Die Sprache der Bibel – und wie damit umgehen?

Ist, wie viele Theologen meinen, zum Alten Testament tatsächlich alles gesagt? TE-Autor Tomas Spahn ist in einer Serie zur Entstehung des Monotheismus anderer Auffassung. In Teil 1 fragt Spahn, warum biblische Erzählungen als wahre Historie gelten. In Teil 2 ging es um Quellen und Übersetzungen der Bibel. Lesen Sie heute Teil 3:

IMAGO / Danita Delimont
Gutenberg-Bibel im Gutenberg-Museum in Mainz
Wie haben wir uns als Europäer die semitischen Sprachen in ihrer Komplexität vorzustellen? Sind die semitischen Sprachen ein konsonantisches Gestammel?

Selbstverständlich nicht. Denn faktisch werden die Konsonanten über Vokalandeutungen verbunden. Nur sind diese zumindest im Altsemitisch nicht klar definiert, sondern ergeben sich aus dem inhaltlichen Zusammenhang. Das wiederum macht den Umgang mit diesen alten Texten in besonderem Maße schwierig selbst dann, wenn die Masoreten im Mittelalter das Hebräisch ihres Gottesbuches mit Vokalzeichen versehen haben. Denn diese Vokalzeichen beschreiben nur, wie das Hebräische zu ihrer Zeit ausgesprochen wurde. Ein Beweis dafür, dass die Aussprache tausend oder gar zweitausend Jahre früher ebenso klang, sind sie nicht. Wie aber nähern wir uns der tatsächlichen Aussprache, die wir uns bei der frühen Version des Tanach vorzustellen haben? Und wie näherten sich die griechischen Dolmetscher in Alexandria diesem Problem?

Originalbezeichnungen in gesprochene Sprache übersetzen

Ein Blick in die frühen Versionen der Abschnitte des Biblikon kann deutlich machen, dass ich mich mit dieser Fragestellung äußerst schwergetan habe. Ursprünglich fand lediglich die Konsonatenübertragung im Sinne einer Transkription aus dem hebräischen in den deutschen Text statt. Dieses aber war für einen Ungeübten schlichtweg nicht lesbar. Die internationale Lautschrift, die mir ein Freund beständig und penetrant nahelegen wollte, bleibt etwas für Sprachwissenschaftler. Normale Menschen können damit nichts anfangen. Hinzu kam: Die Vokalisierung über internationale Lautschrift bleibt aus genannten Gründen problematisch.

So gab es parallel zur wachsenden Komplexität dessen, aus dem das Biblikon-Projekt werden sollte, verschiedene Stufen, wie die verschriftlichten Begriffe aussprechbar wurden. Nach rund vier Jahren sollte eine Art bleibender Version vorliegen, die bei aller Unzulänglichkeit ein Kompromiss zwischen Original und Aussprechbaren ist.

Dieser Version liegt die Überlegung eben jener Vokalübergänge zwischen den Konsonanten zu Grunde – und da es gilt, gewisse Regeln zu befolgen, soll das Resultat nicht im Chaos untergehen, nutzte ich der Vokaleinstellung meines damaligen, aus Syrien stammenden Lehrers der arabischen Schrift zum Trotz ein kurzes, offenes – é – als Konsonantenübergang. Interessanterweise kommt dieses wiederum dem Klang der griechischen Versionen oftmals relativ nahe.

Mit den von den Europäern vokalisierten Konsonanten wurde wie folgt verfahren:
| Der Anlaut Alif א wird mangels anderer, sinnfälliger Möglichkeiten als – á – auftreten.
| Ähnlich geht es dem Stimmritzenlaut Ain ע. Es wird als ý übertragen, ohne der germanisierten ü-Ähnlichkeit eines Ypsilon zu folgen. Es bleibt ein vokalisierter Anlaut.
| Das Waw ו bedarf einer Sonderbehandlung, da es in seiner konsonantischen Aussprache eher einem W, in seiner vokalen Ebene jedoch eher einem U entspricht, ohne deshalb grundsätzlich ein „wu“ zu sein. Ich entschied mich deshalb im Sinne eines Hilfskonstrukt für die Verwendung des Zeichens <0270> ɰ.
| Eine Sonderregelung müssen wir auch für das ה vorsehen. Als Suffix bleibt es ein Dehnungszeichen und findet als -ah seinen Weg in den Fließtext. Als Präfix wird es als h‘(~) gekennzeichnet um zu verdeutlichen, dass h‘melek („der Herrscher“) nicht zwingend als hemelek auszusprechen ist, sondern einem ä-melek ähneln könnte.

