Unternehmer verklagen den Staat – und fürchten den Shitstorm

Hunderte Unternehmer klagen nun vor Gericht gegen die Coronapolitik. Doch die Angst vor der Diffamierung scheint kaum geringer als die vor dem materiellen Schaden zu sein. Die Moralisierung des Lockdown hat ihre einschüchternde Wirkung schon erreicht.

IMAGO / SKATA

„Warum schweigen die Lämmer?“ Der Kognitionsforscher Rainer Mausfeld beklagt in seinem gleichnamigen Buch, dass Bürger sich die „Elitendemokratie“ gefallen lassen, obwohl diese ihre Lebensgrundlagen zerstöre. In Abwandlung des Titels könnte man sich derzeit fragen: „Warum schweigen die Unternehmer?“ Immerhin geht es für viele derzeit um nicht weniger als die materielle Existenz, die durch die Maßnahmen gegen die Coronapandemie gefährdet ist.

Selbst in den Pressemitteilungen des Dehoga, des Branchenverbands des besonders hart getroffenen Gastgewerbes, dominiert eher ein mitleidserregender  bittender Ton, kein kämpferischer. „Angesichts ausbleibender wie nicht ausreichender Hilfen und fehlender Perspektiven machen sich Verzweiflung und Existenzängste breit“, sagt Dehoga-Präsident Guido Zöllick. Das Gastgewerbe hat ein Umsatzminus von 39 Prozent fürs vergangene Jahr (bezogen auf die Corona-Monate März bis Dezember real 45,5 Prozent) zu verbuchen.

Offenbar gibt es da nicht nur die Angst um die ökonomische Existenz, sondern auch eine andere, vage Angst. Einen Eindruck davon gibt ein Artikel in der Wirtschaftswoche über „die größte Klagewelle, die Deutschland je gesehen hat“. Der Text beginnt mit einem Anwalt, der dies „gleich als erstes loswerden will“: Seine Mandanten seien keine Coronaleugner, sondern das Gegenteil. Offenbar sind diese Mandanten – „samt und sonders seriöse Unternehmer“ – eingeschüchtert. Sie fürchten offenbar durch die Klage gegen den Staat in schlechtem, unseriösem Licht zu erscheinen. Keine gute Ausgangslage für einen juristischen Feldzug – und ein Indiz dafür, dass die Coronapolitik längst nicht nur von sachlichen Erwägungen bestimmt, sondern in höchstem Maße moralisiert ist. 

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Diese Moralisierung ist vermutlich der Grund dafür, dass man bislang so selten hört von Klagen betroffener Unternehmen gegen die Regierungen in Bund und Ländern. Offenbar ist es auch die leiseste Klagewelle, die Deutschland je gesehen hat. Ein anderer Anwalt wird schließlich noch deutlicher: „Die Kleinen hoffen deshalb darauf, dass die Großen vorangehen. Doch die zögern oft aus Angst vor dem Shitstorm.“ Denn: „Die wollen nicht ins Lager der Coronaleugner geworfen werden.“ 

Und noch was kommt hinzu: Für große Unternehmen ist eine Klage oft überflüssig. Durch ihre schiere Größe, öffentliche Bekanntheit und vor allem ihre Lobby-Drähte in Verwaltung und Politik können diese Konzerne direkt mit den zuständigen Ministerien oder auch der öffentlichen Bank KfW verhandeln. Und bei den ganz Großen springt im Ernstfall eben der Staat gleich als Großaktionär ein, wie bei der Lufthansa oder TUI. Unter diesen ungeschriebenen Rahmenbedingungen kann ein Dax-Unternehmen eigentlich kaum insolvent werden. 

Für die, die sich nicht auf ihre Einflüstere in den Korridoren der Macht verlassen können, sondern nur auf ihr Recht hoffen, ist eine Klage das einzige   Mittel, sich gegen staatliche Vorgaben, die die Existenz gefährden, zur Wehr zu setzen. 

Ein paar Friseure sind da schon vorangegangen. Mag sein, dass ihre Entschlossenheit mit dazu beigetragen hat, dass die Runde der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten für Friseure eine Ausnahme machte, und sie demnächst wieder öffnen dürfen. Womöglich motiviert das auch andere Branchen, jetzt vor Gericht zu ziehen. Die schwer zu begründende Sonderstellung der Friseure dürfte auch die Chancen für klagende Anbieter anderer „körpernaher Dienstleistungen“ erhöhen.

Der in der Wirtschaftswoche zitierte Anwalt Klaus Nieding vertritt nun ein „dreistellige Zahl von Mandanten“ und prophezeit die im Titel erwähnte „größte Klagewelle, die Deutschland je gesehen hat“. Mit zweierlei Klagen: einerseits solche, die die Einschränkungen für den Geschäftsbetrieb aufheben wollen, andererseits solche, die Entschädigungen vom Staat verlangen.

