Merz hat die Wahl zwischen Teufel und Beelzebub

Der nächste Kanzler – wir nehmen hilfsweise an, er heißt Friedrich Merz – steckt schon jetzt in einem Dilemma. Es besteht aus der Notwendigkeit, koalieren zu müssen. Bloß mit wem?

Der nächste Kanzler – wir nehmen hilfsweise an, er heißt Friedrich Merz – steckt schon jetzt in einem Dilemma. Es besteht aus der Notwendigkeit, koalieren zu müssen. Bloß mit wem?

I.

Nehmen wir ebenfalls nur hilfsweise an, er schlösse eine Koalition mit den Unberührbaren nicht mehr aus, und würde die von ihm selbst errichtete Brandmauer einreißen – was er tatsächlich ausgeschlossen hat, würde ihm nicht nur die eigene Partei um die Ohren fliegen. Er könnte diesen Kurs ja vor der Wahl nicht verheimlichen. Also würde er von seinem innerparteilichen Gegner Wüst als Kanzlerkandidat gestürzt. Oder die CDU würde mit ihm die Wahl krachend verlieren. Mit einem heroischen Rechts-Bündnis wäre nichts gewonnen, Links-Grün blieben an der Macht. Den dreifachen Konjunktiv können wir uns also schenken, ganz unabhängig davon, ob die AfD überhaupt regierungsfähig wäre, woran angesichts ihrer Unfähigkeit zur Entdiabolisierung stark zu zweifeln ist.

II.

Der natürliche Koalitionspartner der Union, die FDP, hat sich selbst in Not gebracht. Die Frage, ob lieber nicht Regieren oder lieber schlecht Regieren, hat sich verschärft. Sie lautet inzwischen: Sein oder Nichtsein? Zwischen grüner Realpolitik und liberaler Gesinnung klafft ein tiefer Riss. Auf diesem eisglatten Terrain zwischen Machtvergessenheit und Machtversessenheit ist Lindners Truppe in eine Gletscherspalte gestürzt. Ihr Anführer zerstört zwischen strammen Worten und falschen Taten seine Existenz als Politiker.

III.

So stehen Merz und die Unionsparteien vor dem Dilemma, entweder mit der SPD oder mit den Grünen, also mit den Verursachern des Niedergangs regieren zu müssen. Vor dieser Alternative müsste es ihm speiübel werden. Die Frage ist eigentlich nur, was der AfD noch mehr Wähler zuführt und den Unionsparteien noch mehr schadet. Merz versucht zwischen Beelzebub und Teufel zu navigieren, oder wie Bildungsbürger sagen, zwischen Skylla und Charybdis. An einem der beiden Felsen wird er zerschellen.

IV.

Eine schwarz-grüne Koalition ist für Grünen-Chefin Ricarda Lang „auf jeden Fall eine Option“. Habecks radikale Transformation des Landes ist zwar gescheitert, aber von Einsicht bei den Grünen keine Spur. Darauf zu hoffen, Habeck, Lang und Konsorten fänden Anschluss an einen bürgerlich-liberalen Kurs, wäre naives Wunschdenken. Sie haben Marktwirtschaft nicht verstanden. Sie hassen zwar nicht Deutschland, aber sie hassen Wettbewerb, Wachstum und Wohlstand. Sie können gar nicht anders, als die Bürger bevormunden. Denn sie sind nach wie vor Ideologen, die nicht einsehen, dass es für die Bürger Wichtigeres gibt als Klimawandel. Die Grünen stehen für den ganzen woken Scheiß. Würde Merz mit den Grünen eine Regierung bilden, bliebe der grüne Kurs abwärts vielleicht nicht mehr ganz so steil, aber es würde Deutschlands Wohlstand noch immer aus der Kurve werfen. Noch im März waren für Merz die Grünen der „Hauptgegner“, jetzt will er eine Koalition mit den Giftgrünen nicht ausschließen. Zu seinen Gunsten kann allenfalls gemutmaßt werden, dass er für die SPD den Preis hochhalten will.

V.

Staatswirtschaft, Steuererhöhungen, Subventionen sind der Wesenskern der SPD-Politik. Die ehemalige Volkspartei der einfachen Leute hat die einfachen Leute verraten und verloren. Die SPD müsste sich erst einmal ihrer selbst besinnen und erneuern. An der Regierung klappt das nicht. Das hätte die Partei im Sturzflug auch nicht verdient. Der schwache Schwätzer Scholz ist für Merz der leichteste Gegner. Aber dann muss er auch Wahlkampf gegen ihn führen. Das Risiko, es mit ihm nach der Wahl zu tun zu bekommen, ist gering. Bei den Sondierungsgesprächen werden andere das Wort führen. Klingbeil, Pistorius, Kühnert, eine Frau wird auch dabei sein, vielleicht Faeser (grauenhafte Vorstellung). Aber grauenhafter sind Habeck, Baerbock und Lang als selbsternannte Erziehungsberechtigte der deutschen Bürger.

VI.