Konsonantische Silben

Ein grundlegendes Problem ist es, in einer ausschließlichen Konsonantenschrift Silben herauszufiltern und darzustellen. In der Konsequenz der oben beschriebenen Herangehensweise führt beispielsweise der Weg des Propheten Jeremia von הימרי [JRMJH] über j˘r˘m˘jˆh zu jéréméjah. Doch ist für die altsemitische Aussprache wie für andere Sprachen zu unterstellen, dass sie für Wörter, die aus mehreren Begriffen zusammengesetzt sind, eine entsprechende Silbentrennung vornahmen. Der umgeschriebene jéréméjah kann insbesondere die Hilfsvokale des „é“ durchaus nur andeuten – und so kommt in diesem Falle der griechische Jeremia bei einem angedeuteten i-Laut offenbar seiner ursprünglichen Aussprache recht nahe. Nicht vergessen werden sollte bei der Transliteration aus dem Hebräischen der Verzicht auf Konsonantendoppelung, wie sie beispielsweise die deutsche Schriftsprache häufig verwendet.

Wenn das Hebräische den Namen Hananja (griechisch) als היננח [ChNNJH] schreibt, so bewegt sich diese griechische Version sowohl fern als nah zum zu unterstellenden Original. In der Anwendung der definierten Transliterationszeichen wird aus dem היננח ein chénénéjah. Offenbar sprachen die Juden im Alexandria des dritten vorchristlichen Jahrhunderts die ersten beiden überleitenden „é“ derart kurz, dass daraus ein klangliches „a“ wurde. Hinter dem chénén gab es offensichtlich eine silbentrennende Lücke, sodass in der Transliteration ein chénén‘jah dem Original am nächsten käme. Dennoch sollte es, da auch die Silbentrennung nicht in jedem Falle eindeutig vorzunehmen ist, bei der Regel bleiben, dass hinter einem Konsonanten ein Vokalübergang in Form des é eingefügt wird.

Zudem wird beim Hananja deutlich, dass die Übersetzer aus dem semitischen Rachenlaut des einleitenden ch ein für griechische Zungen leichter zu sprechendes h machten. Zudem: Die Konsonantendoppelung europäischer Sprachen hätte zu einem chénniah führen müssen. Das aber tut es ganz offensichtlich nicht – und entspricht damit der Regel, dass es Konsonantendoppelungen in den semitischen Sprachen nicht gibt.

Das wiederum führte mich zu der Überlegung, dass auch die Übertragungen aus dem Cuneiform – der Keilschrift – an der Stelle hinken, wo scheinbar von zwei aufeinander folgenden Silben die erste auf dem Konsonanten endet, mit dem die nachfolgende beginnt. So wird Assyrien als Folge eben der unmittelbaren Übertragung der Silben bis heute mit einem doppelten s geschrieben. Ursächlich ist dafür das aš-šur der Keilschriftversion – die Doppelung wird in der silbenschriftlichen Version der Keilschrift für nichts anderes gestanden haben als dafür, dass dieses ásh[é]shɰr tatsächlich nicht in zwei strikt getrennten Silben als ásh-shɰr, sondern fließend als áshɰr ausgesprochen worden ist. Dieses allerdings gilt ausdrücklich nicht für die semitischen Schriften des phönizisch-arabischen Raums.

All diese Überlegungen und Konsequenzen, die sich erst im Laufe der zunehmend intensiveren Beschäftigung mit der Materie herauskristallisierten, führten dazu, dass ungefähr ab Jahresende 2011 relativ strikte Regeln der Transliteration angewandt wurden. Die Folge dieser Entwicklung war gleichwohl, dass in früheren Versionen andere Transliterationen anzutreffen sind. Mehr noch: Da sich die Konsequenz der Anwendung des einen Konsonanten andeutenden é erst im Laufe des Jahres 2013 herauskristallisierte, können sich beispielsweise bei der Figur des lutherischen Josia sowohl Transliterationen als J‘ásh`jah und Jáshjah finden. Die final anzuwendende Version ist der jéáshéjah – wiederum davon ausgehend, dass das „jéá“ geschliffen wie ein j mit offen o und das „shéjah“ tatsächlich mit angedeuteter Silbentrennung ausgesprochen wurde, was mit einem „jøsh‘jah“ der im hellenistischen Alexandria gepflegten Aussprache entsprochen haben wird, sodass die Dolmetscher von dem hebräischen הישאי [JAShJH] und dem transliterierten jéáshéjah mit nur angedeutetem sch zu einem klangimitierenden Josia kamen.