Zwei weitere Meldungen sollten Unternehmern Mut machen, ihre Furcht vor der Diskreditierung zu überwinden und ebenfalls vor Gericht zu gehen. Erstens: Auf Landesebene sind bereits mehrfach einzelne Regierungsmaßnahmen durch Gerichte aufgehoben worden, zuletzt in Baden-Württemberg die nächtlichen Ausgangsbeschränkungen. Zweitens: Ein Richter hat Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht. Für ihn ist die derzeitige Krise „die größte Krise für das Grundgesetz“. Sollte er Recht bekommen, dürfte das auch Auswirkungen auf zivilrechtliche Haftungsansprüche haben.

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Kommentare ( 114 )

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horrex
3 Jahre her

Als RTY von der WiWo – mehr oder weniger – „gegangen worden war“ kündigte ich dort mein Abo. Mehr als ahnend was geschehen würde. –

moorwald
3 Jahre her

„Lauterbach warnt vor dritter Welle…läßt sich nicht mehr aufhalten…“
Ich hatte mich schon gewundert, seit gefühlt einer Stunde nichts mehr von Lauterbach gehört zu haben…
Aber auf diesen Komiker ist immer Verlaß.

EndemitdemWahnsinn
3 Jahre her
Antworten an  moorwald

Gestern gabs ja auch schon Warnungen von Merkel vor dieser dritten Welle. Das Schreckensszenario muss mit allen Mitteln aufrechterhalten oder sogar noch verstärkt werden.

moorwald
3 Jahre her

Zu den merkwürdigsten Erscheinungen unseres oreintierungslosen Zeitalters gehört wohl die Etablierung sogenannter „Ethikräte“ und „Ethikkommissionen“.
Im Grunde handelt es sich darum, den Machthabern ein gutes Gewissen zu verschaffen
Denn wenn ein Ethikrat das Schlechte gut findet, hat wieder einmal „die Wissenschaft“ gesprochen.
Man hält sich Virologen – warum nicht auch Sachverständige für das absolute Gute.
Roma locuta, causa finita.

horrex
3 Jahre her
Antworten an  moorwald

In dem Begriff „Ethik-Rat“ steckt eindeutig die Zukunft (dieses Staates): „Räte“ die immer und exakt wissen was „gut“ für uns ist.

moorwald
3 Jahre her

Die Zukunft kristallisiert sich in zwei Fragen:
1.Wovon wollen wir (und unsere Kinder und Enkel) morgen leben?
Dies betrifft Energieversorgung, Deindustrialisierung, Bildungsniveau… Ende des Soziualstaates infolge Überlastung

2.Wie wollen wir morgen leben?
Stichworte hierzu: persönliche Entscheidungsfreitheit, was Ernährung, Wohnen, Freizeit, Mobilität angeht.
Und bereits irreversibel: Massenzuwanderung, Tribalisierung, Auflösung des Rechtsstaates

Mein Onkel
3 Jahre her
Antworten an  moorwald

Irreversibel?
Nein.

moorwald
3 Jahre her
Antworten an  Mein Onkel

Die Schutzsuchenden würden – rein theoretisch – allenfalls dann in ihre Heimat zurückkehren, wenn es ihnen hier schlechter ginge als dort.
Aber was nicht ist, kann ja noch werden…

Mein Onkel
3 Jahre her
Antworten an  moorwald

Ein unrechtmäßig erworbener Paß kann auch wieder eingezogen werden.

moorwald
3 Jahre her
Antworten an  Mein Onkel

Ja, natürlich. Aber der Paß ist nicht so wichtig. Die Vermischung von Asyl- und Einwanderungsrecht ist das Grundübel. Es findet sich immer ein Weg zur Duldung und zum Bleiberecht.
Schauen Sie auf die Zahl Ausreisepflichtigen – und dann auf die der tatsächlich Abgeschobenen. Und die Herkunftsländer haben weder ein Interesse daran, die Ausreisewilligen zurückzuhalten, noch sie wiederaufzunehmen. Es ist im Grunde ein Export von überzähligen Menschen.
Nein, diese Flüchtlinge wird Deutschland nie mehr los. Im Gegenteil: sie werden allein aufgrund ihrer Geburtenrate (Stichwort: Familiennachzug!) das Land erobern.
„The Strange Death of Europe“ ist besiegelt.

Mein Onkel
3 Jahre her
Antworten an  moorwald

Eben nicht, wenn wir wieder ein Rechtsstaat sind.
Viktor Orban und andere zeigen wie es geht.

moorwald
3 Jahre her
Antworten an  Mein Onkel

Ich halte viel vom Rechtsstaat und hoffe auf seine Funktionsfähigkeit. Das Recht gilt ja nach wie vor, aber es ist zahnlos.
Aber wie stellen Sie sich das praktisch vor: Hunderttausende abzuschieben?
Und wohin? Bestimmt nicht in die Herkunftsstaaten. Also in riesige Lager?
Es werden nicht weniger, es werden jede Woche mehr.

