Die Niederlage der Parteienherrschaft in Frankreich

Das wichtigste Ergebnis der französischen Regionalwahlen war nicht die Niederlage von Marine Le Pen, auch nicht das ebenso schwache Abschneiden der Macron-Partei. Die Franzosen zeigten durch Abstinenz ihren grundsätzlichen Überdruss am politischen Betrieb. Dazu scheinen die Deutschen nicht in der Lage.

IMAGO / Starface
"Macron, Le Pen, Melénchon: Haut alle ab!" Graffiti in Paris

Marine Le Pen scheitert auf der ganzen Linie – das war in vielen Medien die wichtigste Meldung zum Ergebnis der Regionalwahlen in Frankreich. Sollten diese Wahlen tatsächlich ein „Omen“ für die Präsidentenwahl im nächsten Jahr sein, wie Le Pen im Wahlkampf verkündete, dann sieht es schlecht aus für sie. Fast überall blieb die Partei hinter den Ergebnissen von 2015 zurück, nicht in einer einzigen Region hat sie sich durchgesetzt, noch nicht einmal in ihrer südfranzösischen Hochburg. 

Doch ist das wirklich das wichtigste Ergebnis dieser Wahlen? Andere Zahlen sind nicht weniger aussagekräftig. Ein böses Omen waren die Wahlen nämlich insbesondere für den Präsidenten Emmanuel Macron: Seine Partei La République en marche marschierte nicht, sondern lahmte und war im zweiten Wahldurchgang in den meisten Fällen nicht mehr im Rennen.

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Vor allem aber: Im Schnitt ging gerade mal ein Drittel der Wahlberechtigten überhaupt noch wählen. Nicht Le Pen oder Macron wurden abgewählt, könnte man daraus schließen, sondern die Parteiendemokratie. Viele Wähler konnten sich noch nicht einmal zu einem Protestakt aufraffen – etwa durch die Wahl Le Pens. Die hatte derart viel Kreide gefressen, dass man auch gleich die bürgerliche Rechte wählen konnte, die denn auch überraschend gut abgeschnitten hat. 

Nun sind die Franzosen für ihr politisches Temperament bekannt, sie lieben so leidenschaftlich, wie sie sich entlieben – und warum soll es Macron besser ergehen als einst Nicolas Sarkozy und François Hollande? Auch deren Wahlsiege waren von Aufbruchsstimmung begleitet, die sich in Windeseile wieder legte. 

Die Deutschen sind bekanntlich weniger leidenschaftlich. Doch auch bei uns ist die Unlust an der Parteiendemokratie weit verbreitet. In allen Parteien dominieren die Netzwerker und Machttaktiker, deren Talent darin besteht, die wirklichen politischen Talente zu verhindern. Die Frauenquote, nebenbei, hat sich dafür als taugliches Mittel erwiesen.

Die Grünen waren einst die erfolgreichste Arbeitsbeschaffungsmaßnahme der Nachkriegszeit, da konnte jeder was werden, der sich nicht allzu dämlich anstellte. Ein Lebenslauf wie der von Annalena Baerbock war das normale, Studienabbrecher gab es mehr noch als Taxifahrer, nur behauptete man damals noch nicht, mehr zu sein als man war.

Das richtige Geschlecht aber ist heute noch weit wichtiger als jede Art von Qualifikation. Was uns da mittlerweile an Frauenpower geboten wird, ist einfach nur noch zum Fremdschämen. Man muss noch nicht einmal an den Geniestreich der saarländischen Grünen denken, eine Frau, immerhin stellvertretende Landesvorsitzende, auf den zweiten Listenplatz zu wählen, die zu wesentlichen Themen ihrer Partei nichts auch nur irgendwie Sinnvolles zu sagen weiß.