Es mochte in dem einen oder anderen Fall für den Leser ein Umdenken erfordern, wenn aus Josia ein Jéáshéjah, aus Salomo ein Shélémah oder aus David ein Déɰéd oder Déɰjd wurde. Doch dieses diente dem Ziel, den Leser in gewisser Weise zu entgrecisieren und sein Bewusstsein der wirklichen, ursprünglichen Welt des Tanach – der wiederum als ténék zu schreiben ist – zu öffnen.

Die jah-Formel

Damit komme ich zurück zu der Annahme, dass ein heute unbekannte Original-ténék um 300 vc den Namensbestandteil -jahu nicht beinhaltete, sondern stattdessen ein -jah stand. Wie verhält es sich beispielsweise mit dem Namen Jojakim? Der ténék schreibt ihn wahlweise als מיקיוהי (JHWJQJM – jahɰjéqjm – K2.23+24, C1.0315, C2.36, Jer.22+26) oder – einmalig – מיקיוי (JWJQM – jɰjéqjm – Neh.1210).

Wäre die Annahme richtig, dass jenes jahɰ ursprünglich ein jah gewesen ist, hätte der Name dann nicht in der grecisierten Version korrekt als Jahjakim übersetzt werden sollen – nicht aber als Jojakim? Allerdings wäre immer noch vorstellbar, dass dieses ~ah in seiner Aussprache einem skandinavischen å oder ø entsprochen hat – und die Griechen schlichtweg außerstande waren, dieses angesichts ihres Mangels an schriftlichen Vokalvarianten angemessen zu transferieren. Wahrscheinlicher allerdings ist die Annahme, dass der vorgeblich jüngere Text des Nehemia tatsächlich den Originalnamen vorweist, während die vorgeblich älteren Bücher der beiden Chroniken durch eine jahuahisierte Version geprägt sind, welche ursprünglich nicht zutreffend war. Dann aber hätten Königsbuch wie Chronik deutlich jünger sein müssen als bislang angenommen – oder aber diese Bücher wurden tatsächlich NACH der Übersetzung ins griechische durch mosaische Autoren bearbeitet und entsprechend „korrigiert“.

Im Ergebnis schien also vieles darauf hinzudeuten, dass selbst die jah-Formel nicht der Sprache erster Schluss gewesen ist, sondern sich tatsächlich zumindest in einigen Fällen aus einem jɰ über ein jah zu einem jahɰ in die Texte eingeschlichen hatte. Die daraus folgenden Konsequenzen allerdings wären noch weitreichender, als in den meisten Abschnitten des Biblikon-Projektes dargelegt. Denn dann wäre vermutlich das Werk des persischen Beamten Nehemia (néchéméjah) eines der ältesten Bücher des ténék – und die anderen in der uns bekannten Form erst deutlich später entstanden. Und dann hätten vermutlich auch die hebräischen Namen ursprünglich nicht zwangsläufig etwas mit einer Gottheit zu tun haben müssen – doch solche Überlegungen reiften erst, nachdem ich mich bereits gut fünf Jahre mit dem ténék beschäftigt und zahlreiche andere Denkwege, unter denen sich auch Irrwege befanden, beschritten hatte.

Vorerst zurück zur Situation des Jahres 2011. In der Konsequenz der vorangegangenen Überlegungen beschloss ich, hebräische Namen, die im Aleppo-Kodex ein Jahɰ vorweisen, in Anlehnung an die grecisierte Übersetzung ohne das dafür verantwortliche Waw schreiben. Damit allerdings wuchs dem ה in seiner Dehnungsfunktion eine gewichtigere Rolle zu.

Eine Nachbearbeitung nach der ersten griechischen Übersetzung

Ich bin mir bewusst, dass das Weglassen, das „Unterschlagen“ des Waw als vorsätzliche Manipulation diskreditiert werden könnte, indem man mir unterstellt, diese Weglassung diene ausschließlich dem Ziel, eine von mir herbeifantasierte These belegen zu wollen. Tatsächlich jedoch lief die Überlegung derart, wie hier beschrieben.

