss OFFEN diskutiert werden“! Eigentlich! Wie FREI sind wir denn noch, wenn es immer nur eine Meinung gibt, geben darf!? Pro Migration, pro Kriegstreiberei, pro EU-Regulationswahn, pro Klimahysterie…! Wer contra gibt und somit seine FREIE Meinung äußert, kann nur ein Rechter sein, selbst das reicht nicht mehr, „Rechtsextrem“ und „Rechtsradikal“! Das hat hier mit Freiheit nichts mehr zu tun! Daran ist natürlich die AfD schuld!

Ananda
10 Monate her
Antworten an  Julischka

Wie frei sind wir noch? Geknebelt und der Entscheidungsfreiheit in vielen Bereichen beraubt durch links durchsetzte Gerichte, die den natürlichen Rechteinhabern deren Rechte absprechen und Nichtberechtigten irgendwelche einklagbaren Pseudorechte zuschanzen.
Und wurde das erst einmal „zu Recht“ erklärt gibt es keine freie Entscheidungsfreiheit mehr oder Schlimmer noch uns gegen unfassbare Übergriffigkeiten, wie das Verschenken unseres Landes zu wehren.

LiKoDe
10 Monate her

Illegaler Grenzübertritt war und ist überall auf der Welt illegaler Grenzübertritt und eben nicht ‚Migration‘ oder gar ‚Einwanderung. Irrwege beginnen da, wo man dies nicht mehr wahrhaben will.

giesemann
10 Monate her

„Einwanderung hat Deutschland wesentlich sichtbarer verändert als der Klimawandel“. Das stimmt zwar, aber mit dem Begriff „Klimaflüchtling“ hat man es geschafft, das in fast schon infamer Weise zu hybridisieren. Aber das zeigt auch: It’s the demography, stupid. Nicht bei uns – wir werden seit Jahrzehnten langsam weniger – sondern bei den Immigranten aus einschlägigen Regionen. Sehr gut dargestellt: https://www.perlentaucher.de/essay/ueber-den-zusammenhang-von-religion-demografie-und-migration.html?