Schweigen wir von Annalena – „Ich komme aus dem Völkerrecht“ – Baerbock, die den vermeintlichen Schweinehirten Robert Habeck fast sympathisch erscheinen ließ. Oder von „Antifa“-Eskens, Franziska Giffey und wie sie alle heißen, die Frauen, die es besser und anders machen sollten als die Männer. Klar: Wenn das Geschlecht das Kriterium ist, kommt es auf anderes nicht an, was allerdings dem Wähler und, ja, der Wählerin wichtig sein könnte: Repräsentation, nicht nur in dieser einen Hinsicht, sondern vor allem, was Alltagstauglichkeit und Krisenfestigkeit betrifft. Das ist nämlich für die Normalos ihr täglich Brot.

Diktatursensibilisiert
Die den Knall noch immer nicht gehört haben
Die vergangenen Monate unter dem Maßnahmenregime der Pandemiepaniker aber haben gezeigt, dass handfeste bürgerliche Tugenden wie Pragmatismus und vorausschauendes Handeln auch bei den Männern nicht verbreitet sind. Niemandem, der den Panikmodus überwunden hat, kann entgangen sein, wie bürgerliche Grundrechte irrationalen „Maßnahmen“ geopfert wurden – und welchen Flurschaden eine Politik der falschen Anreize verursacht hat (Betrug mit Intensivbetten und Testzentren etwa).

Vom Maskendesaster übers Impfchaos bis hin zur Tatsache, dass noch immer keine soliden Zahlen über das Ausmaß der angeblich nationalen Notlage zur Verfügung stehen: Von rationalem Krisenmanagement konnte, ganz und gar geschlechtsübergreifend, nicht die Rede sein. Man fragt sich, was in unserem Land los wäre, wenn es einmal wirklich zu einer Notlage in jenen dramatischen Größenordnungen kommt, die unsere Mahner und Warner mit Inbrunst beschworen haben.

Nein, wir Deutschen sind nicht wie die Franzosen. Wir werden zur Wahl gehen, wieder und wieder, selbst wenn wir längst schon das Gefühl haben, dass nichts mehr zur Wahl steht, noch nicht einmal ein kleineres Übel. 

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Kommentare ( 70 )

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Bubba
2 Jahre her

Leider scheitert Ihr Gedanke an der Wahlarithmetik: wenn ich eine „sonstige“ Partei wähle, dann wird die Stimme für diese, so sie nicht über 5% kommt, proportional auf alle anderen verteilt, denn schließlich werden immer 100% der Sitze (+ Ausgleichs-/Überhangmandate) vergeben. Wähle ich eine Partei unter 5%, wähle ich faktisch den Wahlsieger. Wenn 90% eine Partei über 5% wählen und 10% eine Partei darunter, wird der Stimmenanteil der über 5%-Parteien auf 100% hochgerechnet. So beißt sich die Katze in den Schwanz. Wenn ich nicht wählen gehe, gebe ich wenigstens meine Stimme nicht aus Versehen der CDU… Ich bin dafür, das ganze… Mehr

tube
2 Jahre her

„Nein, wir Deutschen sind nicht wie die Franzosen. Wir werden zur Wahl gehen, wieder und wieder“ – ob das so stimmt Frau Stephan? Es gibt eine einfache Erklärung für die relativ hohe Wahlbeteiligung in D: die Franzosen lassen nur eine sehr eingeschränkte Briefwahlmöglichkeit zu. Heißt also die ausgezählten Ergebnisse entsprechen weitgehend der Wahrheit. Hier werden wir im September einen Briefwähleranteil von ca.30% bis 60% in den Großstädten haben. Die Anzahl der tatsächlich abgegebenen Stimmen muß nicht gleich sein mit der der ausgezählten. Die namentlichen Verzeichnisse der Briefwähler lagen zum letzten Mal im Jahr 1989 in den Briefwahllokalen zwecks Abgleich aus.… Mehr

Andreas aus E.
2 Jahre her

Und was haben Franzosen davon? Außer unbegehbaren Banlieus und Gummigeschossen in Gelbwestenaugen eher nichts.

