Wann verfolgt die CDU in Sachen „Gendern“ bundesweit eine klare Linie?

Das Thema „Gendern“ ist viel zu wichtig, es bewegt die Leute. Deshalb muss die Union hier Farbe bekennen. Auch parlamentarisch. Denn ein bisschen konservativer Markenkern sollte ja doch noch sein.

IMAGO/Jacob Schröter
Der Unfug der „Gender“-Sprache beschäftigt immer mehr deutsche Parlamente. Das ist gut so. Denn die Abgeordneten haben den Auftrag, den Willen des Souveräns, also die Überzeugungen und Haltungen des Volkes in die Legislative einzubringen. Was die „Gender“-Sprache betrifft, ist der Wille des Souveräns eindeutig: Alle Umfragen der letzten Jahre haben eine übergroße Mehrheit der Bevölkerung gegen die Gendersprache dokumentiert. Die „Gender“-Sprache dagegen ist das hochnäsige Protzprojekt einer selbsternannten politischen und medialen Avantgarde. Wir haben auf TE regelmäßig darüber berichtet.

Soeben nun, am 9. November, hat sich der Thüringer Landtag mit der „Gender“-Sprache befasst. Die CDU-Fraktion hatte einen Antrag zur Abstimmung gebracht. Danach sollen Thüringens Landesbehörden und Landesregierung in ihrer öffentlichen Kommunikation auf gendergerechte Sprache verzichten.

Wie zu erwarten war, gab es eine heftige Debatte zu diesem Antrag. Am Ende stimmten 38 von 74 Landtagsabgeordneten für den CDU-Antrag, also gegen das „Gendern“; 36 Abgeordnete lehnten den CDU-Antrag ab, stimmten also für das „Gendern“. Die rot-rot-grüne Minderheitskoalition hatte mit einem Gegenantrag zuvor noch vergeblich versucht, einen Kompromiss mit einer „Selbstverpflichtung zu einer respektvollen Kommunikation“ zu finden.

Zu den Mehrheitsverhältnissen im Thüringer Landtag sei angefügt: In der betreffenden Sitzung waren 74 Abgeordnete anwesend. Insgesamt besteht der dortige Landtag seit der Wahl vom 27. Oktober 2019 aus 90 Abgeordneten. Die rot-rot-grüne Minderheitsregierung hat 42 Sitze (Linke: 29; SPD: 8, Grüne: 5), die Opposition aus CDU (21), AfD (19), FDP (4) und BfTh (4) in der Summe 48 Mandate.

Nun also 38 zu 36 Stimmen gegen das Gendern! Weil nicht sein kann, was angeblich nicht sein darf, fing bereits während der Landtagsdebatte die Geiferei an. Der „Linke“-Abgeordnete Christian Schaft warf der CDU vor, mit ihrem Antrag gegen die Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache Stimmungsmache und einen rechten Kulturkampf zu betreiben, „wie man ihn sonst von der AfD-Fraktion erwarten würde“.

Noch halbwegs sachorientiert äußerte sich die SPD-Abgeordnete Cornelia Klisch; sie bezeichnete die gendersensible Sprache als „legitimes Mittel, die Gleichheit der Geschlechter zum Ausdruck zu bringen“. Die CDU verkenne, dass sich Sprache ständig weiterentwickle. Staatskanzleiminister Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) sagte, die Landesregierung halte sich an die Regeln, die unter anderem durch Gleichstellungsgesetze oder die Rechtsprechung gesetzt seien. Mit der geschlechtergerechten Sprache sei es wie mit der Frauenquote, so Hoff. „Sie muss erkämpft werden.“

CDU und AfD in einem Boot? Trotz Merz’scher Brandmauer?

Das Hauptproblem der Gender-Befürworter freilich war wohl ein anderes. Es ging gar nicht um die Sache, sondern darum, dass die AfD vorab angekündigt hatte, für den CDU-Antrag, also gegen das Gendern zu stimmen. Die AfD-Abgeordnete Corinna Herold hatte das Gendern vor der Abstimmung eine „Sprachverhunzung“ genannt.

