Wer rettet die Demokratie vor den Demokraten?

Niemand kann mehr übersehen, dass der größere Teil der politischen Klasse (Politiker und Medien) nicht mehr das Volk repräsentieren. Das kommt einer Kernschmelze der Demokratie gleich – wenn sie nicht rechtzeitig gestoppt wird. Wer soll sie stoppen? Die Parteien. Wer sonst?

Was hat es zu bedeuten, dass mehr als die Hälfte der Deutschen kein oder wenig Vertrauen in die Demokratie haben? Vor zwei Jahren waren es noch weniger als ein Drittel. So das Ergebnis der jüngsten Umfrage der Körber-Stiftung.

I.

Und dennoch: 75 Jahre nach Gründung der Bundesrepublik glauben zumindest im Westen noch immer die meisten Bürger, demokratische Verhältnisse seien eine natürliche Ordnung. Sie denken, die Verfassung sei unverwundbar. Das ist kühn und naiv. Demokratie ist kein Normalfall der Geschichte und eher die Ausnahme von der Regel. Das war schon bei ihren Erfindern, den alten Griechen so. Und auch in anderen Ländern, sogar im demokratischen Mutterland der Moderne, den USA, gerät die Demokratie auf populistische Abwege. Der Vertrauensschwund in Deutschland ist durchaus ein Alarmsignal. Demokratie kann nicht nur durch Eroberung von außen und einen Putsch von innen zerstört werden. Die größte Gefahr ist der Zerfall. Symptome der Erosion sind unübersehbar. Genau besehen, verlieren die Bürger weniger ihr Vertrauen in die Demokratie als in die herrschenden Verhältnisse, die sie zunehmend als undemokratisch empfinden. Niemand kann mehr übersehen, dass der größere Teil der politischen Klasse (Politiker und Medien) nicht mehr das Volk repräsentieren. Das kommt einer Kernschmelze der Demokratie gleich – wenn sie nicht rechtzeitig gestoppt wird.

II.

Wer soll sie stoppen? Die Parteien. Wer sonst? Aber dann müssen sie ihre selbstgefällige Herrschsucht überwinden und die Rolle einnehmen, die ihnen die Demokratie zubilligt: Mitwirkung an der Meinungsbildung – mehr nicht. Die Parteiendemokratie degeneriert zur autokratischen Oligarchie ideologisch fixierter Besserwisser. Eine Minderheit bestreitet seit Jahrzehnten erfolgreich einen Kulturkampf und fühlt sich legitimiert, die Zukunft des Landes gegen die Mehrheit zu bestimmen. Die politischen Eliten werden deshalb zunehmend als abgehoben wahrgenommen.

III.

Wenn Demokratie auf diese Weise unterhöhlt wird, ist es pharisäerhaft, über die Gefährdung der Demokratie durch eine angeblich sich Extremen öffnenden Mitte zu klagen. Die wahrhaft Extremen sitzen am Kabinettstisch. Zwar sind die großen Umbrüche (Geopolitik, Technologie, Demographie) nicht abzustreiten. Es entsteht aber zunehmend der Eindruck, die Regierenden betrieben selbst den Wandel, beschleunigten ihn, statt die Mehrheit der Bevölkerung behutsam im Wandel zu begleiten und Ängste zu nehmen statt zu schüren.

IV.

Insofern spiegeln die Parteien keineswegs die Bedürfnisse und Sorgen der Bevölkerungsmehrheit. Sie erweisen sich als zunehmend unfähig, das Leben der Bürger zu erleichtern. Das Gegenteil ist der Fall. Dabei spielt es keine Rolle, wer die Probleme verursacht hat. Fest steht, dass massive Wohlstandsverluste, Schwund der Wirtschaftskraft, Überlastung der Gesellschaft durch ungesteuerte Zuwanderung auf der Agenda der politischen Klasse nicht da stehen, wo sie hingehören, sondern statt dessen eine auf der Welt einzigartige Klimawandelneurose. Ungebildete haben die Herrschaft übernommen – und das spürt auch das ungebildete Volk. Das besitzt wenigstens noch das, was früher „gesunder Menschenverstand“ genannt wurde.

