Die Konferenz der Kontroll-Illusionisten

Deutschlands Corona-Politiker kommen zusammen, um die vierte Welle zu brechen. Doch offenbar ist die bereits dabei, zu brechen. Die Kontrollfantasien der Politik entpuppen sich mal wieder als eine Illusion.

IMAGO / STPP

Nun tagen sie also wieder, Deutschlands oberste Corona-Bekämpfer in Bund und Ländern. Der vorgezogene Gipfel der Noch-Kanzlerin Merkel (am Tag ihrer Verabschiedung mit Zapfenstreich), des Bald-Kanzlers Scholz und der Ministerpräsidenten. Ihr Ziel ist in der Beschlussvorlage des Kanzleramts so formuliert: „Deshalb werden wir in einem Akt der nationalen Solidarität gemeinsam dafür sorgen, dass die Infektionszahlen wieder sinken und unser Gesundheitssystem entlastet wird.“

Dafür ist allerdings schon gesorgt, wie ein Blick auf ebenjene aktuellen Zahlen offenbart. Die Infektionszahlen haben den Höchstwert von 76.414 am 27. November seither deutlich unterschritten, die Zahl von heute lautet 67.186. Die vierte Welle hat also ihren Höhepunkt womöglich schon überschritten. Sie ist hoffentlich gebrochen, jedenfalls hat sie ihre exponentielle Dynamik verloren. Woran das liegt? Das weiß wohl noch niemand so recht – wie so oft in dieser Pandemie. Womöglich, vermutlich auch an den bisherigen Maßnahmen, womöglich aber auch an Faktoren, die unbekannt sind und mit politischem Handeln nichts zu tun haben.

Eins jedenfalls ist sicher: Das Brechen der vergangenen Tage hängt ganz sicher nicht mit dem heutigen Corona-Gipfel und den dort zu fassenden Beschlüssen zusammen, die Impfungen zu forcieren und weitere Kontaktbeschränkungen einzuführen.

Die naheliegende Erkenntnis, dass Bundesnotbremsen, Lockdowns und andere Maßnahmen ganz offensichtlich nicht oder zumindest nicht so unmittelbar kausal wie beabsichtigt auf das Infektionsgeschehen wirken, dass es also keine politische Kontrolle über die Pandemie gibt, ist ganz offensichtlich weder bei Regierungspolitikern noch bei der dominanten Medienöffentlichkeit wirklich angekommen.

Ein schönes Beispiel für die kognitive Dissonanz zwischen dem ungeklärten Rückgang der Zahlen und dem Beharren auf dem Glauben an das eigene politische Handeln bietet heute SPD-Coronapolitiker Karl Lauterbach, der gegenüber Bild sagt: „Die Welle bricht.“ Doch dann gleich anfügt: „Aber viel zu langsam!“ Und in unergründlicher Scheinlogik fortfährt: „Die Wirkung der bisherigen Maßnahmen ist zu schwach. Wir müssen nachlegen mit harten Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte, Maskenpflicht für Schüler, 2G mit strengen Kontrollen und geschlossenen Clubs und Bars.“

Nichts scheint in der (Corona-)Politik so hartnäckig verankert wie das, was Psychologen als „Kontrollillusion“ bezeichnen, also der Glaube, Vorgänge kontrollieren zu können, die objektiv nicht kontrollierbar sind. „Es handelt sich dabei“, so wird auf einer Website der Neurologen-Vereinigung Neurology first verständlich erklärt, „um einen psychologischen Mechanismus, der insbesondere dann zum Einsatz kommt, wenn der Mensch in Situationen kommt, in denen er eigentlich wenig oder keine Kontrolle über die Entwicklung der Ereignisse hat. In Folge der Kontrollillusion entsteht dann der subjektive Eindruck eines selbstbestimmten Handelns und das eigene ‚Ich‘ wird stabilisiert. Kurz zusammengefasst könnte man sagen: Selbst wenn die Kontrolle nur auf einer Illusion beruht, vermittelt sie doch das Gefühl von Sicherheit.“

Stabilisiert wird im Falle der coronapolitischen Kontrollillusion nicht nur das „Ich“ der Politiker, sondern auch das Vertrauen der Bürger in die Politiker. Weswegen sich die Entzauberung der Illusion für regierende Politiker in jedem Fall verbietet.

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Kommentare ( 53 )

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53 Comments
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Scherer
2 Jahre her

Wir können weiter kommentieren und unsere Wünsche äussern oder unseren Frust abladen. Ändern wird sich nichts. Warum? Weil wir überdemokratisiert, total überorganisiert und überkontrolliert sind. Datenschutz ist wichtiger als Menchenschutz. Homeoffice der Behörden führen zum Stillstand. Talkshowleiter, Journalisten, Politiker suchen permanent die Schuldigen der vergangenen Fehler und Pannen, statt nur nach VORNE zu schauen, um es in Zukunft besser zu machen. Wahlkampf und Pöstchen waren wichtiger als Pandemiebekämpfung . Unsere Gesellschaft ist gespalten. Sarrazin erklärt uns die echte Lage und wird dafür aus der SPD geworfen. Dank Merkel mit ihrer linksgrünen Politik gehts steil bergab. Aber die Deutschen wollten es… Mehr

moorwald
2 Jahre her

„Corona“ hat ein Gutes: Es macht schonungslos deutlich, wie morsch das ganze Staatswesen bereits ist. „Was fallen will, soll man noch stoßen..“ sagte ein Philosoph. Was diese Bundesrepublik überhaupt noch zusammenhält und einigermaßen funktionieren läßt, ist bestimmt nicht die politische Führung. Die Machthaber sind ausschließlich damit beschäftigt, ihre Haut zu retten und vor allem für nichts verantwortlich gemacht werden zu können. Bei aller Kraftmeierei wissen sie insgeheim, daß sie den kommenden wirklichen Krisen nicht gewachsen sein werden. Die kommende Regierung ist ein schlechter Witz. Das einzige einigende Band ist der Wille zur Macht. Neben ganz banalen Dingen natürlich wie Pöstchen,… Mehr

