Faesers Bargeldobergrenze – Argumente, Motive und ein schweigender Bargeld-Exfreund

Nancy Faeser entdeckt in sich die Kriminellenbekämpferin. Schließlich rechtfertigt dies einen neuen Schritt weg vom Bargeld. Und Christian Lindner, der 2016 den Bargeld-ist-Freiheit-Kämpfer mimte, ist als Finanzminister ganz still geworden – genauso wie der grüne Datenschützer Konstantin von Notz.

IMAGO / Future Image
Innenministerin Nancy Faeser und Finanzminister Christian Lindner im Bundestag, 07.09.2022

Bundesinnenministerin Nancy Faeser ist bislang nicht als beinharte Bekämpferin der organisierten Kriminalität aufgefallen. Bei der Vorstellung der Studie über „Sicherheit und Kriminalität in Deutschland“ zum Beispiel verlor sie darüber kaum ein Wort, sprach dafür umso mehr über das Vorgehen gegen „Hass und Hetze“ im Netz, das ihr „persönlich ein wichtiges Anliegen“ sei und auch „stärker im Alltag beachtet werden“ müsse. 

Nun aber spricht sie vom Ziel, „kriminelle Strukturen zu zerschlagen und ihnen kriminelle Einnahmen konsequent zu entziehen“. Das Mittel dazu soll eine Bargeldobergrenze für den Zahlungsverkehr von 10.000 Euro sein. Es ist kein neues Vorhaben, in Deutschland wurde das schon 2016 in der großen Koalition debattiert, aber nicht umgesetzt, nachdem es deutlichen Widerstand in der Union, in der Bundesbank, aber auch in weiten Teilen der Wirtschaft gab. In der EU-Kommission gibt es Pläne für eine einheitliche Obergrenze, in den meisten EU-Ländern gibt es bereits Obergrenzen. In Italien zum Beispiel liegt sie bei 2000 Euro. Dort aber hat die neue Regierung von Giorgia Meloni das Gegenteil vor: Sie will die Grenze anheben auf 10.000 Euro.

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 Wie wirkungsvoll Bargeldobergrenzen bei der Bekämpfung der Kriminalität sind, ist Gegenstand von durchaus kontroversen Diskussionen unter Kriminologen. Natürlich ist es offenkundig, dass solche Begrenzungen für Kriminelle das Geschäft zumindest unbequemer machen. Allerdings ist ebenso naheliegend, dass eine gesetzliche Grenze für notorische Gesetzesbrecher sicher keine unüberwindbare Hürde darstellt. Das Übergeben von Geldkoffern wird weiter stattfinden, nur lassen sich diese Zahlungen dann nicht mehr ganz so einfach legalisieren. Diese „Geldwäsche“ muss dann eben zur Not in vielen kleinen Waschgängen erfolgen. Kriminelle Strukturen wirklich komplett zu „zerschlagen“, wird die Bargeldobergrenze wohl nur in den seltensten Fällen ermöglichen. Eher dürfte sie den organisatorischen Aufwand von Kriminellen erhöhen. Aber auch das ist ja im Kampf gegen sie durchaus hilfreich. 

Nur fragt man sich, wieso Faeser und viele ihrer Parteifreunde bei anderen Methoden des Kampfes gegen die organisierte Kriminalität nicht denselben Eifer zeigen. Sobald es um verschärfte Grenzkontrollen und die Erweiterung der Möglichkeiten zur Abschiebung von straffälligen Ausländern geht, ist von Faeser nichts mehr über die Notwendigkeit zur Zerschlagung von kriminellen Strukturen zu vernehmen. Deswegen ist ihr Argument für die Bargeldobergrenze so wenig glaubwürdig.

