Eine Runde Mitleid mit Robert Habeck

Der Wirtschafts- und vor allem Klimaschutzminister hat Grund, sich vor seiner Aufgabe zu fürchten. Was wird wohl los sein, wenn sich die Radikalen in der grünen Partei erheben, sollte sich die Regierung dazu entschließen müssen, die Realität zur Kenntnis zu nehmen?

IMAGO / Jens Schicke
Robert Habeck, Bundesminister fuer Wirtschaft und Klimaschutz, auf der Regierungsbank während der 6. Bundestagssitzung am 10.12.2021

War das jetzt eine geschickte Inszenierung oder meinte er das ernst? Robert Habeck lässt vor laufender Kamera und in Gegenwart eines Spiegel-Journalisten die Unterwäsche runter, sozusagen. Gewiss, er wirkte glaubhaft niedergeschlagen bei seiner Selbstanklage: Seit zehn Tagen hat er nicht mehr abgewaschen, der Müll ist nicht runtergebracht und die Frau weigert sich, ihm in Berlin zur Seite zu stehen. „Man wird zu einem anderen Menschen.“ Habeck fragt Habeck: „Wie kannst du nur so doof sein, regieren zu wollen?“ 

Ob man ihm nun abnimmt, dass er nicht wusste, was mit dem Regieren so auf ihn zukommt: Machen wir uns für eine gute Portion Mitleid bereit. Robert Habeck hat jeden Grund, sich vor den nächsten Monaten zu fürchten. Denn bevor es an das geht, was er „die Chance“ nennt, „die Wirklichkeit zu gestalten“, käme es darauf an, die Wirklichkeit überhaupt erstmal zur Kenntnis zu nehmen. 

— BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (@Die_Gruenen) October 17, 2021

Das scheint insbesondere den Grünen schwerzufallen. Die nassforsche Behauptung Annalena Baerbocks, mit dem Koalitionsvertrag „kommen wir auf der Höhe der Wirklichkeit, auf der Höhe der gesellschaftlichen Realität an“, spricht für peinliche Selbstüberschätzung, zumal sich die Frage aufdrängt, worin sich die Wirklichkeit von der gesellschaftlichen Realität unterscheidet. Aber Schwamm drüber. Wir machen uns die Wirklichkeit halt so, wie sie uns gefällt. 

Das wird nicht lange gut gehen. Die Wirklichkeit lässt sich ebenso wenig beliebig „gestalten“ wie sich das Klima retten lässt. Die Energiewende „naturverträglich“ anlegen? Ohne „Abbau von ökologischen Schutzstandards“? Wie soll das gehen? Weder die Natur noch die „Artenvielfalt“ gewinnt, wenn demnächst weitere Flächen zugespargelt oder mit Solarpaneelen verdunkelt werden. Auch wird es die Bevölkerung nicht begrüßen, wenn sie ihr Mitsprache- und Widerstandsrecht zugunsten von noch mehr Windmühlen verliert, zumal es Menschen geben soll, die rechnen können. Zum Jahresende gehen drei Atomkraftwerke vom Netz, weitere acht Kraftwerke sollen folgen. Und wer ersetzt sie? Die Nachbarländer? Dort wird man angesichts des deutschen Sonderwegs in einem kalten Winter womöglich mit den eigenen Ressourcen geizen.

Diese Wirklichkeit könnte der neuen Regierung als erstes auf die Füße fallen. 

Die nächste „gesellschaftliche Realität“ sind die zunehmenden Reibungen, mit denen zu rechnen ist, wenn es weitere Massenmigration gibt. Und mit Konflikten mit den europäischen Nachbarn, die weit weniger großzügig als die neue Koalition sein wollen. Ganz zu schweigen von der deutschen Bevölkerung, wo man langsam ahnt, was eine massive Einwanderung ins soziale Netz auf die Dauer kostet. Von Kollateralschäden durch Messereinwirkungen ganz zu schweigen.

Und dann auch noch Corona. Ob es der General sein wird, der Ruhe in den Maßnahmenwirrwarr in Bezug auf Covid und seine Mutanten bringt? Ob es hilft, dass nunmehr nicht nur Drosten am Panikrad dreht, sondern auch der weit nüchterne Hendrik Streeck Gehör im neugegründeten „Corona-Expertenrat“ findet? Schön wär’s, man kann ja kaum noch schlimmer versagen als unter Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn. 

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Wenn da nicht Karl Lauterbach wäre, angeblich Gesundheitsminister der Herzen, doch wahrscheinlich nur deshalb berufen, weil sich niemand sonst für diesen Schleudersitz zur Verfügung stellte. Der ist allerdings nicht bekannt für nüchterne Erwägungen und zieht, bislang jedenfalls, stets den worst case der weit weniger fürchterlichen Wirklichkeit vor. 

Das ist das größte Problem der neuen Regierung. Die verdammte, schnöde Wirklichkeit, die sich Wunsch und Wille einfach nicht unterordnen will. Mitleid mit Robert Habeck wird bald dringend nötig sein. 

Denn wenn schon die Konfrontation mit der Wirklichkeit kein Vergnügen sein wird – was wird dann erst los sein, wenn sich die Radikalen in der grünen Partei erheben, sollte sich die Regierung dazu entschließen, endlich die Realität zur Kenntnis zu nehmen? Eier- und Tomatenwürfe oder gar Farbbeutel, wie einst auf Joschka Fischer?

Die Schadenfreude wird man sich verkneifen müssen. Denn die Wirklichkeit dürfte bis dato den größeren Schaden genommen haben.


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