Norwegen plant Mini-Reaktor auf Spitzbergen

In Svalbard soll bis 2029 ein kompakter Bleikühl-Reaktor die Dieselgeneratoren ablösen – ausgerechnet dort, wo Norwegen seine arktische Präsenz gegenüber Russland sichert. Die Rückkehr zur Kernenergie ist kein technischer Fortschritt allein – sie ist eine geopolitische Notwendigkeit. Von Wolfgang Kempkens

Bild: Norsk Kjernekraft

Auf Svalbard leben rund 2500 Menschen. Bis 2023 versorgte ein Kohlekraftwerk die Hauptinsel Spitzbergen mit dem Verwaltungszentrum Longyearbyen die einzige bewohnte Insel des Archipels im hohen Norden, die zu Norwegen gehört. Seitdem mühen sich Dieselgeneratoren um eine sichere Versorgung. Das empfindet das Land als Schande, denn es ist die einige Stromerzeugungsanlage des Landes, die mit ihren Emissionen das Klima belastet.

Doch wahrscheinlich nicht mehr lange. Der Reaktorentwickler Blykalla in der schwedischen Hauptstadt Stockholm und der norwegische Kernenergieprojektentwickler Norsk Kjernekraft in Bergen haben im Juni gemeinsam das Unternehmen Svalbard Kjernekraft gegründet, um auf Spitzbergen einen kleinen Reaktor (SMR, Small Module Reactor) zu errichten, der die Insel mit „erschwinglicher und sauberer Energie“ versorgen soll, wie die Partner betonen. Jetzt haben sie ihren Plan dem Gouverneur von Svalbard vorgelegt. Das ist der erste formelle Schritt zum Bau der Anlage.
Der Reaktor soll nicht nur Strom erzeugen, sondern auch Wärme, die ins Fernwärmenetz der Insel eingespeist wird. Diese Aufgabe übernahmen die Dieselgeneratoren ebenfalls vom stillgelegten Kohlekraftwerk. Allerdings sind sie nicht allzu zuverlässig. Im Winter 2023/24 mussten Generatoren der norwegischen Armee eingeflogen werden, um die Energieversorgung aufrechtzuerhalten.

Gebaut werden soll ein SMR vom Typ SEALER (Swedish Advanced Lead Reactor) mit einer elektrischen Leistung von 55 Megawatt. Die Wärmeenergie, die im Reaktorkern durch die Spaltung von Uran erzeugt wird, transportiert flüssiges Blei ab. Sie landet in einem Wärmetauscher, in dem Dampf erzeugt wird. Ein Teil davon wird zur Stromerzeugung genutzt, ein anderer zum Beheizen von Wohnungen, Flughafen, Raketenstartplatz, Museum und Verwaltungsgebäuden.

Der Bericht, den der Gouverneur bekommen hat, beschreibt das Projekt und die örtlichen Gegebenheiten und schlägt weitere Untersuchungen zu den Themen Umwelt und Biodiversität, Sicherheit, Abfallentsorgung, Auswirkungen auf die Gesellschaft sowie Auswirkungen auf lokale Unternehmen und Arbeitsplätze vor. Der endgültige Standort des Kernkraftwerks wird im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung festgelegt.

„Nach Einreichung der Planungsinitiative ist es nun Aufgabe des Gouverneurs von Svalbard, den Umfang der Umweltverträglichkeitsprüfung festzulegen“, so Blykalla, das von Absolventen der Königlichen Technischen Hochschule in Stockholm gegründet worden ist. „Sobald dies geschehen ist, können detaillierte Studien und Konsultationen mit den Interessengruppen beginnen, die den Weg für das Genehmigungsverfahren und den späteren Bau ebnen.“ Die Anlage soll bereits 2029 in Betrieb gehen.

Der Reaktor ist „inhärent sicher“, beteuert das Unternehmen, er kann also nicht „hochgehen“. Das hat mehrere Gründe. Blei siedet erst bei einer Temperatur von 1700 Grad Celsius. Würde sie erreicht verdampfte das Schwermetall und baute einen hohen Druck auf, der das Reaktorgefäß bersten lassen könnte. Diese Temperatur kann jedoch bei weitem nicht erreicht werden. Zweiter Vorteil: Wenn die Pumpen, die das Blei durch den Kern treiben, ausfallen, schaltet sich der Reaktor nach einer Weile selbst ab, ganz ohne Eingriff von außen. Das Schwermetall wird zwar heißer. Die Folge: Die Kernspaltung schläft langsam ein, sodass keine neue Wärme produziert wird.