Der Verdacht ist naheliegend, dass wie schon 2016 in der großen Koalition auch jetzt wieder andere als kriminalistische Motive den politischen Wunsch nach der Bargeldobergrenze in erster Linie antreiben. Der Münchener Volkswirtschaftsprofessor Gerald Mann hatte das 2106 so formuliert: „Der ‚Krieg gegen das Bargeld’ nimmt auch in Deutschland an Schärfe zu. Die Interessengemeinschaft aus Politik, Noten- und Geschäftsbanken möchte wohl mittelfristig das Bargeld loswerden. Sichtlich wird eine Salamitaktik angewendet.“ 

Interessant wird auch einmal wieder das Verhalten der FDP in der Ampelkoalition sein. Immerhin twitterte der FDP-Abgeordnete Frank Schäffler: „Eine Bargeldobergrenze ist Freiheitsentzug.“ Aber Schäfflers Einfluss in Partei und Fraktion, geschweige denn auf die FDP-Spitze ist eher gering.

Dass sich der Bundesfinanzminister in einer Frage, die eigentlich den Kern seines Ressorts betrifft, von Faeser vorführen lässt, ist wohl schon ein Präjudiz. Er müsste sich das von der Kabinettskollegin eigentlich verbitten (es sei denn der Vorstoß war abgestimmt). Zumal Lindner erst vor wenigen Tagen behauptet hatte, es sei „keine Rede davon, das Bargeld abzuschaffen“. Da hatte er allerdings selbst gerade seine Sympathie für das sogenannte „digitale Bargeld“ geäußert, das natürlich kein Bargeld, sondern nur eine bargeldähnlich zu gebrauchende Form des Giralgeldes ist.  

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Lindner jedenfalls twitterte seit Faesers Vorstoß zwar über die „Gründerwoche“, den inhaftierten russischen Oppositionellen Alexei Nawalny und den bayrischen Fraktionsvorsitzenden Martin Hagen, aber nicht über Faesers Bargeldobergrenzenforderung. Dabei müsste er sich noch nicht einmal eine Formulierung überlegen. Er müsste nur sich selbst zitieren: „Bargeld ist gelebte Freiheit. Es gehört zu einem Leben in Freiheit, dass wir entscheiden können, wie wir bezahlen, was wir kaufen und wem wir unser Geld geben.“ Das sagte er 2016 bei Anne Will und beteiligte sich an einer Aktion einer Boulevardzeitung namens „Finger weg von unserem Bargeld!“.

Damals hatte er als frisch gewählter Parteivorsitzender gerade von Düsseldorf aus den Kampf um die Rückkehr der FDP in den Bundestag aufgenommen. Damals vermutete Lindner, dass es Union und SPD gar nicht um die Bekämpfung der Terrorfinanzierung geht, „sondern um die Kontrolle über die Sparguthaben“. Und nun, so muss man dieses Zitat wohl aktualisieren, geht es eben den Ampel-Parteien um dieselbe Kontrolle. 

Lindner hat es geschafft, zu den potentiellen Kontrolleuren aufzusteigen. Da interessiert das Geschwätz eines aufstrebenden Freiheitsfreundes von gestern eben nicht mehr. Auch wenn er selbst dieser war.

Erinnern sollte man in der jetzigen Debatte allerdings auch an die Grünen und ihre damals noch hoch gehaltene Fahne des Datenschutzes. So twitterte der heutige stellvertretende Bundestagsfraktionsvorsitzende Konstantin von Notz am 3. Februar 2016: „Der Versuch, nun Bargeldzahlungen massiv einzuschränken, ist ein neuer fundamentaler Angriff auf den Datenschutz + die Privatsphäre“. Auch von Notz hat nach Faesers Vorstoß diesmal nicht Stellung bezogen. 

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Kommentare ( 68 )

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Kappes
1 Jahr her

Ich weiß nicht, ob Lindner diesbezüglich etwas geäußert hat, aber was bitteschön soll „digitales Bargeld“ sein? Für mein Empfinden ist Bargeld in unserem System physisch vorhanden und analog. Eine Münze ist real und keine Computer-generierte Datei, kein ideelles Konstrukt aus Nullen und Einsen.

Rob Roy
1 Jahr her

Ich bin für die Bargeldabschaffung!
Aber nur, wenn es um die 1- und 2-Cent-Stücke geht, von denen man sich eh nichts mehr kaufen kann. Nicht mal die Kinder wollen sie für ihr Sparschwein haben.