K.Behrens
2 Jahre her

Das Gestammel des heutigen Tages über einen “Akt der nationalen Solidarität” ist bereits schriftlich fixiert: https://www.welt.de/bin/mpk.pdf_bn-235420198.pdf Mir fehlt die Begabung zu solchen Phantastereien. Man greife sich beliebig einen der 20 Punkte. Unter 6. taucht “inzidenzunabhänig” auf, damit hört nun also das mediale Gequake über nicht nachvollziehbare Infektionen auf? Unter 20. geht es dann zur Sache mit der Finanzierung dieses Wahnsinns.  Ob sich die einen oder anderen Wahlberechtigten doch noch Gedanken über ihre Kreuzchen machen, bezweifel ich. Dafür ist der hysterische Glaube an staatliche Versorgung mit kostenlosem zweifelhaftem Impfstoff ( letztlich alles aber sicher nicht kostenlos!) gepaart mit unverhältnismäßigen Maßnahmen bereits… Mehr

Roland Mueller
2 Jahre her

Da der PCR-Test Coronaviren nicht von anderen Erkältungsviren unterscheiden kann, handelt es sich wohl um eine banale Erkältungswelle, wie sie seit allen Zeiten bei nasskaltem Wetter üblich ist. Zur Erinnerung, die amerikanische Gesundheitsbehörde hat dem PCR-Test die Zulassung entzogen, weil er aus den o. g. Gründen keine verlässliche Diagnose ermöglicht.

K.Behrens
2 Jahre her
Antworten an  Roland Mueller

Ein sogenannter PCR Test ist längst Geschichte, Viruslast/Ct-Wert oder gar noch Nachweis auf ein neues Virus? In Deutschland samt Kliniken und Altenheimen dienen ausschließlich verfügbare Schnelltests wie diverse Schwangerschaftstests zur Diagnostik, wenn überhaupt! Man möge also nicht einer Illusion folgen, alle Zahlen beruhen ausschließlich auf diesen Schnelltests. Ein renommiertes kirchlich geführtes Altenheim unter dem Namen St.Magnus in Hamburg macht nicht anderes als diesen Schnelltest für alle Besucher. Die Empfangskraft am Eingang gibt mit harschem Ton sogar FFP-Mundschutz kostenlos ab, der mit den Gummibändern schon eine Herausforderung darstellt. Tja, je länger das freudlose kirchliche Leben im Altenheim, desto größer der Gewinn!

W aus der Diaspora
2 Jahre her

Es war doch bisher schon jedsmal so. Sobald die Zahlen runter gingen wurden Maßnahmen ergriffen und hinter gesagt „seht ihr, wir haben es gestoppt“
Um den richtigen Zeitpunkt dafür zu bekommn wurde diesmal halt besonders lange gewartet – früher hätte es nichts genutzt …

Jatoh
2 Jahre her

In der DDR trugen manche Menschen eine medizinische Kanüle unter dem Jackett Revers.
So konnte man sich unter Gleichgesinnten zu erkennen geben.
Es bedeutete:
Wir lassen uns den Sozialismus nicht einimpfen.
Ach, das waren noch Zeiten.
Heute lassen sich (fast) alle freiwillig impfen.
Aus Angst.

Last edited 2 Jahre her by Jatoh
moorwald
2 Jahre her

Wie soll es nach dem Zusammenbruch von Wirtschaft, Verfassungs- und Rechtsstaat weitergehen?
Mit dem gegenwärtigen Personal wird es nicht zu schaffen sein.
Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Abwicklung dessen, was einmal Bundesrepublik Deutschland hieß.
Oder zumindest den Versuch einer Neugründung auf Basis. der Restbestände.
Vielleicht trug dieses Gebilde von Anfang an den Keim des Zerfalls in sich, sozusagen in seiner DNA.
Der totalen Niederlage von fremder Hand folgt nun die Selbstzerstörung.

Edmund
2 Jahre her

Wie sieht die medikamentöse Frühbehandlung von Covid-19 aktuell aus?
Was wird entwickelt?
Wenn sich 80-90% der Intensivfälle damit verhindern ließen, dann wäre von einer Überlastung des Gesundheitssystems keine Rede mehr.

Juergen P. Schneider
2 Jahre her

Jetzt versuchen unsere Coronahelden in der Politik ihr Handeln noch schnell mit dem natürlichen Abflauen der Infektionsdynamik zu synchronisieren. Für jeden, der das Geschehen mit wachsamem Blick verfolgt, ist dies deutlich zu erkennen. Die braven geimpften und geboosterten Mitbürger werden es wohl nicht mitkriegen. Aber das kennen wir ja schon. Es gilt, was immer schon gegolten hat: Wer nichts weiß, muss alles glauben.

Biskaborn
2 Jahre her

Lt. Civey wollen 60% der Umfrageteilnehmer Lauterbach als Gesundheitsminister und mehr als 50% wünschen sich Ausgangssperren und ebenfalls 60% befürworten 2G im Einzelhandel! Noch Worte?

Entenhuegel
2 Jahre her
Antworten an  Biskaborn

Glaube keine Umfrage, die Du nicht selbst (mit fixem Resultat) beauftragt hast…