CDU und AfD in einem Boot? Da werden plötzlich Erinnerungen wach. Weil es für Bodo Ramelow (Linke) am 5. Februar 2020 in zwei Wahlgängen nicht zur Wahl zum Ministerpräsidenten gereicht hatte, hatte die FDP ihren Abgeordneten Thomas Kemmerich nominiert. Dieser wurde im dritten Wahldurchgang mit einfacher Mehrheit zum Ministerpräsidenten gewählt. Und zwar mit den Stimmen von FDP, CDU und AfD. Dann trat die damalige Kanzlerin Merkel auf den Plan. Aus Südafrika ließ sie wissen: Diese Wahl sei „unverzeihlich“, es sei „ein schlechter Tag für die Demokratie“. Die Wahl habe mit der Grundüberzeugung gebrochen, die für CDU und sie persönlich gelte, nämlich, dass „keine Mehrheiten mit Hilfe der AfD gewonnen werden sollten“. Das Ergebnis müsse „rückgängig gemacht werden“. Merkels Äußerungen wurden – reichlich spät – im Juni 2022 vom Bundesverfassungsgericht als „verfassungswidrig“ gewürdigt. Kemmerich war übrigens bereits zwei Tag nach seiner Wahl vom 5. Februar 2020 zurückgetreten. Und in der aktuellen Frage um das „Gendern“ ist nun eben keine Merkel 2.0 in Sicht.

Nun beeilen sich nicht wenige, Schadenbegrenzung zu betreiben. Das ZDF, das sich ja an vorderster Stelle zur Gender-Avantgarde rechnet, meinte in einer „Anmerkung der Redaktion“: „Der erfolgreiche Antrag der CDU-Fraktion hat keine direkten rechtlichen Folgen, es handelt sich dabei lediglich um einen Appell.“

Der „Focus“ scheint auf den Merkel-Nachfolger Friedrich Merz zu hoffen. Das Magazin erinnert daran, dass CDU-Chef Merz gegen die AfD eine „Brandmauer“ errichten wollte. Wörtlich hatte Merz einmal erklärt: „Mit mir wird es eine Brandmauer zur AfD geben.“ Ende 2021 hatte Merz dem „Spiegel“ ferner gesagt: „Die Landesverbände, vor allem im Osten, bekommen von uns eine glasklare Ansage: Wenn irgendjemand von uns die Hand hebt, um mit der AfD zusammenzuarbeiten, dann steht am nächsten Tag ein Parteiausschlussverfahren an.“

Hofft der Focus nun auf die Sensation einer Merz’schen Merkel-2.0-Aktion? Kann Merz etwa wollen, dass die CDU nichts mehr einbringen darf, für das die AfD auch sein könnte? Und dass die CDU gegen nichts sein darf, wogegen auch die AfD sein könnte? Wäre es so, dann hätte die CDU/CSU am 10. November im Bundestag mit 188 Stimmen für das „Ampel“-Bürgergeld stimmen müssen und nicht dagegen. Schließlich hat die AfD erwartungsgemäß ja mit 70 Abgeordneten auch dagegen gestimmt. Muss Merz nun eine Brandmauer vor sich selbst aufbauen?

Jedenfalls gibt es sehr gute Gründe, die gegen das Gendern sprechen. Die CDU darf nicht von dieser Position abweichen, nur weil die AfD ihre Ansicht teilt. Ein Skandal sei das nicht. So schreibt immerhin die FAZ.

Wo ist in Sachen „Gendern“ eine klare Linie der CDU erkennbar?

Das Thema „Gendern“ ist viel zu wichtig, es bewegt die Leute. Deshalb muss die Union hier Farbe bekennen. Auch parlamentarisch. Denn ein bisschen konservativer Markenkern sollte ja doch noch sein. Es kann sich doch nicht wiederholen, was die CDU in Rheinland-Pfalz betrieben hat. Dort hat sie mit der Landes-„Ampel“ gegen ein Verbot des Genderns in den Schulen votiert, bloß weil der entsprechende Antrag von der AfD gestellt wurde. Konkret: Am 19. Januar 2022 wurde im Landtag von Rheinland-Pfalz der AfD-Antrag „Keine ‚geschlechtergerechte Sprache‘ an Schulen und in der Landtagsverwaltung“ (Drs. 18/2075) behandelt. Die AfD-Fraktion fordert die Landesregierung darin auf, mit einem Schreiben an die Schulleiter anzuordnen, dass Sonderzeichen wie Gender-Stern, Gender-Doppelpunkt oder Gender-Unterstrich sowie das Binnen-I im Bereich der Schule und in offiziellen Schreiben von Schulen nicht zu verwenden sind. Außerdem sollte der Landtag beschließen, dass alle Dokumente der Landtagsverwaltung auch in Bezug auf die Unterscheidung von Geschlechtern ausschließlich in der derzeit gültigen amtlichen Rechtschreibung abgefasst werden.

