Johnson und Laschet wollen „mit dem Virus leben“ – was auch sonst?

Der britische Premier Boris Johnson und der wahrscheinlich künftige Bundeskanzler Armin Laschet haben zeitgleich einen Paradigmenwechsel der Pandemiepolitik eingeleitet: den Abschied vom NoCovid-Größenwahn.

IMAGO/ nurphoto | PoliticalMoments

In der Corona-Politik kündigt sich ein Paradigmenwechsel an. Zwei europäische Politiker sind die treibenden politischen Kräfte dahinter: Boris Johnson und Armin Laschet. Der britische Premier Boris Johnson und der aller Voraussicht nach zukünftige deutsche Bundeskanzler haben das neue Paradigma in einer identischen Redewendung vorgestellt. Johnson hat am Montag angekündigt, sein Land müsse lernen, „mit dem Virus zu leben“.  Dabei gelte es, „für alle, weiterhin mit den Risiken durch Covid-19 umsichtig umzugehen und Urteilsvermögen in unserem Alltagsleben an den Tag zu legen“. Ganz ähnlich sagte Laschet im nordrhein-westfälischen Landtag: „Wir werden alles tun, um mit Viren zu leben“.  

Johnson will trotz Deltavariante und einer relativ hohen Inzidenz von über 200 künftig Abstandsregeln, Maskenpflicht und Homeoffice-Vorgaben aufgeben. Nach ursprünglichem Plan hätten alle Maßnahmen schon am 21. Juni beendet sein sollen, der Termin wurde wegen steigender Infektionszahlen verschoben. Die endgültige Entscheidung will er erst am kommenden Montag treffen. Johnson hatte schon vor Monaten – vor dem neuerlichen Infektionsanstieg durch die Delta-Variante – einen „vorsichtigen, aber unwiderruflichen“ Weg aus den Corona-Bestimmungen angekündigt.

Der Impf-Fortschritt macht es möglich. Aber der Impf-Fortschritt macht den Ausstieg aus dem Lockdown auch obligatorisch nach den Maßstäben der Lockdown-Politiker selbst. Denn der Zweck des Lockdowns bestand eben nur darin, die Infektionen bis zur Impfung zu verschleppen. Die Aussicht, das Virus durch möglichst strenge Kontaktbeschränkungen endgültig auszulöschen, war immer unrealistisch. 

Für Johnson ist es eine Korrektur seiner selbst. Früher hatte auch er das Virus als Feind bezeichnet, den es zu bezwingen gelte. In solch einer martialischen Kriegsrhetorik spricht Angela Merkel weiterhin über Corona. Für Laschet, der nie zu den erklärten Corona-Hardlinern gehörte, ist seine Absage an automatische Lockdowns also eine deutliche Absage an Merkel. Er kündigt ihr und den Virologen, die von Merkel als „die Wissenschaft“ geadelt wurden, die Gefolgschaft, indem er sagt: „Ihrer Methode, alles wieder zu schließen, werden wir nicht folgen“. Er sprach zu seiner nordrhein-westfälischen Opposition, aber mit der Kritik an „ihrer Methode“ traf er auch Merkel.

Beide, Johnson und Laschet, sind damit zu Stimmen der Vernunft und der maßvollen Abwägung geworden. Das Virus mit Lockdowns und dem Schlachtruf „NoCovid“ endgültig vernichten zu wollen, dies zumindest zu versprechen, ist nichts als Hybris der Mächtigen. Mit der kann man eine Zeitlang herrschen, aber irgendwann setzt sich die Wirklichkeit durch und zeigt ihre Grenzen auf. Kluge, verantwortungsbewusste Politiker orientieren sich an der Wirklichkeit, nicht an fantastischen Zukunftsträumen. Eine wirklichkeitsorientierte Corona-Politik sorgt dafür, dass die Bürger sich selbst schützen können, im besten Fall durch die Impfung, und dafür, dass die Medizin ihnen im schlechten Falle einer Infektion oder Erkrankung helfen kann. Den Bürgern das Leben mit dem Virus zu ermöglichen, ist ein vernünftiges Ziel, das Virus vernichten zu wollen, ist Größenwahn – oder eine Lüge.

Wie blind solche Hybris machen kann, zeigt auch die Empörung, die Laschet auslöste, als er seine Aussagen noch mit diesem Satz garnierte: „Ich stimme selten, eigentlich nie, der AfD zu. Sie haben heute einen wahren Satz gesagt: Immer wenn jemand ankommt und sagt ,die Wissenschaft sagt‘, ist man klug beraten, zu hinterfragen, was dieser gerade im Schilde führt“.

