Roadmap Altmaier

Der nächste Schritt des Zentralismus in der EU ist vorbereitet. Mit dem ESM wurden erst die Schulden kollektiviert und mit der europäischen Einlagensicherung folgt bald das Sparvermögen. Sobald die neue GroKo vereidigt ist.

© Eric Piermont/AFP/Getty Images
French Finance Minister Bruno Le Maire (R) addresses a joint press conference with Germany's interim Finance Minister Peter Altmaier following their meeting at the Economy Ministry in Paris on January 18, 2018

Die deutsche Regierung hat die Schlacht um die Sozialisierung der Einlagensicherung in der Europäischen Union längst verloren. Sparkassen und Volksbanken, aber auch Privatbanken in Deutschland und letztlich die Einleger bei diesen Banken, haften bald für die Schieflage von Banken in Griechenland, Italien oder Spanien. Lange galt die Institutssicherung der Volksbanken und Sparkassen als rote Linie in den Verhandlungen in Brüssel. Volksbanken und Sparkassen retten dabei nicht den einzelnen Sparer bei der Schieflage eines Instituts, sondern sie stützen das jeweilige Institut in Eigenregie und damit mittelbar auch dessen Einleger und Sparer. Die Logik dahinter ist, dass Sparkassen in Deutschland nicht Volksbanken und Privatbanken im eigenen Land helfen, sondern jede Sparte für sich haftet.

Aus diesem Grund stellen sich die Institute in Deutschland berechtigt die Frage, warum sie und deren Sparer für Banken und deren Sparer in Nikosia, Athen oder Palermo haften sollten, wenn dies nicht einmal im eigenen Land vorgesehen ist? Diese Frage ist sehr berechtigt, denn auf das wirtschaftliche Gebaren in den übrigen Euro-Ländern hat das Genossenschaftsmitglied der örtlichen Volksbank oder der Aktionär eines kleinen Geldhauses in Deutschland gar keinen Einfluss. Und auch der Deutsche Bundestag hat auf die nationale Gesetzgebung in Griechenland, Italien oder Spanien keinen Einfluss. Ob die Finanzaufsicht dort lax, streng oder korrupt ist, kann von hier aus nicht wirklich verändert werden.

Dem geschäftsführenden Finanzminister Peter Altmaier wird deshalb vorgeworfen, er würde die Einlagensicherung auf dem Altar der EU opfern. Das stimmt! Denn die Roadmap bis zum Sommer, die er jetzt beim Treffen der Finanzminister in Brüssel vorgeschlagen hat, ist die Fortsetzung des Rückzugsgefechts, das bereits sein Vorgänger Wolfgang Schäuble eingeleitet hat. Altmaier stellt vier Vorbedingungen für die Zustimmung Deutschlands für eine europäische Einlagensicherung auf. Notleidende Kredite sollen im Euroraum weiter abgebaut, die Insolvenzordnungen für Banken im Euro-Raum harmonisiert, Risikopuffer in den Bankbilanzen aufgebaut und der hohe Bestand an Staatsanleihen des eigenen Landes in den Bankbilanzen reduziert werden. Das ist alles richtig und vernünftig. In Griechenland und Zypern wird fast jeder zweite Kredit nicht mehr oder nicht mehr regelmäßig bedient. Auch in Italien ist das Problem der faulen Kredite besorgniserregend hoch. Im Zweifel wird gerade dort immer wieder ein Auge zugedrückt, wenn es um die Abwicklung von Banken und die Beteiligung der Eigentümer und Gläubiger der Banken geht. Wer viele faule Kredite in der Bilanz hat, muss sie irgendwann wertberichtigen und zu Lasten des Eigenkapitals abschreiben. Doch gerade das Eigenkapital der Banken ist nur mager vorhanden. Schon deshalb flüchten Banken in die Staatsanleihen, insbesondere des eigenen Landes, da hierfür, anders als bei Unternehmenskrediten, kein Eigenkapital bereitgestellt werden muss.

Es ist also ein dankbares Geschäft sowohl für die überschuldeten Staaten als auch für die Banken. Erstere werden ihre Anleihen los und Zweitere müssen kein Eigenkapital für den Kauf bereitstellen. Beide sind wie siamesische Zwillinge, die sich gegenseitig brauchen. Wenn das alles nicht hilft, dann hilft die EZB, die bis Ende des Jahres für 2.500 Milliarden Euro Anleihen von Staaten, Banken und Unternehmen gekauft haben wird. Inzwischen ist der Markt dafür fast leergefegt, daher kauft die EZB bevorzugt die Anleihen, die noch verfügbar sind. Das sind die Länder, die ihre Verschuldung weiter ausweiten, also die Problemländer.

