Schon der zweite aus der Lukoil-Führung stirbt ungewöhnlich

Nach offiziellen Angaben litt Lukoil-Chef Ravel Maganow, der nach einem Sturz aus dem Fenster starb, an Depressionen und Herzproblemen. Er ist aber auch einer von vielen in Russland, die unter seltsamen Umständen starben, nachdem sie die Politik Putins kritisiert hatten.

IMAGO / ITAR-TASS
Eingang zur Zentralklinik in Moskau, wo Maganow starb, 01.09.2022

Nun traf es Ravel Maganow. Der 1954 im sowjetischen Tatarstan geborene Erdölfachmann sprang angeblich Zigarette-rauchend aus dem sechsten Stock eines Moskauer Krankenhauses in welchem die russischen Eliten behandelt werden. Maganow, der seit 1993 für Lukoil arbeitete, war seit 2020 Vorsitzender der Erdölgesellschaft. Lukoil fördert vor allem in Westsibirien Öl und Erdgas, ist neuerlich auch in der Arktis aktiv.

Laut einer umgehend veröffentlichten Stellungnahme seines Arbeitgebers habe Maganow seit längerem unter einer nicht näher spezifizierten, schweren Krankheit gelitten. In den Staatsmedien werden Herzprobleme und Depressionen genannt, die zum Suizid geführt hätten. Eine andere Erzählung lautet, Maganow habe auf einem renovierungsbedürftigen Balkon eine Zigarette geraucht. Dabei sei er ausgerutscht und in den Tod gestürzt.

Schon der zweite aus der Lukoil-Führung

Die angeblichen Herzprobleme und Depressionen mögen allerdings auch sehr konkrete Ursachen gehabt haben. Bereit im Mai verstarb unerwartet der führende Lukoil-Manager und Maganow-Vertraute Alexander Subbotin. Angeblich soll er sich bei Schamanen einer Therapie gegen Alkoholsucht unterzogen haben, dabei mit Krötengift geritzt worden sein, woran er verstarb. Maganow wird gewusst haben, was seinen Kollegen tatsächlich dahingerafft hat.

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Wie auch bei anderen Oligarchen, die in den vergangenen Monaten auf unerklärliche Weise Suizid begingen und dabei sogar ihre Familien mit in den Tod nahmen, wird es eine offizielle Aufklärung dieses erneuten Vorgangs eines angeblichen Suizid nicht geben. Die Suizid-These liegt bei den Akten, mehr benötigt die russische Staatsanwaltschaft nicht.

Maganow nahm Stellung gegen den Überfall

Der tatsächliche Hintergrund dürfte bei  beiden vorgeblichen Suizidopfern allerdings ein anderer sein. Der Lukoil-Vorstand – somit auch Maganow höchstpersönlich – hatte wenige Tage nach dem Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine ein Statement veröffentlicht, welches sich überaus kritisch mit dem Vorgang beschäftigte. 

Die deutsche Übersetzung der am 3. März publizierten Stellungnahme lautet:

„Sehr geehrte Aktionäre, Mitarbeiter und Kunden von LUKOIL,

Der Verwaltungsrat von LUKOIL bringt hiermit seine tiefe Besorgnis über die tragischen Ereignisse in der Ukraine zum Ausdruck. Wir rufen zur baldigen Beendigung des bewaffneten Konflikts auf und drücken unser aufrichtiges Mitgefühl für alle Opfer aus, die von dieser Tragödie betroffen sind. Wir unterstützen nachdrücklich einen dauerhaften Waffenstillstand und eine Lösung der Probleme durch ernsthafte Verhandlungen und Diplomatie.

Das Unternehmen unternimmt alle Anstrengungen, um seine Geschäftstätigkeit in allen Ländern und Regionen, in denen es präsent ist, fortzusetzen, und ist seiner Hauptaufgabe eines zuverlässigen Energielieferanten für Verbraucher auf der ganzen Welt verpflichtet.

Mit seinen Aktivitäten ist LUKOIL bestrebt, zu Frieden, internationalen Beziehungen und humanitären Zielen beizutragen.