Fazit: Aus diesem Dilemma kommt Merz, oder wer auch immer Scholz im Amt nachfolgen wird, nicht heraus. Die Union kann und muss sich liberalen und konservativen Wählern öffnen, darf aber keine Koalition mit Rechtsaußen eingehen. Deshalb dürfte sie auch kein Bündnis mit Links-Grün oder Grün-Links in Aussicht stellen. Blöde Sache, so eine Demokratie. Es gäbe eine Lösung, zumindest theoretisch: Merz bildet eine Minderheitsregierung, sucht sich seine Mehrheiten von Fall zu Fall – dann darf er die fallweise Zustimmung der AfD nicht verschmähen. Dann verliert er zwar womöglich schneller die Macht, doch wenigstens wissen die Wähler dann, wofür die Union steht – und fällt. Gut für das Land wäre es auch. Aber dazu müsste Merz erst einmal mit der Mehrheit des Bundestags zum Kanzler gewählt werden – und nicht nur von Union und AfD. Wie auch immer man es betrachtet: Das Dilemma bleibt.


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Kommentare ( 133 )

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Imanuel
10 Monate her

Herr Merz ist in keinem Dilemma. Er ist wie Merkel Mitglied im Kanzlerwahlverein. Und ähnlich wie Merkel ist Herrn Merz gleichgültig, was politisch für Deutschland herauskommt. Hauptsache er wird Kanzler. Und er wird es werden.

Alf
10 Monate her

Der nächste Kanzler – wir nehmen hilfsweise an, er heißt Friedrich Merz – steckt schon jetzt in einem Dilemma. Es besteht aus der Notwendigkeit, koalieren zu müssen. Bloß mit wem?
Die Überlegung macht auch hilfsweise wenig Sinn.
Merz wird nicht Kanzler.
Wer mit den Grünen koalieren will, kann schon vor der Wahl abdanken.
Und wer Maßnahmen gegen die Rezession vorschlägt, ohne von der Ampel sofortigen Ausgabenstopp zu fordern, keine Vorschläge zur Gegenfinanzierung macht (man will ja keine grünen Projekte benennen), befindet sich noch weiter im Abseits.

Axel Fachtan
10 Monate her

Merz wird nichts von dem durchsetzen oder umsetzen können, was für Land und Leute wichtig wäre, weder vom Geistigen noch vom Materiellen her. Er steht für die Zersetzung des Landes durch Blackrock, NATO und CIA. In den Ländern will die CDU weiter mit grün regieren und von grünem Irrsinn regiert werden. Merz kann gegen den grünen CDU-Irrsinn in den Ländern nichts ausrichten. Seine einzige Machtoption ist es, den grünen CDU-Irrsinn auch im Bund an die Macht zu bringen. Deshalb Gute Nacht Deutschland. Was objektiv erforderlich wäre, um die Absturzgeschwindigkeit zu reduzieren, wird der grüne CDU-Irrsinn nicht zustandebringen. 1) Kernkraft her… Mehr

Retlapsneklow
10 Monate her

Immer wieder der Blick auf Führungsfiguren. Zu recht! Die Hierarchie der CDU ist überschaubar: Kohl war stärker als Merkel, Merkel war stärker als Merz. Merz, nur 3. Klasse, an dem sich die Matrosen Hendrik Wüst und Daniel Günther messen. Und Schäuble? Hat immer nur gedient. Auch andere Parteien haben keine herausragende Führungsfigur. Wagenknecht, an die man denken könnte, konnte sich in ihrer alten Partei nicht die Spitze setzen. Wenn sich Alice Weidel eines Tages umdreht, wird sie feststellen, dass sie der Steigbügelhalter des rechten Flügels war. Derzeit liegt die Gespaltenheit der AfD per Stillhalteabkommen auf Eis. Über Hans Georg Maaßen… Mehr

what be must must be
10 Monate her

Jede Äusserung aus den Reihen der AfD ist wohltuender Gesunder Menschenverstand. Und Sie schwadronieren hier über deren angebliche „Unfähigkeit zur Entdiabolisierung“?! Das verschlägt einem wirklich die Sprache!

hansgunther
10 Monate her

Es ist wichtig Herr Herles, meinen ersten „Beitrag“ von diesem Tage konnten Sie nicht akzeptieren und oder veröffentlichen. Zweiter Versuch. Es ist mir ein Rätsel, wie eine Person der „Öffentlichkeit“, seit Jahren journalistisch tätig, es nicht schafft, die „olle Kamelle“, siehe Karneval in Kölle, einfach mal hinter sich zu lassen. Wie kann es sein, daß ein Mann von Ihrem Intellekt, nicht mehr den Spagat von pseudodemokratischen Kartellparteien zur Realität schafft. Es ist nichts mehr da von der Bonner Republik, nichts nada niente. Es gibt nur noch Ideologen und Karrieristen, die Farben sind beliebig. Keiner der aktuellen Akteure hat Interesse an… Mehr

mapla54
10 Monate her
Antworten an  hansgunther

Heute wäre ich mal gerne wieder der untalentierte Heimwerker mit fünf Daumen an jeder Hand ! Kann meiner Zustimmung zu Ihrem Beitrag nur Zustimmung im Höchstmaß verleihen?…