H. Priess
2 Jahre her

Was mich immer richtig aufregt ist der Umstand, daß dann am Abend die Hochrechnungen in schönen bunten Balken angezeigt werden aber nie den Balken der Nichtwähler. Vielleicht soll es nicht auffallen, daß es sich relativiert ob nun eine Partei 30% von 64 % der abgegebenen Stimmen bekommt oder von 100%. Meiner Meinung nach geben auch Nichtwähler eine Stimme ab indem sie keine dieser verkommenen Parteien und PolitikerInnen wählen. Wahlverweigerung ist eine Aussage wie jede andere auch, klar gibts die die einfach zu faul sind zum Wahllokal zu gehen oder einfach an der Briefwahl teilzunehmen. Klar, gibt es auch viele denen… Mehr

Andreas aus E.
2 Jahre her
Antworten an  H. Priess

Nichtwähler geben eben keine Stimme ab. Die verhalten sich wie Kleinstkinder, plärren vielleicht etwas herum, aber im entfernten Kinderzimmer, wo das Gebrüll nicht stört.
Die Wahlbeteiligung sollte aber bei jeder Hochrechnung prominent dargestellt werden. Wird ja gern unterschlagen, wie auch die „Sonstigen“.

Peter Silie
2 Jahre her

Wieder einmal ein sehr guter Artikel von Cora Stephan. Dankenswerterweise hat sie auch den Mut, daß „Frauenproblem“ in der Politik anzusprechen. Ich persönlich bin der Überzeugung, daß die politischen Entscheidungen der letzten 15a (EU, Migration, Energiewende etc.) in einer Katastrophe enden werden, die alles bisherige weit in den Schatten stellen wird, einschließlich 3. Reich und Kommunismus. Und verantwortlich dafür sind Frauen als Hauptprotagonisten. Und das ist statistisch so weit auffällig, daß es kein Zufall sein kann. Ich würde also noch einen Schritt weiter gehen als Cora Stephan und nicht nur die Frauenquote als Problem sehen, sondern das Wesen der Frauen… Mehr

hoho
2 Jahre her
Antworten an  Peter Silie

Da ist etwas dran. Diese Veränderungen sind aber nicht nur in der Politik zu beobachten. Sieht man zB bei Erziehung und Bildungswesen – die Schulen sind jetzt an Mädels angepasst. Das ist so weit gut. Für die Mädels. Nur wenn ein Mädel und ein Junge anders sind dann brauchen sie etwas andere Behandlung in der Schulen – vor allem in Grundschulen und in weiterführenden Schulen. Dass da etwas falsch läuft ist jedem klar die Statistiken der Erfolge sieht. Da ist aber das Problem wieder: Statistik ist rechtsradikal. Ob das Wahlrecht schuld daran ist oder ist das einfach eine natürliche Entwicklung… Mehr

Marcel Seiler
2 Jahre her

Die Misere hat nicht nur einen Grund. Hier zwei:
(a) Die Parteistrukturen sind ungeeignet zum Aufbau von Eliten. Das Absurde: diese dysfunktionalen Strukturen sind vom Parteiengesetz gefordert! Dazu kommt der Parteizwang bei Listenkandidaturen, etwa bei Bundestagswahlen, so dass sich keine alternativen politischen Organisationen entwickeln, die geeigneter wären.
(b) Das intelligente Bürgertum kann keine Politik und fühlt sich nicht verpflichtet, sich zu kümmern. Diese Pflicht (etwa als geforderte „bürgerliche Tugend“ einer Honoratiorengesellschaft) ist verloren gegangen. Dadurch ist Politik zur Spielwiese einer selbstbezogenen Politikerkaste von charakterlich zweifelhaften Aufsteigern ohne gesellschaftliche Verantwortung geworden.

Altchemnitzer
2 Jahre her

Was mir so auffällt an den so genannten Rechtsparteien: Immer wenn es mal angesagt ist die Stimme zu erheben, sich zu Veränderungen zu äußern oder eine Meinung zu kritisieren, wird einfach geschwiegen. Zu letzt beim Rostocker Bürgermeister, der Impfunwilligen das Leben schwer machen will. Von der AfD kam nichts, gar nichts dazu. Ganz anders die FDP, diese Partei nutzte die Gelegenheit sich zu profilieren und dem Bürger das Gefühl zu geben da zu sein.