Der Antrag der AfD wurde erwartungsgemäß abgelehnt: von den drei „Ampel“-Koalitionspartnern, den Freien Wählern und (!) von der CDU-Fraktion. Deren Sprecherin Marion Schneid hatte sich mit einer wahrlich dünnen Argumentation letztlich für die Gendersprache ausgesprochen. Sie meinte, der AfD-Antrag sei „populistisch“, die AfD beschwöre ein Problem herauf, welches gar keines sei, und im übrigen habe Deutschland wichtigere Probleme … Naja, möchte man anfügen, vor allem die CDU hat wohl größere Probleme, nämlich mit ihrem Profil.

Ein Betätigungsfeld in Sachen Gendern fände die CDU auch im „Ländle“, das sie ja als Juniorpartner zusammen mit den „Grünen“ regiert. Das dortige „grüne“ Kultusministerium überlässt es nun den einzelnen Schulen, ob sie Genderzeichen wie das Sternchen in Aufsätzen und Prüfungen zulassen. „Es ist gut, wenn Schülerinnen und Schüler in der Schule für geschlechtergerechte Sprache sensibilisiert werden, und das Thema Geschlechtergerechtigkeit ist ja auch im Bildungsplan verankert“, sagte Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) Ende Juli 2021. Schopper weiter: „Und gut ist es auch, wenn Lehrkräfte gemeinsam mit ihren Schülerinnen und Schülern eine Schreibweise bezüglich der Sonderformen beim Gendern vereinbaren.“

Was eine von Schule zu Schule unterschiedliche sprachliche Praxis für Schüler bedeutet, die mit ihren Eltern umziehen und eine andere Schule mit anderen Sprachregeln besuchen müssen, scheint Frau Schopper nicht zu interessieren. Und es interessiert sie offenbar auch nicht, dass damit bereits von der Grundschule her die Einheit der deutschen Sprache dahin ist.


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Kommentare ( 14 )

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14 Comments
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ebor
1 Jahr her

Netter Versuch, würde aber nicht funktionieren. Denn das setzte logisches, konsequentes Verhalten voraus, welches es bei den im Block arbeitenden Parteien nicht gibt (und auch nicht geben wird, wie wir insbesondere bei Grünen und FDP immer wieder aufs Neue erleben dürfen).

grenzenlos
1 Jahr her

„geschlechtergerechte Sprache“
Geschätzter Herr Kraus, bitte verwenden Sie nicht die Terminologie der Transformationsaktivisten! Sagen Sie doch einfach Gender-Sprache oder Gender-Sprachexperiment.

Grenz Gaenger
1 Jahr her
Antworten an  grenzenlos

„… einfach Gender-Sprache oder Gender-Sprachexperiment.“
Richtig – indem man hier die Terminologie der Sprachverhunzer übernimmt, verfestigt man sie. Dem sollte man besonders nicht nur als Autor, sondern generell nicht nachfolgen.
Beispiele anderer unkritisch übernommener Wortwahl: Klima-Aktivisten statt Klima-Terroristen (od. zumindest Klima-Kleber), Post-Vac-Syndrom statt Impfschaden, etc. …

verblichene Rose
1 Jahr her

Es ist doch ganz einfach! Die Fräuleins-innen werden einfach nicht mehr entsprechend hirnakrobatisch angesprochen! Mittlerweile soll es nämlich schon Frauen geben, die sich nicht erst hinter einem Stern wieder finden können, wenn sie es denn jemals wollten, sich aber vergewaltigt fühlen, da sie sich eines gewissen „Maskulinum“ BERAUBT fühlen. Nun, es sind leider aber noch wenige und diese Frauen, die schon immer auf einen starken Hengst gesetzt haben, darben immer noch. Das ist aber ausdrücklich nicht demjenigen Mann zu verantworten, der sich eine „erfahrende“ Frau wünscht… Spass miteinander zu haben hängt übrigens nicht davon ab, welches Geschlecht man hat. Offensichtlich… Mehr

