Steuerirrsinn an Weihnachten

Willkommen in Absurdistan. Ganz irre ist es beim Kauf eines Weihnachtsbaumes: 4 verschiedene Mehrwertsteuersätze. Aber auch sonst herrscht Chaos und Willkür.

© Sean Gallup/Getty Images

Es weihnachtet sehr. Überall sind die Häuser beleuchtet und die Weihnachtsmärkte bringen allerorts eine heimelige Stimmung in die Innenstädte. Davon profitiert Vater Staat in besonderer Weise. Seine Cash-Cow ist die Umsatzsteuer. 166 Milliarden Euro nahm er damit im letzten Jahr ein. In diesem Jahr werden es noch mehr sein. Doch nicht nur das. Scharen von Beamten kümmern sich um deren Administration. Von Bürokratiekosten in den Unternehmen, die diese komplizierte Steuer abwickeln müssen, ganz zu schweigen.

Zu Weihnachten schlägt die Absurdität besonders zu. Während das Umsatzsteuerrecht in der Gastronomie generell zwischen dem Verzehr im Restaurant (19 Prozent) und außerhalb (7 Prozent) unterscheidet, ist vieles im Weihnachtsgeschäft anders. Ist das Getränk ein Glühwein, ist es plötzlich egal, ob er im sitzen oder „to go“ getrunken wird. Er wird generell mit 19 Prozent Umsatzsteuer belastet. Bestellt man einen Fruchtsaft, dann kommt es darauf an. Generell bleibt es bei 19 Prozent, ist er jedoch dickflüssig, neudeutsch ein Smoothie, dann fallen 7 Prozent an. Mit Kaffee ist es genauso kompliziert. Schwarzer Kaffee wird mit 19 Prozent besteuert, Caffé Latte oder Cappuccino dagegen mit 7 Prozent.

Nicht nur bei Getränken, sondern auch beim Essen herrscht ein Steuerirrsinn. Hat der Bratwurststand auf dem Weihnachtsmarkt Tische und Stühle, muss der Besitzer 19 Prozent Mehrwertsteuer zahlen. Gibt es keine, werden nur 7 Prozent fällig. Gebrannte Mandeln werden hingegen, genauso wie Liebesäpfel oder Lakritzstangen, immer mit 7 Prozent besteuert, egal ob Stehtische bereitstehen oder nicht. Und auch zu Hause wird es beim Essen nicht durchsichtiger. Wer eine Weihnachtsgans isst, zahlt im Supermarkt nur 7 Prozent Mehrwertsteuer. Wer Austern oder Hummer verspeist, 19 Prozent. Bei Trüffeln wird es vollends verrückt: Die werden immer mit 7 Prozent besteuert, außer wenn sie mit Essig behandelt sind. Dann werden auch hier 19 Prozent berechnet.

Besonders kompliziert wird es beim Kauf eines Weihnachtsbaumes. Hier gibt es allein 4 Mehrwertsteuersätze. Wird der Baum künstlich hergestellt, fällt generell der allgemeine Steuersatz von 19 Prozent an. Wird er artgerecht gehalten, wird erstmal unterschieden, welchen Beruf der Verkäufer hat. Ein Gewerbetreibender muss 7 Prozent abführen. Ist er dagegen ein Landwirt, dann wird es noch verwirrender. Er kann optieren. Entweder er entscheidet sich für die 7 Prozent-Variante oder er pauschaliert die Mehrwertsteuer. Pauschaliert er sie, dann kommt es darauf an, ob der Baum zufällig im Wald aufgewachsen ist oder in einer Sonderkultur, vielleicht auch im Wald, gezogen wurde. Für ersteren Fall muss er 5,5 Prozent Mehrwertsteuer abführen, ansonsten 10,7 Prozent.

Etwas einfacher ist es da schon bei Adventskränzen. Stammen sie aus überwiegend frischen Tannenzweigen, fallen 7 Prozent Mehrwertsteuer an. Verwendet man überwiegend trockenes Material, sind 19 Prozent fällig. Kommen die Weihnachtsmarktbesucher verfroren nach Hause und zünden den Kamin an, dann wird es wieder kompliziert. Verwenden Sie Brennholz, Pellets oder Holzbriketts, werden sie mit 7 Prozent belastet. Verbrennen sie dagegen Baumstämme oder Holzhackschnitzel, dann haben sie Pech. 19 Prozent sind die Folge.