Gewaltige Abschirmungen aus Beton, wie sie bei heutigen Kernkraftwerken üblich sind, braucht der SEALER nicht. Blei ist ein hervorragender Strahlenschutz.

Derzeit baut Blykalla am schwedischen Kernkraftwerksstandort Oskarshamn einen Prototyp seines SEALER, um die Zuverlässigkeit des Konzepts, vor allem der Pumpen für flüssigen Blei zu testen. In dieser Anlage wird das Schwermetall nicht durch Kernspaltung, sondern elektrisch verflüssigt.
„Zuverlässige und bezahlbare Energie ist eine Voraussetzung für die weitere Wahrung der Souveränität Norwegens in Svalbard, insbesondere angesichts der aktuellen geopolitischen Lage“, sagt Jonny Hesthammer, CEO von Norsk Kjernekraft. „Nach der Schließung des Kohlekraftwerks in Longyearbyen ist die Kernenergie die einzige langfristige Lösung, um die Energiesicherheit ohne den Einsatz fossiler Brennstoffe aufrechtzuerhalten.“

Norwegen, das seinen Strom fast ausschließlich aus Wasserkraftwerken bezieht, will sich – ebenfalls mit Kernenergie, um das Klima zu schonen – gegen den vor allem durch Rechenzentren wachsenden Strombedarf wappnen, siehe auch

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Kommentare ( 7 )

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BK
3 Monate her

Für die hochbegabten Deutschen ist das technische Niveau zu hoch. Sie verdienen als Influencer oder Freelancer ihr Geld und behaupten, in Dubai zu leben.

Laurenz
3 Monate her

Follow the Idiots. Nachwievor wird zwar dauernd behauptet, es werden bald moderne Kernkraftwerke in Betrieb sein, die abgebrannte Brennstäbe nutzen können, aber bisher gibt es kein einziges, alles nur blabla. Klimaschutz ist eine Pharce, Herr Kempkens.

Deutscher
3 Monate her
Antworten an  Laurenz

Kernenergie steckt noch in den Kinderschuhen. Da ist noch viel Potenzial drin für die, die am Ball bleiben. Aber Windenergie ist nach Jahrhunderten der Entwicklung technisch ausgereizt, weswegen jetzt nur noch der Weg in den Gigantismus bleibt, also immer größer, immer mehr. Dieser Weg ist aber immer eine Sackgasse.

K.Behrens
3 Monate her

Norwegen eben, da tuckert die E-Fähre wie öffentlicher Nahverkehr samt PKW in der Stadt Molde, Fußgänger zahlen nichts. Abgesehen vom staatlichen System, wo Gewinne direkt der Bevölkerung zu Gute kommen, legt man keinen Wert auf Araber. Ich sah zumindest in der Stadt Molde, die nicht nur meinen Mädchennamen trägt, sondern auch als Stadt der Rosen bekannt ist, keine Araber. Das hat Deutschland leider verpasst und das ganz ohne Not. Die ehemaligen Gastarbeiter verbringen ihre Rente in der Türkei und deren Angehörige als Urlaub ebenso, ich kann es ihnen nicht verdenken. Es dürfte klar, seit 2915 haben wir es in Deutschland… Mehr

Memphrite
3 Monate her

Wo ist das Besondere hier? ROSATOM hat schon schwimmende „Mini“ Reaktoren.
Die Norweger waren mit von der Partie als NS2 gesprengt wurde.
Deutschland sollte zusammen mit Russland mit einigen Kriegsschiffen vor Oslo kreuzen und Reparation verlangen. Man darf träumen…..

Dr.KoVo
3 Monate her

Es ist sehr vernünftig, KKW’S der dritten und vierten Generation zu errichten. Es völlig unvernünftig das Kohlekraftwerk stillzulegen, ohne adäquaten Ersatz. Leider werden in solchen Artikeln auch immer wieder solche sinnlosen Ausdrücke wie saubere Energie, Klimaschutz u.s.w. benutzt.

MaxVanMoritz
3 Monate her

Ein schneller Brüter, verbrennt auch den gefährlichen Atommüll als auch
Thorium. Stationiert man ihn auf dem Wasser, ist immer Kühlung da. SMR haben den Vorteil das sie sehr klein sind und in Serie gebaut werden können, was die Kosten eneorm senkt.
Deutsche Entwickler sind nach afrika ausgewandert und bauen in Ruanda ein Dual Fluid Reaktor. Vor allem wegen den Vorschriften.
Dumpf Dumme Politik wie in der DDR und Fremdgesteuert, wir könnten diese Reaktoren in Russland kaufen.