V.

Halten die Bürger Freiheit im Zweifel für überflüssig? Jedenfalls erscheint ihnen die schwindende Freiheit zunehmend als Preis für die Demokratie. Sie sollte aber doch kein Selbstzweck sein, sondern Mittel zum Zweck: nämlich der Freiheit. Für die Parteien aber scheint Demokratie auf dem Spielfeld der Macht nur Mittel zum Zweck der eigenen Herrschaft zu sein. Wenn die Bürger dies als Gefahr sehen, wird aus der latenten Politikverdrossenheit unweigerlich Demokratieverdrossenheit. Zweifellos gibt es Demokratie auch ohne Freiheit. Die dümmsten Kälber wählen nun einmal ihre Metzger selber. Freiheit ohne Demokratie aber ist ganz und gar unmöglich. Die Krise der Demokratie aber können deshalb nur die Demokraten selbst – das Volk, nicht die Hauptamtlichen – beenden.

VI.

Noch ist der Ruf nach einem „starken Mann“ (die Erfahrungen mit einer „starken“ Frau sind nachhaltig) an der Spitze kaum zu vernehmen, was auch daran liegt, dass er oder sie nirgends zu erkennen ist. Und das ist auch gut so. Lebendig bleiben kann die Demokratie nur, wenn Skepsis und Diskurs das permanente Ringen um den richtigen Kurs in der offenen Gesellschaft bestimmen. Dann muss allmählich auch die große Frage gestellt werden, wer von der großen Transformation eigentlich profitiert. Der politisch-industrielle Komplex der selbsternannten Klimaretter offenbart die Fratze eines grünen Kapitalismus, der vom grünen Sozialismus kaum noch zu unterscheiden ist. Die Bekenntnisse zu Demokratie und Freiheit sind in diesen Sphären keinen Pfifferling wert. Es geht allein um Geld und um Macht.

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Kommentare ( 107 )

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moorwald
8 Monate her

Immer wieder liest man, wenn die Fehlleistungen dieser Regierung angeprangert werden, den Vorwurf: „Ihr habt die ja gewählt!“ Aber das stimmt so nicht. Die Wähler haben diese Ampel nicht gewählt und konnten sie unmöglich vorhersehen. Das eben ist das unaufhebbare Manko des Proporzwahlsystems, daß nach der Wahl Koalitionen gebildet werden, die sich eher dem Zufall als einem identifizierbaren Mehrheitswillen verdanken. Man könnte im Grunde eine solche Regierung auch durch Auswürfeln ins Amt bringen. Der Sinn des Verhältniswahlrechts ist es, möglichst alle Wählerschichten im Parlament abzubilden. .Man mag das als gerecht empfinden. Der Bildung klarer Mehrheiten (und damit Verantwortlichkeiten) ist es… Mehr

horrex
8 Monate her

Ich denke, wir nähern uns in großen Schritten – längst schamlos „unverhüllt“ – einer Diktatur grün lackieren, letztlich aber roten Proletariats. Und „die Mitte“ (von Lindner von Merz bis Günther u. Wüst) g e i f f e r t darum mittun zu dürfen. Der Staat ist längst – unter fleißiger Mitarbeit finanzierter Medien – zur Beute von Parteien geworden. Und Wenige erst habens kapiert. Sinngemäß Plato: Die Mittelmässigsten desavouieren, diskreditieren, dirkriminieren, schließlich kriminalisieren ganz gezielt die „Besten“ und wählen stattdessen aus ihrer Mitte die Mittelmässigsten um sich von ihnen regieren zu lassen. Was 100%ig in die Hose geht, ins… Mehr