Das Umsatzsteuerrecht ist kompliziert und ungerecht. Eine Reform ist dringend notwendig. 2010 hat Professor Rolf Peffekoven von der Universität Mainz einen radikalen Vorschlag zur Reform der Umsatzsteuer bzw. der Mehrwertsteuer gemacht: Wegfall des ermäßigten Steuersatzes und weitgehender Wegfall der Steuerbefreiungen. Anschließend könnte der allgemeine Mehrwertsteuersatz von 19 auf 16 Prozent gesenkt werden.

Wahrscheinlich wäre dies das größte Weihnachtsgeschenk für Unternehmen und Steuerzahler.

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Kommentare ( 47 )

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47 Comments
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Wolfgang Lang
6 Jahre her

Sie erwarten doch nicht von der deutschen Beamtenschaft, dass sie einfache Regelungen und Gesetze macht? Die schaffen sich selbst nie ab. Ihre Rolle ist es das Volk zu kujonieren, malträtieren und ihm die Haut, so gut es geht abzuziehen. Das geht am besten bei maximal komplizierter Bürokratie und Steuerdschungel. Es wird immer offensichtlicher. Die Regierung mit der ihr ergebenen Beamtenschaft führt einen erbarmungslosen Handelskrieg gegen das eigene Volk. Man lese nur die Briefe, die man erhält, wenn man ein Knöllchen nicht rechtzeitig bezahlt. Oder mit der Steuer in Verzug ist. So schreiben keine Staatsdiener. So schreibt der Feudalherr.

dunkelstrasse48
6 Jahre her

Fein raus sind da die grenzüberschreitenden Kauflustigen. In Scharen fallen längs der Grenze, der deutschen, die Schweizer ein und kaufen für umgerechnet 300 Franken netto pro Tag und Person in D ein, die Mehrwertsteuer bekommen sie in D zurück. Umgekehrt geht es aber auch. Wenn ich ein Auto aus D einführe, zahle ich zwar die schweizer Umsatzsteuer + Gewichtszoll, bekomme aber die deutsche Mwst zurück. Das lohnt sich auf jeden Fall. Wenn ich zu viert vier mal am Tag über einen anderen Zoll fahre und so vier mal für 1200 CHF einführe, lohnt sich das auch. ;-)) Verzweifelte schweizer Hoteliers… Mehr

Werner Lischka
6 Jahre her

Ich wußte immer, daß unsere deutschen Nachbarn etwas seltsam sind – aber dieses Theater mit diversen MWSt-Sätzen, hat nicht mal ein österreichischer Finanzminister geschafft – wir haben 20% (da ist auch das Essen & Trinken in jeder Art von Gastgewerbe dabei) und 10% (letzeres für Bücher, Arznei und Lebebsmittel im Geschäft). Einzig Wein ab Hof muß mit nur 13% versteuert werden.
Bei uns verhungert aber trotzdem niemand – die Argumente f.d. diversen Steuersätze am Bratwurststand oder im Supermarkt finde ich etwas schräg.

Marcel Seiler
6 Jahre her

Die MWSt (=Umsatzsteuer) sollte nur einen Satz haben. Alles andere führt zu Absurdistan, wie hier sehr nett beschrieben.

Reinhard Peda
6 Jahre her

Es sind nicht nur die Steuern: https://www.stern.de/wirtschaft/versicherung/ratgeber-versicherung/aerger-mit-der-versicherung-was-tun–wenn-der-versicherer-nicht-zahlt–3447642.html Das ist auch beliebt: http://www.spiegel.de/wirtschaft/service/ard-doku-ueber-versicherungskonzerne-die-nein-sager-a-853603.html Straßenreinigung von Gemeinden, im Sommer schon mal, aber im Winter nach Schneefall in Nebenstraßen? Einträgliches Geschäft von den Öffentlichen, getoppt durch das Reparieren (Flicken) von auftretenden Straßenschäden. Wenn dann die Grunderneuerung nicht mehr zu vermeiden ist, natürlich nicht ohne den Anlieger dies Bezahlen zu lassen, sind Sie, ich und alle anderen wieder Einzelkämpfer, ohne Chance das System zu Reformieren. Die Ablehnung des bestehenden Systems? Was sollte daran schlimm sein, oder löst dieses System auch nur eines der bestehenden wesentlichen Probleme? Ich kann mir nicht vorstellen das, wenn die… Mehr

Arminius
6 Jahre her

Mit Vernunft ist einfach unseren Politikern nicht bei zu kommen. Wir haben nicht umsonst das komplizierteste Steuergesetz der Welt. Das überblickt schon lange keiner mehr.