Erst die Frage nach der Ursache der offensichtlichen Klangdiskrepanz zwischen den grecisierten Namen und den entsprechenden Bezeichnungen im ténék führte zu der Auffassung, dass die Quelltexte der Alexandriner sich in dieser Hinsicht von den heute verfügbaren Versionen des ténék unterschieden haben müssen. Wenn dem aber so sein sollte – wie kamen dann die Waws in den Tanach? Denkbar ist, dass es die Hasmonäer gewesen sind, die als Gotteskrieger und Priesterkaste des Jahɰah den ténék zwischen 165 und 63 vc entsprechend umschrieben. Aber das ist tatsächlich nur eine Vermutung. Sie könnte jedoch auch die Begründung dafür liefern, warum es kaum ältere Tanach-Dokumente gibt: Die Hasmonäer haben diese, soweit sie ihnen zugänglich waren, vernichtet, um ihre Glaubensinterpretation durchzusetzen, was angesichts der wahrscheinlichen Annahme, dass der Tanach bzw. die Tora kaum weit verbreitet waren, technisch vorstellbar ist. Doch das ist auch heute noch nichts anderes als eine Vermutung, für die ein konkreter Beweis aussteht.

Textquellen

Nicht vergessen werden sollte nach diesem Ausflug in den ténék und die altsemitische Sprache der Hinweis auf die Quellen, die ich für die Untersuchungen genutzt habe. Die bereits erwähnte deutschsprachige Bibelausgabe von 1964 findet aufgrund ihrer religiös begründeten Ungenauigkeiten keine Berücksichtigung. An ihre Stellen traten die Lutherbibel von 1912, die jedoch lediglich als Arbeitsmaterial herangezogen wurde. Als Grundlage der in die Texte eingeflossenen deutschsprachigen Zitate diente ausschließlich die Elberfelder Bibelversion von 1905. Beide standen dankenswerter Weise unter www.bibel-online.net zur Nutzung zur Verfügung. Die Tanachquelle ist im Schwerpunkt der unvokalisierte Aleppo-Codex, nicht minder dankenswerter Weise abzufragen unter www.diebibel.de. An den wenigen Stellen, wo diese Version auf Grund ihrer Beschädigungen unvollständig ist, kam der Westminster Leningrad Codex zum Einsatz. Doch dieses blieb die Ausnahme. Soweit folglich in meinen Texten Zitate aus der deutschsprachigen Bibel übernommen werden, entstammen diese der Elberfelder Version von 1905 – es sei denn, es wird ausdrücklich eine andere Quelle erwähnt. Hinsichtlich der Tanach-Zitate gilt gleiches für den Aleppo-Codex.

Daten

Bei jeder Beschäftigung mit historischen Geschehnissen – beruhen sie nun auf nachweisbaren Tatsachen oder auf gedachter Wirklichkeit – ist die Datierung von Bedeutung. Die anfängliche Vorstellung, anhand des ténék eine eigene Zeitlinie zu entwickeln, wurde schnell verworfen, da dieses recht aufwändig ist und unnötig Zeit gekostet hätte, die für die eigentliche Untersuchung zweckmäßiger einzusetzen war. So fiel die Entscheidung für die Übernahme der bei Finkelstein/Silberman genutzten Zeitlinie auf Basis derjenigen des „Anchor Bible Dictionary“ und „The Chronology of the Kings of Israel and Judah“ von Galil (vergl. Finkelstein/Silberman „Keine Posaunen vor Jericho“ S. 31).

Spätestens bei der Auseinandersetzung mit Sanherib (sénéchérjb – vergl. „Sanherib“) führte dieses zu wahrnehmbaren Abweichungen in den jeweiligen Datierungen, die dort entsprechend aufgezeigt wurden. Von Bedeutung für das Ergebnis meiner Überlegungen sind jedoch diese Abweichungen nicht, da ich mich in der Zeitschiene fast ausschließlich auf den Zeitraum zwischen 640 und 570 vc konzentrierte. In diesem Zeitraum kommt es tatsächlich auf die korrekte Zuweisung bestimmter Daten zueinander an, da sie ein Schlüssel für das Ergebnis der Untersuchung sind.

