Olaf Scholz: Ein Pharisäer als Laudator für Dan McCrum

Ausgerechnet der Bundesfinanzminister, dessen BaFin einst den FT-Journalisten der Marktmanipulation bezichtigte, lobt ihn jetzt bei einer Preisverleihung.

imago images / photothek

Die Wirecard-Affäre, die größte betrügerische Pleite eines DAX-Unternehmens in der deutschen Finanzmarktgeschichte, treibt immer seltsamere Blüten. Noch im Februar 2019 hatte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Klage gegen die „Financial Times“ (FT) eingereicht, deren Redakteur Dan McCrum wieder einmal fundiert recherchierte Beiträge über die Bilanzmanipulationen des damaligen deutschen Börsenlieblings Wirecard veröffentlicht hatte. Der Vorwurf der deutschen Aufsichtsbehörde an den britischen Journalisten: Verdacht der Kursmanipulation. Er mache sich mit seiner Negativberichterstattung zum Handlanger von Leerverkaufs-Spekulanten, die auf einen Ausverkauf der Wirecard-Aktie wetteten.

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Der weitere Verlauf dürfte bekannt sein. Die damals erhobenen Vorwürfe von McCrum gegen Wirecard haben sich längst bestätigt. Das Unternehmen ist seit Juni dieses Jahres insolvent. Vorstände sitzen in U-Haft oder werden per Haftbefehl gesucht. Anleger beklagen Verluste in Höhe von rund drei Milliarden Euro. Ein Untersuchungsausschuss des Bundestags versucht die Verstrickungen von Aufsichtsbehörden, Wirtschaftsprüfern und politisch Verantwortlichen zu entwirren.

Das Ermittlungsverfahren der Münchner Staatsanwaltschaft gegen McCrum ist inzwischen eingestellt. Der investigative FT-Journalist erhält in diesem Jahr den Ludwig-Erhard-Preis für Wirtschaftspublizistik. An diesem Montag wurde ihm auch der deutsche Reporterpreis verliehen. Per Videobotschaft hielt ausgerechnet Olaf Scholz die Laudatio, die am Sonntagabend vorab sogar in einem kurzen Ausschnitt im ZDF-„heute journal“ zu sehen war. Anchorman Claus Kleber fand es in seiner kurzen Anmoderation lediglich „apart“, dass ausgerecht der Minister, dessen nachgeordnete Behörde den von ihm jetzt Belobigten einst verklagte, heute lobende Worte für den Journalisten findet.

Es grenzt an Heuchelei, wenn der Bundesfinanzminister in seiner Laudatio McCrums Arbeit als „einen Meilenstein des investigativen Journalismus“ lobt. Der Brite habe sich „große Verdienste um den Rechtsstaat, unser Gemeinwesen und – und das will ich hier deutlich sagen – auch um den Finanzstandort Deutschland erworben.“ Zwar verschweigt Scholz nicht, dass es staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen den FT-Journalisten gab. Er sei „froh, dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen eingestellt hat und sich jetzt auf die Täter konzentriert“. Davon, dass die Ermittlungen auf eine Strafanzeige seiner BaFin zurückgingen, kein Wort von Scholz und erst recht kein Wort der Entschuldigung. Angesichts des laufenden parlamentarischen Untersuchungsausschusses ist das Verhalten des SPD-Kanzlerkandidaten fast dummdreist zu nennen. Denn damit spornt er das Aufklärer-Trio im Untersuchungsausschuss – Florian Toncar von der FDP, den Grünen Danyal Bayaz und Fabio de Masi von den Linken – erst recht an.

Und die drei MdBs fördern mit ihren Kleinen Anfragen immer neue Beispiele zutage, die belegen, wie blind und einseitig die BaFin auf die erhobenen Vorwürfe reagierte. Ganz aktuell ist einer Antwort auf eine Anfrage des Grünen Bayaz zu entnehmen, dass die Bundesbank massive Einwendungen gegen das von der BaFin am 18. Februar 2019 für zwei Monate verfügte Leerverkaufsverbot erhoben hatte. Doch die dem Bundesfinanzminister unterstellte Behörde, deren Mitarbeiter selbst rege mit Wirecard-Aktien handelten, wie man inzwischen weiß, setzte sich über die Bundesbank-Bedenken damals einfach hinweg.

Das behördlich verordnete Leerverkaufsverbot, ein absolutes Novum übrigens, weil es das gegen eine einzelne Aktie noch nie zuvor gegeben hatte, wirkte wie ein staatlicher Persilschein für das Wirecard-Unternehmen. Die BaFin stellte sich damit eindeutig auf die Seite des Wirecard-Managements, das immer von einer Verschwörung gegen ihr Unternehmen fabulierte, wenn kritische Medienberichte erschienen und Shortseller am Markt gegen die Aktie zu wetten begannen. FDP-MdB Toncar nennt das damalige BaFin-Leerverkaufsverbot ein „Milliardengeschenk“ für die Wirecard-Vorstände Markus Braun und Jan Marsalek.