Die Empörung von SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty („Tabubruch“) und SPD-Corona-Tausendsassa Karl Lauterbach („Der AfD sollte man nie öffentlich zustimmen, erst recht nicht in einem Landtag. Und zum zweiten werden wir ohne Vertrauen in und Respekt vor der Wissenschaft den Klimawandel nicht bewältigen“), bestätigt Laschet eher, als dass sie ihn demaskiert. Eine Aussage wie Lauterbach für „schrecklich“ oder ein Tabu zu halten, allein weil sie aus einem bestimmten Mund kommt, ist gerade das Gegenteil des aufgeklärten Diskurses und wissenschaftlichen Denkens. Nach Lauterbachs Dogma dürfte, wenn die AfD erklärt: auch „2+2=4“ nicht mehr für wahr behauptet werden.

Die deutsche und andere Gesellschaften stehen in diesem zweiten Pandemie-Sommer an einer entscheidenden Wegscheide: Entweder die Einsicht in die Wirklichkeit und daraus folgend die Rücküberweisung des Kampfes gegen die Corona-Krankheit von der Politik an die Bürger und die Medizin, oder aber die fortgesetzte Vermachtung der Pandemie zu einem endlosen Kampf der Politiker, den nicht das zum Feind erklärte Virus verlieren wird, sondern die freiheitliche Bürgergesellschaft.

Wenn Laschet sich für die Bürgergesellschaft und das „Leben mit Viren“  entscheidet, kann er sich nicht nur endgültig aus dem übermächtigen Schatten der Angela Merkel befreien und Bewegungsraum für seine künftige Kanzlerschaft gewinnen. Er kann seinem Land und seinen Bürgern einen großen Dienst erweisen.

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Kommentare ( 41 )

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Nibelung
2 Jahre her

Das sind aber schlaue Politiker, die Tatsachen nicht anzweifeln und wenn sie ganz intelligent wären, würden sie es nicht weiter aufblasen, wie derzeit geschehen, denn Ereignisse kann man zwar bekämpfen, wenn aber die Verhältnismäßigkeit außer Kraft gesetzt wird, schafft man zusätzliche Probleme und die könnten sogar noch schlimmer sein und wie immer im Leben ist eine vernünftige Ausgewogenheit das beste, alles andere zeugt nicht von Überlegenheit, sonden gleicht eher einem Hektiker, die bei allem sofort überreagiert und dafür kann ein Krankheitsbild vorliegen oder es endet im Machtmißbrauch, ganz wie man es sehen will.

Karsten Maltinger
2 Jahre her

C-Viren, Influenza-Viren und viele andere, mit denen wir gut zusammenleben, gibt es seit ewigen Zeiten.
Neu ist nur, daß tausende mit Wattestäbchen Millionen in Mund und Nase herumbohren und daraus virologisch falsche, ja kriminelle Schlüsse gezogen werden !

swengoessouth
2 Jahre her

Hab ich da etwas nicht mitbekommen?
Die Null COvid Front bröckelt nicht (wir haben zur Zeit null COVID), dies ist nur alleine der Wahl zu verdanken die im September ansteht. Da kann man die Schäfchen nicht ganz so schlimm misshandeln. Leider vergisst der Mensch zu schnell. Aber ab Oktober kann dann Merkel ohne Rücksicht auf Verluste den Michel wieder knechten, denn bis sie dann abgewählt ist kann es noch lange dauern….

Fred Schneider
2 Jahre her

Den Worten eines Berufspolitikers schenke ich schon lange keinen Funken Vertrauen mehr. An ihren Taten messe ich sie. Und da befindet sich Herr Laschet aufgrund seiner bisherigen Politik noch eindeutig in den Kreisen, vor denen man besonders warnen muss. Seit über einem Jahr beteiligt er sich aktiv und ohne Skrupel an massivsten Grundgesetzverletzungen. Die Rechtswidrigkeit seines Handeln ist ihm dabei so offenkundig gleichgültig, dass man tatsächlich nur deshalb Angst bekommen muss, wenn so einer noch mehr Macht erhielte. Und jetzt sagt er mal was und sein Kollege Johnson kündigt in etwa das Gleiche an und leichtfertig wird hier gleich von… Mehr

Andreas aus E.
2 Jahre her
Antworten an  Fred Schneider

Den Worten eines Berufspolitikers schenke ich schon lange keinen Funken Vertrauen mehr.“ Ich auch nicht, ebensowenig „der Wissenschaft“, wenn es sich bei „der Wissenschaft“ um abhängig Beschäftigte weisungsgebundener Bundesbehörden (z. B. RKI) handelt.

