Die Sau trägt Panamahut! Warum mich heute wirklich der Zorn packt.

Der kalte Atem der Geschichte weht in die Gegenwart hinein: Freibeuterei als Geschäftsmodell, Steuergewerkschaftler als Moralapostel und Finanzminister als die wahren Freunde der Bürger?

Was treibt die Menschheit seit jeher an? Gier und Neid. Mit unserer Durchschnittsgier, lieber Tichy, sind wir nicht sehr weit gekommen. Jetzt bleibt uns nur noch der Neid. Leider macht uns der Neid über die Gier der anderen blind für noch größere Schweinereien. An der aktuellen Sau, die durchs globale Dorf trabt, lässt sich das sehr schön sehen. Die Sau trägt einen Panamahut. Und der steht ihr gut.

I.

Die Metapher Steueroase kennt das Englische nicht. Der Engländer kennt sich besser aus und sagt Tax Haven. Gemeinerweise ist es dort, wo sich das Geld wohl fühlt, auch noch paradiesisch schön. In Oasen gibt es Kamele. Wenn es um die Steuer geht, sind die Kamele wir, die gewöhnlichen Steuerzahler. Nur sind unsere Oasen staubtrocken und taugen nicht einmal mehr zur Fata Morgana.

II.

Die Sache hat eher etwas mit der christlichen Seefahrt zu tun. Das Kapital liebt die Freiheit der Weltmeere. In alten Zeiten dominierte ein Geschäftsmodell, das rein zufällig auch dort entwickelt wurde, wo Panama, die Cayman Islands und die British Virgin Islands liegen: in der Karibik. Es waren Freibeuter wie Francis Drake und Henry Morgan, die in Wahrheit die Interessen europäischer Mächte, vor allem die Englands verfolgten. Sie kaperten mit Gold und Silber beladene spanische Schiffe und teilten die Beute. Nicht zuletzt ihnen verdankt England den Aufstieg zur weltumspannenden Seemacht. Wenn heute die meisten Steueroasen unter dem Schutz der britischen Krone stehen, dann sehen wir, dass eine gewisse Doppelmoral beste britische Tradition ist.

III.

Francis Drake hisste die schwarze Piratenflagge. Die Süddeutsche Zeitung den Wimpel der Moral. Diese Fahne flattert uns voran. Denn wir lieben die Gerechtigkeit über alles. Deshalb vergötzen wir Vater Staat einschließlich seiner Einzelfallgerechtigkeit. Und übersehen gern, was für ein gemeiner Sack Vater Staat ist. Nichts tut er gegen die Freibeuter. An uns hält er sich schadlos. Denn die meisten Briefkastenfirmen sind legal. Eine kleine, gar nicht feine Schicht von Großverdienern hat das unverdiente Privileg, die große Freiheit zu nutzen. Wir kleinen Scheißer dagegen werden vom Fiskus terrorisiert.

IV.

Hundsgemein an diesem Spiel ist, dass die #PanamaPapiere wieder einmal davon ablenken. Die größte Ungerechtigkeit könnte der Staat sofort beenden: die höhere Besteuerung der Arbeit gegenüber den Einkommen aus Kapitalvermögen. Wer nichts geerbt hat, keine Riesenboni verdient, nur sich selbst zu Markte tragen kann, wird dafür auch noch bestraft. Und die ganze Diskussion um Vermögenssteuer und Erbschaftssteuer könnte man sich sparen, wenn Kapitalrenditen so besteuert würden wie Arbeitseinkommen. Die Empörung der Parteien über die fernen Offshore-Paradiese ist verdammt scheinheilig.

V.

Nationalstaaten sind weder in der Lage noch Willens, die globalen Finanzströme zu kontrollieren. Ihre Ohnmacht und ihr Unvermögen nützt die global agierende Finanzindustrie mit ihren Law Firms, Hedge Fonds und Tax Havens. Eine neue Macht im Spiel sind Hacker, Whistleblower, global vernetzte Recherchenetzwerke.

Der Blogwart antwortet Wolfgang Herles
Schweine tragen keinen Panama-Hut
Sie arbeiten auf eigene Faust, im eigenen Interesse oder welcher Interessen auch immer. (Bettina Röhl hat es gerade auf dieser Seite beschrieben. Meisterspekulant Soros zählt zu den Finanziers der Moralgeschwader.) Es gibt kein Bankgeheimnis mehr, im Netz bleibt alles irgendwann einmal hängen. Nichts gegen mehr Transparenz. Aber der demokratischen Kontrolle und den Regeln des Rechtsstaats sind die Tugendschnüffler etwa so streng unterworfen wie früher die Piraten.

VI.

Die vermutlich in Cellokästen versteckten Milliarden des hierzulande höchst unpopulären Gospodin Putin oder das Chauffeursgehalt des höchst populären Herrn Rosberg sind das eine, aus meiner Sicht das geringere Ärgernis. Warum aber nehmen wir klaglos hin, wie wir Jahr für Jahr von Vater Staat zwangssolidarisiert und von beamteten Korinthenkackern drangsaliert werden? Schaltet der Neid auf die Freibeuter der Weltmeere unseren Verstand aus? Dass ein verkniffener Typ von der Steuergewerkschaft als Moralapostel durch die Talkshows ziehen darf, macht mich rasend. Finanzbeamte und Finanzminister sind unsere wahren Gegner, nicht ein paar dekadente Großverdiener.

VII.

Und dann die dümmste aller Legenden. Wegen der Briefkastenfirmen könnten bei uns nicht genügend Kitas und Straßen gebaut werden. Für wie blöde hält der gemeine Moralist eigentlich sich selbst? Der Neid des kleinen Mannes hat noch nie dazu geführt, dass er es einmal besser haben wird. Wer uns einkommenssteuerpflichtige Normal-Workaholics und Sozialversicherungszahler schleichend enteignet, sind nicht die Herren Mossack und Fonseca, sondern ehrenwerte Gesellschaften wie die Europäische Zentralbank, sind die Griechenland-Rettungspolitik der Großen Koalition, sind demokratisch gewählte Verschwender und Versager. Wir nehmen es achselzuckend hin.

VIII.

Wer befreit uns endlich vom deutschen Steuerunwesen? Von den Raubrittern in Amt und Würden? Statt ein Ende von Schikane, Regelwut und Enteignung zu fordern, verurteilen und beneiden wir die Freiheit anderer. Unser Neid tarnt sich als Moral. Wo aber weht die Fahne der Steuerrebellen?

Hätten wir etwas Gescheites gemacht, Tichy! Dann hätten wir jetzt auch eine Firma in der Karibik. In diesem Sinne stets Ihr
Wolfgang Herles

 

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