Thorsten
1 Jahr her

Die Zahlungsabwicklung kann auch im Ausland erfolgen. Und sei es per Hawala-System. Oder einfach Goldmünzen – deren Wert steigt ja ständig. Früher hätte man sich den Buckel krumm geschleppt, heute reichen ein 5 Stück für 10k€.

Pumpernickel
1 Jahr her

Ein Mitglied des A.Clans wurde letzte Woche mit viel Getöse und Medienaufmerksamkeit unter anderem mit Privatjet in den Libanon zurück geführt

Nun tönt er: er kommt zurück. War eigentlich klar

Was Frau Nancy Faeser: was tun Sie als Bundesinnenminister:in dagegen ???

Ich frag mal nur mal so…

chaosgegner
1 Jahr her

…über das Vorgehen gegen „Hass und Hetze“ im Netz

Hass und Hetze werden ausschließlich von Politikern in die Gesellschaft getragen! Sie sind die Verursacher und Förderer und Nutznießer der Gesellschaftsspaltung.
Gespaltene Gesellschaften leisten keinen Widerstand!

Klaus D
1 Jahr her

Die 10.000 euro als obergrenze finde ich gut. Es macht einfach keinen sinn zb ein auto mit 50.000 euro bar zu bezahlen. Gerade im gebrauchtwagenmarkt werden so steuern hinterzogen und das nicht zu wenig.

Fried-lich
1 Jahr her
Antworten an  Klaus D

Das würde zwangsläufig eine digitale Zentralbankwährung bedeuten. Geschäfte finden seit jeher Zug um Zug statt. Ein Bargeschäft ist weitestgehend ein Echtzeitgeschäft. Ein nichtbarer Autokauf müsste an eine Echtzeitüberweisung gebunden sein. Es wird kaum jemand privat sein Auto hergeben und zwei Tage auf eine mögliche Überweisung warten. International gibt es deshalb Akkreditivgeschaefte – um diese Vertrauensluecke zu schließen. Bargeld ist einfach, gibt Freiheit, Vertrauen und die wenigen Schattenseiten der Bargeschaefte sind keine wirkliche Last Verglichen zur Bewahrung der Freiheit. Es ist Aufgabe des Staates dafür zu sorgen, dass möglichst wenig Steuern, transparent erhoben werden und gern gezahlt werden. Alles ist gegenwärtig… Mehr

Klaus D
1 Jahr her
Antworten an  Fried-lich

Ich weiß nicht! Ähnliche argumente gabs ja als man papiergeld eingeführt hat und sie wissen ja wie schnell das nix mehr wert sein kann. Und sicher gibts da probleme aber die werden sicher gelöst wie überweisung in echtzeit. Für mich ist das eine ganze normale entwicklung „muscheln – goldmünzen – papiergeld – digitalgeld“. Dazu kommt ja das ihr bankkonto auch digital ist also nur zahlen sind (0 und 1) und vieles wird ja darüber gemacht auch bei hohen summen zb häuserkauf.

Fried-lich
1 Jahr her
Antworten an  Klaus D

In der Aufzählung verbirgt sich noch ein kleiner Fehler. Papiergeld löste Gold nie schlussendlich ab. Mit dem Vertrauensverlust kam Gold zurück. Überdies ist Gold gegenwärtig immer noch die einzige, echte Reservewährung. Dies auch der Grund, warum die Zentralbanken stetig die Goldreserven aufstocken. So wird Gold sicher auch die Reservewaehrung bei einer DLT Lösung sein. Das Ausklammern im neuen Nancy F. Gesetz von Blockchain-Currency Token und Gold als Zahlungsmittel zeigt mir die Angst vor Hyperinflation und dass Frau F./ fachliches Umfeld eine Situation wie in den 1920er Jahren für sehr wahrscheinlich hält. In besagter Zeit konnten Sie für eine Unze Gold… Mehr

Klaus D
1 Jahr her
Antworten an  Fried-lich

es geht hier um offizielle zahlungsmittel!….sie können ja mal bei aldi probieren mit einer goldmünze zu zahlen!