Protestwaehler
1 Jahr her

Die CDU/CSU ist inzwischen zu sowas wie ein linksgrünes Schoßhündchen mutiert, ohne Erlaubnis des linksgrünen Mobs hebt sie nicht mal mehr das Bein hahahaha….
Diese Union springt nicht nur über jedes Stöckchen das ihr der linksgrüne Mob reicht, sie holt auch jedes das man ihnen wirft.
Markus Söder auf dem CSU Parteitag: „Und Gott bewahre uns auch in der Zukunft vor möglichen Grünen Ministerpräsidenten, liebe Freund*innen und Freunde“ hahaha…. aber das Schlimmste an dieser Aussage, der selber merkt das nicht mal mehr 😉

Ulrich
1 Jahr her

Nach der letzten Online-Befragung in Thüringen ist die AfD mit 28% stärkste Partei vor Linke und CDU. Solche „Spielchen“ wie in Rheinland-Pfalz kann sich die CDU in Thüringen nicht erlauben, will sie in den Umfragewerten nicht bei den dortigen Splittergruppen Grüne und FDP landen. Und die Bundes-CDU ist gut beraten, ihre „Brandmauer“ im Osten nicht allzu hoch zu ziehen. In Dresden hat sich in einem Ortschaftsrat die gesamte CDU-Fraktion von ihrer „Mutterpartei“ losgesagt, und das im Homeland von „König Kurt“ (Biedenkopf)!

Irdifu
1 Jahr her

Hahaha , die Union eine klare Linie .Der Witz war gut , das ist 16 Merkeljahre und ein Ampeljahr her ,dass die Schwarzen eine klare Linie verfolgten . Mit wem sollte das möglich sein? Mit dem ????????? von Blackrock
sicher nicht.

Poetenfan
1 Jahr her

„Der Unfug der „Gender“-Sprache“
„Unfug“? Nein. Es ist die links-grün-woke Indoktrination durch den totalitär verordneten Eingriff in das Sprachsystem. Gendern ist totalitärer Dogmatismus.Demokratiefeindlich. Freiheitsberaubend.Ausgrenzend.
Das muss man rigoros und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpfen. Wer in diesem Kampf Angst davor hat, von der falschen Seite (AfD) unterstützt zu werden, hat den Kampf schon verloren.
Das ist die Taktik der links-rot-grünen Hypermoralisten.
Wann begreift die CDU das mal endlich!

Heiner Mueller
1 Jahr her

„einer selbsternannten politischen und medialen Avantgarde“ Diese Massierung von Nullen als „Avantgarde“ zu bezeichnen ist ja wohl eine Freud´sche Fehlleistung. Und Merz zum Widerstand dagegen zu bringen heißt wohl, einen lahmen Esel zum Galopp treiben zu wollen. (Für die Zensur: Das Beispiel mit „Esel“ ist nur ein Vergleich – keine Beleidigung von Merz).

Siggi
1 Jahr her

Der Witz ist, dass die CDU diese Gemeinsamkeit bei der Abstimmung damit erklärt, dass die Mehrheit gegen das Gendern sei. Wenn dei CDU das als Grund nennt, müsste sie auch bei der Migration mit der AfD abstimmen, denn auch hier ist die Mehrheit klar gegen den weiteren Import dieser Unberechtigten. Ich gehe davon aus, dass die CDU schon bald so wie die AfD von den Medien behandelt wird. Zum Teil ist das sogar schon feststellbar. Die CDU mit Merz, wird das nicht korrigieren, da immer noch Merkel mit ihrem Miniparlament im Kanzleramt die Drähte zieht. Merz ist gegenüber Merkel neutral… Mehr

T. Ruebsal
1 Jahr her

Für mich ist Gendern mit Klackslauten und Sprechpausen eine Hirnstörung, denn wer eine Sprache derart verhunzt, kann nicht ganz dicht in der Rübe sein.