Bis heute gab es an der Spitze der BaFin keine personellen Konsequenzen. BaFin-Chef Felix Hufeld ist immer noch Präsident. Olaf Scholz, der wohl früher in die Causa Wirecard persönlich involviert war, als er bis heute preisgibt, hält bis auf weiteres seine schützende Hand über ihn, auch um der Peinlichkeit willen, jetzt den Journalisten zu loben, dem die BaFin vor knapp zwei Jahren die Staatsanwaltschaft auf den Hals hetzte. Scholz – der Pharisäer!

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Kommentare ( 13 )

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J. Werner
3 Jahre her

Schade, dass es keine Slapsticks mehr gibt : Scholz wäre als Bankräuber eine Spitzenbesetzung, der „haltet den Dieb“ ruft, während er mit der Beute im Sack sicher durch die Menge der Passanten läuft. Dazu das verstohlene Grinsen – da wäre Buster Keaton nur eine Zweitbesetzung. Aber zum Glück gibt es zwar keine Slapsticks mehr, dafür aber Wirecard, eine Luftschlösser bauende Firma, die sicher Netflix als nächsten „Narco – Blockbuster“ mit Herrn Olaf Scholz als Gastdilettanten verfilmen wird. Das Talent dazu ist ihm gegeben !

Peter Gramm
3 Jahre her

da gäbe noch ganz andere Firmen wo die roten Socken ihre schmutzigen Finger drinn hatten. Lohnt aber nicht mehr, der Laden ist in der Zwischenzeit pleite.

reiner
3 Jahre her

ohne ein arschl…….zu sein kommt keiner nach oben egal in welcher partei..

Imre
3 Jahre her

Scholz, das personifizierte Beispiel für den Niedergang der einstigen Volkspartei SPD. Und nein, kein Alleinstellungsmerkmal für Scholz, abwickeln der Wählerverarscher samt dieser Partei!

Theos Meinungsfreiheit
3 Jahre her

Das ist doch noch gar nichts angesichts der Meldung, dass der FACEBOOK Konzern jetzt die kriminellen Hass- und dHetze Sprüche dieser intellektuell minderwertigen Benutzer wie folgt priviledgieren will: Facebook’s Hate Speech Detection Tools Will ‘Deprioritize’ Hateful Conduct Towards Whites, Men Das bedeutet, die kriminellen Hass- und Hetze Sprüche gegen „Weiße“ und gegen „Männer“ wierden „deproritisiert“, also den anderen kriminellen Hass- und Hetzesprüchen weniger beachtet Somit macht sich Facebook zur Plattform von kriminellem Hass- und krimineller Hetze gegen „ausgewählte“ Bevölkerungsgruppen. Das genügt, dieses Medium hier in Europa für alle Zeiten stilllegen und verbieten zu lassen. Wenn man/frau es ernst meint un… Mehr

Kraken
3 Jahre her

Haben Sie schon mal von der AvP gehört? Ein Unternehmen, das Rezeptverrechnungen von Apotheken gegenüber Krankenkassen vornimmt. Natürlich vom Volumen her nicht vergleichbar mit Wirecard und daher nicht so medienwirksam. Es sieht ganz so aus, als ob die BaFin noch im ersten Quartal 2020 bereits über Unregelmäßigkeiten des Unternehmens informiert war. Angabegemäß schickte die BaFin erst einige Tage vor der Insolvenzbeantragung einen!! Mitarbeiter in das Unternehmen. Die Pleite brachte eine gewaltige Zahl von Apothekern (ca. 3.500 Apotheken seien betroffen) in arge Bedrängnis bzw. bis zur Geschäftsaufgabe mit einem Haufen Schulden im Rucksack. Wenn die BaFin insolvenzfähig wäre, würde als Insolvenzgrund… Mehr

Ben Clirsek
3 Jahre her

Der Scholz hat‘s scheinbar mit zwielichtigen Geschäftemachern. Ob Warburg im CumEx Skandal oder Wirecard, überall ist seine schützende Hand im Spiel. So zumindest mein Eindruck.

jansobieski
3 Jahre her

Nun, das ist die sittliche Reife der Genossen. Das kennen wir ja von denen zur Genüge. Nicht zu helfen ist allerdings denen, die solche Politiker noch wählen.

alter weisser Mann
3 Jahre her

Warten wir mal auf die Umsetzung der neuen Grundsteuer und vergleichen das mit Scholzens ursprünglicher Ankündigung, dass keiner mehr zahlen solle als zuvor.
Dann kriegt der Herr noch ganz andere Titel als Pharisäer.

Blauer Harnisch
3 Jahre her

Das Prinzip lautet: Wer seinen Feind nicht schlagen kann verbündet sich mit ihm, also Neutralisation durch Einbindung. Schließlich wird aber auch die BAFIN noch gebraucht, um den legalen Bilanzbetrug der Kreditinstitute zu steuern, damit es noch ein Weilchen ruhig bleibt bei den Schäfchen.