Zum „Deutschlandfunk mit seinen Interviews und Zitaten aus der gleichgeschalteten Presse“: Spahn war heute schon eine Pracht, und was die Presseschau betrifft: Bei der werden aus linksgrünlastigen Medien („taz“ fast immer dabei) passende Kommentarschnipsel zusammengeklaubt und dem Hörer das dann als Überblick über Medienvielfalt verkauft.

Kassandra
2 Jahre her

Ich bin neugierig, ob und wann Laschet ein Schattenkabinett präsentiert und inwieweit er Spahn darin berücksichtigt.

Andreas aus E.
2 Jahre her
Antworten an  Kassandra

Spahn wird Familienminister, auf seinen Platz rückt Prof. Keinefliegemehr, weil Laschet, ganz fröhlicher Rheinländer, uns was zum Lachen gönnt.

Nibelung
2 Jahre her
Antworten an  Kassandra

Wenn der Genannte schlau ist, dann wird er sich erst mit seiner inneren Überzeugung zu erkennen geben, wenn er zum Kanzler gewählt ist und die alte Koalition nichts mehr zu melden hat, denn die können bis dahin noch gewaltige Störfeuer entfachen und das geht natürlich meistens hintenrum und könnte ihn noch in der Endkurve aus dem Rennen werfen oder so schwächen, daß er schwer angeschlagen ist.

Kassandra
2 Jahre her

Varus, gib mir meine Legionen wieder!“, soll Kaiser Augustus gerufen haben.
Wir hingegen werden nach Merkel fragen, wo die vielen Milliarden geblieben sind, die als Schulden auf künftigen Steuerzahlern lasten. Ob es da jemals eine Abrechnung geben wird, für die Merkel und ihr Kabinett haften werden müssen?

Kassandra
2 Jahre her

Weshalb hier in der Presse wie im ÖR nicht propagiert wird, was man alles selbst tun kann, um sich zu schützen, ist mir nach wie vor unklar. Prophylaxe wie Möglichkeiten zur Behandlung gibt es hier, inclusive zugehöriger Studien: https://swprs.org/zur-behandlung-von-covid-19/ Zudem wurde in Reutlingen ein neues Institut eröffnet: „Unter der Leitung von Prof. Arne Burkhardt, Facharzt für Pathologie in Reutlingen, soll das Institut „ab sofort weiterführende pathologische bzw. histologische Untersuchungen“ durchführen können, um die Todesursache im Zusammenhang mit der COVID-Impfung zu ermitteln. Das Hauptaugenmerk richte sich auf Komplikationen in Verbindung mit Blutgerinnungsstörungen, aggressive Gefäßstörungen, Herzmuskelentzündungen sowie weiteren besonderen Entzündungsreaktionen, Autoimmunreaktionen und… Mehr

Watzmann
2 Jahre her

Herrn Dr. Lauterbachs Aussagen zeigen einmal mehr wie wenig die Menschheit seit der Inquisition dazugelernt hat. Wissenschaft und Wahnsinn offenbar zwei Seiten einer Medaille vor.

Juergen P. Schneider
2 Jahre her

Unser Armin aus Aachen macht erste mutige, eigene Schritte und versucht, sich gegen Merkel zu profilieren. Er hat erkannt, dass Merkel eine „lame duck“ ist, die bereits auf Abschiedsrundreise ist. Natürlich kann sie noch versuchen, ihm Schaden zuzufügen. Laschet ähnelt hier Helmut Kohl, der ist auch lange unterschätzt worden. Je mehr Merkels Katastrophen-Kanzlerschaft dem Ende entgegen geht, desto mehr kann Laschet aus ihrem Schatten treten und eigene Akzente setzen. Mal sehen, wie weit er sich zu gehen traut. Er wird viel reparieren müssen, wenn er darauf hoffen will, ehemalige CDU-Wähler zurückzugewinnen. Von mir kriegt die CDU jedenfalls keine Stimme mehr.

Deutscher
2 Jahre her

Gabor Steingart, ehemals SPIEGEL, trommelt schon mal für radikalen Umgang mit „Impfverweigerern“.

https://www.gmx.net/magazine/news/coronavirus/gabor-steingarts-morning-briefing-hilft-impfmuedigkeit-35970814

Wei geil doch Linke auf Machtausübung und Repression sind, sobald sie Morgenluft für ihre ewige Politik der Zwänge und Verbote wittern….