WandererX
10 Monate her

Angesichts der vielen neuen Parteien reicht eine Merz- Wüst- CDU und FDP nicht aus, CDU plus SPD ist für alle unattraktiv: wäre also nur ein Schritt ins Konservative, was die CDU aber sicherlich nicht vor 2025 hinbekommt! Fazit: wieder mal wird die Kleinere Übel- Kanzlerpartei in 2025 gewählt! Wenn die CDU sich nicht etwas wirklich Mutiges einfallen lässt, also z.B. dem Söder die Kanzlerkandidatenrolle anzubieten und eine Dominanz der CSU -Positionen zu ertragen, bleibt es bei der Ampel. Mit Wüst und Günther wird das nichts. Auffällig ist ja die Nichtexistenz von Wüst in den grossen Debatten: will er auf Scholzomath… Mehr

Nibelung
10 Monate her

Dieser politische Versagertyp hält genauso wenig durch wie bei Merkel und wie die derzeitige Ampel, denn er wird von innen heraus durch die Linkslastigkeit abgesägt, während das politische Gegenüber von innen und außen gestärkt wird und das ist der Stoff aus dem die Träume für alle wahren Demokraten sind.

Dann ist es aus mit der sozialisitischen Herrlichkeit, die sich nahezu aller Parteien bemächtigt hat und ihrem Ende entgegengeht und Trump und die AFD die Garanten dafür sind, daß wieder alte Ideale auf dem Vormarsch sind, was kein Fehler ist, wenn man dadurch deren drastische Verfehlungen korrigieren kann.

Dr. Rehmstack
10 Monate her

Herr Herles berücksichtigt zwei Kräfte nicht und das nmM sehr zu Unrecht: Da ist zu einem das Protestpotenzial, das im Bürgergeld steckt. Gerade in den unteren Schichten und hier auch viele mit Migrationshintergrund bemerken, dass sie mit ihrer Hände Arbeit weniger haben als diejenigen, die jetzt neu zugewandert sind, die nicht arbeiten. Sie verstehen nicht, gegen wen eigentlich diese „gegen Rechts“ Demonstrationen gerichtet sind, sie sehen aber sehr genau, wem Wohngeld, Kindergeld und Unterhalt ohne Gegenleistung zu geschustert wird. Hier steckt ein enormes Wählerpotenzial, wenn das Bürgergeld noch deutlicher in die öffentliche Diskussion einbezogen würde. Und dann ist da noch… Mehr

Hinrich Mock
10 Monate her

Merz ist nicht der Mann, die auseinandergebrochen Bürgerlichen wieder zu integrieren, und die CDU ist nicht die Partei, der noch viel Vertrauen entgegengebracht wird. Das Schicksal der CDU wird sich in den dünnen Armen der SPD und/oder der Grünen entscheiden. Das wird schwierig, denn da ist ja auch noch die Realität.Und Duldung? Das hätte Herr Rhein in Wiesbaden vormachen können, aber dazu sah er sich außerstande. Taktiker sind sie wohl, bescheidene zumal, die bequemen CDU-Granden, aber Strategen sind sie nicht. Und originär konservative oder liberale Werte vertreten sie im Zweifelsfall auch nicht mehr.

Lars Baecker
10 Monate her
Antworten an  Hinrich Mock

30 Prozent in den Umfragen sprechen leider eine andere Sprache. Es ist mir unbegreiflich, wie dieser Zuspruch zustandekommt, aber er ist, im Moment jedenfalls, da. Anscheinend traut rund eim Drittel der Bevölkerung der CDU etwas zu. Ich frage mich halt nur: Was?

rolf
10 Monate her
Antworten an  Lars Baecker

Ich versuche mal eine Erklärung für die viel zu hohen Zustimmungswerte von CDU/CSU 1. Die einseitige Berichterstattung in den MSM lässt den „Wählern“ keine Alternative, die ihre Informationen ausschließlich aus diesen Quellen schöpfen. Eine toxische Partei, wie die AFD, fällt als Option automatisch weg…wer will schon ein Nazi oder gar eine Ratte sein? 2. Berücksichtigen Sie bitte darüber hinaus, dass die 30 % die Summe der Zustmmung aus CDU + CSU ist. 3. Panische und entsetzte Blockparteienwähler, eiern seit geraumer Zeit, fast schon sprunghaft, zwischen SPD, Grüne und CDU hin und her. Wie Ertrinkende greifen sie nach jedem Wrackteil. Massenpsychose… Mehr

thinkSelf
10 Monate her
Antworten an  Lars Baecker

Na das ist doch offensichtlich. Das die Union den Woke-Grünen mal ordentlich Beine macht. Denn Unionswählern geht die große Transformation einfach viel zu langsam voran.