T. Pohl
6 Jahre her

Ich finde Peffekoven’s Vorschlag von 16% MWSt. immer noch zu hoch, die Bauernkriege wurden wegen des Zehnts (10%) geführt. Die politischen Bemühungen sollten sich eher dahingehend gestalten, die Übermacht des Staates (Staatsquote) wieder zu reduzieren. Dazu vielleicht auch Subventionen abbauen. Würden diese abgebaut, könnte nicht nur die MWSt erheblich reduziert werden, sondern auch die Einkommensteuer. Früher (olim) gab es mal eine Partei, die so drauf war (FDP). Schon lange nicht mehr. Deshalb: they don’t get my vote no more. Die beharrten früher sogar darauf, daß Freiheit und Verantwortung zwei Seiten der selben Medaille seien… Tempi passati..

Klaus Maver
6 Jahre her

„Wegfall des ermäßigten Steuersatzes und weitgehender Wegfall der Steuerbefreiungen. Anschließend könnte der allgemeine Mehrwertsteuersatz von 19 auf 16 Prozent gesenkt werden.“ So einfach kann das in Deutschland nicht funktionieren.

Eberhard Schneider
6 Jahre her

Man muss sich schon fragen, warum selbst der „grosse“ Herr Schäuble dieses Thema nicht als wichtig genug ansah, um es endlich anzupacken. Der FDP brach es das Genick und vier Jahre absolute Bedeutungslosigkeit: Klientelpartei. Die Hotels packten es an und etliche fingen an kräftig zu investieren. Alles in allem – ein bürokratischer Wahnsinn. Dass Babynahrung und Kinderkleidung mit 19 % besteuert werden, hingegen Hunde- und Katzenfutter mit 7 % zeigt die Absurdität unserer Gesellschaft. Wo leben unsere Politiker: Frau Merkel glaubt in Afrika die Fluchtursachen beseitigen zu können, ist aber nicht einmal in der Lage dafür zu sorgen, dass in… Mehr

Gast
6 Jahre her
Antworten an  Eberhard Schneider

Warum sollte Herr Schäuble das vom Autor beschriebene System zerstören, wenn es unter seiner Führung und Mitwirkung seiner Parteifreunden erschaffen wurde?

Störk
6 Jahre her
Antworten an  Eberhard Schneider

Die Armutsgrenze ist derzeit 60% des Median-Einkommens, war vorher 50% des Durchschnittseinkommens. Rechnen wir der Einfachheit halber damit, daß jemand, der arm ist, halb so viel Geld für den Konsum hat wie der Durchschnitt. Dann wäre es nur fair, exakt 50% der MwSt-Einnahmen als bedingungsloses Grundeinkommen direkt wieder auszuzahlen, um den armen Schlucker zumindest von dieser Steuer komplett zu entlasten, den Durchschnittsverbraucher nur halb so stark zu belasten wie bisher und die Hauptlast dieser Steuer den „Großverbrauchern“ mit Sportwagen, Yacht und Privatflugzeug aufzubürden. Unter dieser Prämisse einer bedingungslosen Steuerrückerstattung bräuchte man nur noch einen einheitlichen Konsumsteuersatz, der dann auch oberhalb… Mehr

Illusionslos
6 Jahre her

Nicht nur im Steuerrecht herrscht Chaos und Willkür in Deutschland, sondern einfach überall wo man hinschaut. In der Schule im Gesschichtsunterricht habe ich gelernt, daran sei der Beginn einer Diktatur erkennbar.
Daraus folgere ich , dass unsere Politiker im Geschichtsunterricht entweder immer gefehlt haben oder das ganze ist Absicht.
Ich tendiere zu Möglichkeit zwei.