Mein Onkel
3 Jahre her
Antworten an  moorwald

Also momentan haben wir eindeutig keinen Rechtsstaat. Es gibt faktisch keine Gewaltenteilung. Es muß gewählt werden bis das Ergebnis stimmt. Staatsanwälte und Richter sind nicht unabhängig, Posten und Urteile daher politisch vorgegeben. Politiker gehen zu einem großen Teil Nebentätigkeiten nach, vernachlässigen dabei ihr Mandat zu gunsten von Lobbyisten. – Pecunia non olet. Merkel schafft Tag für Tag vollendete Tatsachen durch ihre Importe. Wie wir die Unrechtmäßigen – denn das sind die meisten laut EU-Recht – wieder los werden, da habe ich keine Patentlösung. Vielleicht kommt eine Lösung des Problemes näher, wenn die Kassen definitiv leer sind. Hoffentlich dann aber NICHT… Mehr

Tizian
3 Jahre her

Es ist in diesem Land eben einfacher und lukrativer, sich vom Staat, natürlich mit Steuergeldern, „retten“ (korrumpieren) zu lassen, als sich zur Wehr zu setzen und das zu machen, was ein richtiger und verantwortungsbewußter Unternehmer tut.

H. Priess
3 Jahre her

Sich an irgendwelche obskuren Vereine oder gar Gewerkschaften zu wenden und von denen zu verlangen die Interessen ihrer (Zwangs)Mitglieder zu vertreten ist reichlich Naiv. Die Angst vor den Medien ist schon Paranoid. Keiner will sich einem künstlich hergestellten Shitstorm entgegenstellen. Warum diese Angst? Darüber wurde schon viel geschrieben und die Täter sind bekannt. Merkel und Komplizen sind Verantwortlich für diese Angst. Was ich mich allerdings frage ist, warum tun sich die Geschäftsinhaber, Händler usw. in einer Stadt nicht zusammen und sagen ab dann und dann machen wir alle auf egal was passiert! Was will das Ordnungsamt denn machen? Alle zwingen… Mehr

elly
3 Jahre her

„…und vor allem ihre Lobby-Drähte in Verwaltung und Politik „
die Lobby Drähte hat aber die Automobilindustrie verloren. Mit Feinstaubhysterie fings an.

ketzerlehrling
3 Jahre her

Wie in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, so wollen viele nicht bemerken, dass eine Diktatur in diesem Land entstanden ist, die dreist und skrupellos die Menschen einschüchtert, ihre Werte, ihre Existenzen vernichtet, sie unterdrückt, ausbeutet und hält, unter noch widrigeren Umständen als in der Tierhaltung. Die Altparteien versuchen sich gegenseitig zu überbieten mit Verboten, mit Schikanen, mit moralischer und emotionaler Erpressung, sie haben alle Hemmungen abgelegt, sie betreiben dies ganz offen. Was tun die Menschen dagegen? Nichts. Die Schrottgenerationen von heute beschimpfen ihre Vorfahren, warum die nichts gemerkt haben bzw. nichts getan haben und tun alle Erklärungen als Ausflüchte… Mehr

Wittgenstein
3 Jahre her

Lieber Herr Knauss, eine gute Zeit für jeden, der verstehen möchte, wie Diktaturen enstehen und die Menschen drangsaliert, unfrei und in Angst und Schrecken gehalten werden können. Und eine gute Zeit für jeden, der verstehen möchte, wie der Mensch beschaffen ist und warum es früher Blockwarte, Denunzianten oder IM gab. Und auch eine gute Zeit für jeden, der verstehen möchte, in welchem Abschnitt des „Life Cycle“ sich dieses Land und seine Bewohner befindet. Und ebenfalls eine gute Zeit für jeden der verstehen möchte, welcher Typ von Mensch es an die Schaltstellen der Macht in Politik und fast überall sonstwo geschafft… Mehr

Kaltverformer
3 Jahre her
Antworten an  Wittgenstein

Erinnern sie sich noch an die 1980iger bis in die frühen 1990er, als Leistung, Wissen und Selbstverantwortung noch selbstverständlich war?
Wenn wir von damals einfach nach 2021 katapultiert worden wären, wären wir am ersten Tag ungläubig gewesen, aber hätten am zweiten Tage die Revolution ausgerufen und diese Politversager und Gesellschaftszerstörer, wenn schon nicht außer Landes gejagt, dann juristisch belangt!

Lotus
3 Jahre her

In Kürze stehen Landtagswahlen in Ba.-Wü. und Rh.-Pf. an. Ich bin gespannt, ob sich das Corona-Versagen der Blockparteien in den Ergebnissen irgendwie bemerkbar machen wird. Ich glaube es nicht. Vermutlich werden sogar viele der Selbstständigen/Unternehmer, die nun vor dem Ruin stehen, ihr Kreuz bei den „Etablierten“ machen. Auch ein Jan Fleischhauer wundert sich im unten verlinkten Youtube-Video über die Zurückhaltung dt. Wirtschaftsverbände. Und auch hier wird als Grund die Angst vor Diffamierung genannt, weil Kritik an der Merkel-Regierung vom politisch-medialen Komplex mittlerweile als Angriff auf Gesellschaft und Demokratie gebrandmarkt wird. Nach über 15 Merkel-Jahren ist es in Deutschland gefährlich weit… Mehr