Wissenschaft

Ich habe darauf hingewiesen, dass meine Überlegungen alles andere sind als eine theologische Auseinandersetzung. Vielmehr basieren sie auf den wissenschaftlichen Vorgehensweisen, wie ich sie einst an der Universität erlernen durfte. Maßgeblich sind zudem die Erfahrungen und Erkenntnisse, die ich in vielen Jahren Tätigkeit als Kommunikations- und Strategieberater machen konnte. Man könnte dieses Vorgehen in gewisser Weise als vergleichende Analytik bezeichnen: Wie sind die im ténék geschilderten Vorgänge politisch zu bewerten – und wie sind sie unter Berücksichtigung der Abläufe von Politik und der Verhaltensmuster von agierenden Politikern zu verstehen? Es ist unnötig zu erwähnen, dass dabei der politik-psychologische Schwerpunkt, der sich bereits während des Studiums herauskristallisierte, hohe Bedeutung erlangte.

Statistik

Einige Folgerungen basieren auf statistischer Herangehensweise – so beispielweise die Beurteilung des Begriffs des Jahwe Zebaoth (jahɰah zébáɰt). Dieses Vorgehen hat seine Ursache in der Kommunikationspraxis, welche darlegt, dass bestimmte Begriffe sowohl über den Zeitpunkt eines Textes als auch über die Person des Autors Auskunft geben. Will sagen: Es gibt Phasen, in denen Begriffe und Phrasen verstärkt auftreten und Phasen, in denen eben diese Begriffe und Phrasen nicht vorhanden sein können, weil es sie noch nicht gab (suchen Sie einmal „googeln“ in Texten von 1980 …) oder weil sie gänzlich aus der Mode gekommen sind (wie jenes „recognoszieren“ oder „convulsivisch“ der deutschsprachigen Autoren Gerstäcker und May).

Konkret bedeutet dieses bei der Beurteilung der Texte des Tanach, dass Begriffsschwerpunkte eigene Aussagekraft entwickeln. Und umgekehrt. Wenn der Prophet Jesaja bei Jeremia nicht auftritt, obgleich Jesaja doch laut Tanach unter Hiskia vorgeblich einer der bedeutendsten jüdischen Ratgeber und Lehrer in Jahudah gewesen sein soll und in der Untergangsvorhersage ein unmittelbarer Vorgänger des ebenfalls als jüdischer Prophet vorgestellter Jeremia ist, so kann das nach menschlicher Beurteilung nur bedeuten, dass es einen Jesaja in der im Tanach geschilderten Form dann nicht gegeben hat, wenn wir Jeremia als zeitlich später real existierende Person annehmen. Die Schlussfolgerung dieser Feststellung sowie weiterer Indizien hat hier die Konsequenz, dass das Buch Jesaja eben nicht die biografischen Erlebnisse einer real existierenden Person dieses Namens wiedergibt, sondern eine wie auch immer begründete literarische Edition ist. Diese Edition kann nicht vor der Lebzeit des Jeremia niedergeschrieben worden sein kann, da dieser, der vorgeblich dem gleichen klerikalen „Stall“ entstammte, sie in diesem Falle hätte kennen und nutzen können und müssen.

Sprachliche Vorgaben

Zu der Problematik des Verständnisses der Tanach-Texte, die mit großer Wahrscheinlichkeit im Wesentlichen vor 300 vc entstanden und in dem damals gebräuchlichen Hebräisch geschrieben worden sind, bin ich bereits ansatzweise eingegangen. Tatsächlich jedoch kann diese Problematik zu nachhaltigen Konsequenzen führen, wenn Begriffe ihren ursprünglichen Inhalt gewandelt haben oder auch im Ivrit nicht mehr so verstanden werden, wie dieses vor 2500 Jahren der Fall gewesen sein mag. Soweit dieses offensichtlich ist, habe ich den Versuch unternommen, diese Begriffe über die Verschmelzung hebräischer und arabischer Sprachwurzeln zu rekonstruieren. Dieses ist nicht immer eindeutig und die Ergebnisse bieten sicherlich auch die eine oder andere Angriffsfläche. Dennoch aber will es mir beispielsweise überaus plausibel erscheinen, dass eine Hulda (ChLDH – chélédah – הדלח), die heute im Ivrit für eine Ratte steht, ursprunglich h‘lédah (הדלה) gewesen ist – die Gebährende, die als irdische Inkarnation der höchsten Göttin des assyrischen Pantheons ihren Sitz im großen Tempel von Jerusalem hatte. Ich werde später darauf zurückkommen.

Lesen Sie in Teil 4, wie Tempel und Daviden im Tanach – und wie sie in der Wirklichkeit zu verstehen sind.

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