Frank G
2 Jahre her
Antworten an  Altchemnitzer

Seit die AfD einen Wahlbetrüger ohne Not gratulierte ist sie für mich nicht mehr wählbar. Aus meiner Sicht sind die sogenannten Rechtsparteien nur eine Pseudopposition.

Boris G
2 Jahre her

Eines der großen Probleme repräsentativer parlamentarischer Demokratien bleibt die Auswahl des politischen Spitzenpersonals. Eigentlich sollte die Ochsentour durch Parteihierarchien und Wahlkämpfe zu einer Selektion führen, die für Leitungsfunktionen Persönlichkeiten sucht, die über dem Durchschnitt der Bevölkerung liegen. In Frankreich läuft dieser Prozess turbulenter ab als in Deutschland, was auch mit dem frivoleren Lebensstil der Spitzen der Grand Nation zu tun haben mag (man erinnere sich an Hollands Rollerfahrten zur Mätresse Julie Gayet oder Mitterands Liebesnest mit Zweitfamilie gleich neben dem Elysee-Palast) und den medialen Möglichkeiten blitzartiger, vernichtender Skandalisierung. Marie LePen will eine Mehrheit der Franzosen partout nicht auf dem Präsidententhron… Mehr

derAlte
2 Jahre her

Der Nichtwähler als revolutionäres Element der deutschen spätbürgerlichen Gesellschaft! Im Bett bleiben als Protestform gegen Intensivbettenschwindel. Und in 20 Jahren buhlen alle – Wähler wie Nichtwähler – in chinesischer Arbeitskleidung um Sozialpunkte für den nächsten Urlaub in der Kreisstadt.

Mausi
2 Jahre her

Was bringt es mir, aus Protest nicht wählen zu gehen? Die grüne Ecke wird hingehen. Der Nichtwähler ist die Chance schlechthin. Für Grün, für RRG. Denn wenn Wähler daheim bleiben, dann sind es die konservativen. Das stärkt Grün(RR). Niemanden wird es kümmern, wie hoch die Wahlbeteiligung war. Also werde ich eine Partei wählen, die nicht an der Regierung beteiligt ist. Jeder kann sich dabei überlegen, welche Ecke er gestärkt sehen möchte. Die FDP mit jeder anderen Partei zusammenarbeiten. Liberale Ziele? Die umbenannte SED „Die Linken“ spekulieren auf RRG. Die AfD wird verteufelt als Nazi. Aber welcher Abweichler wird das nicht.… Mehr

Last edited 2 Jahre her by Mausi
Andreas aus E.
2 Jahre her
Antworten an  Mausi

Wahlverweigerung ist das beste, was Linksgrün passieren kann, aber auch der Union. Darum gibt es hierzulande keine Wahlpflicht.
Konservative und Rechte haben bekanntlich nicht das Mobilisierungspotential der Linken.
(Dazu siehe das jedes Jahr trotz Maskenpflicht schon lange stets beliebten Friedensfests zum 1. Mai in Berlin…)

Ich hatte den letzten kleinen Absatz des Textes so verstanden, daß da nicht zur Nichtwahl, sondern zwischenzeilig zur Wahl jener bösen im Bundestag vertretenen Partei ermuntert wird, welche nicht genannt wird in der Aufzählung des bundesdeutschen Politversagens – und damit meine ich weder FDP noch SED.

Da lasse ich mich gern ermuntern! 🙂

Frank G
2 Jahre her
Antworten an  Andreas aus E.

Eine Partei wählen die einem Wahlbetrüger als eine der Ersten zur Wahl gratuliert? Die zwar gute Redbeiträge in den Landtagen bzw. im Bundestag hält, aber wirkliche Oppositionsarbeit vermissen läßt? Ich war selber seit 2015 in der bösen Partei, bin aber aus diesen Gründen aus dieser Partei ausgetreten. Übrigens wurde ich nie gefragt warum ich ausgetreten bin.