Deutschland ist auch deshalb mit Altmaier auf dem Rückzugsgefecht, weil die europäische Einlagensicherung auch gegen Deutschland durchgesetzt werden kann. Bereits Anfang 2016 hat der Wissenschaftliche Dienst des Europäischen Rates die von der Europäischen Kommission gewählte Rechtsgrundlage für den Richtlinienentwurf gebilligt. Danach braucht es keine Einstimmigkeit im Europäischen Rat, sondern lediglich eine qualifizierte Mehrheit. Es müssen mindestens 55 Prozent der Staaten, also mindestens 15 bei 28 Staaten mit mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU zustimmen. Für eine Sperrminorität sind die Stimmen von mindestens vier Ratsmitgliedern, die mindestens 93 Stimmen im Rat aufbringen, notwendig. Dies gelingt nur, wenn sich ein Teil der bevölkerungsreichen Staaten Frankreich, Spanien oder Italien dem deutschen Widerstand anschließen. Das ist schon deshalb nicht zu erwarten, weil ja gerade diese Länder die Vergemeinschaftung anstreben.

Die Regierung hat bislang versäumt, die Rechtsgrundlage generell anzuzweifeln und dafür Verbündete in der EU zu suchen. Das fällt uns jetzt auf die Füße. Der nächste Schritt des Zentralismus in der EU ist daher vorbereitet. Mit dem ESM wurden erst die Schulden kollektiviert und mit der europäischen Einlagensicherung folgt bald das Sparvermögen. Sobald die neue Regierung in Berlin vereidigt ist, kann die Kommission einen Gang zulegen und muss keine Rücksicht mehr nehmen. Altmaier weiß das, billigt es also.

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Kommentare ( 69 )

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Känguru
6 Jahre her

Unsere Schwäche wird gerade gnadenlos ausgenutzt: http://www.nzz.ch/international/der-andere-blick-deutschland-verliert-die-fuehrungsrolle-in-europa-ld.1351409 Macron glänzt in der Welt mit unserem weit offenen Portemonnaie und nennt es Reform und Fortschritt. Wir können es nicht mehr verschließen. Eine Mehrheit gegen uns greift rein. Europa weiter denken. Wir bleiben unmündig. Es wird mit der großen Fälschung „Globalisierung ist unumkehrbar erzählt“. Die reformunwilligen und trickreichen Länder kommen immer durch. Die Deutschen sind bräsig, arbeiten und müssen extrem genügsam sein. Deutschlands Mittelschicht ist hinsichtlich Vermögen das Armenhaus in Europa. Draghi rettet die eh schon vermögenderen südlichen Anreiner. Was interessiert die ihre maroden Banken? Geht doch auch so. Frechheit siegt. Wolfgang Schäuble… Mehr

pcn
6 Jahre her

Es ist einfach nur noch unfassbar, wie uns das Merkel-Regime in den Abgrund stürzt. Wo bleiben die Proteste? Wo ist das Volk?

4711muenchen
6 Jahre her

Sehr geehrter Herr Schäffler, warum so pessimistisch? Es gibt doch im Bundestag eine Mehrheit der Konservativ- Liberalen! Eine ent-merkelte Union, eine F.D.P. und die AfD haben eine satte Mehrheit – warum wagen Sie mit Ihrer F.D.P. nicht den gemeinsamen Weg in eine marktwirtschaftlich – liberal-konservativ orientierte Zukunft Deutschlands ohne Ausbeutung durch die EU? Das wäre doch eine Zukunftsaufgabe! Stimmt – Ihre F.D.P müßte die üblichen Vorurteile gegen die AfD mal hinterfragen! Die Reden der AfD – BT-Abgeordneten zum Thema EU und Euro-Krise etc müßten Ihnen doch sehr entgegenkommen. Also – es gibt die realistische Chance für einen Neuanfang in Deutschland… Mehr

Tom Hess
6 Jahre her

Manchmal lehne ich mich genüsslich zurück und atme zufrieden durch, dass ich bereits vor 12 Jahren raus bin aus Europa und nicht mal mehr ein europäisches Bankkonto habe. Es fast wie großes Kino, von hier aus dem Zusammenbruch der EU zuzusehen. Es sind ja alle Entwicklungen. Euro verramschen, ESM, gläsernes Konto, Bargeldobergrenze, Draghis QE, diese entstandene Immo-Blase, die Blase an den Aktienmärkten. Einfach alles. Man kann es nur noch so ausdrücken: die Eliten, die sich als so superschlau halten, haben Europa rundherum und wirklich vollständig an die Wand gefahren. Vielleicht soll ja alles platzen, um für was Neues Platz zu… Mehr

Mühlberger
6 Jahre her

Wenn unsere Politiker so naiv sind, alles für Europa zu opfern, dann sind sie unfähig, uns zu regieren. Diese “ alternativlose“ Europapolitik unserer Regierung ist verantwortungslos. Meine Vorteile vom Euro: Die verrentete Lebensvewrsicherung wurde um 25 % gekürzt, Dank Herrn Draghi. Wie geht es weiter?