Andreas Stueve
8 Monate her

Ich möchte von NIEMANDEM “ in den Wandel begleitet werden“. Schon gar nicht von Parteien, die von links bis linksextrem einzuordnen sind. Mithin alle, außer der hier auf dieser Seite wenig geschätzten AfD. Wenn Wandel, dann einen zurück in rechtsstaatliche Verhältnisse. Ohne Gesinnungs-und Rassenjustiz, ohne Gängelung, ohne Verbote. Zurück in die Freiheit, die wir hier vor langer Zeit einmal genießen durften. Wir werden sie uns zurückholen, ohne das Parteienkartell, Herr Herles!

horrex
8 Monate her

Die größten „Brandstifter“ sind die, die am lautesten „Feuer“ schreien. – • Ignazio Silone wusste schon vor reichlichen 50 Jahren: Wenn der Faschismus eines Tages wiederkehrt, wird er nicht sagen: «Ich bin der Faschismus» Nein, er wird sagen: «Ich bin der Antifaschismus» Genau DAS erleben wir. • Unter der Flagge einer Anti-Gesinnung (false flag) werden exakt die gegensätzlichen Ziele angestrebt. Ein höchst erstaunliches Phänomen, eine höchst erstaunliche Strategie bei der auf die Dummheit/Unfähigkeit vieler Menschen SELBST zu denken gesetzt wird. Könnte sogar klappen … Siehe dazu Einstein über die Größe des Universuns und die Größe der Dummheit der Menschen. Andereseits:… Mehr

CIVIS
8 Monate her

Auf die Frage „Wer rettet die Demokratie vor den Demokraten?“ kann es augenblicklich nur eine einzige Antwort geben: …die AfD !

verblichene Rose
8 Monate her

Nicht schlecht!
Leider spielen die Parteien mit uns tatsächlich (k)ein „Völker“-ball!
Und gerade wird den „Wählenden“ wieder mit dem erhöhten Kindergeld die Augen verkleistert!
Kommt mir also so vor, als hielten wieder nur die Dümmsten den rechten Arm hoch, ohne darauf zu achten, was dann folgt, obwohl ich hier niemanden etwas unterstellen möchte.
Ob ich das gut finde/finden könnte?
Nun, ich bin nicht abgeneigt, mich schon heute dagegen zu wehren!
First We Take Manhattan„……

EndofRome
8 Monate her

Die Parteien sollen uns also retten? HERR HERLES! TsTsTs..Na gut, vielleicht eine Partei. Sie wissen schon….

verblichene Rose
8 Monate her

Die wahrhaft Extremen sitzen am Kabinettstisch.

Ja, richtig Herr Herles.
Vor allem aber sind sie extrem ignorant. Und das geht so weit, dass sie ganz ungeniert die Intelligenz von Millionen Wahlberechtigten beleidigen.
Und das nicht nur wegen ihrer Ignoranz, sondern wegen ihres Habitus insgesamt.
Ich lasse mich also sehr gerne davon überzeugen, dass ich Fehler mache, aber wer gegen diese Lebenseinstellung quasi resistent ist, der kann keiner eigenen Fehleranalyse nachgehen.
Und bevor ich noch ausfallend werde, wünsche ich jedem hier noch einen schönen Sonntag.


moorwald
8 Monate her

Nicht zu vergessen das Verhältniswahlrecht mit seinem Zwang zu Koalitionen.
Da kommt dann am Ende so etwas Perverses heraus wie diese unsägliche „Ampel“

moorwald
8 Monate her

Die eigentliche Bedrohung der Demokratie – noch wenig im Bewußtsein angekommen – geht von „Brüssel“ aus.

CIVIS
8 Monate her
Antworten an  moorwald

…absolut richtig!
Aber ohne Abgabe und Erteilung von immer mehr Macht-, Gesetzgebungs- und Rechtsprechungsbefugnissen durch die Mitgliedsstaaten an Brüssel wäre Brüssel eine Luftnummer; ebenso wie übrigens die EZB.
Mit Beschränkungen und Entziehungen von Befugnissen wäre schon viel geholfen; …aber der Weg geht ja leider in eine andere Richtung, …nämlich zur absoluten Machtkonzentration in Brüssel (…und anderen supranationalen Organisationen wie UN etc.).
Und somit kann sich Deutschland beim selbst bestellten Untergang selbst zusehen !