Verwaltungsrat, LUKOIL“

Lage in der Ukraine
Russlands Armee-Chef Sergei Schoigu gesteht indirekt strategisches Versagen ein
Es ist offensichtlich, dass diese Einlassung im Kreml auf keinerlei Gegenliebe hat treffen können. Dieses beginnt bereits damit, dass Lukoil mit der Erwähnung der Ukraine dieser eine Eigenstaatlichkeit zuspricht, was im ideologischen Konstrukt des Wladimir Putin nicht vorgesehen ist. Ebenso ist unübersehbar, dass vor allem zu Beginn des Terrorangriffs die Opfer auf ukrainischer Seite zu beklagen waren – womit in diesem Statement eine deutliche Anklage gegen Putin erhoben wird. Zudem passt es überhaupt nicht in des Kremls Narrativ, wenn die angebliche „militärische Spezialoperation“ als „Tragödie“ bezeichnet wird.

Ähnlich kritisch sollen sich auch die bereits früher an angeblichem Suizid verstorbenen Oligarchen zum Ukraine-Überfall geäußert haben. So gilt nun offenbar wieder das Stalin’sche Motto: „Ein Mann, ein Problem? Kein Mann, kein Problem!“

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 5 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

5 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Andreas aus E.
1 Jahr her

Vielleicht bin ich nicht so bewandert in den Feinheiten der Sprache der Diplomatie, aber ich vermag in der deutschen Übersetzung der am 3. März publizierten Stellungnahme keine übermäßige Kritik erkennen. Lukoil soll mit der Erwähnung der Ukraine dieser eine Eigenstaatlichkeit zusprechen? Das steht da doch gar nicht. Ukraine wird das Gebiet auch ganz offiziell in Rußland genannt, und in der Stellungnahme ist klar von Ländern und Regionen die Rede, man kann sich also aussuchen, welchen Status man der Ukraine beimessen möchte. Daß Lukoil lieber in ruhigen Gefilden Geschäfte macht als dort, wo geschossen wird, ist auch völlig klar. Mitgefühl wird für alle Opfer… Mehr

Sinnerer
1 Jahr her

Sicherlich kommen in Russland wie in den USA manchmal der politischen Führung unbequeme Menschen ums Leben, aber die zitierte Stellungnahme des Lukoil-Chefs hat Putin sicherlich nicht als Kritik verstanden und die Begründung im Artikel wirkt doch sehr konstruiert. Putin hat nie die Eigenständigkeit der Ukraine in Frage gestellt. Er wollte eine militärisch neutrale Ukraine. Auch ist eine Forderung nach Verhandlungen eine Forderung von Putin selbst, die aber vor der Invasion von NATO-Staaten abgelehnt wurden. Es kann sein, dass der Lukoil-Chef suizidiert wurde, sei es von staatlichen Akteuren, sei es von mafiösen Strukturen, sei es von anderen Oligarchen, sei es von… Mehr

Manfred_Hbg
1 Jahr her
Antworten an  Sinnerer

Zitat: „Putin hat nie die Eigenständigkeit der Ukraine in Frage gestellt.“

> Ähm, entschuldigung bitte wenn ich frage weil ich nicht recht verstehe: sind Ihre Worte nun sarkastisch oder doch ernsthaft gemeint?

Falls doch letzteres der Fall sein sollte möchte ich dann doch mal an Putins Worte und Großmachtphantasien erinnern wie zum Beispiel: „Die Ukraine hatte nie eine stän­dige Tra­di­tion eigener Staat­lich­keit“.

Ansonsten hilft aber auch noch ein wenig „Goggeln“ um zu erfahren was Putin von der Ukraine als eigenständigen souveränen Staat denkt und zu dem Staat Ukraine geäußert hat.

November Man
1 Jahr her

Vermutlich wurde der arme Mann von den westlichen Sanktionen so dermaßen unter Druck gesetzt und massiv erpresst, dass er sich aus Verzweiflung in den Tod gestützt hat. Die Sanktionen treffen also nicht nur Deutschland und die Deutschen, sondern auch mal einen einzelnen Russen.  

Aletheia
1 Jahr her

Es gibt in Russland einige schlagende Argumente, wenn man nicht die richtigen Ansichten vertritt.
Zum Beispiel das “Fingal“, das „blaue Auge“.
In Rußland ein doch häufiger anzutreffendes, wohl auch eher kulturspezifisches Mittel der Auseinandersetzung.
Gutmöglich , dass der vom Opfer nicht intendierte, gewaltsame Fenstersturz auch eines dieser unwiderlegbaren Argumente ist.