Timo Leary
6 Jahre her

Was hat denn das Halten von Staatsanleihen mit dem Eigenkapital zu tun? Ich sehe da keinen Zusammenhang. Möglicherweise wird das mit der Barreserve verwechselt, die eine Bank halten muss, wenn sie Wertpapiere besitzt ausgenommen Staatsanleihen. Eigenkapital ist ein Ausgleichsbetrag in der Bilanz: Guthaben – Verbindlichkeiten=Eigenkapital.

Der Prophet
6 Jahre her
Antworten an  Timo Leary

Jede Bank muss für das Eingehen von Risiken über einen gewissen Teil Eigenkapital verfügen (Eigenkapitalquote gemäß CRR). Das soll dazu dienen, dass die Banken auf der Aktivseite nicht unbegrenzt Risiken eingehen können, wenn sie auf der Passivseite nur unzureichend Eigenkapital besitzen um damit Ausfälle aus eigner Tasche kompensieren zu können. Bei der Berechnung der Risikoaktiva, auf die das erforderliche Eigenkapital berechnet wird, werden unterschiedliche Risikogewichte angesetzt. Dieses Risikogewicht beträgt für Staatsanleihen Null. Das bedeutet, dass die Bank für das Eingehen einer Risikoposition in Staatsanleihen kein Eigenkapital vorhalten muss. Wenn eine Bank ihre Eigenkapitalquote also gerade so einhält und plötzlich liquide… Mehr

azaziel
6 Jahre her
Antworten an  Der Prophet

Sie beschreiben das ganz ausgezeichnet. Leider sind vielen Zeitgenossen diese Zusammenhaenge nicht klar. Die Regeln dienen nicht der Stabilisierunmg unseres Finanzsystems, sie dienen der enthemmten Staatsfinanzierung.

Thomas Lenzen
6 Jahre her
Antworten an  azaziel

Allerdings wirkt die LR (leverage ratio) als weiterer Bestandteil der Basel III Regulierung diesen Effekten entgegen, weil die Aktiva bei der Berechnung dieser Quote nicht gewichtet werden.

Aufbruch
6 Jahre her

Der Ausverkauf deutscher Interessen in Europa geht also weiter. Der deutsche Bürger, der ohnehin schon einer der vom Staat meist aus gepressten ist, soll jetzt auch noch für die finanziellen Schieflagen in ganz Euro-Land gerade stehen. Unter Merkel ist der Bürger in diesem Lande zu einer zu vernachlässigende Größe verkommen. Seine Interessen werden zugunsten der Interessen anderer geopfert. Da braucht nur ein Macron wie der Phönix aus der Asche emporzusteigen und von Deutschland zu fordern, für die Schulden der Problemländer einzustehen, steht unser Politestablishment stramm. Entgegen jeder Realität und Vernunft. Wo bleibt der Sturm der Entrüstung derer, die von all… Mehr

K.Rasch
6 Jahre her

Hallo, die EU ist ein Friedensprojekt. Leider fühlt es sich so an, als hätte Deutschland gerade den Krieg verloren (kampflose Niederlage weil Friedensprojekt) und würden von den Siegern nun ausgezuzelt. MfG

EinAlterWeißerMann
6 Jahre her

Auch dieser Artikel ist wieder eine Bestätigung für meine mit der EURO-Einführung gewachsene Erkenntnis: Ceterum censeo EU esse delendam. Vielleicht habe ich ja wie Marcus Porcius Cato der Ältere das Glück, dass sich mein Wunsch erfüllt – allerdings möglichst ohne Krieg.

von Kullmann
6 Jahre her

Merkel in Davos: Abschottung ist keine Lösung.
Jetzt haben wir den Regierungssalat aus dieser Denke. Abschottung ist für sie, das verdiente Geld selbst zu behalten und zu investieren. Abschottung ist für sie, dem zentralistischen Moloch Brüssel Grenzen zu setzen. Keine Grenzen für alle deutschen Interessen ist ihre Lösung. Gibt es überhaupt noch zu verteidigende deutsche Interessen? Ja, Einwanderung nach Europa ist Merkels Diktat für Europa, bezahlt mit der Auflösung Deutschlands.
Merkels Politikausbeute ist schädlich – letztendlich für alle in Europa.