Klaus D
1 Jahr her
Antworten an  Klaus D

Das könnte passieren so hat das papiergeld ja nach und nach die goldmünzen als zahlungsmittel verdrängt. Sie wissen schon das sie da nur papier haben was ganz schnell nix mehr wert sein kann und zur zeit im jahr 10% an wert verliert.

Klaus D
1 Jahr her
Antworten an  Klaus D

dann macht bargeld aber keinen sinn! und es geht ja eben darum das mit bargeld verschleiert wird wenn es um hohe summen geht….bestechung, steuerbetrug/hinterziehung, kriminelle tätigkeiten….

Fried-lich
1 Jahr her

Am 26.10.2022 wurde der Gesetzesentwurf zum „Sanktionsdurchsetzungsgesetz II“ vorgelegt. Nun, warum sollen plötzlich Immobilien nicht mehr bar, aber insbesondere nicht mit Rohstoffen oder Kryptowährungen bezahlt werden dürfen? Immobiliengeschäfte sind doch schon heute die transparentesten Transaktionen. Sie müssen notariell beglaubigt sein, Städte und Gemeinden haben ein Vorkaufsrecht – sind also involviert. Über die Grunderwerbsteuer wird die gesamte Transaktion abermals transparent. Nach Fishers Quantitätstheorie des Geldes stehen die Uhren auf anhaltend hohe Inflation. Kommt für den Euroraum, wie in der Türkei noch ein Verfall des Wechselkurses hinzu, kann wie dort die Inflation sehr hohe zweistellige Werte erreichen. Hinzu ist geplant, eine neue… Mehr

Juergen P. Schneider
1 Jahr her

Die Umfaller-Partei ist eben einfach unwählbar geworden. Egal was diese Nieten in letzter Zeit abgesondert haben, immer waren sie auf der Seite der links-grünen Gesellschaftszerstörer. Wer diese Versager noch wählt, dem ist nicht mehr zu helfen.

Martin Mueller
1 Jahr her

Für welche Politik steht Herr Lindner eigentlich noch?

Die FDP ist doch längst rotgrün eingefärbt…

Donostia
1 Jahr her

Endziel Bargeldabschaffung sprich Verbot. Wenn dann alle ihr Geld auf der Bank haben kann man starten mit dem Lastenausgleich.

Max Wilde
1 Jahr her
Antworten an  Donostia

Gemach, Gemach, in einer kürzlichen EU Konferenz zur Einführung digitalen Geldes (siehe Artikel in Achgut), sagte Lindner, das digitale Geld dürfe das Bargeld nicht ersetzen, sondern nur ergänzen. Die anderen anwesenden EU Gößen sahen das sichtlich anders, aber Entscheidungen des Rats zur Einführung des Digitalen Geldes sind vom Rat bisher nicht getroffen. Hat die EU überhaupt die Kompetenz für eine so wichtige Sache? Es gibt auf jeden Fall in Deutschland eine wichtige Bremse für die von der Kommission gewünschten Bargeld-Deckelung und eine baldige Abschaffung des Bargeldes. Laut Ex Verfassungsgerichtspräsident Papier schützen etliche Artikel des Grundgesetzes den Gebrauch und die Existenz… Mehr

Michael M.
1 Jahr her
Antworten an  Max Wilde

Seit wann läßt sich die EU von fehlender Kompetenz aufhalten?! Das wäre ja etwas komplett Neues !!!
Und was das Grundgesetz (noch) wert ist haben wir ja in den letzten 3 Jahren bestaunen dürfen.

Donostia
1 Jahr her
Antworten an  Max Wilde

Wahrscheinlich halten sich unsere Politiker genauso an die Gesetzgebung wie beim Zurückweisen von Asylanten aus sicheren Drittstaaten. Die tun was Sie wollen, und wenn es irgendwie geht möchten Sie das Ganze noch zuvor legalisieren um nachher nicht belangt werden zu können